Operative und materielle Potenziale der Holzschnitte zur Altimetrie bei Peter Apian

Frontispiz (Detail), Peter Apian, Instrument Buch, München, BSB, Rar. 2045, Ingolstadt 1533. Foto: © Bayerische Staatsbibliothek. (Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0)

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Gerd Mathias Micheluzzi
Kontakt: gerd.micheluzzi@uni-hamburg.de
Website: https://www.imaginarien-der-kraft.uni-hamburg.de/team/micheluzzi.html
Institution: Universität Hamburg, DFG-Kolleg-Forschungsgruppe "Imaginarien der Kraft"
Erstveröffentlichung: 07.2024
Lizenz: Sofern nicht anders angegeben Creative Commons License
Medienlizenzen: Medienrechte liegen, sofern nicht anders angegeben, bei den Autor*innen.
Empfohlene Zitierweise: Micheluzzi, Gerd: “den liebhabern der Mathematischen künste”. Operative und materielle Potenziale der Holzschnitte zur Altimetrie bei Peter Apian. In: MEMO 11: Mathematik und Material. doi: 10.25536/20241106.
Übersicht Abbildungen

Abstract

Mathematische Werke des 16. Jahrhunderts sind häufig mit diagrammatischen Darstellungen versehen. Was sie zu leisten vermögen, insbesondere im Rahmen volkssprachlicher Übersetzungen, diskutiert der Beitrag exemplarisch anhand der Holzschnitte zur Altimetrie in Peter Apians Instrument Buch (1533). Es wird argumentiert, dass man aus dem Potenzial der bereits bestehenden, für die deutsche Übersetzung wiederverwendeten Holzschnitte schöpft, um Nachvollziehbarkeit und Anwendbarkeit der Inhalte entsprechend des laikalen Zielpublikums zu steigern. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Hybridität der Raumdarstellung, die Materialität der Instrumente sowie die Relationalität von Text und Bild.

 

Abstract (englisch)

Sixteenth-century mathematical treatises often include diagrammatic illustrations. This paper analyses the capabilities of such illustrations, with a specific focus on the altimetry woodcuts found in Peter Apian’s Instrument Buch (1533). The argument put forth is that the pre-existing woodcuts, which were reused for the German translation, were utilized to enhance the comprehensibility and applicability of the content for a lay audience. The hybrid nature of the spatial representation, the materiality of the instruments, and the relationship between text and image are crucial here.

Titelabbildung: Frontispiz (Detail), Peter Apian, Instrument Buch, München, BSB, Rar. 2045, Ingolstadt 1533. Foto: © Bayerische Staatsbibliothek. (Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0).

Zu diesem Artikel existiert eine begleitende Episode des Podcasts “Sonic Trinkets”:

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

Mühelos (facilime) sei dem hier gezeigten Holzschnitt die Anwendung der dargestellten Messmethode zu entnehmen (Abb. 1).1 So verspricht die lateinische Überschrift zur ersten Illustration des dritten Buchs des 1532 erschienen Quadrans astronomicus von Peter Apian (eigentl. Peter Bienewitz oder Bennewitz; 1495–1552).2 Ganz so einfach ist das aber nicht – jedenfalls dann nicht, wenn die notwendigen Grundlagen für ihre Anwendung fehlen, wie Apian in der Vorrede der erweiterten, mit Instrument Buch betitelten deutschen Übersetzung von 1533 konstatiert:

Unnd die weyl ich das selbige [lateinische, nunmehr verbesserte Buch der astronomischen Instrumente] nit on sonderlichen nutz der gelerten / durch grossen vleyß in den Druck gebracht / sonder auch den liebhabern der Mathematischen künste / so das Latein nicht verstehen / der da vil sint. Dann als ich gespoͤrt habe / so sindt mer subtiller und spitzkundiger koͤpffe in diser kunst bey den Layen / dann bey den schrifftgelerten / wann sie allein der anfaͦng / darauff dise kunst gegründt wirt / nicht beraubt waͤren. Die weyl aber dise kunst on grosse umbschwayff in die Teutsche sprach nit wol mag gebracht werden / wie dann Ewer Edel und Gestreng wol zu ermessen haben / auch wie schwer und ungemaͤß der Teütschen sprach sie sey / habe ich underweylen etliche woͤrter / wie sie im latein gebraucht werden muͤssen bleyben lassen.3

Was den Holzschnitt anbelangt, mögen abgesehen vom Verfahren selbst, den hierfür zu verwendenden Instrumenten und notwendigen Berechnungen (auf alle drei Faktoren ist später noch zurückzukommen) bereits die Gründe für die widernatürliche Darstellung zweier Sonnen sowie die darin eingezeichneten, zur Seite geneigten anthropomorphen Züge rätselhaft erscheinen. Das gilt ebenso für den abrupten Wechsel des dargestellten Untergrunds von einer dunklen, geometrisch-abstrakten Fläche zu einem hellen, unregelmäßig-naturmimetischen Landschaftsfragment im rechten Teil. An rein gestalterische Mittel ist in beiden Fällen kaum zu denken. Die mimetische und abstrakte Elemente verbindende Hybridität der Darstellung legt vielmehr nahe, dass Peter Apian bzw. die ausführenden Zeichner mit diesen sowie anderen, auf den folgenden Blättern immer wieder in ähnliche Schemata eingepassten motivischen und darstellungstechnischen Besonderheiten einen ganz bestimmten Zweck verfolgten:4 die Zuweisung eines den Darstellungen je eigenen Potenzials, einer Operativität (mit Sybille Krämer gesprochen),5 die sich komplementär, in bestimmten Fällen relational zu den jeweiligen Texten verhält und damit ein epistemisches Surplus, ein Mehr an Verständnis generieren kann.6 Das betrifft einzelne Details der Holzschnitte und Texte ebenso wie übergeordnete Erkenntnisse.

Das der Hybridität der Darstellungen inhärente Potenzial, epistemischen Mehrwert zu erzeugen, offenbart sich insbesondere dort, wo Ikonisches und Diskursives, sprich bildliche und sprachliche Elemente produktiv ineinandergreifen.7 Eine solche Verzahnung ist mit den geometrischen Diagrammen der im 15. und frühen 16. Jahrhundert entstandenen mathematischen Schriften des deutschsprachigen Raums gegeben;8 zunächst mit den lateinischen, dann aber vor allem mit den deutschen Werken. Auf die Bedeutung Letzterer hat am Ende des 19. Jahrhunderts bereits Maximilian Curtze hingewiesen und bemerkt, dass diese „zu den grössesten Seltenheiten“ zählen.9 Während die Aussage bezüglich der Relevanz der Schriften nach wie vor ihre Gültigkeit behauptet, ist sie hinsichtlich der Quellenlage zu relativieren. Neueste Forschungen zeigen, dass vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Revolution im 15. und frühen 16. Jahrhundert eine bemerkenswerte Zahl an deutschsprachigen, bisweilen nur punktuell und ausschnitthaft erforschten Schriften zur Mathematik entstand.10 Das betrifft auch die mitunter reich illustrierten, sich mit der Altimetrie, sprich der Höhenvermessung beschäftigenden Werke.11 Peter Apians lateinischer Quadrans astronomicus und die im Folgejahr gedruckte deutsche Übersetzung, das bereits erwähnte Instrument Buch von 1533, sind in dieser Hinsicht von besonderem Interesse. Erstens, weil mit ihnen der Anspruch einhergeht, Mathematik und Praxis bzw. gedankliche und materielle Dimensionen miteinander zu verbinden, sprich: theoretische Erkenntnisse unmittelbar auf instrumentelle Verfahren umzumünzen.12 Zweitens, weil sich an diesen beiden Schriften das Anliegen offenbart – und dies gilt naturgemäß vor allem für die deutsche Übersetzung –, das vormals noch Gelehrten vorbehaltene Wissen interessierten Laien zu vermitteln. Insbesondere aber drittens, weil sie Illustrationen von höchster Qualität enthalten, an welchen sich die oben angedeutete Hybridität geradezu idealtypisch illustrieren lässt.
Der Wunsch, Theorie und Praxis zu verknüpfen und mathematisches Wissen an Laien zu vermitteln, ist im frühen 16. Jahrhundert per se nichts Neues.13 Zugeschnitten auf jene, die Land besitzen, ein Handwerk erlernen, sich künftig der Kunst widmen oder im Handel tätig werden, haben sich in volkssprachlich verfassten mathematisch-geometrischen Schriften u. a. mit den italienischen Abakus-Traktaten des 14. und 15. Jahrhunderts in großer Zahl erhalten,14 in nennenswertem Ausmaß auch nördlich der Alpen: darunter die Geometria Culmensisvon ca. 1400, von der eine lateinisch-deutsche Ausgabe sowie zwei fragmentierte Textzeugen bekannt sind;15 oder eine um 1477 besorgte Übersetzung des Tractatus quadrantis (auch Quadrans vetus; vor 1284), die sich unter der Signatur Cgm. 328 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München befindet.16 Letztere befasst sich entsprechend ihrer Vorlage ausführlich mit der Altimetrie und unternimmt dabei auch den Versuch, mathematische Begrifflichkeiten vom Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen.17 Illustrationen weist die Handschrift keine auf. Ganz anders stellt sich dies wiederum in der 1513 gedruckten, gleichsam mit der Altimetrie befassten, jedoch lateinischen Elucidatio fabricae ususque astrolabii des Johannes Stöffler dar.18 Großformatige und äußerst detaillierte Holzschnitte, die darstellungstechnisch auf der Höhe ihrer Zeit erscheinen, ergänzen dort die umfangreichen Texte (Abb. 2).

 

Was Peter Apians Quadrans astronomicus sowie sein Instrument Buch von ihren Vorgängern unterscheidet, ist nicht nur der Umstand, dass sie noch weit stärker auf Anwendbarkeit der Inhalte zielen.19 Das belegen beispielsweise die in Originalgröße wiedergegebenen, auf einzelne Blätter gedruckten Vorlagen für diverse Instrumente, die ausgeschnitten und auf hölzerne Träger aufgeleimt dem unmittelbaren Explorieren dienen sollten – unter diesen auch ein Quadrant zur Höhenmessung (Abb. 3).20 Die Werke Peter Apians zeichnen sich auch dahingehend aus, dass sich das, was oben als epistemischer Mehrwert hybrider Darstellungen bezeichnet wurde, im Instrument Buch zudem auf den sprachlichen Übersetzungsprozess bzw. auf die Bemühungen um die Ausbildung eines deutschen ‚Fachjargons‘ auswirkt. So handelt es sich bei den dortigen Holzschnitten zwar um dieselben, die bereits im Quadrans astronomicus zum Einsatz kamen.21 Wie am Beispiel der umbra recta und umbra versa ersichtlich werden wird, stehen sich Seherfahrung und Begrifflichkeiten hier aber nicht mehr als semantisch entkoppelte Komplementäre gegenüber. Im Instrument Buch gehen sie vielmehr ein relationales, auf der Bildlichkeit beruhendes Verhältnis ein.
Die These einer hybriden Bildlichkeit, die im Stande ist, theoretische Aspekte wie auch instrumentelle Praxis zu betonen, und es überdies vermag, den Holzschnitten vermittels relationaler Bezugnahmen verständlichere Übersetzungsmöglichkeiten abzuringen, gilt es im Folgenden anhand der Altimetrie in Apians Quadrans astronomicus und Instrument Buch zu diskutieren; insbesondere anhand der ersten drei Propositionen des jeweils dritten Buchs.22 Im Anschluss an einige Grundannahmen (I.) wird diese These unter Bezugnahme auf jenes beleuchtet, das Sybille Krämer in ihren Ausführungen zur Diagrammatik bzw. Diagrammatologie als „Attribute[] operativer Bildlichkeit“23 bezeichnet hat: den Aspekt der ‚Räumlichkeit‘ in Tiefenraum und Flächigkeit (II.), den ‚Graphismus‘ in Phänomen und Instrument (III.) und schließlich die ‚Operativität‘ in Relation und Proportion (IV.).24 Ungeachtet der sich dabei immer wieder ergebenden konzeptionellen Überschneidung ist zu zeigen, welch immens wichtige, bisweilen aber unterschätzte Rolle die Illustrationen mathematisch-geometrischer Schriften für die Ausbildung einer neuen, dem Lateinischen adäquaten, möglichst allgemein verständlichen Terminologie spielten.
Zu betonen bleibt, dass die folgende, primär kunsthistorische Abhandlung sich als Versuch versteht, mathematisch-geometrische Schriften in den Blick zu nehmen, deren historische, bis wenigstens ins frühe 15. Jahrhundert zurückreichenden Wurzeln und Verzweigungen noch immer weitestgehend im Dunklen liegen.25 Systematische, fachlich möglichst breit aufgestellte Studien, die literatur-, wissenschafts- und kunsthistorische Aspekte gleichermaßen berücksichtigen, sie möglichst auch mit mittelalterlichen Vorgängern vergleichen, sind und bleiben ein Forschungsdesiderat, für das der vorliegende Beitrag nur als Anstoß dienen kann.

2. Grundannahmen

Geht man davon aus, dass die Adressat*innen der beiden Werke mit den erforderlichen, in der Vorrede des Instrument Buchs erwähnten Grundlagen vertraut waren, insbesondere jenen der Mathematik bzw. der Geometrie und Optik,26 und sie das Sehen dementsprechend als Wahrnehmungsprozess verstanden, dessen physischer Anteil sich als geradliniger beschreiben lässt,27 liegt für Betrachtende des ersten Holzschnitts mitunter Folgendes auf der Hand (siehe Abb. 1): erstens, dass die Einfügung der anthropomorphen Züge in die ansonsten ungerichteten Sonnenscheiben es ermöglicht, die ihnen jeweils entspringenden, zueinander parallel geführten Linien auf die Lichtquellen zu beziehen. Die Linien sind folglich zweifelsfrei als Sonnenstrahlen zu identifizieren. Zweitens, dass sich die beiden Lichtquellen dafür verantwortlich zeichnen, dass die Sonnenstrahlen in einem bestimmten Winkel ausgerichtet sind, wobei der rechte, entlang der Oberkante eines Quadranten verlaufende am Bodenstreifen endet, während der linke Strahl, nachdem er zunächst die Traufe der Bedachung eines Turms tangiert, denselben diagonal durchschneidet. Auf Letzteres folgt drittens, dass der linke der beiden Sonnenstrahlen die abrupte Trennung zwischen dem hellen, unregelmäßig-naturmimetischen Landschaftsfragment und der dunklen, geometrisch-abstrakten Fläche verursacht. Das mündet wiederum in eine vierte Erkenntnis, nämlich jene, dass es sich bei der geometrisch-abstrakten Fläche um den vom orthogonal aufragenden Turm hervorgerufenen und durch den Lichtstrahl begrenzten Schlagschatten des Turmes handelt.28 Bei dessen Darstellung ging es offenbar weniger um mimetische Qualität. In diesem Falle wäre nämlich von einer formalen Übereinstimmung des Schattens mit der unregelmäßigen Bodenfläche auszugehen. Neben der Form versichert die abwechselnd aus kürzeren und längeren vertikalen Linien gebildete Skalierung unterhalb vielmehr, dass bei der Darstellung des Schattens, und das wäre sodann die fünfte Erkenntnis, dessen Quantifizierbarkeit, also die hier mit 80 bezifferte Längsabmessung im Zentrum des Interesses steht. Dieser fünfte Punkt gilt auch für die subtil vermittels horizontaler Ziegelreihen skalierte, gleichfalls 80 messende Turmarchitektur. Und sechstens ist schließlich festzuhalten, dass die Turmhöhe und die Länge seines Schlagschattens offenbar dann von identischem Ausmaß sind, wenn sie im rechten Winkel zueinander stehen und die Schnur des Senklots eines an der Sonne ausgerichteten Quadranten den 90° umfassenden Viertelkreis, den sogenannten Limbus, exakt im Zentrum schneidet, sprich: wenn sie 45° anzeigt.29
Zweck der motivischen und darstellungstechnischen Besonderheiten, so kann vorläufig festgehalten werden, ist also jener eines visuell vermittelten, mathematisch-geometrischen Schlusses, dessen Bedingungen und Ergebnis sich instrumentell anhand natürlicher Phänomene gewinnen lassen: Höhe des Turms und Länge des Schlagschattens stimmen in ihren Abmessungen überein, wenn sie im rechten Winkel zueinander stehen und der Einfallswinkel des Lichtes 45° beträgt. Unter diesen Bedingungen gestaltet sich die Praxis der Vermessung einer unbekannten Höhe tatsächlich mühelos, wie Peter Apian sowohl im Quadrans astronomicus als auch im Instrument Buch von 1533 erklärt: Felt er […] auf 45 grad / so ist der thurn gleych als hoch als der schat langt ist : wan̄ du den schatten mit ainer elln / oder sonst einem gwoͤnlichen maß missest / so hast du den Thurn auch gemessen. Als / ist der schat 80. schrit lanck / so ist der Thurn auch 80. schrit hoch.30 Die weitestgehend statisch angelegte Leichtigkeit der im Kontrapost gezeigten Figur des Holzschnitts entspricht der Einfachheit des im Text erläuterten Messverfahrens.31

3. Tiefenraum und Flächigkeit

Voraussetzungsreicher sind die beiden darauffolgenden Exempel. Das gilt für die notwendigen mathematischen Berechnungen ebenso wie für die praktische Vermessung. Analog zur Theorie und Praxis werden auch die beigegebenen Holzschnitte komplexer und bewegter. So auch jener zur zweiten Proposition (Abb. 4). Abgesehen von der leicht variierten Stadtansicht, die links des nunmehr runden Turms ein in die Tiefe fluchtendes Gebäude zeigt, ist die Neigung der beiden Sonnen ungleich steiler, weshalb der Schlagschatten kürzer (L = 42) als die Höhe des ursächlichen Turmes scheint (H = 168).32 Das bedingt wiederum, dass die Figur den Winkel des Quadranten neu justieren, ihn in einer dynamisch nach vorn tendierenden Haltung entsprechend des einfallenden Lichts positionieren muss. Bewegter als die der ersten ist auch die Figur der dritten Proposition, allerdings in die entgegengesetzte Richtung (Abb. 5). Grund hierfür ist das gegenüber dem ersten und zweiten Beispiel nunmehr flach einfallende Licht bzw. der von einem zeitgenössisch anmutenden, zinnenbewehrten Gebäude geworfene Schlagschatten, der hier weitaus länger ist (L = 240) als das ursächliche Gebäude hoch (H = 180). Dementsprechend ist die Figur dazu gezwungen, dem sich entfernenden Lichtstrahl quasi hinterherzurennen, und zwar so weit, dass der abermals neu auszurichtende Quadrant bis an den äußersten Rand des Holzschnitts reicht. Dabei sind die räumlichen Verhältnisse komplexer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

 

In den Holzschnitten werden zwei verschiedene Modalitäten der Raumdarstellung auf subtile Weise kombiniert: Tiefenraum und Flächigkeit.33 Bei Ersterem handelt es sich um ein Schauen in das Bild hinein.34 Medium und Materialität des Blattes werden dergestalt negiert. Der Blick öffnet sich in einen durch künstlerische Mittel erzeugten, seinerseits mimetisch gestalteten Tieferraum. Dieser enthält durch Andeutungen von Licht und Schatten als plastisch ausgewiesene Körper. Perspektivische Verkürzungen und Überlappungen signalisieren überdies ein Vorn und Hinten. In den hier gezeigten Holzschnitten repräsentieren diesen Modus primär die jeweils links gezeigten, durch Schraffuren modellierten und perspektivisch in die Tiefe fluchtenden Gebäude – besonders eindrucksvoll am wehrhaften Palazzo im Holzschnitt der dritten Proposition zu sehen (siehe Abb. 5). In diesen Gebäuden, oder genauer gesagt, in den Schlagschatten derselben, die sich als dunkle, regelmäßig-geometrische Projektionen von den unregelmäßig-natürlichen Landschaftsfragmenten rechts abheben, kündigt sich der zweite Modus an: jener der Flächigkeit.35 Deutlicher wird dies in den Holzschnitten der ersten beiden Propositionen (siehe Abb. 1 und 4).36 In vorderster Ebene angelegt bilden dort die jeweils skalierten und bemaßten ‚Vorderkanten‘ der Schlagschatten gemeinsam mit den Lichtstrahlen und Turmarchitekturen rechtwinklige Dreiecke aus. Bei der Flächigkeit dieser Dreiecke handelt es sich allerdings nicht um eine solche, die „Verzicht leistet auf eine Imitation der Dreidimensionalität“37 – jedenfalls nicht hinsichtlich der Möglichkeit eines Blicks auf das Dahinter. In einer solch opaken, materiell-greifbaren Form werden die geometrischen Flächen etwa in Johannes Stöfflers Elucidatio von 1513 präsentiert (siehe Abb. 2). Dergestalt überdecken sie gar Teile der messenden Figuren. In den Holzschnitten des Peter Apian sind die Dreiecke zwar ersichtlich, bleiben mit Ausnahme der Kanten aber transparent, möglicherweise auch deshalb, weil die dahinterliegenden Schlagschatten als Grundlage der Mess- und Berechnungsverfahren sichtbar bleiben sollten.38 Das dem Tiefenraum eigene ‚Schauen hinein‘ und das für die Flächigkeit charakteristische ‚Schauen auf‘ schließen hier einander nicht aus. Sie bilden ein Hybrid, dessen einzelne Elemente sich ebenso komplementär verhalten wie die Praxis und die Theorie. Der Akzent liegt dabei jeweils auf Ersterem, sprich auf Tiefenraum und Praxis. Müheloser39 Nachvollzug wird dennoch keiner mehr behauptet: Das hier geschilderte Messverfahren ist von folgender Gestalt und Schema des Messverfahrens40 lauten die Bildüberschriften nunmehr schlicht – eine Zurückhaltung, die durchaus gute Gründe hat. Der zu Füßen der Figur des zweiten Holzschnitts liegende Stechzirkel mag auch hierfür Ausweis sein, galt er doch nicht nur als Attribut der Geometrie und Arithmetik.41 Der Zirkel war auch jenes Instrument, das vermittelnd zwischen practica und theoria, dem Reich des Materiellen und jenem der immateriellen Ideen stand.

4. Phänomen und Instrument

Wie die gesteigerte Dynamik der Holzschnitte von der ersten zur zweiten und dritten Proposition bereits vermuten lässt, sind alsbald Kenntnisse notwendig, die über das Ablesen eines Winkels oder das Vermessen eines Schlagschattens hinausgehend nach Einsichten in die Funktionsweise des Quadranten und die damit verbundenen Konstruktionen verlangen. So etwa im Holzschnitt zur zweiten Proposition (siehe Abb. 4). Dort lässt der Neigungswinkel des Sonnenstrahls die Länge des Schlagschattens (L = 42) auf exakt ein Viertel der Höhe des Turmes schrumpfen (H = 168). Logisch und für sich genommen auch korrekt wäre sodann der Schluss, dass der vom Senklot des Quadranten angezeigte Winkel einem Viertel seiner Gesamtabmessung, also 22,5° entspricht. Darunter wird jedoch ein Wert von 25 angegebenen. Ein Irrtum oder Fehler? Keineswegs!
Die Angabe von 25 beruht auf einer Einschreibung, die sich als Teil eines Systems von Linien und Skalen auf der materiellen Oberfläche des Quadranten findet (siehe Abb. 3):42 der gegen die äußeren Enden mit VMBRA VERSA und VMBRA RECTA beschriftete Viertelkreis der Scala altimetra (dt. Messleiter).43 Für deren graphische Konstruktion spielt erneut das Phänomen des Schlagschattens eine ganz zentrale Rolle.44 Im arabischen Raum seit dem 9. Jahrhundert als ẓill al-Sullam bekannt (wörtlich ‚Schatten der Leiter‘),45 geht die bei Apian im Zentrum bei 100 geteilte, nach beiden Seiten in Zehner- sowie Einser-Schritten (punct bzw. puncta umbrae)46 abnehmende Skalierung auf den Schatten eines Gnomons, also den Zeiger einer Sonnenuhr zurück.47 Ist dieser Gnomon im rechten Winkel an einer vertikalen Wand montiert und dabei so weit von einem parallel gelagerten Untergrund entfernt, wie dessen eigene Länge ist, bildet sich zwischen Gnomon, Wand, Bodenoberfläche und einer gedachten Verbindungslinie ein imaginäres Quadrat (Abb. 6a). Aus diesem Grund ist die Scala altimetra im Deutschen auch als ‚Schattenquadrat‘, im Italienischen als quadrato delle ombre bekannt. Ist nun das Licht in einem Winkel 𝛼 = 0–45° gegen den Gnomon gerichtet, findet sich dessen Schatten an die Wand ‚geworfen‘: die im Lateinischen als umbra recta, wörtlich als ‚richtiger‘ bzw. ‚gerader Schatten‘ bezeichnete Seite. Misst der Einfallswinkel dagegen 45–90°, verlängert sich der Schlagschatten des Gnomons so weit, dass er zusätzlich auf die Bodenoberfläche trifft: auf den als umbra versa oder als ‚verkehrter Schatten‘ bekannten Teil. Bei diesen ‚Schattenquadraten‘, wie sie sich bereits auf mittelalterlichen Quadranten finden (Abb. 7), handelt es sich also um materielle Manifestationen, die in Form von graphisch-abstrakten Einschreibungen auf ihren natürlich-dynamischen Ursprung zurückverweisen:48 auf den Lauf der Sonne bzw. das vom beleuchteten Gnomon hervorgerufene, dynamisch-ephemere Phänomen des Schattens. Auf diesem Prinzip einer „extrinsischen Materialität“49 basiert auch die Scala altimetra auf Peter Apians Quadrant, allerdings mit einer konstruktiven Manipulation:50 umbra recta und umbra versa finden sich auf einem einzigen, an den Enden mit H und I beschrifteten Kreissegment, und zwar jenseits der zentralen, einem Lichteinfall von 45° entsprechenden 100er-Markierung (Abb. 6b).

Dass die Einsicht, wofür umbra recta und umbra versa stehen, für Laien nicht ganz ohne Mühen zu erringen, aber wesentlich für Praxis und Theorie des Vermessungswesens ist, war Peter Apian durchaus bewusst.51 Das geht aus seinem Instrument Buch hervor. Aus eben diesem Grund hat er wahrscheinlich darauf gesetzt, künftige Nutzer*innen seinen Quadranten sowohl mental als auch materiell rekonstruieren zu lassen (oder zumindest Anweisungen hierfür zu geben). So schreibt er gleich im ersten Teil:52 In disem Andern Capitel / wil ich dich lernen / wie du die linien oder riß / und buͦchstaben / so in disem fordern tayl des Quadranten begriffen sint / von einem zu dem andern erclaͤren.53 Während Apian im Quadrans astronomicus die Scala altimetra, ihre Funktion und Teile nur äußerst knapp erwähnt,54 widmet er dieser im Instrument Buch eine ausführliche Erläuterung.55 Abseits der Angaben zum Anbringungsort, zur Länge und Materialität des Senklots (ein subtiller seydner faden, zway subtille staindlein oder perlein, ein klaines bleykloͤtzel), der Ausführung der beiden Absehen (zway loͤchlein / in gleicher weyt) und,56 dass die Vorlage auff die bretlein sollen geleymet werden,57 geht es Apian hier in erster Linie darum, die Bedeutung von umbra recta bzw. umbra versa in einer nachvollziehbaren Weise zu vermitteln:58

Merck auch mit vleyß auff die woͤrtlein / VMBRA RECTA und VMBRA VERSA / die dabey stehen. Dan̄ Umbra recta hayst zu Teuͤtsch / der Recht schat / das ist / so ein thurn oder ein ander gebew / einen kurtzern schaten hat / dann das selber hoch ist. […] darumb wirdt ich nicht unbillich nachvolgendt / durch das gantze buͦch / die puncta Umbrae rectae / nennen punct des kurtzen schattens / oder des Rechten schattens. Die werden in diesen Quadranten von dem Punct H / biß auff die mitte gezelt / unnd enden sich auff der zal 100.59

Dasselbe erklärt Apian hinsichtlich der umbkerte punct60 der umbra versa, gefolgt von einer Rechtfertigung. Da die umbra versa länger sei als der Turm hoch, nenne er diese punct des Langen schatens : wie wol es moͤcht einen frembd geduncken / die weyl sie dise zwen namen vormals nit gehabt haben. Aber meins bedunckens hab ich ine die rechte natuͤrliche namen aufferlegt im Teuͤtschen : wiewol im Latein gar ein andere maynung darinn verstanden wirdt.61 Die Bedenken scheinen durchaus berechtigt, jedenfalls dann, wenn man die um 1477 entstandene, in MS Cgm. 328 eingebundene deutsche Übersetzung des Tractatus quadrantis als Referenz zu Rate zieht.62 Dort greift der anonyme Autor für jene Begriffe, die Maximilian Curtze als „mathematische Kunstausdrücke“63 bezeichnet hat, noch auf wörtliche Übersetzungen zurück: Staffel für gradus, Zwiestand für differentia bzw. distantia, Schein des Gesichts für radius visualis und, für unseren Kontext am wichtigsten, rechten Schatten und verkerten Schatten für umbra recta und umbra versa.64 Anders wiederum bei Johannes Stöffler. Dieser verbindet die umbra recta und umbra versa in seiner Elucidatio (1513) bereits mit Größenangaben (minor, maior, crescit, decrescit).65 Er stellt diese Angaben allerdings in einen Zusammenhang, der sie mehr an den Lauf der Sonne als an eine damit ermöglichte Unterscheidung und Identifizierung der beiden Instrumentenseiten bindet. Vor diesem Hintergrund wäre die Aussage Peter Apians zumindest in Teilen zu relativieren.66 Ungeachtet dessen könnte es sich, mit der geforderten Vorsicht formuliert, bei den deutschen Übersetzungen langer Schatten und kurzer Schatten gleichwohl um originäre handeln. Am Beginn des Abschnitts zur Höhenmessung bekräftigt Apian jedenfalls noch einmal hoffnungsvoll: Es gefiel mir auch wol / wann man die punct umbrae rectae nennet den kurtzen schatten / und die punct umbrae versae den langen schatten.67 Und so finden sich die Bezeichnungen dann auch auf einen viereckigen Quadranten im Beschlus der Altimetrie übertragen (Abb. 8).68

 

5. Relation und Proportion

Angesichts des eingangs angeführten Zitats war es im Falle der umbra recta sowie der umbra versa wohl notwendig, die grosse umbschwayff einer Übersetzung in die Teutsche sprach auf sich zu nehmen.69 Stehen Begrifflichkeiten und Holzschnitte im Quadrans astronomicus aufgrund sprachlich-abstrakter und phänomenal-naturmimetischer Differenzen noch je für sich, konstituiert sich im Instrument Buch aufgrund der natürlichen Namen70 ein relationales Verhältnis:71 Die punct des rechtn schatens, als welche sie in der zweiten und dritten Proposition des dritten Buchs weiterhin bezeichnet werden, sind relevant, wenn der Schatten kuͤrtzer dann der Thurn hoch ist, während die punct des umbkerten schatens dann zu Tragen kommen, wenn der Schatten lenger dann der Thurn hoch ist.72 In beiden, auf die erste Proposition folgenden Holzschnitten sind der kurze und der lange Schatten unmittelbar als solche zu identifizieren. Das erleichtert das Verständnis des Textes insgesamt, daneben aber auch die praktische Anwendung im Feld. Die ideelle Priorität kommt dabei jedoch den Holzschnitten zu. Davon ist schon deshalb auszugehen, weil mit den ursprünglich für den Quadrans astronomicus gefertigten, für das Instrument Buch wiederverwendeten Druckstöcken eine zwar phänomenal begründete, in weiterer Folge aber gestalterische Setzung vorlag, auf die man sich begrifflich stützen konnte. Oder anders ausgedrückt: Die per se auf ein natürliches Phänomen rekurrierenden Begriffe langer und kurzer Schatten ergeben im Kontext des Instrument Buchs nur dann Sinn, wenn sie in Relation zu jenem stehen, was auf den wiederzuverwendenden Holzschnitten bereits zu sehen war. Damit wird auch deutlich, dass es den Holzschnitten aufgrund des ihnen eingeschriebenen Wissens möglich ist, epistemisch „aktiv und operativ“73 zu werden. In diesem Fall führt dies zu einer semantisch auf dem Naturvorbild basierenden, aber wesentlich an den bestehenden Holzschnitten konkretisierten Übersetzung, die in Relation zur Darstellung ein Mehr an Verständnis erzeugt: umbra recta = kurzer Schatten / umbra versa = langer Schatten.
Aufgrund der relationalen Koppelung von Text und Bild wird im Instrument Buch auch ohne Wissen um die Herkunft und Konzeption der Scala altimetra verständlich, weshalb gleich unterhalb der Darstellung des Quadranten zur zweiten Proposition nicht 22,5, sondern ein Wert von 25 festgehalten wird (siehe Abb. 4). Es sind die punct des rechtn schatens, die das Senklot auf der umbra recta-Seite der Skala H-I eines am Licht ausgerichteten Quadranten zeigt, wenn der zu beobachtende Schatten kuͤrtzer dann der Thurn hoch ist. Das ist im beigegebenen Holzschnitt zweifellos der Fall. Sobald nun das Maß der umbra recta abgelesen und die Länge des kurzen Turmschattens genommen sind, wird die hier zwar angeführte, der Intention nach aber unbekannte Höhe des Turms errechenbar: Wann der faden gefallen wer auff 25 punct des rechten schatens / und der schatt ist langt 42 schrit oder Ellen / Setz in die Regel / Sprich / 25 geben 42 was geben 100? Multiplicir 100 mit 42 / summen 4200 / die tayl in 25 / die taylung gibt 168 schrit / so hoch ist der Thurn.74 Diese, dem damaligen Sprachgebrauch entsprechend als regl Detri75 bezeichnete Verhältnisgleichung (Dreisatz) würde als Formel in etwa so aussehen:76

Die Proportionalität zwischen dem natürlichen Phänomen und der abstrakten Einschreibung (Turmhöhe : Schattenlänge = umbra versa : umbra recta), die innerhalb des Textes eine sprachlich implizite bleibt, sich indirekt aber zumindest in der Berechnung äußert, wird im Holzschnitt visuell konkretisiert: Jenes rechtwinklige Dreieck, das Schatten, Turm und Lichtstrahl bilden, verhält sich prima vista proportional zu jenem, das sich zwischen den Schnittpunkten der umbra recta und des Senklots mit der Oberkante des Quadranten formt. Die Ähnlichkeit der gezeigten Dreiecke ist dementsprechend nicht nur eine optische. Sie ist auch eine mathematisch-geometrische. Im Akt des Weiterblätterns und der Betrachtung der darauffolgenden, auf derselben Axiomatik basierenden Holzschnitte des dritten Buches mag sich der Eindruck von Proportionalität und Ähnlichkeit erhärten.77 Und dennoch: Die mehr dem Tiefenraum als der Flächigkeit zugeneigten, sich jeweils relational zu den Texten verhaltenden und insofern auf Nachvollziehbarkeit angelegten Darstellungen zielen zweifellos auf eine praktische Anwendung der Theorie: Lesen und Betrachten, das Vorlagenblatt für den Quadranten nehmen, ausschneiden, auf ein Brett aufleimen, Senklot samt Perlen und Bleigewicht anbringen, Absehen an der Oberkante montieren, am Licht ausrichten, Skala H-I ablesen, Schatten messen und die Höhe des Gebäudes vermittels Dreisatz kalkulieren.
Peter Apians Leistung hinsichtlich der Übersetzung der abstrakten lateinischen Begriffe umbra recta und umbra versa mit langer Schatten und kurzer Schatten, die ein Mehr an Nachvollziehbarkeit bedeutet, liegt wesentlich, wie gezeigt wurde, in den bereits für den Quadrans astronomicus gefertigten, für das Instrument Buch wiederverwendeten Holzschnitten begründet. Das ist zweifellos exzeptionell und in dieser Prägnanz bis dahin vielleicht sogar ein Einzelfall – zumindest mit Blick auf die deutschsprachigen mathematisch-geometrischen Schriften des 15. und 16. Jahrhunderts. Dem ist in künftigen Studien weiter nachzugehen. Angelegt fand sich das epistemische Potenzial jedoch in allgemeineren Charakteristika einer operativen Bildlichkeit: der Hybridität von Flächigkeit und Tiefenraum sowie der Relationalität von Bild und Text. Je nach Gewichtung wird dabei verstärkt die praktische Anwendbarkeit oder die theoretische Fundierung betont. Bei Peter Apian tendiert die Akzentuierung in beiden Fällen, in der deutschen Übersetzung aber ganz speziell in Richtung Praxis. Das mag wiederum der im Vorwort angesprochenen Zielgruppe geschuldet sein: den Liebhabern der mathematischen Künste unter jenen, die des Lateins nicht mächtig sind. Ihnen sollte im wahrsten Sinne möglichst bildhaft vermittelt werden, was mit Hilfe der Mathematik und Geometrie zu leisten ist, aber auch, welche Kenntnisse und Materialien hierfür notwendig sind – einige wenige vorausgesetzt, andere vermittelt (und auch beigelegt). Es sind m. E. gerade diese, der Bildlichkeit mathematisch-geometrischer Schriften inhärenten Potenziale, die eine künftige Forschung noch stärker zu berücksichtigen und vermehrt an Bruchlinien und Übergängen verschiedener Sprach- und Kulturräume aufzusuchen hat.

Fußnoten

  1. Apian 1532, Bl. D1v: Dimensionis huius vsus ex subiecta figura colligi potest facilime (Die Anwendung dieser Messmethode kann mühelos aus der darunter gestellten Abbildung gefolgert werden; wenn nicht anders angegeben hier und in der Folge meine Übersetzung). Die Zählung der Blätter entspricht den großteils auf den recto-Seiten des Quadrans astronomicus sowie des Instrument Buchs angeführten Blattsignaturen: Die Buchstaben stehen für die Bogennummern, die Ziffern für die Blattnummern innerhalb der Bögen und das v (verso) für die Rückseiten der jeweiligen Blätter. Zu dieser Systematik vgl. Hamel 1990, S. III, Anm. 3. Zu Peter Apians Quadrans astronomicus vgl. Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 164 (Kat. 7.1); zu den erhaltenen Druckwerken Röttel/Kaunzner 1995, S. 269; zu dem daraus hervorgegangenen, dem Johann Wilhelm von Loubenberg gewidmeten und nur ein Jahr später, nämlich 1533 erschienenen Instrument Buch vgl. Röttel/Kaunzner 1995, S. 270, sowie Hamel 1990, S. I–XI. Gedankt sei Franca Buss (Hamburg) und Tanja Klemm (Konstanz) für die zahlreichen Hinweise während der Ausarbeitung dieses Beitrags, sowie Charlotte Jesse und Elisabeth Riahi (beide Hamburg) für ihr präzises Lektorat.
  2. Zum Leben des in Leisnig geborenen Mathematikers, Astronomen und Kosmographen, der von 1516–1521 an den Universitäten Leipzig und Wien studierte und, nach Zwischenstationen in Regensburg und Landshut, ab 1527 als Lektor der Mathematik an der Universität Ingolstadt tätig war (wo er auch eine Druckerei unterhielt), vgl. Witzlau 1995, S. 25–32; Krafft 1986, S. 19 f.; ferner Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 164; zum humanistischen Umfeld vgl. Hofmann 1995, S. 15–24.
  3. Apian 1533, Bl. A1v. [Editorische Anmerkung: In manchen Browsern können die hier verwendeten diakritischen Sonderzeichen nicht korrekt dargestellt werden. Sollte dies bei Ihrer Lektüre der Fall sein, empfehlen wir einen Browserwechsel oder das Aufrufen der PDF-Version dieses Beitrags.]
  4. Peter Apian konzipierte die Illustrationen für sein Quadrans astronomicus, die 1533 auch für sein Instrument Buch übernommen werden sollten, vermutlich gemeinsam mit Künstlern, die die Vorzeichnungen der Holzschnitte besorgten. Angenommen wird, dass zumindest einige der Holzschnitte auf den ab 1527 für Apians eigene Druckerei tätigen Künstler Michael Ostendorfer (ca. 1492–1559) zurückgehen; das Frontispiz des Instrument Buchs hingegen auf den ab 1532 für Apian tätigen Hans Brosamer (vor 1500–1554). Vgl. Challenger 2022, S. 68–70; Ernst 1995, S. 35 sowie Röttinger 1921, S. 21 f., Anm. 3; zum Frontispiz kürzlich auch Ottmann 2020, S. 142–144.
  5. Vgl. Krämer 2018, vor allem S. 217 f.; Krämer 2016, S. 83–85; Krämer 2009, besonders S. 104 f.; im Anschluss daran auch Haug u. a. 2017, S. 264–266, oder Hamburger 2022b, S. 59.
  6. Vgl. Hamburger 2022b, S. 54 f.; sowie De Laurentiis 1995, S. 98 f., dort anhand italienischer Abakus-Traktate bzw. den dortigen Hinweisen auf die beigegebenen Illustrationen dargelegt.
  7. Vgl. Krämer 2018, S. 210 f.; Krämer 2016, S. 60–62; Krämer 2009, S. 95; daran anschließend auch Haug u. a. 2017, S. 265.
  8. Vgl. hierzu insbesondere Lechtermann 2017, S. 314–316 (dort mit weiteren Literaturhinweisen).
  9. Curtze 1899, S. 43.
  10. Vgl. Wiesinger u. a. 2023, insbesondere S. 74. Für den Zeitraum zwischen 1400 und 1550 konnten die Autor*innen bereits über 300 deutschsprachige Handschriften identifizieren, die mathematische Inhalte umfassen. Zum Forschungsstand vgl. ferner Lechtermann 2017, S. 315–316; Wiesinger 2021, S. 7–11, sowie Wiesinger u. a. 2023, S. 73. Einen Überblick zu den Auswirkungen der wirtschaftlichen Revolution auf das Aufkommen einer volkssprachlichen Mathematik, im 13. und 14. Jahrhundert zunächst im heutigen Italien, im 15. Jahrhundert auch nördlich der Alpen (aufgrund der vielfachen Handelsbeziehungen anfangs unter dem Einfluss Italiens), bieten Van Egmond 1980, S. 9–12, sowie Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 190–195.
  11. Kunsthistorische Arbeiten, in welchen die Bildlichkeit von mathematisch-geometrischen Schriften des 14.–16. Jahrhunderts im Zentrum stand, haben sich weitestgehend auf das heutige Italien beschränkt. Vgl. hierzu die klassische Studie von Baxandall 1978, insbesondere S. 86–93; De Laurentiis 1995 sowie neuerdings Botana 2020, dort vor allem S. 156–189.
  12. Zur ‚Instrumentalität‘ als Verkörperung von Wissen vgl. Haug u. a. 2017, S. 264–266.
  13. Vgl. Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 190–195; Lechtermann 2017, S. 330 f., sowie Wiesinger 2021, S. 9–11.
  14. Für eine Einführung in die namentlich auf Fibonaccis Liber abaci (1202) zurückgehenden, vielfach illustrierten italienischen Abakus-Traktate von ca. 1290–1600 vgl. Van Egmond 1980, S. 3–33; für eine chronologische Auflistung derselben Van Egmond 1980, S. 407–420 (von den 441 dort gelisteten Werken stammt nur eines aus dem 13. Jahrhundert, 44 sind dem 14. Jahrhundert zuzuordnen, 177 dem 15. und 220 dem 16. Jahrhundert); vgl. ferner De Laurentiis 1995, S. 95–125, und Botana 2020, S. 156–189. Zu den seit dem späten 13. Jahrhundert bekannten Abakus-Schulen in Italien vgl. ferner Hein 2010, S. 108 f., sowie Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 189–194. Bezüglich der Höhenberechnung eines Turms anhand des Schattens bzw. des Quadranten vgl. Lička 2022, S. 198–203, sowie Sorge 2011, S. 377–382; unter Berücksichtigung der italienischen Malerei des 14. Jahrhunderts Scholz 2019, S. 173–180, und Trachtenberg 2019, S. 33–36; mit Bezug zur Malerei des 15. Jahrhunderts hingegen Camerota 2001a, S. 19–24; Camerota 2001b, S. 27–38 (inklusive der jeweiligen Katalogteile), sowie Micheluzzi 2022, S. 263–292; zu Leon Battista Alberti ferner Zerlenga 2020, S. 236 f.
  15. Vgl. Lechtermann 2017, S. 317, sowie Wiesinger 2021, S. 8 f. Die Handschrift mit der Sigle A umfasst die lateinischen sowie die deutschen, teils übersetzten teils etwas freier übertragenen Texte (Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu, Cod. IV Q 33m, Anfang 15. Jh.); Handschrift B war ursprünglich wohl ebenfalls zweisprachig angelegt, erhalten hat sich aber nur der deutsche Text (Vilnius, Litauische Akademie der Wissenschaften, MS Fond 15–368; Mitte 16. Jh.), und bei C handelt es sich um ein Fragment des deutschen Texts (vormals Rats- und Gymnasialbibliothek Thorn/Toruń, gilt nunmehr als verschollen; Anfang 15. Jh.?). Zu Letzterer vgl. Päsler 1999.
  16. Vgl. Curtze 1899, S. 43–44, mit einem Abdruck des Textes aus Cgm. 328, fol. 62r–73r auf S. 45–63 (das Manuskript ist https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb00010053?page=,1 online einsehbar, letzter Zugriff am 28.01.2024). Eine kodikologische Analyse findet sich bei Schneider 1970, S. 335–342. Zur Frage der Autorschaft und Datierung des Tractatus quadrantis vgl. hingegen Hahn 1982, S. xv–xxiii; ferner Thorndike 1943, S. 467–469, und Busard 1965, S. 520. Eine illustrierte, in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Frankreich entstandene Abschrift des Tractatus quadrantis wird heute als Teil von MS Tanner 192 in der Bodleian Library in Oxford verwahrt. Vgl. Alexander/Pächt 1966–1973, Bd. 1, S. 49 (Nr. 629).
  17. Eine Zusammenstellung der Begriffe findet sich bei Curtze 1899, S. 44.
  18. Vgl. Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 174 f.
  19. Vgl. Hamel 1990, S. X f., und daran anschließend Riederer 1995, S. 217.
  20. Die ansonsten mit Bl. B4v identische Vorlage ist Teil des Anhangs von BSB, Rar. 2043, trägt aber weder Seiten- noch Blattnummer. Setzt man die bis dahin bestehende Blattzählung fort (ab Bl. N3), so würde sich die Vorlage in BSB, Rar. 2043 auf Bl. N8 befinden, und zwar mit folgender Beschriftung: Dise beygelegten Fuͦnff bogen / die allein auff ainer seytten gedruckt sindt / sollen nit in oder zu dem Buͦch gebunden werden / sonder es seind die Instrument / davon ich im Buͦch offt meldung gethan habe / welhe auff die bretlein sollen geleymet werden. Vgl. hierzu auch Riederer 1995, S. 218, und Hamel 1990, S. IX, wobei Letzterer zu bedenken gibt, dass viele dieser Vorlagen aufgrund des Anratens eines losen Beilegens bzw. der faktischen Verwendung fehlen würden. Das Instrument Buch der Bayerischen Staatsbibliothek mit der Signatur Rar. 2043, das wahrscheinlich aus Apians persönlichem Besitz stammt, wie eine eigenhändige Notiz vermuten lässt (vgl. Hamel 1990, S. IV, Anm. 4), enthält dagegen gleich neun dieser Einzelblätter.
  21. Vgl. Hamel 1990, S. VII, sowie Challenger 2022, S. 69 f. Letztere gibt zu bedenken, dass die Wiederverwendung der Holzschnitte neben rein pragmatischen Gründen wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass man den Preis der Druckwerke niedrig halten wollte, um der intendierten Zielgruppe entgegenzukommen. Ein solches Vorgehen, so Challenger 2022, S. 69, Anm. 145, ist für die 1540 gedruckte deutsche Übersetzung des Astronomicum Caesareum belegt.
  22. Im Quadrans astronomicus sind das die Bl. D1v–D2, im Instrument Buch die Bl. E3–E3v.
  23. Krämer 2009, S. 105.
  24. Die drei Kategorien, auf die ich mich hier berufe, sind jene, mit welchen Krämer 2018, S. 214–218, operiert. Sie stellen eine teilweise Synthese aus den bereits zuvor entwickelten „sechs Attributen operativer Bildlichkeit“ (Krämer 2009, S. 105) dar: Flächigkeit, Gerichtetheit, Graphismus, Syntaktizität, Referenzialität und Operativität. Vgl. Krämer 2009, S. 98–105. Flächigkeit und Gerichtetheit gehen im ‚Dreier-Schema‘ in der Kategorie der Räumlichkeit auf, während Syntaktizität und Referenzialität zu Aspekten des Graphismus werden. Eine weitere Ausdifferenzierung auf zwölf Attribute in Krämer 2016,
    S. 59–86.
  25. Das gilt vor allem für die deutschsprachigen Texte der Mathematik. Vgl. hierzu auch Lechtermann 2017, S. 316. Zieht man den italienischen, für den deutschen Sprachraum zweifellos prägenden Kontext mit hinzu (und dies wäre für künftige Auseinandersetzungen mit der Thematik wünschenswert), wäre wenigstens der Zeitraum ab dem späten 13. Jahrhundert zu berücksichtigen.
  26. Wie Hamel 1990, S. VIII, richtiggehend bemerkt, sind die erforderlichen Grundkenntnisse der Werkintention entsprechend auf ein Minimum beschränkt. In den Beispielen betrifft dies neben dem Rechnen mit arabisch-indischen Zahlen (Grundrechenarten), der Geometrie und Optik vor allem die Berechnung von Verhältnissen und Proportionen, wie sie Peter Apian größtenteils in Eyn Newe unnd wolgegründte underweysung aller Kauffmanß-Rechnung von 1527 einführt. Vgl. Kaunzner 1995, S. 188–216; zu den erhaltenen Drucken hingegen Röttel/Kaunzner 1995, S. 265–267.
  27. An dieser Stelle ist noch irrelevant, ob es sich um die der älteren Extramissionstheorie entsprechenden, vom aktiven Auge ausgesandten Sehstrahlen handelt oder das in das passive Auge einfallende, sich strahlenförmig ausbreitende Licht der neueren Intromissionstheorie. Auf Letzteres verweist sodann die Neigung der anthropomorphen Sonnen, insofern sie die im selben Winkel wiedergegebenen Strahlen visuell an die Lichtquelle bindet. Zur Geschichte der Optik bis ins 16. Jahrhundert maßgeblich ist nach wie vor Lindberg 1987; nunmehr auch Smith 2015.
  28. Zur Darstellung des Schlagschattens grundlegend sind Kaufmann 1975, vor allem S. 261–279; Gombrich 1995, S. 19–26; Stoichita 1997, S. 62–87; Bleek 2016, S. 48–50 bzw. S. 69–76 (Kap. Fläche, Raum und materia); Sharpe 2017, S. 23–26; Casati/Cavanagh 2019, S. 289–335; unter Berücksichtigung der Altimetrie nunmehr Micheluzzi 2022, insbesondere S. 263–292.
  29. Zur Benennung der Teile des Quadranten vgl. Dreier 1989, S. 30–32; ferner Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 155 f., und Zinner 1972, S. 203–207 (dort auch mit einigen Weiterentwicklungen).
  30. Apian 1533, Bl. E3. Der hier nur auszugsweise wiedergegebene Text aus dem Instrument Buch ist eine quasi wörtliche Übertragung aus dem Quadrans astronomicus. Vgl. Apian 1532, Bl. D1v: Dimensurus vel Turrim vel aliud quoddam aedificium ad quod in terra facile iusta planicie pertransiri potest, radios sive solares sive lunares per pin[nac]ulas excipe, statim[que] filum observa, illud enim si autin arcu H I supra puncta 100. aut in limbo super 45. gradus ceciderit, scies Turrim eius esse altitudinis cuius est vmbra sua longitudinis. Das Beispiel der Vermessung des Turms anhand des Schattens bei 45° Lichteinfall findet sich in ähnlicher Weise bereits im Tractatus quadrantis (Kap. 53), später dann und vermutlich von dort übernommen auch bei Biagio Pelacani da Parma. Vgl. Hahn 1982, S. 73, sowie Pelacani 2009, S. 173 (I, 11, 3).
  31. Im lateinischen (vgl. Apian 1532, Bl. D1v ) wie auch im deutschen Text wird noch ergänzt (hier nach Apian 1533, Bl. E3): So laß die Sonn oder den mon durch die loͤchlein der absehen scheinen / un̄ merck den faden.
  32. Die in Klammern angegebenen Längen und Höhenabmessungen entsprechen jenen der Darstellungen, wobei L für Länge (lat. longitudine) und H für Höhe (lat. altitudine) steht.
  33. Vgl. Krämer 2018, S. 215; Krämer 2016, S. 65–67; Krämer 2009, S. 98–100; jüngst auch Anderson 2022, S. 93–99 (dort mit einer stärkeren Betonung eines graduellen Übergangs zwischen beiden Modalitäten).
  34. Paradigmatisch hierfür ist der Blick durch das geöffnete Fenster (fenestra aperta), wie ihn Leon Battista Alberti bereits 1435/36 in Della pittura formulierte. Vgl. Alberti 2010, S. 93 (I, 19); ferner Anderson 2022, S. 94.
  35. Zum Schatten als paradigmatisches Beispiel der Verflachung vgl. Krämer 2018, S. 217: „Die hier angedeutete Kulturtechnik der Verflachung ist äußerst folgenreich: für den Alltag, für die Künste, für die Wissenschaft. Ist es Zufall, dass dem Schatten, der prototypischen Elementarerfahrung der Verflachung, für die Entwicklung von Wissenschaft und Kunst so große Bedeutung zukommt?“
  36. Der Modus der Flächigkeit ist innerhalb des dritten Holzschnitts deshalb schwieriger auszumachen, weil im Unterschied zu den beiden vorangegangenen hier von den Betrachtenden gefordert wird, die an der Vorderkante des Schlagschattens positionierte Bemaßung auf die hintere zu übertragen. Nur dort wird im Holzschnitt ein allseitig von Linien begrenztes Dreieck ausgebildet.
  37. Krämer 2009, S. 99, die mit der in Klammer gesetzten Relativierung „aber selbstverständlich nicht immer“ auch Abweichungen von der postulierten Norm zulässt.
  38. In dieser Form hatte man dies zuvor bereits in Johannes Stöfflers Elucidatio gelöst – mit Ausnahme des Holzschnittes auf fol. 69v, wo der auch anhand der Inschrift Vmbra turris kenntlich gemachte Schatten im Fallen begriffen auf der geometrischen Fläche zu liegen kommt.
  39. Vgl. Anm. 1.
  40. Apian 1532, fol. 14r: Mensuratio ista expressa est hoc typo bzw. Schema huius dimensionis.
  41. Vgl. Bandmann 1994, Sp. 572–574 (dort auch mit weiteren Literaturhinweisen); zum Stechzirkel als Instrument des Abschlagens und Messen siehe ferner Vollrath 2013, S. 21. Maßgeblich zu den Artes Liberales-Zyklen, in welchen das Attribut des Zirkels immer wieder aufgenommen wurde, ist Stolz 2004; ferner Stolz 2005, insbesondere S. 293.
  42. Zum Konzept des „Graphismus“ vgl. Krämer 2009, S. 100–104; Krämer 2016, S. 68–70; Krämer 2018, S. 215–217; ferner Hamburger 2022a, S. 3; Hamburger 2022b, S. 54, sowie Anderson 2022, S. 93–98, wobei Letztere jeweils von „inscription“ (auch inscribing etc.) oder „geometric shapes“ sprechen. Zu den diversen, auf der Oberfläche eines Quadranten eingeschriebenen Linien vgl. hingegen Dreier 1989, S. 30–34; Zinner 1972, S. 155–163 (zu Apians Quadranten dort S. 160–162).
  43. Diese Begrifflichkeit verwendet Apian 1533, Bl. A5; eine kürzere Erläuterung zudem in Apian 1532, Bl. A3v (Propositio tertia). Eine Übersicht zur Geschichte und Funktionsweise der Scala altimetra geben Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 156 f.; Zinner 1972, S. 187–191; Dreier 1989, S. 26–28 bzw. 33 f.; Schmidt 1988, S. 241–243 bzw. S. 310–312; mit Fokus auf die Ursprünge im arabischen Raum vgl. King 2005, S. 247–252 (Appendix B). Losgelöst vom Astrolabium taucht die Scala altimetra im lateinischen Mittelalter erstmals im 10./11. Jahrhundert bei Gerbert von Aurillac (um 950–1003) auf. Vgl. Dreier 1989, S. 33.
  44. Vgl. Krämer 2016, S. 69, 135–137 sowie Krämer 2018, S. 217, jeweils unter Berufung auf Bogen 2005, dessen Argumentation hinsichtlich seines Entwurfs für eine ‚kunsthistorische Diagrammatik‘ wesentlich auf dem legendarischen Ursprung der Malerei bei Plinius d. Ä. (circumscriptio) und der Aufzeichnung (descriptio) des Schattens eines Gnomons am Analemma einer Sonnenuhr beruht.
  45. Vgl. Schmidt 1988, S. 241–243, 310–312; von murabba‘ al-ẓill spricht hingegen King 2005, S. 251, der mit al-ẓill al-mabsūṭ (wörtl. ‚ausgestreckter Schatten‘) und al-ẓill al-mankūs bzw. al-ma‘kūs (‚verkehrter Schatten‘) die im Lateinischen zu umbra recta und umbra versa übersetzen Begriffe anführt.
  46. Vgl. Apian 1532, Bl. A3v (Propositio tertia), bzw. Apian 1533, Bl. A5.
  47. Vgl. Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 156 f., sowie Lička 2022, S. 198–203, dort u. a. mit Verweis auf die astronomischen Tafeln des al-Khwārizmī. Zu den historischen Verfahren und ihren Anwendungen umfassend ist Hahn 1982, S. ix–xli, liv–lvi, lxxi–lxxiii; zur Konstruktion des Quadranten am Beispiel von §17 der Geometrie due sunt partes principales (12. Jh.?) S. 142–144. Auch Peter Apian gibt in seinem Instrument Buch Hinweise zur Konstruktion: auf Bl. A5 entsprechend seiner Vorlage als Cirkel, d. h. als Viertelkreis, auf Bl. G2v hingegen als Quadrat.
  48. Zur Relationalität diagrammatischer Einschreibungen bzw. Aufzeichnungen unter Berufung auf den Schatten des Gnomons einer Sonnenuhr vgl. Bogen 2005, besonders S. 154–167; ferner Krämer 2018, S. 215–218; Krämer 2009, S. 101–104.
  49. Krämer 2016, S. 62; dort im Anschluss auch der Hinweis auf „das grundständige Wechselverhältnis zwischen dem, was am Diagramm material verkörpert und also beobachtbar ist, und dem, was an ihm nicht wahrnehmbar ist, sowie die den Diagrammgebrauch begleitenden, von ihm evozierten ‚unsichtbaren‘ Denkbewegungen“ als „unhintergehbares Faktum“; Krämer 2016, S. 63.
  50. „Amorphe Vorstellungs- und Empfindungswelten erfahren durch symbolische Exteriorisierung eine gedankliche Klärung und Strukturierung; unsichtbare ‚Wissensdinge‘ wie etwa Zahlen erhalten eine sinnliche, handhabbare Signatur; komplexe Probleme können durch regelhafte Symbolmanipulation gelöst werden – und diese Reihe produktiver Schriftverwendungen ließe sich lange fortsetzen“; Krämer 2018, S. 217 (zur ‚Operativität‘).
  51. Schwierigkeiten dieser Art sind bereits zwei Jahrhunderte zuvor dokumentiert, nämlich in einem fiktiven Dialog, der sich in der Acerba (1321–1327) des Cecco d’Ascoli findet (IV, VII, 60–66 [4111–4122], hg. Albertazzi 2005, S. 332 f.): E tu a me: – Omai vorìa sentire / qual’ è quel’ ombra che chiami riversa, / chè la drita so bene che vòl dire. / Ché onne corpo ch’ è drito in plano / facendo, come vòle, ombra riversa, / questa è drita da presso e lontano. – / – Se corpo ostile cade a sopre tore, / quel’ ombra si è riversa che tu vidi, / che varia secondo che ’l Sol core; / questa crescendo, la drieta scema, / e ciò converso: voglio che te fidi, / chè ver te dice qui onne mio tema.
  52. Vgl. Bogen 2005, S. 164: „Die Situation, in der das Diagramm produziert wird, dauert also in der Situation, in der es rezipiert wird, bis zu einem gewissen Grad fort oder wird zumindest mental rekonstruiert: Ein Diagramm hat man erst richtig verstanden, wenn man es auch selbst konstruieren kann.“ Vgl. ferner Hamburger 2022a, S. 7; Anderson 2022, S. 102–104 sowie, mit Bezug zu Apians Quadranten, Riederer 1995, S. 217 f.
  53. Vgl. Apian 1533, Bl. A4v.
  54. Vgl. Apian 1532, Bl. A3v (Propositio tertia): ¶Circulum vna cum punctis suis vnde altitudinum latitudinumq[ue] & distantiarum patet com[m]ensuratio, exacte intelligere. / Ne hac quoq[ue] parte tibi quisquis es huius rei vt iucundissime ita longe vtilissime stu / diosus nostra desit opera, Ecce super circulum F.G. alium adhuc vides H.I. vtrinq[ue] / usq[ue] ad medium in partes 100. dissectum. Ex quibus puncta priora 100. ab H. vsq[ue] ad me / dium, vmbrae rectae puncta dicuntur. Ab 1. vero itidem vsq[ue] ad medium puncta vm / brae versae, vtriq[ue] sui sunt adiuncti numeri a 5. vtq[ue] in 100.
  55. Vgl. Apian 1533, Bl. A5 (Scala Altimetra).
  56. Apian 1533, Bl. B1v (Das Zehend Capitel).
  57. Apian 1533, beigelegtes Vorlagenblatt für den Quadranten (in BSB, Rar. 2043, Bl. [N8]).
  58. Vgl. Apian 1533, Bl. A5 (Scala Altimetra). Hinzu kommen die grundlegenden Informationen, dass die Scala altimetra im Deutschen als Meßlayter bezeichnet wird, inwiefern Apians Eigenkonstruktion formal von der Norm abweicht (nach dem Cirkel gemacht / und ist geleich so vil / als waͤr sie vierecket) und wo sich die entsprechende Skala auf der Vorlage für den Quadranten befindet (ist ein Cirkel mit namen H / I).
  59. Apian 1533, Bl. A5 (Scala Altimetra).
  60. Apian 1533, Bl. A5 (Scala Altimetra).
  61. Apian 1533, Bl. A5 (Scala Altimetra).
  62. Vgl. Anm. 16.
  63. Curtze 1899, S. 44.
  64. Vgl. Curtze 1899, S. 44. Von rechten schatten (bzw. schaten) ist nach der Zählung von Curtze in den Abschnitten 12, 14, 15 sowie 20 zu lesen, von den verkerten schatten (bzw. schaten) in 12 und 14 (entspricht in BSB, Cgm. 328, fol. 64v–65r und 66v).
  65. Vgl. Stöffler 1513, fol. 69; ferner Dreier 1989, S. 28; daran anschließend auch Folkerts u. a.(Hg.) 2001, S. 156 f. Der Konstruktion des dort beschriebenen Astrolabiums geschuldet sind umbra recta und umbra versa in der Elucidatio vertauscht. Vgl. hierzu Lička 2022, S. 202.
  66. Angelegt scheint die Semantik der Begriffe Apians bereits in umbra extensa sowie al-ẓill al-mabsūṭ (beides wörtl. ‚ausgestreckter Schatten‘). Vgl. hierzu Micheluzzi 2022, S. 269–272, sowie King 2005, S. 251.
  67. Apian 1533, Bl. E3 (Das Er Cap.).
  68. Apian 1533, Bl. G2v (Beschlus). Die umbra versa wurde im Holzschnitt versehentlich mit vmbra vresa beschriftet.
  69. Apian 1533, Bl. A1v.
  70. Vgl. Anm. 62.
  71. Zur ‚Relationalität‘ vgl. auch Krämer 2016, S. 70 f.
  72. Apian 1533, Bl. E3.
  73. Hamburger 2022b, S. 59: „If, however, drawing a diagram and the process of thinking represents two sides of the same equation, then it is not simply a matter of thought generating diagrams but also of diagrams generating thought. Rather than a representation, a diagram structures the patterns according to which one thinks. More than a mere representation, a diagram is active and operative.“
  74. Apian 1533, Bl. E3v (Das Ander Cap.).
  75. Apian 1533<<, Bl. G2v (Beschlus): Darnach handel mit der regl Detri wie ich dich allenthalben im Quadranten gelernt habe.
  76. Die restlichen Beispiele angeführt bei Riederer 1995, S. 220 f. Beim Dreisatz, auch Regula detri oder Regeldetri, handelt es sich um eine der wichtigsten Lehr- bzw. Lerninhalte der kaufmännischen Mathematik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Dementsprechend taucht sie in Apians Kaufmannsrechenbuch (1527) auch als der kaufleut regel auf. Vgl. Kaunzner 1995, S. 190. Vgl. Folkerts u. a. (Hg.) 2001, S. 192–196; für ein deutschsprachiges Beispiel der Österreichischen Nationalbibliothek (Codex 3528) aus der Zeit zwischen 1480 und 1540 vgl. Wiesinger u. a. 2023, S. 78 bzw. 101.
  77. Vgl. Apian 1533, Bl. E4 (Das Vierd Cap.)–G2v (Beschlus).

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