Zur Aneignung kultureller Hinterlassenschaften mithilfe der Instruction sur la manière d'inventorier von 1793

Abstract
In der direkten Folge der Französischen Revolution wurden zahlreiche private und monastische Sammlungen enteignet und aufgelöst, ihre Objekte anderen Sammlungskontexten zugeordnet. Die für eine erste Erfassung dieser Sammlungen zuständige Kommission initiierte 1793 eine ausführliche Handlungsanweisung zur Inventarisierung dieser Hinterlassenschaften. Die Instruction sur la manière d’inventorier nimmt grundlegend Stellung zur Problematik des Vandalismus, zum Sinn der Bewahrung und Neuverteilung künstlerischer, wissenschaftlicher und technischer Zeugnisse sowie zu deren Erfassung und Klassifizierung. Einige der daraufhin geschriebenen Listen, wie das umfängliche Konvolut einer bedeutenden Privatsammlung aus Rennes, haben sich in Archiven erhalten. Der Beitrag fokussiert die Bedeutung der Instruction und ihre Relevanz für die Geschichte der Inventarisation und Erhaltung von gesammelten Gegenständen.
Abstract (englisch)
In the wake of the French Revolution, numerous private and monastic collections were expropriated and dissolved, their objects transferred to other collection contexts. In 1793, the commission responsible for a first inventory of these collections initiated a detailed instruction for the inventory of these legacies. The Instruction sur la manière d’inventorier takes a fundamental stance on the problem of vandalism, on the meaning of preserving and redistributing artistic, scientific and technical testimonies, and on their registration and classification. Some of the lists written in response, such as the bundle of an important private collection from Rennes, have been preserved in archives. This article focuses on the significance of the Instruction and its relevance for the history of inventoring and preservating collected objects.
Inhaltsverzeichnis
Dem Vergessen, den Dingen des Vergessens habe ich dies Monument errichtet, zweifellos weniger dauerhaft als Erz, und es vermischt sich mit ihnen.
Jorge Luis Borges, Inventar
In der Folge der Französischen Revolution kam ein Problem auf die französische Assemblée nationale zu: Wollte man die Plünderung, Zerstreuung und Zerstörung der zahlreichen enteigneten Besitztümer stoppen, diese vielleicht sogar systematisch erhalten und neuen Funktionszusammenhängen zuführen, mussten die unzähligen Objekte aus dem ehemaligen kirchlichen und adligen Besitz erst einmal erfasst und sortiert werden. Der erklärte Wille, diese Kulturgüter nicht zu opfern, brachte einen bis dahin nicht gekannten Schub in der Ausdifferenzierung der beteiligten, teilweise auch jetzt erst neu entstehenden Wissenschaftszweige mit sich. Die Sammlungsbestände wurden in der Folge dekontextualisiert und in teilweise neu eingerichteten Institutionen rekontextualisiert. Bei diesem Prozess einer vollständigen Neuordnung der Dinge, der weit über das 19. Jahrhundert und teilweise bis in unsere Tage andauern sollte, spielten die kulturellen Praktiken des Aufschreibens und Ordnens eine zentrale Rolle. Zwar sind nur wenige dieser Listen, Notations- und Ordnungsversuche vollständig erhalten, dennoch lässt sich mit den archivalischen und musealen Überresten, vor allem mit den publizierten Handlungsanweisungen und Richtlinien ein halbwegs präzises Bild dieser Anstrengungen und ihrer Bedeutung rekonstruieren.
Proh pudor – Die Erfindung des Vandalismus
Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 war nicht nur in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht ein deutliches Symbol für einen Epochenwandel, er hatte auch direkte Auswirkungen auf die Verfassungsgebende Versammlung, die Assemblée nationale constituante. Auf die Einnahme der Festung folgte noch am selben Tag die Organisation ihres Abrisses durch den selbsternannten Abrissbeauftragten und Bauunternehmer Pierre-François Palloy. Mehrere hundert Bauarbeiter zerlegten in seinem Auftrag das Gebäude und erbrachten dem Unternehmer stattliche Einkünfte durch den Verkauf des Materials sowie von Souvenirs, die er aus den Steinen und dem Metall des Bauwerks herstellen ließ. Palloy war in gewisser Weise der Erfinder und erste Vertreter einer neuen Branche, die Abbé Henri Grégoire einige Jahre später mit dem neuen Begriff des “Vandalismus” brandmarken sollte.
Was folgte, ist bekannt: Die Spekulanten der Bandes noires zogen durch Frankreich, plünderten und verkauften die enteigneten Schlösser und Abteien als Baumaterial. Etwa ein Jahr nach dem Sturm auf die Bastille, am 13. Oktober 1790, gründete die Assemblée nationale in Paris die Commission des monuments de la Constituante, die für den Schutz derjenigen Monumente vor Verkauf und Zerstörung zuständig sein sollte, die mit der Revolution nationales Eigentum geworden waren. Die Zerstörungen aber gingen ungeachtet dieser ersten Schutzmaßnahmen weiter. Und so konnte Victor Hugo selbst 1825 noch vom substanziellen Raubbau an den normannischen Abteien in der Nähe von Rouen berichten:On nous a dit que des anglais avaient acheté trois cents francs le droit d’emballer tout ce qui leur plairait dans les débris de l’admirable abbaye de Jumiéges. Ainsi les profanations de lord Elgin se renouvellent chez nous, et nous en tirons profit. Les turcs ne vendaient que les monuments grecs; nous faisons mieux, nous vendons les nôtres. On affirme encore que le cloître si beau de Saint-Wandrille est débité, pièce à pièce, par je ne sais quel propriétaire ignorant et cupide, qui ne voit dans un monument qu’une carrière de pierres. Proh pudor!
Mit der Französischen Revolution kamen also sowohl die Zerstörung der Monumente als auch erste übergreifende Maßnahmen zu ihrer Erforschung und Erhaltung. Die Gründung der Kommission berücksichtigte die Unterschiedlichkeit der enteigneten Gegenstände, indem man sich die Arbeit zunächst in zehn, dann in sieben, in drei und schließlich in dreizehn Sektionen aufteilte.
Im Fall des Schlosses von Chantilly und der in ihm aufbewahrten Sammlungen des 1789 nach England geflohenen Fürsten von Condé, Louis V. Joseph de Bourbon, stellte man eine Arbeitsgruppe zusammen, deren Mitglieder ein breites methodisches Wissen sowie unterschiedliche Fähigkeiten mitbrachten. Neben dem Schriftsteller und Antiquar François-Marie Puthod de Maisonrouge, Mitbegründer und Mitglied der Commission des arts, waren in Chantilly der Botaniker und Zoologe Jean Baptiste de Monet de Lamarck, der Zeichner und Kupferstecher Jean-Michel Moreau le Jeune, der Schriftsteller Henri Bernardin de Saint-Pierre sowie ein nicht näher greifbarer Valenciennes (Mineraloge oder Maler) mit der Inventarisierung der bedeutenden Hinterlassenschaften im Mai 1793 beschäftigt. Darüber hinaus war aber auch François Gilles Gaillard beteiligt, der als marchand d’histoire naturelle für die finanzielle Schätzung der naturwissenschaftlichen Konvolute der Condé zuständig war, und auch den Wert anderer bedeutender Sammlungen wie die des Muséum d’histoire naturelle in Paris schätzte. Generell herrschte von Anbeginn Einigkeit über die Notwendigkeit der schriftlichen Fixierung aller Güter. Zur Durchführung einer einheitlichen und vergleichbaren Katalogisierung wurden in schneller Folge zwischen 1790 und 1791 vier Instruktionen erarbeitet. So hieß es in der Instruktion vom Dezember 1790 beispielsweise, man müsse die zu erhaltenden Objekte vor allem erst einmal verzeichnen:
Parmi les effets mobiliers des établissements ecclésiastiques, dont les biens font partie des domaines nationaux, il se trouve une infinité de monuments qui intéressent les lettres, les sciences et les arts. Pour les conserver, il est nécessaire d’en prévenir la dispersion et d’en empêcher le dépérissements. […] Mais avant tout, il convient d’indiquer les objets qu’on doit conserver.
Die in den Sektionen erstellten Inventare und Listen entsprachen aufgrund der häufig mangelhaften Kenntnisse ihrer Ersteller – nicht alle waren so hervorragend informiert wie die Arbeitsgruppe in Chantilly – nicht immer den Anforderungen und Vorstellungen der Kommission. Aus diesem Grund gab sie 1793 eine weitere, mit 70 Seiten deutlich ausführlichere Handlungsanweisung in Druck, die maßgeblich von dem Pariser Mediziner und vergleichendem Anatom Félix Vicq d’Azyr verantworteten Instruction sur la manière d’inventorier.
Erfassung für eine zukünftige Erinnerung
Der volle Titel des publizierten Texts gibt Aufschluss über die Breite der Überlegungen: Die Instruction sur la manière d’inventorier et de conserver dans toute l’étendue de la République, tous les objets qui peuvent servir aux arts, aux sciences et à l’enseignement zielte über das Mittel der Beschreibung auf die Erhaltung und in einem weiteren Schritt auf eine Nutzung der Dinge für Künste, Wissenschaften und Bildung. Wie bei jedem Inventar sollte mit der großangelegten Erfassungskampagne zunächst einmal auch hier eine Ermittlung des Besitzstands erreicht werden. Der bereits im Titel explizit formulierte Anspruch, alle nützlichen Objekte erfassen zu wollen, scheint daraufhin zu deuten, dass man daran glaubte, einen fest definierten Bestand vor sich zu haben. Dennoch hieß es im Text – dazu im Widerspruch –, Denkmale seien nicht nur in den aufgelösten Institutionen zu sichern, sondern seien überall zu finden, wo der Mensch Spuren seiner Zivilisation hinterlassen habe. Das Wissen aus Vergangenheit und Gegenwart müsse an kommende Generationen weitergeleitet werden. Die Listen richteten sich also auf die Möglichkeiten der Nutzung in der Gegenwart und auf jene der Erinnerung der Nachwelt, au souvenir de la postérité.
Die Instruktion war, wie der Titel andeutet, eine Anweisung zur Vorgehensweise der Erfassung vor Ort. Um möglichst wirksam zu werden, entschied man sich neben einer generellen Einleitung für eine systematische Beschreibung der Schritte und für die Bereitstellung eines einheitlichen Ordnungssystems. Die bereits erwähnten dreizehn Sektionen wurden jeweils mit einem alphabetischen Kürzel versehen und behandelten nun in einer Mischung aus wissenschaftlicher und administrativ-pragmatischer Klassifizierung: Histoire naturelle – A; Physique – B; Chymie – C; Anatomie – D, Médecine, Chirurgie; Mécanique, Arts et Métiers – E; Géographie et Marine – F; Fortifications, Génie militaire – G; Antiquités – H; Dépôts littéraires – I; Peintures et Sculpture – L; Architecture – M; Musique – MM; Ponts-et-Chaussées – N.
Alle Informationen sollten in Tabellen eingetragen sowie komplementär dazu auf Etiketten übertragen werden, die an den Objekten zu fixieren seien (Abb. 1).
- Abb. 1: Anweisung zur Anfertigung von Etiketten für die Beschriftung der Objekte in der Instruction, 1793, Exemplar aus der ehem. Bibliothèque d’art et d’archéologie, Jacques Doucet, heute bibliothèque INHA, Paris.
So konnten die Objekte und Listen auch bei Standortwechseln zweifelsfrei einander zugeordnet werden. Im Département Allier vermerkte der Zeichenlehrer Claude Henry Dufour die Anfertigung dieser Etiketten explizit in seinen Listen.
Félix Vicq-d’Azyr prägte mit seinem Anspruch an eine wissenschaftliche Methodik und die Entwicklung einer jeweiligen Nomenklatur die Herangehensweise der Instruktion maßgeblich. Scheint doch allein in der Terminologie des Papiers die naturwissenschaftliche Systematik hindurch, die taxonomische Begriffe wie classe, ordre, genre oder espèce aus Botanik oder Zoologie für alle Gegenstände übernimmt. Noch Jahrzehnte später verglich der normannische Gelehrte Arcisse de Caumont die Vorgehensweise in den Architekturwissenschaften explizit mit jener der Botanik: Bref, on peut analyser les caractères d’un édifice, pour découvrir à quelle époque il a été construit, comme on analyse les organes d’une plante pour trouver à quel genre elle appartient. Die Disziplinen Archäologie, Architektur- und Kunstgeschichte profitierten von der systematischen Beschreibung der Naturwissenschaften, wie auch Rudolf von Eitelberger 1856 feststellte. Die Analogiebildung der Artefakte mit den Naturalia hatte hingegen nicht unerhebliche Auswirkungen auf eine morphologisch argumentierende Stilgeschichte im 19. Jahrhundert, prägte doch der deskriptive und positivistische Zugriff die historiografischen Erinnerungsformen vor allem in Bezug auf die mittelalterlichen Kunstgegenstände, deren historisch-soziale Entstehungsbedingungen in den favorisierten evolutionistischen Modellen restlos ausgespart wurden.
Die Listen
Der aus Paris an die Départements versendeten Instruktion folgten zahlreiche, bei weitem jedoch nicht alle Provinzialregierungen mit der Erstellung von Inventaren höchst unterschiedlicher Machart und Qualität. Neben mehr oder weniger detaillierten Auflistungen gab es auch präzise erarbeitete Inventare, die es erlauben, die in den Folgejahren aufgelösten Sammlungen in ihrem Bestand grundsätzlich zu rekonstruieren (Abb. 2).
- Abb. 2: Inventaire du Cabinet d’Antiquités et autres objets de la Maison ci-devant Sainte Geneviève, 1790, Archives nationales, Paris, F171265.
Aus Rennes im Département D’Ille et Vilaine, Bretagne, haben sich beispielsweise die Listen der umfangreichen Privatsammlung des Robien, Emigré erhalten. Paul-Christophe-Céleste de Robien verließ 1791 das Land und starb 1799 in Hamburg; sein Besitz wurde im zweiten Jahr der Republik, 1793/94, annektiert – und sofort inventarisiert. Die Sammlung, bestehend aus Gemälden, Skulpturen, Gemmen, Münzen, Drucken, ethnologischen Artefakten, technischen Gegenständen und Büchern sowie Objekten aus Mineralogie, Zoologie und Botanik, war größtenteils von seinem Vater Christophe-Paul de Robien, Parlamentspräsident der Bretagne und auswärtiges Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin, zusammengestellt worden und wurde vermutlich im dritten Geschoss seines noch heute bestehenden Hôtel particulier in Rennes aufbewahrt.
Soweit der Prozess der Verzeichnung heute noch nachvollziehbar ist, waren mehrere Personen an der Listenerstellung, die sich sehr genau an den Instruktionen der Kommission von 1793 orientierte, beteiligt. Dabei konnten die Verfasser auf ein eigenhändiges, in der Bibliothèque municipale erhaltenes Inventar von Christophe-Paul de Robien aus dem Jahr 1748 zurückgreifen, was die Arbeit nicht nur erleichterte, sondern deren Qualität auch erheblich steigerte. Zuständig für die naturwissenschaftlichen Objekte und kleinformatigen skulpturalen Gegenstände war der Geistliche Pierre Quéru de la Coste, später Konservator des Cabinet d’histoire naturelle in Rennes (Abb. 3 u. 4).- Abb. 3: Antiquités: figures en bronze, argent, marbre etc., Sammlung Robien, Rennes, 1793/94, Archives nationales, Paris, F171270A.
Grafik und Gemälde übernahmen der Maler und Parlamentarier Christian-Marie Louis Colin de La Biochaye, dessen Sammlung und Privatbibliothek selbst konfisziert worden war, der Maler Jean-Baptiste Paste, der 1796 Konservator des neu gegründeten Musée des arts wurde. Zusätzlich war der Dominikaner Félix Alexis Mainguy mit der Erfassung der größten und bedeutendsten der beschlagnahmten Rennaiser Privatbibliotheken mit immerhin 4.308 Büchern beschäftigt.
Manguy war in der Folge für die Gründung der städtischen Bibliothek zuständig und wurde schließlich auch deren Konservator.- Abb. 4: Inventarseite, Botanique: Plantes sèches, Sammlung Robien, Rennes, 1793/94, Archives nationales, Paris, F171270A.
Die Cahiers d’inventaires sollten laut Instruktion in einer genau festgelegten Art und Weise in Spalten angelegt werden: En tête de ces cahiers doivent se trouver, comme il a été dit ci-dessus, le numéro du département, le signe de la collection, et celui de la section de la commission des arts.
Pierre Quéru de la Coste hielt sich in seinen 13 Heften zu den Bereichen der objets de sciences et d’arts – Antiquités, Minéralogie, Zoologie, Botanique, Chimie, wie dies ein gemeinsames Titelblatt festhält – genau an diese Vorgaben, von den anderen Autoren wurden die Spalten den unterschiedlichen Gegenstandsklassen und ihren jeweiligen Fragestellungen und Erfassungsproblemen hingegen durchaus angepasst. Jedes der Hefte ist mit einer Titelbeschriftung versehen, die im Inneren nach dem geforderten System aufgelöst wird: Die Nummer 34 für das Département D’Ille et Vilaine, der Buchstabe R für den District Rennes, gefolgt vom Kürzel für die jeweilige Sektion, also beispielsweise A.1 Histoire naturelle / Minéralogie, A.2 Histoire naturelle / Zoologie oder H Antiquités. Hinzu kamen, dem aktuellen Stand der jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen entsprechend, weitere Untergruppen. So wurden für die Sammlung Robiens drei Hefte zu den mineralogischen Sammlungsgegenständen angelegt, unterteilt in Spaths et pierres, Terres, Crayes, Sables, Sels, Fossiles, Albâtres, Marbres und Métaux, et demi-métaux sowie auch mehrere zur Zoologie, in denen beispielsweise Oiseaux von Insectes getrennt erfasst sind. Die Reihe der Kürzel wurde Im Fall der Rubrik A.3 Botanique notierte Quéru de la Coste in schneller Handschrift eine Vorbemerkung, die die mangelnde Zeit für eine vollständige Erfassung ebenso thematisiert wie das Problem einer fortschreitenden Wissenschaft und ihrer mittlerweile veränderten Systematik. Er nennt aber auch die Möglichkeit, die Sammlung in der Folge gezielt zu ergänzen:j ai trouvé dix cartons contenans a peu près 2000 Plantes Seches depuis 40 ans et originairement distribuées selon de sistème de Tournefort. Pour l’économie du temps jai pensé quil fallait les laisser provisoirement dans cet ordre. avec l inventaire j ai fait d un autre côté le relevé des Plantes qui manquent et on poura si lon veut les remplacer en partie des cette année.
Auch die Erhaltung der Objekte spielte eine Rolle, die Vögel seien teilweise très vieux et en très mauvais état – gerade dieser Teil der Sammlung war wohl Ende des 18. Jahrhunderts bereits stark dezimiert.
Das Inventar der Gemälde aus der Hand von Paste und Colin verzeichnet neben der Angabe von Format und Künstlern der Gemälde ebenfalls die geforderte nomenclature et description sowie zusätzliche Beobachtungen.Verzeichnung, Klassifizierung, Aufteilung
Die Erstellung der Listen hatte, wie ausgeführt, den Zweck des Erhalts der “nützlichen” Objekte (utile), darüber hinaus aber vor allem deren weitere Nutzung im Sinn. Die Instruktion benannte den Zweck der Verwendung in ihrem Untertitel: Zu erfassen seien alle Objekte, die den Künsten, den Wissenschaften und dem Unterricht dienlich sein könnten.
Für diesen neuen Verwertungszusammenhang hätten laut der Instruktion den ersten Listen folgend sogenannte catalogues méthodiques ou raisonnés erstellt werden sollen. Der reinen Erfassung im ersten Schritt vor Ort wäre somit die Wissensordnung in einem zweiten Schritt in Paris gefolgt, die, als opération secondaire benannt, gleichermaßen einheitlichen Standards unterzogen werden sollte:Les commissaires des districts n’auront à dresser que les inventaires des collections ou dépôts. Les catalogues méthodiques ou systémathique, qui doivent en être tirés, seront rédiges par la commission des arts, afin que toutes les parties de ce travail important soient fondées sur les mêmes bases et dirigés par le même esprit.
Mit Hilfe der Listen wurden die den verschiedensten Sammlungen entstammenden Gegenstände durch die Kommissions-Mitglieder der dreizehn Sektionen ausgewertet, thematisch neu gruppiert sowie an geeignete Orte zur dortigen Nutzung überführt. Der Titel der Sektion I Dépôts littéraires zeigt diesen Verwahrungs- und Verwertungszweck deutlicher an, als die anderen zwölf Sektionen, die lediglich nach ihren Sammlungsgebieten benannt wurden. Für diese Sektion wurde, vermutlich aus Gründen der Quantität der zu erfassenden Bücher, eine Separatum der Instruktion gedruckt. Die mit der Neugruppierung verbundene vollständige Zerschlagung von Sammlungskontexten war auch eine Folge der Ausdifferenzierung der Künste und Wissenschaften sowie der technischen oder anderen Bereiche. Die nicht selten fächerübergreifenden Sammlungen wurden nun auf neu gegründete Fachsammlungen oder Museen verteilt und auf diese Weise den Gelehrten und Betrachtern zur Verfügung gestellt.
Aus einigen Passagen der Instruktion, so im Abschnitt Mécanique, Arts et Métiers, geht die Hoffnung eines zielgerichteten Einsatzes der Dinge klar hervor. Jeder „gute“ Bürger (les bons citoyens) solle in seiner Umgebung nach Gerätschaften suchen und diese inventarisieren. Aus der Sektion und ihren Gegenständen ging unter anderem das Conservatoire des Arts et Métiers in Paris hervor, das durch Henri Grégoire im selben Jahr 1794 gegründet wurde, als er seinen Rapport, einen Bericht über den Vandalismus publizierte: On y réunira les instrumens et les modèles de tous les arts, dont l’objet est de nourrir, vêtir et loger. 1798 wurde die staatliche Kunst- und Gewerbeschule mit ihrer Sammlung, heute Musée, in dem nur kurz zuvor aufgelösten Priorat Saint-Martin-des-Champs untergebracht, wo sie sich nach wie vor befindet. Der aufklärerische Impetus der Umverteilung und Bildung kommt aus dem Rapport ebenso deutlich zu Tage wie aus der Instruction. Grégoire schreibt: Il faut éclairer l’ignorance qui ne connoît pas, et la pauvreté qui n’a pas le moyen de connoître. Bei Vicq-d’Azyr lesen wir: Jamais un plus grand spectacle ne s’offrit aux nations. Tous ces objets précieux qu’on tenoit loin du peuple, ou qu’on ne lui montroit que pour le frapper d’étonnement et de respects; tous ces richesses lui appartiennent.
Robiens gesammelte Objekte gingen genau diesen Weg der Verzeichnung, Klassifizierung und Aufteilung: Nach den Vorgaben der Instruktion wurden sie erfasst und schließlich in die Bestände der in den Folgejahren neugegründeten Musée des Beaux-Arts, Musée de Bretagne, Bibliothèque municipale und der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Universität eingegliedert – teilweise gingen sie aber auch verloren. Die Bibliothèque municipale von Rennes beispielsweise ging aus der Zusammenführung von 68 konfiszierten Sammlungen hervor, darunter etwa zwei Dutzend Bibliotheken emigrierter Privatpersonen sowie jene der aufgelösten religiösen Einrichtungen. Die Druckwerke und Handschriften lagerten zunächst in 45 provisorischen Magazinen, dann im Dépôt littéraire, und nach weiteren Umzügen und Vorgängen des Aussortierens, schließlich in der nun öffentlich zugänglichen Bibliothek. Auch die handschriftlich verfasste, zu Lebzeiten ihres Autors nie fertiggestellte Description historique, topographique et naturelle de l’ancienne Armorique von Robien ging auf diese Weise in die Bestände ein, von wo aus sie 1974 erstmals in Druck gehen konnte.
Die Liste als Monument
Die in den Jahren nach der Französischen Revolution angefertigten Listen, so unvollständig und ungenügend sie schon aus damaliger wissenschaftlicher Sicht teilweise gewesen sind, sind auch als Akt der Aneignung zu werten. Mit der Aufnahme in die Listen und der Benennung der Objekte wurde die Besitzstandsübertragung des materiellen und geistigen Erbes an die Allgemeinheit der französischen Bevölkerung dokumentiert und durch die darauffolgende methodische Ordnung, die opération secondaire, und räumliche Neuordnung festgeschrieben. Dem rechtlichen folgte ein kultureller Aneignungsprozess, in dessen Verlauf auch die Bedeutungs- und Werteebenen des kulturellen Erbes verschoben wurden.
Das Verhältnis von arts, sciences und enseignement, Künsten, Wissenschaften und Bildung, wurde neu definiert, diese zugleich als frei zugänglich und verfügbar erklärt. Die Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Wissenschaften mit der Entstehung ihrer jeweiligen Nomenklaturen lief einer allgemeinen Verständlichkeit jedoch zuwider, weshalb die Vermittlungsarbeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Fortschritte einen besonderen Stellenwert erhielt. Man kann dies sehr gut an den Versuchen ablesen, die von Verfall und Zerstörung oder ungeeigneten Nachnutzungen bedrohten Baudenkmale – die enteigneten Schlösser, Abteien, Kirchen – zu retten. Die Instruktion von 1793 hatte diese Umnutzung sogar explizit in Gang gesetzt, forderte sie doch Vorschläge für zukünftige öffentliche Nutzungen wie Manufakturen oder Armenspitäler. Die Umgestaltung der Pariser Klosteranlage Saint-Martin-des-Champs zum Conservatoire des Arts et Métiers war ein glücklicher Fall einer solchen Umnutzung. Tatsächlich waren die Verluste, auf die Victor Hugo in seinem Aufruf hinwies und zu denen auch das prominente Beispiel der nahezu vollständig abgerissenen Abtei von Cluny zählt, erheblich. Die Erstellung der revolutionären Listen verzichtete jedoch auf die Aufzeichnung der architektonischen Objekte im Wesentlichen, da diese nicht sammlungs- und lagerfähig waren. Erst seit 1810, beginnend mit einem Rundschreiben von Napoleons Innenminister Montalivet an die regionalen Verwaltungen, wurden Versuche unternommen, diese Lücken mit eigens initiierten Kampagnen zu schließen. Die Bauwerke sollten nun ebenfalls in Listen und Beschreibungen erfasst werden. Der Versand von entsprechenden Fragebögen war spätestens seit dem 16. Jahrhundert ein gerade im Bereich (kunst-)topografischer Statistiken und Sammelwerke vor allem im 19. Jahrhundert immer wieder diskutiertes und verwendetes Mittel, um Wissen einfach und kostengünstig vom Schreibtisch aus einzuholen und zusammenstellen zu können. Auch Robien hatte für seine bretonische Description historique, topographique et naturelle Fragebögen drucken und versenden lassen. Die Listen Montalivets sollten nun die enteigneten, aber ortsfesten Monumente, Grabmäler, Schlösser und Abteien in den Blick nehmen. Die Antworten – auch hier war der Rücklauf weder vollständig noch einheitlich ausgeführt (Abb. 5) – wurden vom spiritus rector dieser Aktion Alexandre de Laborde in einem aufwändigen, zweibändigen Druckwerk ausgewertet, vor allem aber durch zahlreiche eigene Reisen und Forschungen ergänzt, bebildert und erheblich vertieft.- Abb. 5: Etat des anciens chateaux et des anciennes abbayes qui ont existé et qui existent encore dans le Département de la Sarre, Arrondissement de Sarrebrouck, 1811, Institut de France, Archives de l’Académie des inscriptions et belles-lettres, Paris, 3 H 25.
Allein der Aufwand, der beim Übergang von der Listenführung der an einem Ort sich befindenden Objekte zur Sammlung und Beschreibung von Bauwerken betrieben werden musste, war also beträchtlich. Hinzu kam das Problem, dass die Denkmale nicht in einem Museum, einer Bibliothek oder einer naturwissenschaftlichen Sammlung unter Aufsicht bewahrt werden konnten. Man wollte die bedrohten Bauten durch die Drucklegung besser bekannt machen, sie erklären und vermitteln und ihren Erhalt erleichtern. Aus dem spectacle der revolutionären Sammlungsneuorganisation wurde, so schrieb Laborde im Vorwort des ersten Bands, ein nationales Monument, un monument vraiment national.
Der durchaus rhetorisch eingesetzte und pathetische Ausspruch wandelte sich in der Folge zum Topos, den auch Victor Hugo mehrfach aufgriff, das lithografische Denkmal erinnere an die Architektur – und ersetze diese schließlich, ceci tuera cela. Und auch François Guizot sah die Inventarisation der Denkmale selbst als intellektuelles Monument, véritable monument de l’activité intellectuelle du pays. Die Liste selbst war zum Denkmal geworden.***
Als Handreichung für die Anfertigung von Objektlisten der vor Ort tätigen Kräfte sowie die darauf folgenden Regruppierungen in öffentlichen Institutionen erarbeitet, gab die Instruction sur la manière d’inventorier dem gegenstandsbezogenen Arbeiten der Wissenschaft einen deutlichen Schub, da mit dem Aufschreiben und der Klassifizierung auch das Ordnen der Objekte selbst praktisch erprobt wurde. Über einen längeren Zeitraum waren in der zuständigen Kommission unterschiedliche Wissensordnungen erarbeitet worden, die die unterschiedlichen Objektgruppen und zur Verfügung stehenden Disziplinen in Einklang zu bringen versuchten und die disziplinäre Spezialisierung mithilfe von methodischen Transfers begleiteten. Die getroffenen Festlegungen prägten die folgenden Jahrzehnte der disziplinären Abgrenzung aber auch mit ihrer Etablierung von sammlungsführenden Institutionen. Die Instruction legt in ihrem Aufbau daher ein doppeltes Zeugnis von der Bedeutung der Ordnung für die Wissens- und Objektverwaltung ab.
Abbildungsnachweis Titelbild:
Instruction sur la manière d’inventorier, 1793, Exemplar aus der ehem. Bibliothèque d’art et d’archéologie, Jacques Doucet, heute Bibliothèque de l’INHA, Paris.