Rechenbeispiele als Spiegel sozialhistorischer Entwicklungen im 15. und 16. Jahrhundert

Abb. 3: Die genannten Städte im Rechenbuch von Robert Recorde

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Norbert Hunor Orbán
Michaela Wiesinger
Erstveröffentlichung: 08.2024
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GND-Verschlagwortung: Rechenbuch | Handel | Neuzeit | Mittelalter | |
Übersicht Abbildungen

Abstract

Rechenbücher dienen im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit als wichtige Ausbildungs­grundlage für Kaufleute. Sie vermitteln allerdings nicht nur mathematisch relevantes Wissen, sondern fungieren auch als Träger von Zeitgeschichte, da gerade in den Rechenbeispielen über die Erwähnung von Währungen, Handelsrouten und -gütern ein starker Fokus auf lokale Gegebenheiten zu beobachten ist. In diesem Aufsatz werden, basierend auf einem exemplarischen Korpus handgeschriebener und gedruckter Rechenbücher des 15. bis 16. Jahrhunderts, der dortigen Erwähnung von Städten und der damit verbundenen Handelsrouten, die zeithistorischen Bezüge genauer analysiert.

Zu diesem Artikel existiert eine Episode des begleitenden Podcasts “Sonic Trinkets”:

 

 

Abstract (englisch)

Reckoning books are an important tool for teaching traders and merchants in the Late Middle Ages as well as the Early Modern Period. They not only teach knowledge that is relevant for understanding mathematics but also function as carriers of contemporary history. Especially reckoning examples focus strongly on local realities when currencies, trading routes, and trading goods are mentioned. This paper seeks to test this hypothesis based on an exemplary corpus of handwritten and printed reckoning books from the 15th until the 16th century. The mentioned cities and their connected trading routes will be the basis for this study which seeks to study the contemporary references within these textbooks for practical arithmetics.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

Mit der Etablierung der Rechenschulen im deutschsprachigen Gebiet am Ende des 15. Jahrhunderts begann die Zeit der Rechenmeister. Adam Ries ist heute noch der bekannteste unter ihnen und wurde zur sprichwörtlichen Autorität in Sachen Rechnen. Seine Rechenbücher, die das Rechnen mit ‚Stift und Zettel‘ sowie ‚auf der Linie‘ (auf dem Rechentisch) vermitteln,1 wurden wiederholt überarbeitet, vielfach aufgelegt und gelten als ‚Bestseller‘ der Mathematikdidaxe. Doch Adam Ries war bei Weitem nicht der einzige Rechenmeister, der sein eigenes Lehrbuch verfasste. Ganz im Gegenteil: Genaue Zahlen zur Menge an (deutschsprachigen) Rechenbüchern des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit gibt es leider noch immer nicht, doch es müssen hunderte verschiedene Texte sein, die sich der Vermittlung der Mathematik annahmen;2 vor allem, wenn man die handgeschriebenen Quellen hinzunimmt.3 Die Fülle an Quellen ist der Relevanz des Gegenstandes geschuldet: Gut und rasch rechnen zu können, wurde zu einer Notwendigkeit angesichts des aufkeimenden (Fern-)Handels, der wachsenden Städte und der damit in Zusammenhang stehenden gesellschaftlichen und sozialen Etablierung der Kaufmänner und Händler. Rasches und sicheres Rechnen war vor allem über die Kenntnis und Anwendung der indisch-arabischen Zahlen und dem damit in Verbindung stehenden Stellenwertsystem möglich, das im Europa des 14. bis 16. Jahrhunderts4 auch abseits des lateinisch geprägten akademischen Raums die Mathematik zu dominieren begann. Das gesteigerte Interesse des Bürgertums an diesem Wissen führte ab dem 15. Jahrhundert verstärkt zu volkssprachlichen Quellen, die über die Etablierung des Buchdrucks fast unüberschaubar wurden. Hier steht inhaltlich aber nicht so sehr die theoretische Weiterentwicklung der Mathematik im Zentrum, sondern die praktische Vermittlung des Rechnens, das geschickte Manipulieren der indisch-arabischen Zahlen (auch in Kombination mit dem noch immer in Anwendung befindlichen Rechenbrett) und die Ausformulierung vieler praxisorientierter Beispiele aus dem Bereich des Handels und der Kaufmannschaft.5
Diese Rechenbuchtradition fußt auf der ‚Mutter‘ aller Rechenbücher, dem Liber Abaci des Leonardo von Pisa († 1240), genannt Fibonacci, der im frühen 13. Jahrhundert sein Lehrbuch zu den indisch-arabischen Zahlzeichen und deren Verwendung im Stellenwertsystem verfasste und damit nicht nur maßgeblich zur Verbreitung dieser neuen Kulturtechnik des Rechnens mit Stift und Zettel in Europa beitrug, sondern auch die Struktur des Rechenbuchs als Mathematiklehrbuch für den praktischen, alltäglichen Gebrauch prägte wie kein anderer.6 Sein Buch war ein genreprägender Text, aus dem noch Jahrhunderte später Beispiele übernommen oder nachgeahmt wurden. Auch die deutschsprachigen Rechenbücher des 15. und 16. Jahrhunderts geben noch Beispiele aus dem Liber Abaci wieder, wenngleich nicht immer treu der Vorlage, sondern in abgewandelter Form, wie später gezeigt wird. Gerade diese Abhängigkeit der Texte voneinander, das Faktum, dass der Liber Abaci als Vorlage für spätere Rechenbücher diente, die wiederum von anderen Rechenmeistern als Grundlage für deren Überarbeitungen herangezogen wurden, ermöglicht es die Frage zu stellen, auf welche Art und Weise Rechenbücher als kulturhistorische ‚Quelle‘ fungieren können. Ein Rechenbuch ist wie andere Lehrtexte zunächst dazu da, Inhalte zu transportieren, die den Lernenden eine bestimmte Kompetenz vermitteln: Wie im Stellenwertsystem die Addition funktioniert, sollte daher unabhängig vom Jahrhundert aus allen dieser Texte erlernbar sein und sich nicht zu sehr von Rechenbuch zu Rechenbuch unterscheiden, da die Praxis des Addierens sich seit Fibonacci kaum oder gar nicht verändert hat. Dennoch sehen wir gewaltige Unterschiede zwischen den Rechenbüchern im Laufe der Jahrhunderte; noch heute können wir Mathematikschulbücher als moderne Varianten der populären Rechenbuchtradition identifizieren, die jedoch nur noch strukturell und in den jeweiligen Rechenverfahren mit ihren Vorläufern vergleichbar sind, sich jedoch sprachlich, inhaltlich und vor allem in ihren außertextuellen Verweisen völlig von ihren Vorlagen losgelöst haben. Es stellen sich somit die Fragen, wie viel Aktualisierung ein Lehrtext braucht, um von den Lernenden verstanden zu werden und ob diese Aktualisierung Auskunft über die kulturellen, sozioökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Abfassungszeit geben kann. Kurzum: Führt die Tatsache, dass u. a. Währungen, Handelspartner, Handelsgüter, Handelswege oder die Verfügbarkeit von Waren (Kriege, Hungersnöte etc.) immer in Fluktuation begriffen sind, zu raschen Aktualisierungen in den Rechenbüchern und können jene daher unter Umständen als ‚Quelle‘ für derartige Informationen gelesen werden? Diese These baut darauf auf, dass gerade im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit Kaufmannssöhne und -töchter die wichtigste Klientel der deutschen Rechenschulen waren, die anhand der dort präsentierten Lernunterlagen auf ihre künftigen Berufe vorbereitet wurden.7 Die in den Rechenbüchern dokumentierten Beispiele zeugen von einem Schwerpunkt auf Handelstransaktionen, Warentausch, Bankgeschäften und Währungsumrechnungen – Informationen, die für angehende/r Händler*in nützlich sein werden. Das Rechenbuch muss auf aktuelle Gegebenheiten reagieren, da es ansonsten von den Rechnenden nicht verstanden wird, der Wissenshintergrund8 muss für die Nutzer*innen derselbe sein, um als Lehrwerk tatsächlich gebraucht werden zu können. Genau das bedeutet allerdings – und diese These gilt es in dieser kleinen Studie exemplarisch zu überprüfen –, dass ein Rechenbuch im Sinne des „embodied knowledge”9 Zeuge von kulturhistorischen Vorgängen sein kann und damit Auskunft über die Zeit gibt, in der es entstanden ist.
Rechenbücher sind nicht mit Quellen wie Rechnungsbüchern oder Stadtrechnungen gleichzusetzen, da ihnen als Lehrwerke, deren erstes Ziel die Belehrung der Rechnenden und nicht das Festhalten von Fakten ist, immer ein stärkerer Grad an Fiktionalität innewohnt. Beispiele werden kreativ ausformuliert, Angaben zu Währungen, Gütern oder dem Handelsprozess werden an bestimmte Schwierigkeitsgrade angepasst, die Schreiber geben ihre subjektiv geprägten Versionen von Geschehnissen wieder, sei es in Paratexten oder in den Rechenbeispielen selbst. Dennoch muss das Rechenbuch, wenn es verstanden werden möchte, aktuell sein; diese potenziellen Aktualisierungen und ihre historische, textinhärente und auch textsortenprägende Relevanz stehen nun im Zentrum unserer Aufmerksamkeit.
In einem ersten Schritt wird eine Reihe von Rechenbüchern in den Blick genommen, von denen über mathematikhistorische Forschung bekannt ist, dass sie aufeinander aufbauen bzw. dass große Elemente eines Textes für eine ‚Neufassung‘ oder ‚Umschrift‘ eines neuen Buches verwendet wurden; eine inhaltliche Abhängigkeit der Texte voneinander kann somit vorausgesetzt werden und die Frage beantworten, inwieweit die Lehrbücher voneinander differieren bzw. inwiefern die Neubearbeitungen Rücksicht auf zeithistorische Gegebenheiten nehmen, um das Verständnis der Lerninhalte zu gewährleisten. Überprüft wird diese These zunächst exemplarisch anhand einer simplen Variable: der Nennung von Städten innerhalb der Rechenaufgaben und der damit evozierten Handelsrouten innerhalb eines Marktbereiches.
In einem zweiten Schritt werden drei Rechenbücher analysiert, die unabhängig voneinander entstanden sind, jedoch zur gleichen Zeit verfasst wurden. Es handelt sich dabei um die Rechenbücher von Robert Recorde,10 Christoff Rudolff11 und Johann Podtler.12 Alle drei Lehrbücher wurden im 16. Jahrhundert gedruckt und sind von ihrem Aufbau her ‚klassische‘ Rechenbücher, die nicht nur die Kunst der Mathematik vermitteln wollen, sondern überdies vor allem die Kaufmannschaft mit Hilfe von vielen Beispielen zum Warenver- und einkauf, zu Umrechnungen und Zinsrechnungen belehren. Alle drei Bücher wollen dasselbe und funktionieren daher wie alle Rechenbücher dieser Zeit: Sie lehren Mathematik, genauer, das Manipulieren von Zahlen mit Hilfe von Stift und Zettel. Doch wurden sie in verschiedenen kulturellen und kaufmännischen Kontexten verfasst, was sich auch hier anhand der Nennung von Handelsstädten und -routen zeigen sollte.
Ein letzter Analyseteil wird auf zwei Warengruppen (Viehhandel aus Ungarn, Tuchhandel nach Ungarn) fokussieren und möchte zeigen, dass die in den Rechenbeispielen vorgestellten Waren und die Wege, über die sie gehandelt werden, auf historischen Fakten beruhen und den zeitgenössischen Handel sowie dessen Prozesse abbilden. Überprüft wird dies anhand der Rechenbücher von Christoff Rudolff und Johann Podtler mit Hilfe von Sekundärquellen aus der Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

2. Ein Rechenbuch und dessen Vorlagen

Doch zunächst soll die Rechenbuchtradition, die direkt auf Fibonaccis Liber Abaci aufbaut und strukturell die praktische Mathematik prägt, die im deutschsprachigen Raum des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit unterrichtet wird, genauer analysiert werden. Dazu werden nicht nur der Liber Abaci, sondern auch die darauf basierenden Lehrwerke wie der Algorismus Ratisbonensis, das Bamberger mathematische Manuskript, das Wiener Rechenbuch, das Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner sowie Johann Widmanns Behende und hubsche Rechenung in den Blick genommen. Die leitende Forschungsfrage ist, inwiefern eine Aktualisierung der Lehrwerke, eine Anpassung der Vorlagen an zeitgenössische Gegebenheiten festgestellt werden kann. Dies soll anhand einer ‚Variable‘ innerhalb aller Texte untersucht werden: Die Städte und Wege, die in den Beispielen genannt werden, spiegeln das Handels- und Entstehungsumfeld der Rechenbücher wider und sollten innerhalb der gesamten Überlieferungstradition entsprechend variieren.

2.1 Leonardos von Pisa Liber Abaci

Leonardo von Pisa genannt Fibonacci war Bürger der Stadt Pisa, wuchs allerdings in der damaligen Stadt Bugia (heute Bejaia, Algerien) auf13 und kam dort auch zum ersten Mal mit den indisch-arabischen Zahlen in Kontakt. Sein Vater ermöglichte ihm diverse Studienreisen, deren Stationen u. a. Ägypten, Syria14 und Byzanz waren – Gebiete, die in den Rechenbeispielen seines 1202 verfassten Liber Abaci immer wieder auftauchen und somit bereits hier die Relevanz zeitgenössischer bzw. personenbezogener Daten im Lehrkontext aufzeigen. Fibonacci war nicht nur im Rechnen mit den ‚neuen‘ indisch-arabischen Ziffern bewandert, sondern hatte auch Erfahrung mit Geometrie und Algebra; auch diese Wissensbereiche werden im Liber Abaci abgehandelt. Sein mathematisches Wissen baute auf den Werken des persischen Rechenmeisters Abu Abdallah Muhammad ibn Musa al-Khwarizmi15 († 835/850) auf. Leonardos Ziel war es jedoch, das gesamte mathematische Wissen seiner Zeit festzuhalten und das vor allem für Kaufmänner hilfreiche Rechnen16 mit den indisch-arabischen Zahlzeichen zu etablieren.17 Der Liber Abaci beinhaltet Themen wie Geschäftsmathematik und Handel, Währungstausch, Berechnungen und Umrechnungen von Gewichten, Gesellschaftsrechnungen, Geldleihe, Investitionsrechnungen und Zinsrechnungen.18 Viele der praktischen Aufgaben zu diesen Themen werden noch Jahrhunderte später wieder aufgegriffen und finden sich auch in frühneuzeitlichen Rechenbüchern des deutschsprachigen Gebiets wieder.19

2.2 Der Algorismus Ratisbonensis

Mitte des 15. Jahrhunderts20 entwickelte sich in Bayern im Kloster St. Emmeram, unweit der bedeutenden Handelsstadt Regensburg, ein Zentrum für mathematisches Wissen, in dem theoretische und praktische Mathematik gelehrt wurde.21 In dieser Zeit, genauer zwischen 1450 und 1461, entstand der Algorismus Ratisbonensis, ein deutsch/lateinisches Rechenbuch, dessen Verfasser nicht bekannt ist.22 Der Algorismus Ratisbonensis ist noch heute in mindestens sechs Handschriften überliefert23 und diente lange als Vorlage für andere Rechenbücher.24 Er ist in drei Teile strukturiert: Der erste und der zweite Teil setzen sich mit den ganzen Zahlen und dem Bruchrechnen auseinander,25 den dritten und umfangreichsten Teil bildet die sogenannte practica, eine Aufgabensammlung in lateinischer, deutscher oder gemischter Sprache,26 von der ein großer Teil aus dem Liber Abaci übernommen wurde.27

2.3 Das Bamberger mathematische Manuskript

Der praktische Teil des Bamberger mathematischen Manuskripts,28 das 1460 entstand,29 baut auf der practica des Algorismus Ratisbonensis30 auf.31 Im Unterschied zum Liber Abaci und dem Algorismus Ratisbonensis fehlt im Bamberger Manuskript die Einführung in das Rechnen mit den ganzen Zahlen, es fokussiert ganz auf das Bruchrechnen.32 Im praktischen Teil findet man wie bei den Vorlagen neben Gesellschafts- und Unterhaltungsmathematik die zu erwartenden Aufgaben zu Handels-, Waren- und Geldströmen, Umrechnungsaufgaben sowie Arbeitszeit- und Lohnberechnungen.33

2.4 Das Wiener Rechenbuch: Ars Arithmetica

Das in der Österreichischen Nationalbibliothek liegende Wiener Rechenbuch mit der Signatur Cod. 3029 umfasst 74 beschriebene Blätter und enthält ein Rechenbuch, dessen Herkunft unklar ist und grob auf die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert werden kann.34 Die Handschrift ist wie ihre Vorgänger ebenfalls wie ein ‚klassisches‘ Rechenbuch aufgebaut: Nach der Einführung in die indisch-arabischen Ziffern und das Rechnen mit ganzen Zahlen und Brüchen folgen die Aufgaben zur Kaufmannsmathematik, die einen großen Teil des Manuskripts umfassen. Für das Wiener Rechenbuch diente der Algorismus Ratisbonensis als unmittelbares Vorbild: Der Aufbau des Rechenbuchs ist nahezu identisch und 18 Rechenbeispiele aus dem Wiener Rechenbuch stimmen exakt mit dem Algorismus Ratisbonensis überein.35

2.5 Das Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner

Beim Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner, Rechenmeister zu Bamberg, handelt es sich um einen Wiegendruck vom Bamberger Drucker Heinrich Petzensteiner aus dem Jahr 1483. Ulrich Wagners Rechenbuch hat den Algorismus Ratisbonensis als direkte Vorlage,36 aus dem in etwa 30 Aufgaben mit teils kongruenten, teils adaptierten Zahlenwerten übernommen wurden.37 Ulrich Wagners Rechenbuch war zwar kein kommerzieller Erfolg, aber es war die erste Drucklegung eines Buches dieser Art, das auch durch die Verwendung der deutschen Sprache und die gesteigerte Vervielfältigungsmöglichkeit eine breitere Masse ansprechen sollte und auch tat. Dass mathematisches Wissen auf Deutsch durch den Buchdruck vervielfältigt wurde, zeugt davon, dass diese Inhalte zur Abfassungszeit des Wagner’schen Rechenbuchs auch für volkssprachliche Rezipient*innen relevant waren.38 Besonders hervorzuheben ist die große Ähnlichkeit mit dem Wiener Rechenbuch, was entweder auf eine verlorene gemeinsame Quelle beider Texte oder eine direkte Abhängigkeit der beiden Rechenbücher voneinander schließen lässt.39

2.6 Johannes Widmanns Behende und hubsche Rechenung

Im Jahr 1489 veröffentlichte Johannes Widmann sein deutschsprachiges Rechenbuch in Leipzig, das dort von Konrad Kachelofen gedruckt wurde. Widmann konnte bei seinem Lehrbuch mehrere Rechenbücher und Aufgabensammlungen als Quellen nutzen. Zu diesen gehörten der Algorismus Ratisbonensis sowie das Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner.40 Dieses Rechenbuch ist im Gegensatz zu seinen Vorlagen um einen Abschnitt erweitert, der sich mit Geometrie und Feldmesskunst beschäftigt. Widmanns Leistung liegt daher vor allem in der Ausweitung des Lehrstoffes: Er fügt Beispiele und Proberechnungen hinzu und ergänzt die Proportionslehre. Obwohl die Rechenbücher von Widmann und Wagner zeitnah entstanden sind, übersteigt Johannes Widmanns Rechenbuch das Bamberger Rechenbuch in Umfang und Informationsmenge signifikant und ist richtungsweisend für die Mathematikdidaxe des 16. Jahrhunderts.41
Der Liber Abaci fungiert grob gesagt für alle vorgestellten Handschriften und Drucke als ‚Urquelle‘. Obwohl unser Korpus nahezu eine über zweihundertjährige Tradition aufweist, bedienen sich die Texte eines ähnlichen Pools an Rechenaufgaben, die mit der Zeit adaptiert und aktualisiert wurden und letztlich auf Fibonaccis Rechenbuch zurückzuführen sind. Für den deutschsprachigen Raum war vor allem der Algorismus Ratisbonensis maßgeblich für den weiteren Wissenstransfer verantwortlich.42 Das Wiener Rechenbuch und das Bamberger Rechenbuch enthalten idente Beispiele und auch einige Aufgaben vom Algorismus Ratisbonensis wurden direkt kopiert. Johannes Widmann übernahm nicht weniger als 70 Aufgaben aus dem Algorismus Ratisbonensis;43 im Bamberger mathematischen Manuskript sind es ein Fünftel aller Rechenbeispiele.44
Die folgende Analyse dieser miteinander verwandten Rechenbeispiele geht von der Annahme aus, dass dem Rechenbeispiel als Textsorte45 ein fiktionales Element innewohnt, das jedoch nicht stabil ist: Der Fiktionalitätsgrad mancher Beispiele variiert je nach Inhalt und Thema und kann von völlig erfunden bis hin zu ganz aus der Lebensrealität der Rechnenden gegriffen reichen. Um dies nachvollziehen zu können wurden alle Nennungen (mit Ausnahme von Städtenamen in Kombination mit einer Währungs-, Maß- oder Gewichtseinheit, z. B. pisanischer Zentner oder zypriotischer Bezant) gesammelt und Karten erstellt, in denen die Häufigkeit der Erwähnungen durch verschiedene Farbintensitäten und Größen repräsentiert werden.
Beim Liber Abaci des Leonardo von Pisa46 kann auf den ersten Blick erkannt werden, dass in den Rechenbeispielen ein Schwerpunkt auf dem Handel zur See liegt: Konstantinopel wird am häufigsten genannt, dort werden den Rechenbeispielen nach v. a. luxuriöse Güter wie Perlen oder Öl erworben.47 Auch Alexandria wird im Liber Abaci häufig erwähnt und könnte daher unserer These folgend zu Lebzeiten Leonardos ein wichtiger Handelspartner der Pisaner gewesen sein: In den Beispielen geht es um den Kauf von Gewürzen wie Pfeffer, aber auch um luxuriöse Färbemittel und Stoffe wie Brasilin oder Leinen. Der Handelskontakt zwischen den Städten Alexandria und Konstantinopel wird im Rahmen der Aufgaben ebenfalls erwähnt.48 Am dritthäufigsten wird die Heimatstadt Fibonaccis, Pisa, namentlich genannt. Diese häufige Inkludierung des eigenen Lebens- und Handelsumfelds ist keine Überraschung und im Übrigen nicht nur im Liber Abaci festzustellen, sondern kommt in allen analysierten Rechenbüchern vor. Städte, die nur ein- bis zweimal genannt werden, sind u.a. Florenz, Lucca, Rom, Messina, Palermo, Ceuta oder Bejaia. Anhand der Rechenbeispiele im Liber Abaci kann ein potenzieller Wirkungsraum eines pisanischen Kaufmanns um 1200 nachgezeichnet werden. Im Fokus steht hier der Handel zur See; in den Rechenbeispielen fungiert Konstantinopel als wichtigster Handelspartner. Der potenziell große Handelsraum wird auch durch die Vielzahl an Währungs- und Maßumrechnungsbeispielen deutlich, die Leonardo von Pisa anbietet. Dabei steht verstärkt das Umrechnen von Pisanischen Währungseinheiten in jene der Gebiete nördlich der Alpen und Genuas im Vordergrund, aber auch Währungs,- Gewichts- und Maßeinheitsumrechnungen für Bologna, Barcelona, Palermo oder die arabische Welt werden im Liber Abaci aufgegriffen.49

Im Algorismus Ratisbonensis,50 der 250 Jahre später auf den Liber Abaci Bezug nimmt, bietet sich uns ein stark verändertes Bild. Es wurde an die Bedürfnisse der oberdeutschen Kaufmannschaft angepasst: Handelsstädte, die bei Leonardo essentiell waren, spielen keine bedeutende Rolle mehr, dafür werden Städte im mitteldeutschen Raum entlang von Straßen und Flüssen, an denen Handel betrieben werden kann, relevant. Es lässt sich also eine Adaptierung und Aktualisierung von Rechenbeispielen im Algorismus Ratisbonensis beobachten, die sich eindeutig an oberdeutsche Kaufleute richtet: Städte wie Nürnberg, Köln und Wien werden wichtig und Venedig als norditalienisches Handelszentrum, über das Waren aus dem Süden über die Alpen gelangen, wird in acht Beispielen explizit erwähnt.51

Aufbauend auf Reisezeitberechnungen im Liber Abaci adaptieren das Bamberger mathematische Manuskript52 und das Rechenbuch von Johannes Widmann53 ein Beispiel, in dem ein Schiff von Alkaier54 nach Konstantinopel fährt. Dies deutet darauf hin, dass wenige Beispiele, in denen bekannte, historisch wichtige Städte wie Konstantinopel im Zentrum stehen, auch in der spätmittelalterlichen practica aufgegriffen werden und wohl den Status eines ‚klassischen‘ oder auch kanonischen, wenngleich lebensfernen Rechenbeispiels hatten.55 Diese Aufgabe spiegelt als einzige das Wirkungsgebiet der Rechenbeispiele des Liber Abaci wider.56 Andere Aufgaben, bei denen es um Reisen geht, werden stark verändert und an lokale Gegebenheiten angepasst: In einem Widmann’schen Reisebeispiel wird der Weg von Leipzig bis nach Zwickau errechnet, wobei ein Zwischenstopp in Altenburg mit berücksichtigt wird.57 Gleichzeitig ist der Großteil der Aufgaben allerdings in Hinblick auf deren Vorlagen kaum wiederzuerkennen und operiert mit lokalen und zeitgenössisch relevanten Bezügen.
Eine weitere Adaptierung, die notgedrungen äußeren Einflüssen geschuldet ist, ist bei den Währungsumrechnungen zu erkennen. Ein umfangreiches Wissen über Währungs-, Maß- oder Gewichtseinheiten aus dem byzantinischen oder arabischen Raum ist für den oberdeutschen Kaufmann nicht notwendig. Daher bieten die deutschsprachigen Rechenbücher hauptsächlich Rechnungen mit dem rheinischen und ungarischen Gulden sowie dem Dukaten, dem Schilling, dem Heller und dem Pfennig an.58
Es lassen sich z. B. im Algorismus Ratisbonensis Städte wie Regensburg, Nürnberg und Venedig als mögliche Zentren des Handels ausmachen. Vor allem die Bedeutung Venedigs wird durch die höchste Anzahl an Nennungen hervorgehoben: Venedig dient als Beispiel für den Handel mit Luxuswaren wie Pfeffer,59 Ingwer,60 Nelken,61 Safran62 und auch Gold,63 übernimmt daher die Rolle, die bei Fibonaccis Liber Abaci Konstantinopel und Alexandria innehatten, und kann als Tor für den Fernhandel verstanden werden, wenngleich in den deutschsprachigen Rechenbüchern die Waren nicht mehr direkt mit dem Schiff aus dem Orient geholt werden, sondern der Handel ‚zweiter Hand‘, also im Weiterverkauf, relevant wird.
Städte werden auch immer wieder gemeinsam genannt und lassen auf diese Weise eine mögliche Achse für den Handel erkennen. Diese Städtepaarungen können sich von Rechenbuch zu Rechenbuch unterscheiden, wobei wohl auch hier die äußeren Bedingungen direkten Einfluss auf die Rechenbeispiele hatten: Im Algorismus Ratisbonensis finden wir Umrechnungsbeispiele in Bezug auf das Ellenmaß in verschiedenen Städten wie Regensburg, Nürnberg und Innsbruck.64 Auch Wertsteigerungs- bzw. Wertverlustbeispiele z. B. zwischen Venedig, Nürnberg und Köln finden sich in den Texten, da ein Pfund in Venedig nicht gleich viel wog wie in Nürnberg oder Köln und somit auch der Wert der Waren variierte.65 Im Bamberger mathematischen Manuskript werden ebenfalls mögliche (Handels-)Verbindungen zwischen Venedig, Nürnberg, Köln und Regensburg hergestellt, wenn vorgerechnet wird, was die Einheit ‚Zentner‘ in den verschiedenen Städten bedeutet.66

Sowohl im Bamberger mathematischen Manuskript, dem Wiener Rechenbuch67 und dem Bamberger Rechenbuch68 von Ulrich Wagner ist die Stadt Innsbruck von Bedeutung, die in verschiedensten Beispielen mit Nürnberg und Venedig in Verbindung gebracht wird und damit eine mögliche ‚Handelsachse‘ Nürnberg–Innsbruck–Venedig impliziert, die für alle drei Rechenbücher bzw. -umfelder relevant gewesen sein könnte.69
In allen deutschsprachigen Rechenbüchern unseres Korpus ist ein starker Fokus auf Städte aus dem deutschsprachigen Raum zu erkennen; aber auch Eger70 (tschech. Cheb) und Preßburg71 (slovak. Bratislava) werden immer wieder in den Rechenbeispielen erwähnt und lassen die These zu, dass es sich hier – wie bei Venedig – um wichtige Handelsorte für deutsche Kaufmänner gehandelt haben könnte. Auch werden – und das stützt diese These, dass es sich um Orte des Warenumschlags handelt – diese Städte oft in Verbindung mit spezifischen Waren oder einer anderen Stadt genannt: So wird Eger mit dem Zinn- und Pferdekauf in Verbindung gebracht.72 Preßburg wird im Wiener Rechenbuch und dem Bamberger Rechenbuch in Bezug auf den Tuchhandel erwähnt.73 Auch Köln und Wien bzw. Köln und Ofen werden im Algorismus Ratisbonensis, wenn es um den Tuchhandel geht, gemeinsam erwähnt und lassen daher den Schluss zu, dass vor allem Köln für den Tuchhandel im 15. Jahrhundert historisch eine wichtige Rolle gespielt haben könnte.74

Der Liber Abaci, geschrieben in Pisa, in einer Stadt, die über ihre Anbindung zum Mittelmeer einen weiten Handelsraum und auch Fernhandel in den Osten über Konstantinopel und Ägypten zulässt, bildet einen umfassenden und auch umfassend verfügbaren Raum für Kaufmänner in seinen Rechenbeispielen ab. Der Fokus beschränkt sich nicht auf einen kleinen Ausschnitt des europäischen Festlandes, wie dies bei den spätmittelalterlichen deutschsprachigen Rechenbüchern der Fall ist, sondern umschließt den gesamten Mittelmeerraum und nimmt auch auf dessen Währungen, Einheiten und Handelsgüter Bezug. Natürlich kann vermutet werden, dass der weitgereiste Fibonacci hier seine Biographie einfließen ließ, doch zeugt dies nicht weniger davon, wie groß der berufliche Interaktionsbereich eines italienischen Kaufmannssohns im 13. Jahrhundert war.
Anders die auf den Liber Abaci aufbauenden Texte: Zunächst übernehmen sie nicht das umfassende Wissen der Vorlage, die auch Algebra, Geometrie und allgemeine Mathematik unterrichtet, sondern konzentrieren sich völlig auf die Vermittlung des Rechnens mit den indisch-arabischen Zahlzeichen und dem Stellenwertsystem;75 so grenzen sie den Wirkungsbereich auf die kaufmännische Praxis ein. Der Mittelmeerraum verliert völlig an Bedeutung, die Aufgaben konzentrieren sich hauptsächlich auf Städte im deutschsprachigen Mitteleuropa und zeugen darüber hinaus von kommerziellen Verbindungen zum heutigen Italien, Ungarn und Tschechien, Handelsrouten, die sich auch anhand der Sekundarquellen belegen lassen.

3. Das Rechenbuch als Genre im detaillierten Vergleich

Die nun zu untersuchenden Rechenbücher von Robert Recorde, Christoff Rudolff und Johann Podtler zeigen keine direkte Abhängigkeit voneinander, folgen im Aufbau ihrer Rechenbücher allerdings einer Struktur und einem inhaltlich-didaktischen Fokus, der im 16. Jahrhundert für derartige Texte üblich war, da diese Textsorte bereits fest etabliert und in Europa weit verbreitet war.
Drei dieser gedruckten Rechenbücher, die hunderte Kilometer voneinander entfernt verfasst wurden, sollen abermals die Frage beantworten, inwiefern zeitgenössische, lokale Gegebenheiten den Inhalt dieser didaktischen Texte bestimmen. Auch hier soll das zunächst anhand der Analyse und dem Vergleich der erwähnten Städte passieren, welche den Schluss auf einen potenziell relevanten Handelsraum zulassen, der für die Autoren und die Rezipierenden dieser Rechenbücher relevant war.
In einem letzten exemplarischen Analyseschritt sollen darüber hinausgehend auch andere Variablen in den Blick genommen werden: Konkret handelt es sich um eine kleine Gruppe von Rechenbeispielen, die den Handel mit bestimmten Waren zum Inhalt haben und anhand derer der ‚Fiktionalitätsgrad‘ der Beispiele über die angegebenen Handelswege überprüft werden soll.

Robert Recorde (1510–1558) war ein englischer Mediziner und Mathematiker und brachte erstmals die moderne Arithmetik, Algebra und Geometrie nach England, um sie der englischsprachigen Gesellschaft zugänglich zu machen. Er ist es auch, der in seiner Arithmetik zum ersten Mal das heute noch verwendete Gleichheitszeichen (=) verwendete.76 Sein einflussreiches Rechenbuch The Grounde of Artes77 erschien 1542 in London und behandelt das Rechnen mit ganzen Zahlen und Brüchen.

Christoff Rudolff († ca. 1543) war ein schlesischer Rechenmeister aus Jauer, der ab 1517 in Wien lebte und unterrichtete. Er verfasste drei Rechenbücher, eines davon ist die Künstliche rechnung mit der Ziffer und mit den Zalpfenningen.78 Das Rechenbuch wurde 1526 erstmals in Wien gedruckt und erfuhr bis 1601 noch mindestens 17 Auflagen. Es lehrt das Rechnen mit ganzen Zahlen und Brüchen und bietet eine umfangreiche Beispielsammlung von Kaufmannsmathematik an.79

Über Johann Podtler ist nicht mehr bekannt als das, was er in der Vorrede seines Rechenbuches über sich preisgibt: Er war Bürger zu Passau und dürfte dort schon längere Zeit als Lehrer gearbeitet haben, bevor er sich der Abfassung seines Rechenbuches80 widmete, das er deshalb schrieb, weil es – so sein Argument – kein vernünftiges Lehrwerk gebe, das sich dererlay Müntz / so in diesem buoch begriffen81 widmete und für junge Rechnende aufbereitete. Er wolle mit seinem Rechenbuch diese Lücke füllen, weil schon den Römern die gute Erziehung der Kinder bekannt war und man diese Tradition wahren solle.82

Der Aufbau dieser Rechenbücher unterscheidet sich kaum von deren Vorgängern des 15. Jahrhunderts: Es werden noch immer die indisch-arabischen Zahlzeichen und die damit in Zusammenhang stehenden Grundrechnungsarten eingeführt, das Rechnen mit ganzen Zahlen und Brüchen erläutert, um das Lehrwerk schließlich mit einem umfassenden Teil praktischer Aufgaben zu Währungs-, Maß-, und Gewichtsumrechnung, Gesellschaftsrechnung, Zins- und Münzrechnung abzuschließen. Ein wichtiger Unterschied liegt in paratextuellen Ergänzungen wie einer Einleitung sowie einer Vorrede an die Lesenden. Inhaltlich sind auch hier wieder Beispiele zu finden, die klar dem Bereich des (lokal relevanten) Handels zuzuordnen sind: Im Rechenbuch von Robert Recorde wird die Bedeutung des Handels zur See deutlich, wenn in den Beispielen verstärkt entlang der Küsten der Länder Frankreich, Italien und Spanien Handelsbeziehungen angedeutet werden.83 Aber auch wichtige oberdeutsche Handelsstädte wie Augsburg und Nürnberg, aber auch Frankfurt am Main werden erwähnt. Als wichtigster potenzieller Handelspartner kann in Recordes Rechenbuch die Stadt Antwerpen identifiziert werden. Die belgische Stadt kommt in über 20 Rechenbeispielen vor; nur London selbst wird noch öfter erwähnt.
Dieser unmittelbare Einfluss der Entstehungsumgebung auf Texte dieses Genres ist vor allem im direkten Vergleich zum Rechenbuch von Christoff Rudolff sowie dem Passauer Rechenbuch von Johann Podtler gut zu beobachten: Auch hier werden für eine Stadt wie Wien oder Passau ‚realistische‘ Handelsbeziehungen abgebildet, die sich über eine im Vergleich zu Recorde verminderte Vielfalt an internationalen Städten und Währungen zeigen. Im Rechenbuch von Christoff Rudolff wird Nürnberg über 20-mal genannt, somit häufiger als Wien selbst, das 18-mal genannt wird. Demnach ist Nürnberg in den Rechenbeispielen der wichtigste Handelspartner. Danach kommen Breslau (9x), Venedig (8x) und Augsburg (5x). Im Rechenbuch Johann Podtlers sind die wichtigsten Handelspartner Venedig und Nürnberg, die jeweils 19- und 17-mal im Kontext verschiedener Rechenbeispiele genannt werden. Danach folgen Linz, Wien und Augsburg. Allerdings ergänzt Christoff Rudolff im Gegensatz zu Johann Podtler einige Städte außerhalb des deutschsprachigen Raums und nennt sie einmalig in Gewichtsumrechnungen am Ende des Rechenbuchs.84

Die regionalen Anpassungen waren leicht möglich, da die Rechenbücher ihren starren Aufbau behalten und nahezu ausnahmslos einer identen Struktur folgen: Der strenge Aufbau ermöglicht inhaltliche Freiheit ohne großen Aufwand. Da Rechenbücher zur praktischen Ausbildung von Kaufleuten herangezogen wurden, mussten mathematisch korrekte Inhalte so präsentiert werden, dass sie sich nicht ‚fremd‘ anfühlen, was notwendigerweise zur Folge hat, dass sie auf lokale wirtschaftliche Gegebenheiten Bezug nehmen müssen: So lernt man nicht nur das Rechnen mit den indisch-arabischen Zahlzeichen, sondern auch, wie diese im Kaufmannsalltag verwendet werden – und wie dieser Alltag sich gestaltet. Das hat zur Folge, dass mit einem genaueren Blick auf bestimmte Rechenbeispiele sich sogar Fragen nach der genauen Entstehungszeit beantworten lassen, so wie im Falle des Bamberger mathematischen Manuskripts: Eduard Schröder konnte anhand der Abwertung des Pfennings gegenüber dem Gulden zwischen 1457 und 1463, die durch die Überschwemmung des Markts durch Schwarzpfennigen und Schinderlingen aus Bayern und Österreich ausgelöst wurde, die Handschrift auf die Zeit um 1460 datieren.85

3.1 Tuchhandel nach Ungarn

Auch historische Zäsuren, die zur Verlagerung von Handelsrouten führten, sollten in Rechenbüchern beobachtet werden. Dies soll exemplarisch anhand der Rechenbücher von Rudolff und Podtler anhand des Tuchhandels und der Veränderung seiner Handelsrouten untersucht werden.
Tuche bzw. Stoffe waren im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit einige der wichtigsten Handelsgüter im oberdeutschen Raum. Dieser Markt umfasste auch Köln, Wien und das Königreich Ungarn86 – ein Handelsraum, der sich in dieser Art bereits in den Rechenbüchern des 15. Jahrhunderts zeigt: Im Osten wird zu dieser Zeit vor allem Preßburg mit dem Tuchhandel in Verbindung gebracht. Zuvor war allerdings Ofen aufgrund seiner idealen Lage ein Knotenpunkt für den Handel gewesen.87 Dort wurden auch Luxusgüter und Gewürze, die aus dem Westen ins Königreich Ungarn importiert wurden, weiterverkauft.88 Dennoch scheint Preßburg in den Rechenbüchern der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine signifikantere Rolle als Ofen einzunehmen: Im Wiener Rechenbuch und in Ulrich Wagners Rechenbuch wird der Tuchhandel zwischen Köln und Preßburg in einem Beispiel explizit erwähnt,89 dessen Vorlage sich mit marginalen Veränderungen im Algorismus Ratisbonensis findet. Die Textzeugen überliefern das Rechenbeispiel mit exakt gleichen Zahlen und exakt gleicher Formulierung. Der einzige, aber signifikante Unterschied liegt in den Städten, die im Zuge der Aufgabenstellung erwähnt werden. Im Algorismus Ratisbonensis sind Köln und Ofen die relevanten Handelsstädte.90 In Wagners Rechenbuch und auch im Wiener Rechenbuch kann bereits eine Verschiebung der Handelsroute von Ofen nach Preßburg beobachtet werden,91 die darauf zurückzuführen ist, dass zunächst Kölner und später Nürnberger Tuchhändler beim Warentransport aufgrund der verkürzten Handelsstrecke viel Geld sparten.
Doch nicht nur diese alternative Handelsroute lässt sich anhand von Rechenbeispielen nachweisen. Während zwischen 1450 und 1500 hauptsächlich von den oberdeutschen Städten aus die Donauroute oder die Brennerstraße92 für den Handel mit Venedig, den österreichischen Städten sowie mit Ungarn genutzt wurde, erhielten ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und vor allem im 16. Jahrhundert Handelswege, welche Städte wie Prag, Olmütz, Posen, Breslau oder Krakau einschlossen, eine höhere Signifikanz. Die steigende Bedeutung der böhmischen, mährischen sowie polnischen Städte spiegelt sich in Rechenbeispielen wie z. B. bei Christoff Rudolff wider. Vor allem Breslau sticht hervor, das besonders in Zusammenhang mit dem Tuchhandel in Summe neunmal erwähnt wird.93 Aber auch Prag (4x),94 Krakau (2x),95 Posen (2x)96 und Olmütz (2x)97 werden in den Beispielen genannt. Auslöser für die Erschließung dieser Städte könnten die Wiener Privilegien gewesen sein (z. B. das Stapel- oder Niederlagsrecht oder u. a. der Verkehrszwang über die Semmeringstraße).98 Ausländische Kaufleute wählten daher alternative Routen, um den ungarischen Markt zu erschließen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden diese Städte immer wichtiger, so dass schließlich kurz vor 1600 die sich so entwickelnde Handelsstraße von Frankfurt am Main über Leipzig nach Breslau und Krakau in direkter Konkurrenz mit der Donauroute stand.99

3.2 Der Tierhandel mit Ungarn

Ein ebenfalls wichtiges Handelsgut aus Ungarn waren Nutztiere, das Hauptexportgut des Königreichs: Ungarische Pferde und Rinder waren in norditalienischen, österreichischen und deutschen Städten beliebt.100 In Johann Podtlers Rechenbuch werden zweimal Ochsen in Ungarn gekauft und dann nach Regensburg bzw. nach Passau transportiert.101 In einem dritten Beispiel wird die Stadt Raab (ung. Győr) explizit mit dem Viehhandel gen Westen in Verbindung gebracht.102
Diese Handelsrouten sind historisch relevant: Bereits um 1300 sind die ersten Belege über den Donauhandel zwischen dem Herzogtum Österreich und dem Königreich Ungarn überliefert, die auch Lebendvieh verzeichnen. Erhaltene Zolltarife aus Hainburg an der Donau nennen neben Metallen wie Kupfer, Zinn, Blei und Eisen vor allem Tiere wie Rind, Schaf und Schwein.103 Dieser Tierexport fand hauptsächlich über die Messen in Pest statt.104 Noch im 16. und 17. Jahrhundert war das Hauptausfuhrgut des Königreichs Ungarn Lebendvieh. In dieser Zeit wurde es auch auf den Wiener Viehmärkten angeboten. Neunzig Prozent der aus Ungarn exportierten Ware war Lebendvieh, doch auch Tierprodukte wie Häute, Wachs, Honig und Fische wurden gehandelt.105 Tierprodukte wurden u. a. auch auf Linzer Messen106 angeboten. Die signifikante Rolle von Linz für den überregionalen Handel107 spiegelt sich auch in den Rechenbüchern des 16. Jahrhunderts wider,108 so im Rechenbuch von Johann Podtler, in dem Linz in acht Rechenbeispielen genannt wird.109 Aus ungarischer Seite ist es die Stadt Raab, die bei Johann Podtler mit dem Viehhandel in Verbindung gebracht wird, obwohl bis kurz vor der Abfassung von Podtlers Rechenbuch Preßburg und Ofen die Orte waren, an denen sich viele deutsche Kaufmannsfamilien angesiedelt hatten.110 60 Jahre vorher wird im Rechenbuch von Christoff Rudolff Ofen noch in drei verschiedenen Rechenbeispielen genannt, in einem davon muss ein Kaufmann sogar eilig von Wien nach Ofen.111
Dass Ofen bei Podtler im Gegensatz zu Rudolff nicht erwähnt wird, hat mit der Entstehungszeit des Rechenbuchs zu tun: Rudolffs Rechenbuch erschien am 26. Juni 1526. Nur zwei Monate später fiel der ungarische König Ludwig II. Jagiello (1506–1526) bei der Schlacht von Mohács und die osmanische Eroberung des Königreichs war nicht mehr aufzuhalten. Nachdem Ludwigs Nachfolger Johann Szapolyai (1487–1540) 1529 im Konflikt um den ungarischen Thron kurzzeitig die Oberhand über seinen Mitkonkurrenten Ferdinand I. (1503–1564) gewann, der ab 1526 zeitgleich erwählter König Ungarns war,112 verließen die meisten deutschen Bürger Ofen und gingen zu ihren Verwandten nach Wien, Preßburg und Tyrnau (slowak. Trnava), wobei vor allem Wien von dieser Abwanderung profitierte, allerdings nur marginal.113 Trotz dieses Einschnitts kam es jedoch nicht zum völligen Erliegen des Handels mit dem Doppelkönigreich. Die geflüchteten Kaufmannsfamilien pflegten ihre Geschäftsbeziehungen weiter. Der Handel musste allerdings umstrukturiert werden und verlagerte sich in andere Städte wie z. B. Raab,114 wo süddeutsche Kaufmänner allmählich ihre Zelte aufschlugen.115 Diese Verlagerung der Handelsroute lässt sich gut beobachten, wenn Ofen, das 1541 von den Osmanen erobert wurde, in Podtlers 1582 gedruckten Rechenbuch nicht mehr erwähnt wird.116

4. Fazit

Diese exemplarische Analyse zeigt, dass Handelswege, -güter und -städte, die in den Rechenbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts erwähnt werden eine Handelsgesellschaft abbilden, die den Rechenschülerinnen und -schülern vertraut war. Als Genre spielt das Rechenbuch mit bewährten narrativen Strukturen, um das Interesse seiner Leser*innen zu gewinnen. Der Anteil jener Beispiele, die den Alltag der Kaufmannschaft abbilden, ist groß und gibt Aufschluss darüber, dass das Rechenbuch nicht nur als didaktischer Text, sondern auch als ‚Vorlage‘ für das zu erwartende Handelsgeschäft fungiert haben muss.
Der Mittelmeerraum, der bei Leonardo von Pisa aufgrund seiner familiären Handels- und Reisetätigkeit vorrangig war, findet in den deutschen Bearbeitungen des 15. Jahrhunderts trotz der Übernahme des inhaltlichen Kerns der Beispiele kaum noch Erwähnung. Vielmehr lässt sich eine Verlagerung der textinternen Handelstätigkeiten feststellen, die auf einen kleinen Radius um den Ort der Abfassung herum einzugrenzen ist. Spätere deutsche Rechenbücher wie die von Podtler und Rudolff bilden im Gegensatz dazu nicht nur das unmittelbare Handelsumfeld, sondern auch relevante Handelsrouten ab, was die steigende Mobilität der frühneuzeitlichen Kaufmänner widerspiegelt; auch historisch belegbare Verlagerungen von relevanten Handelsrouten lassen sich so den Rechenbüchern ablesen.
Die feste Struktur des Rechenbuchs ermöglicht eine Flexibilität in der Anverwandlung der Inhalte, die es den Verfasser*innen erlaubt, Aktuelles, Persönliches oder Kurioses in den Text einzubetten, ohne dessen Intention zu verfälschen. Hinzu kommt, dass gerade bei der Vermittlung von Lerninhalten eine Nähe zum zeitgenössischen Geschehen vonnöten ist, um Anschlussfähigkeit zu ermöglichen: Im Fall der Rechenbücher müssen Waren, Handelsstädte und Währungen verstanden werden, um in Rechenbeispielen zu funktionieren, was dazu führt, dass derartige Größen vor allem in einem für den alltäglichen Gebrauch intendierten Text immer wieder aktualisiert werden müssen.
Dies führt zur Bestätigung einer Beobachtung, die Lissa Roberts in Bezug auf die Wissensverbreitung im Mittelalter gemacht hat: Wissen braucht einen ‚Körper‘, um verbreitet werden zu können, es braucht ein Medium wie einen Menschen, ein Buch, eine Illustration oder ein Instrument, das in seiner Materialität dazu beiträgt, dass Wissen von einem Ort zum anderen gelangen kann.117 Gerade Kaufmänner waren im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit die wichtigsten „Knowledge Brokers“,118 die dafür sorgten, dass einerseits Wissen über die eigene Mobilität zirkulierte und in Form von Büchern, Gegenständen und auch menschlichen Wissensträgern ausgetauscht wurde. Andererseits zeichnen sie auch dafür verantwortlich, dass dieses so generierte Wissen wieder auf die Wissensproduktion einwirkt und innerhalb des Wissensvermittlungsprozesses eine Aktualisierung erfährt. Das Rechenbuch ist in dieser Hinsicht solch ein Medium, das sowohl Wissen trägt, es fixiert und weiter verbreiten kann. Das Buch als Trägermedium kann damit einen Prozess der Wissensaneignung anstoßen, der vom Lernen über das tatsächliche Wissen bis hin zur praktischen Wissensumsetzung im soziokulturellen Umfeld geht. Über jene Praxis wird dann neues oder aktualisiertes Wissen generiert, das über den Menschen als Träger, Vermittler und Bearbeiter dieses Wissens wieder in schriftlicher Form festgehalten wird. Dieser Prozess der Wissenszirkulation kann gerade im kaufmännischen Bereich des Spätmittelalters und anhand des Rechenbuchs gut gezeigt werden, wenn nicht nur die Aneignung und Weiterentwicklung mathematischen Wissens, sondern auch regional und zeitlich begrenzte, kultur- und sozialhistorische Prozesse in diesen Lehrbüchern abgebildet werden. Das Rechenbuch trägt damit mehr als nur das auf den ersten Blick genrespezifische Wissen in Bezug auf das Rechnen mit Stift und Zettel in sich, ist mehr als nur ein Multiplikator für mathematische Praxis. Es fungiert in dieser Funktion als breit verständlich angelegter didaktischer Text, der sich auch an ein jüngeres Publikum richten möchte, und als Träger soziokulturellen Wissens fungiert.

Fußnoten

  1. Adam Ries ließ drei seiner Rechenbücher drucken; sein zweites Rechenbuch, das er 1522 verfasste und das im Unterschied zu seinem ersten Buch nicht nur das Rechnen mit dem Rechenbrett, sondern auch das Rechnen mit Stift und Zettel behandelt, wurde über hundertmal aufgelegt, 1991 von Stefan Deschauer neu herausgegeben und 1992 von diesem auch ins Neuhochdeutsche übertragen; vgl. Deschauer 1991 sowie Deschauer 1992.
  2. Für die gedruckten Rechenbücher gibt es sehr gute Überblicksarbeiten, vgl. Hoock u. a. 1991 bzw. Smith 1908.
  3. Unter einem Rechenbuch verstehen wir mit Barbara Schmidt-Thieme (ehemals Gärtner) ein praxisorientiertes Mathematiklehrbuch, das vor allem im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit in ganz Europa verbreitet war und hauptsächlich für die Entwicklung und Etablierung der Kaufmannsmathematik Relevanz hatte. In der Regel folgt ein Rechenbuch einer sehr starren Struktur, die zunächst die Grundrechenarten mit ganzen und gebrochenen Zahlen behandelt (in manchen Rechenbüchern wird auch das Rechnen am Rechentisch noch unterrichtet), um schließlich in einem meist umfassenden Rahmen Beispielrechnungen anzuführen. Diese werden als die practica verstanden; vgl. Gärtner 2000, S. 12, 112, 250. Das ERC-Project ARITHMETIC nimmt sich derzeit der Aufarbeitung der arithmetischen handgeschriebenen Quellen in deutscher Sprache an und wertet die Quellen von 1400–1570 aus. Alleine in dieser Zeit wurden neben anderen arithmetischen Textsorten ca. 60 Texte verfasst, die in die Kategorie ‚Rechenbücher‘ fallen; vgl. ÖAW Homepage (16.11.2023).
  4. Die Etablierung des Rechnens mit ‚Stift und Zettel‘ verbreitete sich in Europa sehr uneinheitlich von Italien ausgehend bis in den Norden. Vgl. dazu u. a. Danna u. a. 2022, S. 1–9; Wußing 2008.
  5. Hier muss auf den Zusammenhang zwischen den Entstehungsorten der Rechenbücher und den darin enthaltenen regionalen Währungs-, Maß-, und Gewichtseinheiten hingewiesen werden. Die Rechenbücher aus dem 15. Jahrhundert weisen v.a. über die Erwähnung von Handelsstädten einen regionalen Charakter auf; dies erweitert sich im 16. Jahrhundert in unserem Korpus (Christoff Rudolff, Robert Recorde und Johann Podtler) um Währungs-, Maß- und Gewichtseinheiten, sowie die Erwähnung von ganzen Handelsregionen und -routen – kurzum: alles, was für das Studium der Kaufmänner relevant wird, ist in diesen Büchern enthalten. Dies zeigt unter anderem den praktischen Ausbildungscharakter der Rechenbücher für angehende Kaufmänner.
  6. Vgl. hierzu Sigler 2002, oder jüngst erschienen Catastini 2023.
  7. Rechenmeister und -schulen waren die wichtigsten Vermittler der so genannten Kaufmannsmathematik, vgl. Wußing 2008, S. 310 f.; vgl. auch Swetz 1987, S. 18–24.
  8. Hier wird die Theorie des Backgrounds von John Searle evident: Erst der gemeinsame kulturelle Hintergrund macht ein Verstehen und damit auch ein Handeln in der Kultur möglich. Searle zeigt dies anhand verschiedener Sprechakte: Wenn wir davon sprechen, einen Kuchen oder Gras zu schneiden, ist uns völlig klar, dass hierfür zwei verschiedene Werkzeuge zum Einsatz kommen müssen. Gras kann nicht mit einem Küchenmesser geschnitten werden, was aber sprachlich nicht explizit unterschieden werden muss. Jede Gesellschaft, jede Sprache operiert vor einem solchen vorintentionalen Background, der ein gesellschaftliches Miteinander möglich macht, der sich aber mit der Gesellschaft und ihren Entwicklungen verändert, vgl. Searle 1983, S. 141–159.
  9. Vgl. Roberts 2013, S. 47–68.
  10. Recorde 1542. Nachfolgend werden bei den gedruckten Rechenbüchern die Seitenzahlen des PDF-Dokuments angegeben, da die Drucke keine Paginierung oder Folierung aufweisen. Die PDF-Dokumente wurden von den folgenden Plattformen heruntergeladen und für die Recherchearbeiten verwendet: das Rechenbuch von Christoph Rudolff (07.05.2024); das Rechenbuch von Robert Recorde (07.05.2024); das Rechenbuch von Johann Podtler (07.05.2024).
  11. Rudolff 1540.
  12. Podtler 1582.
  13. Bejaia fungierte als kultureller und wirtschaftlicher Knotenpunkt im Mittelmeerraum und war zu Lebzeiten Fibonaccis eine Enklave der Stadt Pisa. Durch einen maurischen Rechenmeister kam Leonardo von Pisa früh in Kontakt mit den indisch-arabischen Ziffern und fortschrittlicher Mathematik wie der Algebra; vgl. Sigler 2002, S. 3 sowie Wagner 1988, S. 297.
  14. Leonardo von Pisa nennt öfters die Gegend Syria, jedoch ist damit wohl nicht das heutige Syrien gemeint, sondern eher eine Gegend, die das heutige Syrien ebenfalls umfasst.
  15. Über das Leben von al-Khwarizmi ist nicht viel bekannt. Er wirkte als einer von vielen Mathematikern und Astronomen im „Haus der Weisheit“ in Bagdad. Die meisten seiner Werke zu Arithmetik, Algebra, Astronomie, Geographie und Kalenderrechnung dürften wohl um das Jahr 830 entstanden sein; vgl. Folkerts 1997, S. 13.
  16. Sigler 2002, S. 16.
  17. Vogel 1954, S. 1.
  18. Sigler 2002, S. 5.
  19. Zur Gattung der Kaufmannshandbücher: Meuvret 1953; vgl. einzelne Artikel im Sammelband Denzel/Hocquet/Witthöft 2002, zum Beispiel: Spufford 2002; Weissen 2002 oder auch Dotson 2002. Ein deutschsprachiges Geschäftsbuch betreffend vgl. Steinbrink 2007. Bezgl. des mediterranen Raums vgl. Stanley 2019. Regional fokussiert vgl. beispielsweise Weinzheimer 2002; De Ruysscher 2018; Musílek 2021.
  20. Die indisch-arabischen Zahlen und mit ihnen auch das Rechnen mit ‚Stift und Zettel‘ breitete sich nur langsam von Italien ausgehend nach Norden aus, vgl. Wußing 2008, S. 310–313. Deutsche Kaufmänner schickten bereits früh ihre Kinder nach Italien, um ihnen das Erlernen der ‚Welschen Praxis‘ zu ermöglichen, vgl. Swetz 1987, S. 10; die ersten deutschsprachigen mathematischen Lehrtexte wie die Geometria Culmensis wurden allerdings erst um 1400 verfasst, vgl. Wiesinger 2021.
  21. Vogel 1954, S. 6.
  22. Ein Schreiber namens Friedrich nennt sich in der ältesten Handschrift, die in der Bayrischen Staatsbibliothek unter der Signatur Clm. (Codices latini monacenses) 14783 aufbewahrt wird. Detaillierter vgl. Vogel 1954, S. 7 f.
  23. Zu den Textzeugen siehe Vogel 1954, S. 10–25.
  24. Gärtner 2000, S. 42.
  25. Als Vorbild für das Rechnen mit ganzen Zahlen fungierte hier der Algorismus vulgaris von Johannes de Sacrobosco (ca. 1195–1256) und für die Bruchrechnungstheorie der Algorismus de minuciis von Johannes de Lineriis († 1335); vgl. Feistner/Holl 2016, S. 201.
  26. Rath 1912–1913, S. 18.
  27. Gärtner 2000, S. 27.
  28. Diese Quelle ist nicht zu verwechseln mit dem Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner aus dem Jahr 1483 oder dem Bamberger Blockbuch aus dem Jahr 1471/1482, auch wenn das Bamberger mathematische Manuskript bis 1959 dem Blockbuch beigebunden war; vgl. Keil 2004, S. 210.
  29. Aufgrund eines in der Handschrift überlieferten Wechselkurses von Gulden zu Pfennigen lässt sich das Bamberger mathematische Manuskript gut datieren; vgl. Schröder 1995, S. 4.
  30. Das Bamberger mathematische Manuskript benutzt eine ähnliche Sprache wie der Algorismus Ratisbonensis. Da auch viele Beispiele aus der Kaufmannsmathematik übernommen wurden, wurden die beiden Handschriften in der mathematikhistorischen Forschung bereits oft miteinander verglichen; vgl. Schröder 1995, S. 351.
  31. Bezüglich der Zuschreibung des Werks und der Intention zur Drucklegung vgl. Schröder 1995, S. 3.
  32. Schreiber ‘Friedrich’ in Bayrischen Staatsbibliothek unter der Signatur Clm. (Codices latini monacenses) 14783; vgl. Vogel 1954, S. 7 f.
  33. Keil 2004, S. 211 f. sowie Schröder 1995, S. 5 f.
  34. Hermann Menhardt datiert die Handschrift in das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts, vgl. Menhardt 1961, S. 821. Dies ist jedoch inhaltlich unmöglich, da die Vorlage für das Wiener Rechenbuch eindeutig im Algorismus Ratisbonensis zu sehen ist. Eine zeitnahe Entstehung scheint aber nicht ausgeschlossen: Kurt Vogel legt die Kontakte zwischen dem Kloster St. Emmeram und Wien oder auch Klosterneuburg entsprechend dar; vgl. Vogel 1954, S. 8. Paläographisch lässt sich die Handschrift auch um die Mitte des 15. Jahrhunderts datieren. Gesichert ist, dass die Handschrift nach dem Algorismus Ratisbonensis verfasst wurde, somit wohl um die Mitte der 1450er.
  35. Rath 1912–1913, S. 22. Ansätze zu möglichen Forschungsfragen bezüglich des Wiener Rechenbuchs vgl. auch Wiesinger u. a. 2023, S. 72–107.
  36. Gärtner 2000, S. 30.
  37. Wagner 1988, S. 302.
  38. Wagner 1988, S. 303.
  39. Eine Abschrift gilt aus paläographischen Gründen als ausgeschlossen. Umfangreicher bezüglich des Wiener Rechenbuchs als mögliche Vorlage für Ulrich Wagners Bamberger Rechenbuch vgl. Rath 1912–1913, S. 20–22.
  40. Bezüglich der möglichen Quellen, aus denen Widmann schöpfte, vgl. Gärtner 2000, S. 28, 32.
  41. Gärtner 2000, S. 47, 58.
  42. Vgl. zum Beispiel Sigler 2002, S. 5–7; Vogel 1954, S. 203–232; Schröder 1995, S. 351–355; oder auch Gärtner 2000, S. 31.
  43. Auf dieses Ergebnis kommt Kurt Vogel; vgl. Gärtner 2000, S. 27. Emil Rath sprach noch von 41 übernommenen Aufgaben des Algorismus Ratisbonensis in das Rechenbuch Widmanns; vgl. Rath 1912–1913, S. 22.
  44. Keil 2004, S. 212.
  45. Vgl. dazu Feistner/Holl 2014, S. 194–212; sowie auch Wiesinger 2023.
  46. Es werden zehn verschiedene Städte insgesamt 27 Mal genannt, davon achtmal Konstantinopel, fünfmal Alexandria, viermal Pisa, zweimal Florenz, Lucca und Rom und jeweils einmal Ceuta, Bejaia, Messina und Palermo.
  47. Sigler 2002, S. 127, 142, 305 f.
  48. Sigler 2002, S. 393.
  49. In Siglers Edition handelt der Kaufmann im Liber Abaci mit dem „Saracen bezant“, „Cypriot bezant“, dem „bizantius de garbo“ für die barbaresken Regionen und mit dem „Bizantius“ für Konstantinopel, vgl. Sigler 2002, S. 140–142.
  50. Es werden 12 verschiedene Städte insgesamt 28 Mal genannt, davon sechsmal Venedig, fünfmal Nürnberg und Regensburg, zweimal Köln, Rom und Wien sowie jeweils einmal Konstantinopel, Alkaier, Innsbruck, Ofen, Prag und Eger.
  51. Venedig wird in den Rechenbeispielen Nr. 20, 21, 87, 91, 94, 206, 264, 342 genannt. Die Nummerierung folgt Kurt Vogel; vgl. Vogel 1954, S. 33, 55, 56, 57, 96, 119, 151.
  52. Schröder 1995, S. 305. Im Bamberger mathematischem Manuskript werden neun verschiedene Städte insgesamt 15 Mal genannt, davon dreimal Venedig und Regensburg, zweimal Rom und Wien sowie jeweils einmal Konstantinopel, Alkaier, Innsbruck, Nürnberg und Köln.
  53. Gärtner 2000, S. 448. Im Rechenbuch von Johannes Widmann werden elf verschiedene Städte insgesamt 22 Mal genannt, davon fünfmal Venedig, viermal Nürnberg, dreimal Wien und Leipzig sowie jeweils einmal Konstantinopel, Alkaier, Köln, Frankfurt, Altenburg, Zwickau und Eger.
  54. Welche Stadt der Verfasser des Algorismus Ratisbonensis hier genau meint, ist nicht zweifellos gesichert. In Frage kommen würde Algier, die heutige Hauptstadt Algeriens. Aber auch Kairo wäre eine Möglichkeit, da der arabische Name al-Qāhir Ähnlichkeiten mit dem Namen Alkaier aufweist. Daher sind auf der Karte (Abb. 2) beide Städte eingezeichnet.
  55. Ein derartiges Beispiel, das auch heute noch in Aufgabensammlungen und Mathematiklehrbüchern auftaucht und aus der Antike kommt, ist das Wettrennen zwischen Achill und einer Schildkröte, das noch immer zur Erklärung der Infinitesimalrechnung eingesetzt wird; vgl. Beispielnummer D0210/a in der ACDCA-Beispielsammlung (Austrian Center for Didactics and Computer Algebra) aus dem Jahr 2002 im Rahmen des Projekts „Technologie im Mathematikunterricht“, das vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ausgeführt wurde, online-pdf 1–2, 1 (10.11.2023).
  56. Vogel 1954, S. 59.
  57. Gärtner 2000, S. 449 f.
  58. Sowohl der Algorismus Ratisbonensis, das Wiener Rechenbuch, das Bamberger mathematische Manuskript, das Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner als auch Johannes Widmanns Rechenbuch operieren mit diesen Währungseinheiten, wobei Johannes Widmann noch zahlreiche Pfennige aus unterschiedlichen Gebieten inkludiert, wie etwa Linzer, Passauer, Regensburger, Nürnberger etc. Siehe Währungsumrechnungen beim Algorismus Ratisbonensis, Vogel 1954, S. 33; im Bamberger Rechenbuch vgl. Wagner 1988, S. 191 f. oder auch Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 34r–34v.
  59. Vogel 1954, S. 32, 54.
  60. Vogel 1954, S. 39, 56 f., 63, 89.
  61. Vogel 1954, S.56 f., 88.
  62. Vogel 1954, S. 28, 56, 88. Besonders Gewürze waren essentiell für die Lebensmittelkonservierung und auch für die Herstellung von Medizin; vgl. Benda 2016, S. 269.
  63. Vogel 1954, S. 119 f.
  64. Kurt Vogel übersetzt pruk mit Brügge; vgl. Vogel 1954, S. 160. Es besteht die Annahme, dass es sich hierbei nicht um die belgische Stadt, sondern um Innsbruck handelt. Die Maßumrechnungsaufgabe, in der pruk im Algorismus Ratisbonensis erwähnt wird, wurde in mehreren Handschriften mit gleichen Zahlen kopiert, vgl. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 32v; Wagner 1988, S. 190; Schröder 1995, S. 246 sowie auch Berlin, Staatsbibliothek, Ms. Germ. Octav. 375, fol. 63r. In diesen Quellen wird in zwei Fällen Innsbruck ausgeschrieben. Die Stadt Brügge wird in den Quellen oft als Pruck in Flandern bezeichnet (vgl. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 153) oder Brug (vgl. Vogel 1954, S. 34). Im Algorismus Ratisbonensis wird jedoch auf das Brugger Ellenmaß Bezug genommen und nicht auf die Stadt als Handelsort.
  65. Vogel 1954, S. 33 f.
  66. Schröder 1995, S. 320.
  67. Es werden sechs verschiedene Städte insgesamt elfmal genannt, davon viermal Venedig, zweimal Nürnberg und Eger sowie jeweils einmal Innsbruck, Preßburg und Köln.
  68. Es werden sieben verschiedene Städte insgesamt 14 Mal genannt, davon viermal Venedig, dreimal Nürnberg und Eger und jeweils einmal Innsbruck, Köln, Preßburg und Rom.
  69. Wagner 1988, S. 190 sowie Schröder 1995, S. 246 und Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 32v.
  70. Die Stadt Eger wird im Algorismus Ratisbonensis einmal erwähnt, im Wiener Rechenbuch zweimal, in Ulrich Wagners Rechenbuch dreimal und bei Johannes Widmann ebenfalls einmal, vgl. Vogel 1954, S. 153; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 33r sowie 51v; Wagner 1988, S. 191, 200, 202, sowie Gärtner 2000, S. 449.
  71. Preßburg wird im Wiener Rechenbuch und im Bamberger Rechenbuch von Ulrich Wagner genannt; vgl. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 35v, sowie Wagner 1988, S. 192.
  72. Die Beispiele bezüglich des Zinnkaufs und der Berechnung der Maut von Eger nach Nürnberg finden sich im Algorismus Ratisbonensis, dem Wiener Rechenbuch, Ulrich Wagners Rechenbuch sowie dem von Johannes Widmann, siehe Vogel 1954, S. 153; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 33r; Wagner 1988, S. 191, sowie Gärtner 2000, S. 449. Für die Berechnung des Pferdekaufs in Ulrich Wagners Rechenbuch sowie dem Wiener Rechenbuch vgl. Wagner 1988, S. 200, sowie Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 51v; Ulrich Wagner fügte ebenfalls eine Gesellschaftsrechnung in Eger hinzu; vgl. Wagner 1988, S. 202.
  73. Es handelt sich hier um ein identes Beispiel, in dem ein Saum Gewand in Köln für 9 ¾ Gulden gekauft, nach Preßburg gebracht wird und man den Gewinn bzw. den Verlust beim Wiederverkauf errechnen soll, vgl. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 35v, sowie Wagner 1988, S. 192.
  74. Vogel 1954, S. 36.
  75. Bezüglich der Verwendung und Verbreitung der indisch-arabischen Zahlen siehe die Beiträge von Michaela Wiesinger und Christina Jackel im vorliegenden Band.
  76. In seinem Werk The Whetstone of Witte, which is the second part of Aritmetike, containing the Extraction of Rootes, the Cossike Practice, with the Rules of Equation, and the Woorkes of Surde Numbers, das 1557 erschien, wurde das erste Mal das moderne Gleichheitszeichen (=) verwendet; vgl. Wagner 1988, S. 304.
  77. Recorde 1542. In diesem Rechenbuch werden 35 Städte insgesamt 189 Mal genannt, davon zweiunddreißigmal London, vierundzwanzigmal Antwerpen, zehnmal Lyon und Genua, neunmal Venedig, siebenmal Lucca und Lissabon, sechsmal Nürnberg, Florenz und Rouen, fünfmal Frankfurt, Rom und Barcelona, viermal Augsburg, Valencia, Palermo, Messina, Mailand, Paris und Aquileia, dreimal Danzig, Neapel und Sevilla, zweimal Wien, Breslau, Leipzig, Lübeck, La Rochelle, Toulouse, Brügge und Saragossa sowie jeweils Norwich, Dieppe, Köln und Marseille.
  78. Rudolff 1540. In diesem Rechenbuch werden 34 verschiedene Städte insgesamt 100 Mal genannt, davon zwanzigmal Nürnberg, achtzehnmal Wien, neunmal Breslau, achtmal Venedig, fünfmal Augsburg, viermal Prag, dreimal Ofen, zweimal Frankfurt, Eger, Krakau, Posen, St. Gallen und Olmütz sowie jeweils einmal Meißen, Lyon, Brügge, Basel, Ulm, Konstanz, Genf, Köln, Genua, Salzburg, Erfurt, Leipzig, Freiburg, Regensburg, Antwerpen, Melk, Krems, Stein, Kittsee, Preßburg und Innsbruck.
  79. Kaunzner 2005, S. 198.
  80. Podtler 1582. In diesem Rechenbuch werden 20 verschiedene Städte insgesamt 114 Mal genannt, davon dreiunddreißigmal Passau, neunzehnmal Venedig, siebzehnmal Nürnberg, achtmal Linz, siebenmal Wien, sechsmal Augsburg, fünfmal Regensburg, dreimal Frankfurt, zweimal Salzburg, Ulm, Meißen und Genua sowie jeweils einmal Breslau, Braunau, Krems, Klosterneuburg, Prag, Tabor, Eger und Raab.
  81. Podtler 1582 [PDF-Version], S. 9.
  82. Podtler 1582 [PDF-Version], S. 10.
  83. Die Städte, die am häufigsten explizit in den Rechenbeispielen von Robert Recorde genannt werden, sind Antwerpen, Lissabon, Valencia, Barcelona, Mailand, Venedig, Genua, Lucca, Florenz, Rom, Neapel, Messina, Palermo, Paris, Rouen, Lyon, Nürnberg, Frankfurt und Augsburg.
  84. Zum Beispiel Item 1 quintal zu Lißbona / ist in Antorff 108 lb; vgl. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 240.
  85. Schröder 1995, S. 4.
  86. Erst unter König Karl Robert I. (1288–1342) wurde Ungarn für ausländische Kaufmänner und Investoren attraktiver; vgl. Gecsényi 2008a, S. 410. Besonders die Gold-, Silber- und Kupfervorkommen erweckten Interesse im Ausland. Aber auch Wein, Tiere und tierische Produkte aus Ungarn wurden in den Westen geliefert. Aus deutscher Sicht war vor allem der Tuchhandel wichtig. Der Tuchhandel aus Köln nach Ungarn ist bereits seit dem 13. Jahrhundert bezeugt; vgl. Draskóczy 2018, S. 283. In Ofen gehörten die Tuchhändler ab dem 14. Jahrhundert zu den wohlhabendsten Bürgern der Stadt und bildeten eine elitäre Schicht, die in hohen Ämtern der Stadt vertreten war. Die Familien stammten überwiegend aus oberdeutschen Städten; vgl. Benda 2016, S. 267, sowie Arany 2018, S. 501 f.
  87. Ofen und das gegenüberliegende Pest liegen direkt an der Donau und bildeten einen Knotenpunkt für bedeutende Handelsstraßen, wie etwa über Raab (ung. Győr) nach Wien oder auch über Stuhlweißenburg (ung. Székesfehérvár) und Pettau (slowen. Ptuj) nach Venedig: ausführlicher vgl. Draskóczy 2018, S. 279.
  88. Gecsényi 2008a, S. 410.
  89. Vgl. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3029, fol. 35v sowie Wagner 1988, S. 192.
  90. Vogel 1954, S. 36.
  91. Draskóczy 2018, S. 286.
  92. Die Donau und ihre Nebenflüsse (z. B. Inn, Salzach) waren für den zentraleuropäischen Handel maßgeblich. Durch ihre Nutzung war es möglich, dass Wien eine direkte Verbindung zum zentraleuropäischen Handelskorridor hatte, der sich von Nordwesteuropa bis nach Oberitalien erstreckte; detaillierter vgl. Vocelka/Traninger 2003, S. 188.
  93. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 30 f., 60, 148, 151 f., 154 f.  240.
  94. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 30, 138, 151, 240.
  95. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 30, 37.
  96. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 30, 155.
  97. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 148 f.
  98. Das Stapelrecht oder auch Niederlagsrecht stellte für Wien ein signifikantes Privileg dar und sicherte die Monopolstellung als wichtigstes Verteilerzentrum für den Handel mit Ungarn. Ebenso essenziell war der Verkehrszwang. So war die Nutzung der Semmeringroute nach Venedig etwa nur den Wiener Kaufleuten vorbehalten; ausführlicher vgl. Rauscher 2018, S. 230 f.
  99. Vocelka/Traninger 2003, S. 194.
  100. Benda 2016, S. 271.
  101. Podtler 1582 [PDF-Version], S. 240.
  102. Podtler 1582 [PDF-Version], S. 189.
  103. Nagy 2018, S. 478.
  104. Benda 2016, S. 271.
  105. Vocelka/Traninger 2003, S. 192. Siehe auch ein Rechenbeispiel im Rechenbuch von Johann Podtler, in dem ein Wiener Kaufmann einem Regensburger Kaufmann Honig, Ochsenhaut und Wein anbietet, vgl. Podtler 1582, [PDF-Version] S. 248.
  106. In Bezug auf europäische Messen und Märkte im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit sei auf das 2023 abgeschlossene Projekt CoMor verwiesen: Configurations of European Fairs. Merchants, Objects, Routes (1350‒1600) (07.05.2024). Diesbezüglich vgl. auch Ewert/Rau/Scheuermann 2023.
  107. Vgl. u. a. Rausch 1969; Pickl 1988, S. 11–40; Gruber 2012, S. 67–72.
  108. Am Ende des 15. Jahrhunderts und im Laufe des 16. Jahrhunderts erfuhr Linz ein enormes Wirtschaftswachstum, wobei der Ungarnhandel auch eine Rolle spielte; vgl. Vocelka/Traninger 2003, S. 198–200, sowie Gecsényi 2008a, S. 413 f.
  109. Podtler 1582 [PDF-Version], S. 227, 239, 241 f., 244, 329, 350, 361.
  110. Siehe Anm. 86.
  111. Rudolff 1540 [PDF-Version], S. 153, 169, 240.
  112. Bezüglich der Ereignisse in der Zeit der „Gegenkönige“ Ferdinand I. und Johann Szapolyai (1526–1540) vgl. etwa Toth 2005, S. 229–233.
  113. Gecsényi 2008a, S. 415.
  114. Vgl. Draskóczy 2018, S. 271; Gecsényi 2008a, S. 414 f., Gecsényi 2008b, S. 339 f., sowie Gecsényi 2008c, S. 41.
  115. Als Beispiel kann das Dorf Abda in der Nähe von Raab genannt werden. Das Dorf war ein zentraler Flussübergang zwischen Wien, Ungarisch Altenburg (ung. Magyar-Óvár, heute Teil der Stadt Wieselburg-Ungarisch Altenburg, ung. Mosonmagyaróvár) und Raab. In den Urkunden bezüglich Abda sind mehrere oberdeutsche und Wiener Kaufmänner überliefert, die als Geldleiher fungierten oder Besitz verkauften; vgl. Gecsényi 2008a, S. 414 f., sowie Gecsényi 2008c, S. 43.
  116. Podtlers Rechenbuch enthält ein Rechenbeispiel über kriegerische Auseinandersetzungen gegen die Türken, Item 20000 Kriegßmänner haben mit dem Erbfeind dem Türcken ein Schlacht gethan. Alß nun die Schlacht sich geendet, sein noch 11903 Kriegßmänner bey leben blibe(n). Ist die frag, wievil ihr im streit umbkommen seind. Podtler 1582 [PDF-Version], S. 58.
  117. Vgl. Roberts 2013, S. 47–68.
  118. Roberts 2013, S. 55.

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