
Erstveröffentlichung: November 2017
Empfohlene Zitierweise: MEMO 1 (2017): Holz in der Vormoderne. Werk-Stoff, Wirk-Stoff, Kunst-Stoff. doi: 10.25536/2523-2932012017.
ISSN 2523-2932
Titelbild: Josef als Zimmermann
Robert Campin, Mérode-Triptychon (1425-1430); rechter Flügel (Ausschnitt)
Metropolitan Museum (NY), The Cloisters Collection
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Inhalt:
Holz als Geschichtsstoff
Das Materielle in den Dingkulturen
Die erste Ausgabe des Online-Journals MEMO ist der Forschungsperspektive Materialities des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (IMAREAL) gewidmet. An ihrem Ausgang steht das Desiderat, auf das eigentlich Materielle und Substanzielle der „Materiellen Kultur“ zu fokussieren und eine Eigensprachlichkeit des Materiellen ernst zu nehmen. Menschliche Akteure und Materialien stehen in vielfältigen Wechselwirkungsprozessen: Die Erforschung derselben ermöglicht ein tieferes Verständnis des Angebotscharakters von Stoffen und Substanzen in ihrer kulturell gefilterten Nutzungsbreite und der damit verbundenen Bewertung und Diskursivierung als soziale Ressource. Der Beitrag stellt zum einen die Forschungsperspektive vor, zum anderen wird in das Thema „Holz als Werk-, Wirk- und Kunststoff“ eingeführt, dem der erste Perspektiven-Workshop gewidmet war.
Sorge um Wald und Bäume als Kerngeschäft vormoderner Politik und Verwaltung
Das Beispiel der Schweizer Kleinstadt Zug
Am Beispiel der Schweizer Kleinstadt Zug lassen sich erhellende Einblicke in die Waldwirtschaft eines vormodernen Gemeinwesens gewinnen. Zahlreiche Fallbeispiele aus dem Verwaltungsalltag machen deutlich, dass eine korporativ-genossenschaftlich geprägte politische Ökonomie bestimmte ökonomische und soziale Zielsetzungen verfolgte. Das Management der Waldressourcen beruhte auf folgenden Determinanten: Auf Sachkenntnis abstellendes Handeln, haushälterischer Umgang mit den vorhandenen Gütern, Wissen um den unbedingten Bedarf nach sowie die Bereitschaft zu stetiger Erneuerung der Ressourcenbasis, ein nicht nur auf finanziellen Ertrag sondern auch auf praktische und soziale Zweckdienlichkeit fokussiertes Verständnis für den multiplen und changierenden Wertcharakter von Holzressourcen sowie eine Distributions- und Sanktionspraxis im Zeichen des Gemeinen Nutzens und zum Vorteil der legitimen Nutzerschaft.
Der hölzerne Bildträger in der Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts
Köln und Nürnberg
Am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, wurde jüngst der Bestand an fränkischer Malerei des Spätmittelalters technologisch untersucht. Ziel war u.a. die Darstellung der materiellen Genese der Gemälde: Deren Vergleich mit Werken anderer Entstehungsgebiete soll die Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte technologischer Merkmale sowie deren kunst- und kulturhistorische Hintergründe beleuchten. Grundlage für eine erste Gegenüberstellung bilden die Untersuchungsergebnisse zur Bildproduktion in Köln. Die dort entstandenen Gemälde unterscheiden sich von den Nürnberger Werken technologisch in vielerlei Hinsicht, weshalb anzunehmen ist, dass ihrer Herstellung unterschiedliche Bedingungen und Konventionen zugrunde lagen. Insbesondere der Blick auf den Bildträger führt zu neuen Überlegungen und Fragen bezüglich der Auswahl, Verarbeitung und Bewertung des Materials Holz.
Historische Holzartenauswahl in Österreich
Analysen in Museen, historische Literatur und moderne Prüfungen
Holz war in der Vergangenheit ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens. Er begleitete die Menschen als Brennholz, Bauholz oder Werkholz und wurde mit großem Wissen und viel Erfahrung eingesetzt. Man versuchte ihn optimal zu nutzen, das heißt Verluste bei der Verarbeitung so gering als möglich zu halten und jede Holzart ihren Eigenschaften entsprechend einzusetzen. Das Ziel unserer Arbeiten war nachzuweisen, welche Holzarten in der Vergangenheit in Österreich genutzt und wie diese eingesetzt wurden. In sechs österreichischen Museen wurden insgesamt 48 unterschiedliche Holzarten nachgewiesen und deren Eigenschaften auf Grund ihrer Verwendung beschrieben. Die am häufigsten verwendete und gleichzeitig universell eingesetzte Holzart ist die Rotbuche (Fagus sylvatica), gefolgt von Fichte (Picea abies). Doch es folgen schon rasch unerwartete Arten in der Reihenfolge...
Intentionale Verwendung von Eichen-Krummholz in Glockenstühlen des 15. und 16. Jahrhunderts
Beobachtungen in Thüringen
Wir kennen unterschiedliche Gründe für die Verwendung von Krummhölzern: So wurden diese wegen ihrer Form beim Bau von Schiffen, aber auch in Cruck-Dachwerken eingesetzt. Im Fachwerkbau kamen sie sogar gezielt als Zierde an Schaufassaden zum Einsatz. Die Verwendung von Krummhölzern in Glockenstühlen lässt jedoch noch einen anderen – bisher unbeachteten – Grund vermuten: Krummwüchsige Eichen wurden vornehmlich im Mittelalter für die lastableitenden Streben im Glockenstuhl eingesetzt. Könnte es daher sein, dass die Schwingungskräfte aus dem Geläut durch die Krümmlinge „abgefedert“ werden sollten und somit spezifische, statisch-konstruktive Materialeigenschaften die Verwendung begründen?
Holz zwischen Gelehrtenwissen und Praxiswissen in der Frühen Neuzeit
Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie ‚Materialwissen‘ am Beispiel von Holz generiert und vermittelt wird. Materialwissen, das heißt das Wissen über spezifische Eigenschaften von (Werk-) Stoffen, wird wie jegliches andere Wissen nicht kontextfrei erworben: Es entsteht im konkreten Umgang mit Objekten aus entsprechenden Materialien, in der Wechselwirkung zwischen dem menschlichen Akteur und dem jeweiligen Material. Dieser Wissenserwerb über Material ist letzt-endlich empirischer Natur und basiert auf der unmittelbaren Interaktion zwischen Menschen und Objekten. Zum anderen wurde und wird Materialwissen aber auch „objektfern“ vermittelt, wozu in der Vormoderne vor allem jegliche Form von Gelehrtenliteratur zu rechnen ist. In welcher Beziehung stand in der Frühen Neuzeit die Wissenswelt von Praktikern zu jener der Gelehrtengesellschaft? Gab es einen Austausch, und wenn...
Aufwertung oder Verschleierung des Materials?
Bildlich gestaltete Tischplatten in Spätmittelalter und Früher Neuzeit
Die Studie ist der Frage einer Materialikonologie bzw. einer Materialsemantik des Werkstoffes Holz im Möbelbau des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit gewidmet. Grundlage dafür ist wegen der spärlichen schriftlichen Quellenlage ein Vergleich von bildlich gestalteten Tischplatten, weil dies sich wegen der unterschiedlichen Gestaltungstechniken der Bemalung und Intarsien für eine Gegenüberstellung besonders gut eignet. So kann ein möglicher Unterschied im Umgang mit dem Werkstoff Holz und einer daraus resultierenden Wertigkeit der Möbel nachvollzogen werden. Um diese Analyse möglichst weit zu fassen, wird auch die zeitgenössische Rezeption anhand von Bildquellen berücksichtigt. Dies ergibt in der Summe einen Untersuchungsansatz zum Thema der Materialsemantik des Werkstoffes Holz, wie er in der historischen Möbelforschung bisher noch nicht vorgenommen worden ist.
Holzskulptur in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert?
Eine Spurensuche
Die kunsthistorische Forschung zur Bildhauerei im Zeitalter des Ancien Régime hat der Bildschnitzerei bislang wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Skulpturen und Plastiken, die im Umfeld der Académie Royale de Peinture et de Sculpture entstanden, wurden v.a. aus Marmor, Bronze oder Stuck gefertigt. Doch Bildhauerarbeiten aus Holz konnten sich im sakralen Raum weiterhin behaupten, wobei der materielle Charakter durch Fassung zumeist modifiziert wurde. Bedeutsam war der Werkstoff für Prunkmöbel und dekorative Innenausstattungen, wobei hier vor allem Exotik und materielle Vielfalt von repräsentativer Relevanz waren. Die Tätigkeitsfelder des Bildhauers J. Sarazin (1592–1660) und des Kunsttischlers A.-C. Boulle (1642–1732) zeigen unterschiedliche Facetten der künstlerischen Arbeit mit Holz auf und verdeutlichen unabhängig voneinander jeweils komplexe Gefüge aus Akademiedenken, institutioneller Einbindung und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Holzbildhauerei war im...