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Roland Böhmer
Erstveröffentlichung: 2000

Abstract

Medium Aevum Quotidianum Sonderband 10 (2000) 30-52

Abstract (englisch)

Medium Aevum Quotidianum Sonderband 10 (2000) 30-52

Inhaltsverzeichnis

Das sog. Neidhart-Grabmal zu St. Stephan
und andere Dichtergräber*
Gertrud B las chitz (Krems)
Das Neidhard-Grabmal befindet sich an der Südseite des Stephansdomes, in
unmittelbarer Nähe des Singertoresr. Das durch ein Vordach geschützte
Hochgrab ist an der Nord- und Westseite an die Außenwand des Domes
angebaut, die freistehenden Wände der Süd- und Ostseite zier(t)en kostbar
gearbeitete Sockelreliefs2. Auf der Deckplatte der Tumba liegt eine lebensgroße
Figur, die einen Mann in adeliger Kleidung aus der ZeiLum 1350 darstellt’. Die
Unterarme sind abgeschlagen. An seiner rechten Seite sind Spuren eines
Schwertes erkennbar, an der linken Seite Fragmente eines ursprünglich
vorhandenen Schildes, das einen aufrecht stehenden Fuchs trug, dessen Reste
noch vorhanden sinda. Weder die Tumba noch die das Grabmal umgebenden
Kirchenaußenwände tragen eine erläuternde Inschrift. Der Wiener Lokaltradition
zufolge und nach schriftlichen Quellen sollen in diesem Grabmal die
Gebeine des Minnesängers Neidhart von Reuental (Wirkungszeitraum von l2I7
bis vor 1246) und/oder die des Neithart Fuchs, eines Hofmannes Ottos des
Fröhlichen (1333-1339), bestattet sein. Im Zuge der umfassenden Restaurierungsmaßnahmen,
durchgeführt vom Bundesdenkmalamt Wien, wurde die
Tumba abgetragen und in den Restaurierwerkstätten gereinigt und konservierts.
Dadurch war erstmals die Möglichkeit gegeben, der baulichen Konstruktion des
Hochgrabes eine grundlegende kunsthistorische Analyse zu widmen; die
+Für die Durchsicht des Manuskriptes danke ich Elisabeth vavra, Krems, Helmut Birkhan,
WI ien und Karl Brunner, Krems/IVien. Siehe dazu: Friedrich Dahm, Das Neidhart-Grabmal im Wiener Stephansdom. Untersuchungen
zur Bau- und Restauriergeschichte (in diesem Band). ‘ Manfred Koller, Untersuchung und Restaurierung von Bildwerken des Neidhartkreises in
Wien und Tirol (in diesem Band); Erhard Jöst, Bauemfeindlichkeit. Die Historien des Ritters
Neithart Fuchs (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 192) Göppingen 1976; ders. , Literarische
und ikonographische Korrelation im Mittelalter. In: Österreich in Geschichte und
Literatur 2015 (1976) 332-350.
‘ Koller, Untersuchung (in diesem Band).
o Siehe Koller, Untersuchung, Abb. I (in diesem Band).
‘ Siehe Koller, Untersuchung (in diesern Band).
17l
abermalige Graböffnung6 erlaubte ebenso erstmals die anthropologische
Untersuclung der darin bistatteten menschlichen GebeineT.
Bei der Graböffnung am I l. April 2000, durchgeführt unter der Leitung
des Archäologen Johann Offenberger, Bundesdenkmalamt Wien (Abteilung für
Bodendenkmalpflege), konnten vom Anthropologen Karl Großschmidt8 (Institut
für Histologie und Embryologie der Universität Wien) in der Tumba die
Knochen von zwei männlichen Individuen geborgen werden: Fragmente eines
Schädels, zwei linke Oberarmknochen und zahlreiche Knochenfragmente. Die
anthropologische Befundung ergab u. a., dass die Gebeine Spuren von einer
ursprünglichen Erdbestattung aufiviesen. Im Institut für Radiumforschung und
Kernphysik der Universität Wiene wurden Proben dieses Knochenmaterials zur
Radiokärbon-Datierung eingereicht. Übergeben wurden die Knochenproben als
anonymes ,,mittelalterliches Material vom Stephansdom”. Am 18. Oktober 2000
lagen folgende Werte vor: Bei der einen Probe (VERA 1470) wurde als
kalibriertes Alter mit 54,4o/o Wahrscheinlichkeit 1340 AD bis 1400 AD
ermittelt; bei der zweiten Probe (VERA l47l) wurde mit 73,40Ä Wahtscheinlichkeit
I I l0 AD bis 1260 AD als kalibriertes Alter bestimmtr0.
Das Ergebnis verleitet zur Schlußfolgerung, die aufgefundenen Knochen
teils dem Minnesänger Neidhart von Reuental zuzuordnen und teils dem Neidhart-
Rezipienten Neithart Fuchs. Die mögliche Bestattung eines Minnesängers
und eines Mannes, der für dessen ,,revival” maßgeblich verantwortlich war, an
dieser prominenten Stelle in einem derart kunstvoll ausgeführten Grabmal wirft
zahlreiche Fragen auf, wie etwa: Von welchen mittelalterlichen Dichtern sind
Gräber überliefert, wo befinden/befanden sich diese Gräber und wie laute(te)n
die Grabinschriften? Seit wann gibt es schriftliche Belege für das Neidhart-
Grabmal zu St. Stephan? Gibt es schriftliche Belege für die Bestattung des Neidhart
von Reuental? Gibt es schriftliche Belege für die historische Existenz des
Neithart Fuchs? Ist denkbar, dass durch das Wirken des innovativen Epigonen
Neithart Fuchs der Minnesänger Neidhart in Vergessenheit geraten war?
Kritische Stimmen meinen, es könnten irgendwelche Knochen nach der
Errichtung des Ehrengrabes aus dem den Stephansdom umgebenden Friedhofin
die Tumba gebettet worden sein (Atb. 1). Aber warum dann der Aufwand mit
der Tumba!? Das Hochgrab weist Ahnlichkeit mit anderen Grabmälem aus der
Zeit Rudolfs IV. auf, so etwa mit dem Doppelgrabmal Rudolfs IV. und seiner
Gemahlin Katharina von Luxemburg (ursprünglich in der Mitte des Chorhallen-
6 Das sogenannte Neidhart-Grabmal bei St. Stefan in Wien. In: Mittheilungen der k.k.
Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunsh und historischen Denkmale
(r 87s) 3e f. i Helmut Birkhan bemühte sich 1984 erfolglos um eine derartige Untersuchung der Knochen,
siehe dazu: Christine Kasper, Wer liegt im Neidhartgrab? In: ibf-Report Nr. 977 (1984) l-3.
Ü Karl Großschmidt, Die Skelettreste des Minnesängers Neidhart von Reuental und dessen
Epigonen Neithart Fuchs. Eine Identifizierung (in diesern Band).
‘ Vienna Environmental Research Accelaerator (VERA-Laboratorium, Währinger Straße 17,
Kavalierhakt, A- I 090 Wien, Austria).
‘0 Sieh” Diagramm I und 2 im Artikel Großschmidt, Skeletheste (in diesem Band).
t72
schiffes des Stephansdomes) und mit dem Hochgrab-Monument des Koloman in
der mittelalterlichen stiftskirche zu Melkrr. Die plastik weist große Ahnlichkeit
weiters mit den Fürstenfiguren vom Singertor der Kirche zu St. Stephan auf.
Wurden die Gebeine beider ,pichter” nach der Errichtung des Grabdenkmales
in der Werkstätte Rudolß IV. bewußt als Akt der memoria in die Tumba
transferiert? Was konnte Herzog Rudolf IV. um 1360 veranlaßt haben, ein
Denkmal .für den ,,Ilofrat” eines seiner Vorgänger, dessen Todesjahr eventuell
1334 wart2, in Auftrag zu geben? Von IntereJse ist weiters die Frage, warum ein
vorwiegend politisch motivierter Herrscher des 14. Jahrhunderts, etwa 130 Jahre
nach dem Ableben des Minnesängers und etwa 30 Jahre nach dem
angenommenen Tode des Hofinannes, es der Mühe wert fand, die letzte(n)
Ruhestätte(n) dieses (dieser) Dichters (Dichter) für sich und die Nachwelt zu
kennzeichnen und so die Voraussetzungen für die Sicherung und Erneuerung
des Totengedächtnisses zu schaffen.
Um der Klärung dieser Fragen ein wenig näher zu kommen, wird in einem
ersten Schritt ein Resümee über Gedenkstätten für mittelhochdeutsche Dichter
versucht.
Der Minnesänger Otto von Botenlauben (t1245) wurde gemeinsam mit
seiner Gemahlin Beatrix von- courtenay in der von beiden gestifteten Frauenroder
Klosterkirche bestattetrr. Der Doppelgrabstein (Abb. 2), obgleich heute an
den Rändem und an den Figuren beschädigt, vermittelt noch immer die ursprüngliche
prächtige und anspruchsvolle Intentionto. Er wurde gegen 1270 fertiggestellt.
Die Figuren liegen auf Polstern und sind mit prächtiger Kleidung
ausgestattet. Das Wappen Ottos von Botenlauben bedeckt dessen Beine. Löwe
und Hund liegen neben den Figuren aufderen Kleidern.
Ulrich von Liechtenstein (120510816.1.1275) wurde mit seiner Frau
Berta vor der Liechtensteinerkapelle zu Seckau begrabenrs. Die Kapelle geht auf
eine Jahrtagsstiftung ulrichs und seiner Gemahlin zurück und war eindeutig als
Familiengrablege bestimmt; da sie zum Zeitpunkt des Ablebens des Stifterpaares
noch nicht geweiht war, wurden die Gebeine beider in geweihter Erde am
Rande derselben bestattetr6. Die Kapelle wurde 1837 äbgebrochen. Die
It Arthur saligeq Herzog Rudolf IV. und Katharina von Luxemburg. In: 850 Jahre st.
Stephan. Symbol und Mitte in Wien 1147-199’7. Wien 1997, 108; ders., Doppelgrabmal
Rudolf tv. und Katharina von Luxemburg. In: 850 Jahre st. stephan. symbol und Mitte in
Wien I147-1997. 108.
‘2 vgl. dazu Ric’hard Perger, Neidhart in wien (in diesem Band) sowie Ekkehard Simon,
Neidhart’s tomb Revisited. In: Seminar 7 (1971) 62, rr Affn. 12. Ich danke Helmut Birkhan für diesen fieundlichen Hinweis.
ta siehe zum folgenden: Kurt Bauch, Das mittelalterliche Grabbild. Berlin, New york 1976,
109 f.
15 wilhelm Deuer, ulrich von Liechtenstein als Auftraggeber und Bauherr. Eine kunsthistorische
Spurensuche. In: Franz Viktor Spechtler, Barbara Maier (Hg.), Ich – ulrich von
Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter (Schriftenreihe der Akademie Friesach 5)
Klagenturt 1999, 133-l54,hier 147.
16 Ebenda, 149.
t73
überlieferte Inschrift laüet: Ulr… Lichten / stain … stifter /… Perchta seine
Frawen /… Ono . Ulricus. [seiJne / s[uenJe, Perchta, tochter, / Otto enikl … hie
begra / ben … a… bis17. Ulrich von Liechtenstein war nicht nur Autor der ersten
deutschsprachigen fiktiven Autobiographie, sondem er zählte zu den einflussreichsten
steirischen Landherren unter den letzten Babenbergern und unter
Ottokar II. Plemyslr8.
Bei archäologischen Grabungen wurde auf dem Areal der friiheren Burg
Sachsendorf (VB Hom, Niederösterreich) in der ehemaligen Kapelle ein
Grabstein gefundenre. Es ist eine Sandsteinplatte (160 cm x 70 cm x 25 cm) aus
der Zeit um 1300 mit einem Hügelkreuz, zwei Wappen und einer schwer
lesbaren Inschrift, die besagt, ,daß ein Mann, namens Ulrich und seine Frau
Elisabeth in der Gruft bestattet worden warenoo20. Aufgrund zahlreicher Urkunden
könnte geschlossen werden, dass die Burg im Besitz jenes Ulrich von
Sachsendorf war, der im ,,Frauendienst” des Ulrich von Liechtenstein als
Gefolgsmann des Babenbergerherzog Friedrichs II. genannt wird2′. Ob der
Grabstein tatsächlich für jenen Minnesänger, der im Codex Manesse als ,per
von Sachsendorf’ angeführt ist und dessen Vorname nicht überliefert wurde,
erstellt worden ist, konnte bislang nicht verifiziert werden.
Die Nachricht über das Grabmal Walthers von der Vogelweide (t um
1230) stammt aus etwa 1350 und ist durch Michael de Leone, dem Protonotar
der Würzburger Bischöfe und Scholasticus am Neumünsterstift zu Würzburg,
überliefert22. Im sog. ,,I\4anualeo’ schreibt Michael de Leone, Walthers Grab
befinde sich im Kreuzgang des Würzburger Stiftes Neumünster; in der
Würzburger Liederhandschrift, die etwa gleichzeitig entstanden ist, steht zusätzlich
von einer Hand des 14. Jahrhunderts, … begraben ze wirzeburg. zv dem
r7 Ma.la Loehr, Die Grabplatte auf der steirischen Frauenburg und die Ruhestätte Ulrichs von
Liechtenstein. In: Mitteilungen des Instituts für Östeneichische Geschichtsforschung 65
(r9s7) s3-69. t* Heinz Dopsch, Zwischen Dichtung und Politik. Herkunft und Umfeld Ulrichs von
Liechtenstein. In: Franz Viktor Spechtler, Barbara Maier (Hg.): Ich – Ulrich von Liechtenstein.
Literatur und Politik im Mittelalter (Schriftenreihe der Akademie Friesach 5) Klagenfurt
1999,49-104; Jan-Dirk Müller, Ulrich von Liechtenstein. ln: Verfasserlexikon 9, Sp. 1274-
1282. t’Martin Krenn, l0 Jahre Sachsendorf-eine Burganlage im Licht der Archäologie. ln: Historicum
1996,15-21.
‘o Mu.tin Krenn, Sachsendorf – ein mittelalterlicher Henensitz. In: Mitteilungen aus dem
Stadtmuseum Wels 7 (1990) [-8]. ” Ingo F. Walther (Hg.), Codex Manesse. Frankfurt am Main 1988, Tafel 49; Krenn, l0 Jahre
Sachsendorf, 15 f.
22 Hannes Kästner, Die Gräber der alten Meister. In: Anna Keck, Theodor Nolte (Hg.), Ze
hove und an der strözen. Die deutsche Literatur und ihr,,Sitz im Leben”. Stuttgart-Leipzig
1999,237-253, hier 238 f; Hedwig Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide.
Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla. Wien 1970, 216 f.
174
Nuwenmunster in dem grashoue23. Der Minnesänger Walther von der Vogelweide
erhielt seine letzte Ruhestätte also in geweihter Erde, in einem Kloster,
und der Ort dieser letzten Ruhestätte ist überliefert.
Der Bericht über Begräbnis, Ort der Grablegung und Grabmal Frauenlobs
finden sich in einem Zusatz der Chronik des Matthias von Neuenburg (1295-
1370) der Handschriften V und C, die möglicherweise Albert von Strassburg
zuzuschreiben sind’*. In diesem sog. Hohenberger Kapitel wird berichtet, Frauenlob
sei am Tage vorAndreas im Jahre 1317 unter außergewöhnlichen Ehren
im Kreuzgang des Mainzer Doms beigesetzt worden. Frauen hätten ihn unter
großen Jammern und Weinen von seinem Quartier (ab hospicio) zur Grabstätte
getragen und dort eine große Totenklage erhoben. Der Originalgrabstein ist
zerstört, auf dem jetzigen befindet sich eine ,gngenaue” Wiedergabe der ursprünglichen
Inschrift: Anno D(omi)ni MCCCWIII ob(iit) Henricus Frowenlop
in vigilia beati Andree apostoli; demnach wäre der Todestag des Dichters Frauenlob
der 29. November l3 I 8 gewesen.
Oswald von Wolkenstein (1375/78-1445) wurde in der Stiftskirche
Neustift, der traditionellen Begräbnisstätte seiner Familie bestattet2s. Oswald
war Zeit seines Lebens ein Förderer der Stiftskirche Neustift. Sein Grabstein
wurde als Gedenkstein anlässlich einer bevorstehenden Pilgerreise konzipiert; er
ist ein Dokument adeligen Selbstbewusstseins. In Vertikalrichtung ist in Minuskel
die knappe Inschrift anno.d(omi)ni.m.ccccviij.oswald(us).de.wolkenstain nt
lesen. Daneben befindet sich, den Stein beinahe zsr Gänze bedeckend, das
lebensgroße, portraithafte Reliefbildnis des Dichters. Oswald von Wolkenstein
steht auf den beiden Familienwappen. Er trägt einen knielangen Wappenrock
mit kunstvoll ausgeführtem Gürtel, an dem ein Schwert hängt, sowie Beinzeug
und Eisenschuhe mit Radsporen. In der rechten Hand hält er die Kreuzfahne, in
der linken den Helm mit Pfauenfedern als Helmzier. Oswald ließ den Stein
anläßlich einer bevorstehenden Pilgeneise zu seinem Gedächtnis enichten.
Nach seiner glücklichen Rückkehr veranlaßte er die Aufstellung in der von ihm
1407 neu erbauten St. Oswald-Kapelle im Brixener Dom. Das Relief bekam nun
die Funktion einer Stifterdarstellung, hatte doch Oswald das Benefizium
bedacht26.
Von der Grabstätte Wolframs von Eschenbach2T (um ll70 – um 1220)
berichtet Jakob III. (Püterich) von Reichertshausen in seinem 1462 geschrie-
23 H”g”t, Reiserechnungen, 216; vgl. dagegen Kurt Herbert Halbach, Walther von der
Vogelweide (Sammlung Metzler 40, Realien zur Literatur Abt. D: Literaturgeschichte)
Stuttgartl983,37.
2a Karl Stackmann, Frauenlob. In: Verfasserlexikon 2, 868; Kästner, Gräber, 239; Klaus
Amold, Matthias von Neuenberg. In: Verfasserlexikon 6, 194-197.
25 Anton Schwob, Oswald von Wolkenstein. Sein Leben nach historischen Quellen. In: Ulrich
Müller (Hg.), Oswald von Wolkenstein. Darmstadt 1980, 343-389.
‘o Ute Monika Schwob, Das Schreckbild vom jähen Tod und Vorsorge flir den Todfall. Die
Familie Wolkenstein als Beispiel für mittelalterliche Verhaltensweisen. In: Jahrbuch der
Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 9 (1996197) 87.
” Kästn”r, Gräber,240.
t75
benen ,,Ehrenbrief’. Der bayerische Ritter hatte nach dem Grabmal des von ihm
verehrten Dichters gesucht und fand es in der Frauenkirche in Eschenbach. Aus
dem Jahre 1608 ist die angebliche Inschrift überliefert: Hie ligt der Streng Ritter
herr Woffiam von Eschenbach ein Meister Singer. Dass diese Inschrift nicht
dem 13. Jahrhundert zugerechnet werden kann, ist offenbar. Wann das Grabmal
Wolftams entstand und ob es tatsächlich seine Gebeine birgt, ist ungewiss.
Tatsache ist, dass es ein Grabdenkmal des großen Dichters gibt.
Das Grabdenkmal des Spruchdichters Freidank wurde von Hartmann
Schedel 1465 in Treviso gesucht und gefunden”. Es befand sich an der Außenmauer
der Hauptkirche und hatte eine Grabinschrift in deutscher Sprache: Hye
leit FreydanckT go, on all sein danck / der alweg sprach und nie sancl*e.
Heinrich von Morungen3o (t angeblich um 1222) entwirft in einem Lied
aus Gram über die Distanziertheit seiner Minnedame seine fiktive Grabinschrift:
Wan sol schrtben kleine / reht üf dem steine, der min grap bevät, wie liep st mir
waere / und ich ir unmaere3r ; derartige fiktive Inschriften stehen in antiker Tradition32.
Sein Grabstein ist nicht überliefert, sein Ableben wurde jedoch in Urkunden
des 16. Jahrhunderts aus dem Umkreis des Thomasklosters in Leipzig
notiert33.
Kästner3a sieht zwei verschiedene Entwicklungen, die zur Aufzeichnung
von Dichtergräbern veranlassen: Vor allem im 14. Jahrhundert ist es der Stolz
auf lokale historisch-literarische Traditionen, während Püterich von Reichertshausen
und Hartmann Schedl sich gezielt auf die Grabsuche der von ihnen
verehrten deutschsprachigen Dichtern machen. Lokalpatriotismus verbindet sich
in Renaissance und Humanismus mit Nationalstolz und der Verehrung großer
Männer der deutschen Vergangenheit. Der Franke Conrad Celtis, der Neidharts
Grabmal in Wien besucht, verfasst ein Epitaphium Neithardi auf den vermeintlichen
Landsmann”. Mit den letztgenannten beginnt eine Entwicklung, ,die in
der Neuzeit dann das Dichtergrab zum kollektiven Gedächtnisort und zum
Kultobjekt werden läßt. Dichtergräber werden dann wahre Pilgerstätten, Orte
der Verehrung und Inspiration.”36
Diese Auflistung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Von
Interesse in diesem Zusammenhang ist jedoch mit Sicherheit die letzte
Ruhestätte des zweiten Spaßmachers am Hofe Ottos des Fröhlichen, des Pfarrers
28 Käst.rer, Gräber, 241 .
2e Kästner, Gräber, 241 f.
30 Kästner, Gräber, 243 f.
3l Heinrich von Morungen, Lieder. Text, Übersetzung, Kommentar von Helmut Tervooren
IUniversal-Bibliothek 9797(4) VIIV3/ l -5].
” P. Ovidius Naso, Metamorphosen. Lateinisch./Deutsch von Michael von Albrecht (Univ-
ersal-Bibliothek 1 360) Stuttgart 1 994, IX, 56 l ff.
” Helmut Tervooren, Heinrich von Morungen. In: Verfasserlexikon 3, Sp. 804-815, hier Sp.
804 f.
3a Kästner, Gräber, 251 ff.
3t Kästn”r, Gräber, 242.
36 Kästner, Gräber, 252.
t76
vom Kahlenberg37: darumb so hiett er die rwen man, / den Neythart und den
capelan heißt es im Druck der ,ges-c-hicht des pforrers vom Kalenbergl,
herausgegeben von Philipp Frankfurter.’o Dieser Pfaffe konnte mit Gundaker
von Thernberg identifiziert werden3e. Als junger Pfarrer hatte der aus der
Familie derer von Themberg aus dem südlichen Niederösterreich (Nähe von
Kirchberg am Wechsel) von Herzog Otto dem Fröhlichen die pfarre im
Kahlenbergerdorf (heute Wien 19) erhalten, die er von etwa 1330 bis 1339
betreute. Später wurde er Pfarrer zuPigglitz bei Kirchberg (V.2ll91ll4), wo
er auch gestorben und begraben ist. Eine in der dortigen Pfankirche befindliche
Grabplatte aus rotem Marmor trägt in Fraktur die Inschrifta0: Hie’ liegt’ begraben’
der Erbidige / herr’ hew’ lilolgerus ‘ gundacker / von Terenberg’ pfarer
czw’ Ka / lenperg Taussent’ funf hundert […]o’. Die Datierung mit 1500 legt
nahe, dass dieser Grabstein aus der Pfarrkirche Prigglitz erst Anfang des 16.
Jahrhunderts gesetzt und beschriftet worden ist. Nach Rupprich fand dabei
möglicherweise der originalgrabstein mit Inschrift verwendunga2. Gundaker
von Temberg erhielt auch in der Klosterkirche des Zisterzienserstiftes Lilienfeld
einen Gedenkstein, sein Ableben ist im dortigen Totenbuch verzeichnet. Das
damals noch steirische Prigglitz liegt etwa 40 km vom Begräbnisort Herzog
ottos des Fröhlichen entfemt, der nach seinem Ableben 1339 im Kloster
Neuberg (Steiermark) begraben worden ista3.
In einem zweiten Schritt werden einige überlegungen und Untersuchungen,
die seit langem in der Neidhartforschung diskutiert werden,
resümiert, abermals in Beschränkung auf die für die Fragestellung wesentlichsten
Quellenstellen:
Schriftliche Belege über den Tod des Minnesängers Neidhart von
Reuental und seine Bestattung sind nicht überliefert. Häufig dagegen sind die
Quellenstellen, die sich auf das Grabmal eines Neidhart oder eines Neithart
Fuchs beziehen, wie die folgende kurze Zusammenfassung der schriftlichen
Zeugnisse illustriert. Es handelt sich um Quellenstelren, die v. a. von Ekkehard
37 Für die Erinnerung an dieses Grabmal danke ich Helmut Birkhan, Wien.
‘o viktor Pol]ryn (Hg.), Die Geschichte des pfarrers vom Kalenberg. In: Felix Bobertag,
Narrenbuch: Kalenberger. Peter Leu. Neithart Fuchs. Markolf. Bruder Rausch. (Deutsclü
Nationallitteratur I I ) Berlin-Stuttgart I 884, I -g6, Vers 995 f. ” HellmutRosenfeld, Philipp Frankfurter. In: Verfasserlexikon 2, g17 ff; Hans Rupprich, Die
deutsche Literaturvom späten Mittelalterbis zum Barock I (Geschichte der deutsciren Literatu1
von den Anfängen bis zur Gegenwart 4/1) München 1970, ll9-lz4; ders., Das wiener
Schrifttum des ausgehenden Mittelalters (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der
wissenschaften, phil.-hist. Klasse 22815) wien 1954, g4-gg; siehe auch perger, Neithart (in
diesem Band).
a0 Rupprich, Wiener Schrifttum al 87, Anm. 39. Eine zweite Inschrift bezieht sich auf Hieronymus Neuburger oder Neuperger, pfaner in
-l”‘R”gueptpitr”i cvho,n 1515-1521, siehe Rupprich, WienerSchrifttum g7-, Anm. 39. *’ Wiener Schrifttum 87, Anm. 39. Rosenfeld, Frankfi.rter, 818; pfaner vom Kalenberg, Vers 2125-213g.
177
Simon, Richard Perger, Erhard Jöst sowie Margarete Saary4 zusammengestellt
und publiziert wurden. In das 14. Jahrhundert fällt die Erwähnung des
angeblichen Hauses des Neithard im Grundbuch der Stadt Wien (… dicitur
domus neithardi) und die berühmte Datierung des Vokabulars des ,,Lucianus”
durch den Schreiber Laurentius, die der 2. Hälfte des 14. Jahrhundeds entstammt
(anno a translatione Neithardi in ecclesia sancti Stephani Wienne
primo.)As In das 15. Jahrhundert füllt die nicht unbedeutende Außchrift des
Dombaumeisters Hans Puchsbaum zwischen 1446 und 1456 auf einer
Zeichnung der Vorhalle des Singertores: Die visirung des Furpaws der tur zu
Sand Stephan bey des Neitharts graba6; 1466 wurde ein Friedhofstor zum St.
Stephans Friedhof unweit von Neidharts Grabmal als Neidhartstor bezeichnet
(Abb. l)47. 1464 erwähnt Martin von Leibitz Neithart Fuchs im Zusammenhang
mit Otto dem Fröhlichen … Tempore suo fuit ille notabilis dictator cantonium in
Theotonica Neidthardus, … et elevatum habet sepulchrum ad Sanctum Stephanum.
o8 Die erste Nennung mit dem Zunamen Fuchs ist wahrscheinlich mit
Heinrich Wittenwilers ,,Ring” gegebenae. Das Epos erschien etwa 1408-1410
und stellt somit ein gewisses Indiz für die historische Existenz des Ritters
Neithart Fuchs dar und dafür, dass der historische Neithart Fuchs ein Wappen
besaßlso Diese These stützt der Nachtrag im Wappenbuch des Konstanzer
Ritters und Bürgers Konrad Gruenenberg (1480-1500), der das Wappen des
Neithart Fuchs mit dem Kommentar versieht: der neythart / der paurn / veind
vo(n) zeissl / maur der zu / wien an s. stffi / turn begraben / ligt.5t Auch die
anonyme Grabschrift auf der Innenseite eines Vorderdeckels der Hs. 1304 der
Königsberger Universitätsbibliothek, nennt Neithart Fuchs: Epidaphium Neithart
vochs circa sepulturqm suam wienne… Sodann sind noch anzuführen die
oo Simon, Neidhart’s tomb; Richard Perger, Neidhart in Wien (in diesem Band); Jöst,
Bauemfeindlichkeit, 18-55; Jöst, Korrelationen; Margarete Saary, Das Neidhartgrab zu St.
Stephan als Bestandteil der Wiener Neidharthadition. ln: Helmut Birkhan (Hg.), Neidhart von
Reuental, Aspekte einer Neubewertung (Philologica Germanica 5) Wien 1983,189-214.
os Perg”r, Neidhart (in diesern Band); Simon, Neidhart’s tomb; Jöst, Bauemfeindlichkeit, l8-
55.
a6 Saary, Neidhartgrab, 199.
a7 Renata Kassal-Mikula, Plan des alten St. Stefans-Freithofes 1552 (mit Angabe der Gestalt
und Größe der alten romanischen Pfankirche), Rekonstruktion von Albert Camesin4 1870.
In: 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien. Kat. Nr. 4.13, S. 194 f. Das
Neidhartstor wurde später in,,Zinnertof’ umbenannt.
a8 Perger, Neidhart in Wien (in diesem Band).
on Edmund Wießner (Hg.), Heinrich Wittenwilers Ring (Deutsche Literatur, Reihe 4: Realistik
des Spätmittelalters I und.2) Leipzig l93l und 1936; Helmut Birkhan (Hg.), Heinrich
Wittenwiler, Der Ring [in Ubertragung] (Fabulae mediaevales 3) Wien 1983; Eckart Conrad
Lutz, Spiritualis fomicatio. Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein ,,Ring” (Konstanzer
Geschichts- und Rechtsquellen 32) Sigmaringen 1990.
so Her Neithart, …, ein ritter chiuog, I der allen törpeln hass truog, :und der den
Fuchsschwanz im Schild frihrt mich dunkt er sei einfuchs wild; I des zagelfiert er an dem
schilt; Wießner, Wittenwiler, Vers 157 ffund Vers 645 f.
5r Jöst, Bauernfeindlichkeit, 27 f.
178
Erwähnung durch Veit Ampeck im ,,Chronicon austriacum” (1488-1493): Hic
quendarn militem in curia sua dictum Neithardum Fux ex Frankonia omnibus
ioculacionibus et solaciis imbutum, qui Vienne quiescit. Abschließend sei noch
an das Schwankbuch Neithart Fuchs erinnert, das in Wien entstanden ist: das er
noch zuo Wien leit begraben in der kirchen zuo sant Steffan, weiters an
Ladislaus Sunthaim von Ravensburg, den Hoftristoriker Kaiser Maximilians L,
der zwischen 1498 und 1505 in seinem ,ponauthal” die Lage von Neitharts
Grabmal zu sand Stephan vor der kirchen, an der kirchmaur hin an beschreibt
und an das Epigramm von Conrad Celtis (s. u.). Die Liste ließe sich flir die ZeiI
nach 1500 bedeutend verlängerns2, womit wir dann erst recht die Abhängigkeit
von den Quellen einer genauen Prüfung unterziehen müssten. Festgehalten
werden muss, dass auch die ,,frühen” Nennungen zeitlich relativ weit von den
historischen Persönlichkeiten entfemt sind, also keineswegs an die Authentizität
zeitgenössischer Stellungnahmen herankommen. Die erste Erwähnung domus
Neithardi nennt einen Hausbesitzer namens Neithard, die ungewöhnliche Datierung
des Laurentius nimmt Bezug auf die Translatio der Gebeine eines
Neithard. Der Baumeister Hans Puchsbaum lokalisiert mit bey des Neidharts
grab und das Friedhofstor wird einfach Neidhartstor genannt.
Also: Lediglich bei dem (chronologisch) früheren Aufscheinen des Namens
Neidhart im Zusammenhang mit dem Grabmal fehlt sowohl der Beiname
Fuchs als auch die Zuordnung zum Hofe Ottos des Fröhlichen (Grundbucheintrag,
Schreiber Laurentius, Hans Puchsbaum, Bezeichnung des Friedhoftores).
Die Nennung des Martin von Leibitz bezieht sich auf einen Dichter in
deutschen Versen am Hofe Ottos des Fröhlichen; auch der anonyme Kompilator
der Schwänke des Neithart Fuchs bringt den Dichter, der zu St. Stefan begraben
ist, eindeutig in Zusammenhang mit Otto dem Fröhlichen, ebenso Philipp
Frankfurter in der Geschicht des Pfarrers vom Kalenberg.
Warum sollte Neidharl nx Zeit der Errichtung des Grabmals und der
Transferierung der Knochen vergessen gewesen sein?
Dagegen spricht m. E. die gesamte Neidhart-Rezeption, die doch nicht nur
in der Tradierung der Schwänke und Spiele besteht, sondern auch in der
Rezeption der Lieder – und gerade den Auftraggebern und Redaktoren der
Liederhandschriften geht es um die Sammlung und Aufzeichnung des Oeuvres
des Minnesängers. Die Mehrzahl der Ly-rikhandschriften in Pergaments3 entstand
im 14. Jahrhundert, nämlich C, Co , G, K, O. Die papierhandschriften
stellen meist eine ,,Spezialsammlung des Neidhartkorpus’o dars4, und gehören
überwiegend dem 15. Jahrhundert an. Eine Sonderstellung nimmt die Nürnberger
Papierhandschrift c ein, denn der Redaktor wollte offenbar eine Art
,,Gesamtausgabeo’ des Neidhart-Liedguts mit allen verfügbaren Melodien
schaffen. Dagegen spricht auch die Handschrift G der ,,Gedichte Heinrich des
52 Perger; Saary, 200-208; Jöst, Bauemfeindlichkeit I 8-55.
” Dietrich Boueke, Materialien zur Neidhart-Überlieferung. (Münchener Texte und untersuchungen
zur deutschen Literatur des Mittelalters 16) München 1967.
5a Ekkehard Simon, Neidhart von Reuental, 89.
179
Teichners,.s5, denn in Gedicht 595 zitiert der Spruchdichter Heinrich der
Teichner, der vermutlich in Wien zwischen 1350 und 1377 wirkte, seinen
berühmten Vorfahren Neidhart. Dagegen spricht weiters, dass Neidhart in den
spielen und schwänken und schließlich in den wandmalereien als handelnde
Pirson auftritt. Auch die Wandmalereien in den Wiener Tuchlauben stellen
einen ,,Gegenbeweis” dar, denn sie basieren fast ausnahmslos auf den Liedern
Neidharts, wie sie in C und R aufgezeichnet sind56. Vor allem anderen aber
spricht die Mentalität HerzogRudolß IV. dagegen, der einen,,Nationaldichter”
f,ir sein ,,Pfalzerzherzogtum” haben wollte und die memoria an den großen
Minnesänger beleben wollte.
Selbstverständlich war dem 14′ Jahrhundert der Epigone, dem der
erfolgreiche Transfer von Neidharts Liedern zu einem erheblichen Teil zu
verdanken ist, näher als das Original aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Die Existenz dieses Hofrnannes im Umkreis Herzog Ottos des Fröhlichen, der
(auch) dichtete, belegen zahlreiche Quellen:s? Neithart Fuchs dichtete in der Art
seines Vorgängers und dichtete dessen Lieder um, indem er aktualisierte,
vergröberte … und dessen Namen belebte. Zur Klärung der Namensgleichheit
sinJ einige Varianten denkbar:s8
Variante l: Er hieß tatsächlich Neidhart, damals kein seltener Name, und erhielt
im Laufe seiner dichterischen und (politischen?) Tätigkeit den charakterisierenden
Beinamen Fuchs. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang
einerseits an die Wandmalerei in Diessenhofen, die im Register über der
Neidhart-Darstellung die Fabelfigur Fuchs aufiveist, andererseits an das
Große Neidhartspiel (Versl925-1933), wo von Neithart gesagt wird, er
hielte sich für listiger als der fuxr’.
Variante 2: Er hieß Otto Fuchs60 (wie die Stellen bei Wittenwiler und der
Wappen-Kommentar Gruenenbergs nahelegen) und., bereicherte seinen
Namen mit Neithart in memoriam an sein Idol Neidhart”.
55 Heinrich Niewöhner (Hg.), Die Gedichte Heinrichs des Teichner (Deutsche Texte des
Mittelalters 44,46,48) Berlin 1953-56; vgl. auch Edmund Wießner, Neidharts Grabdenkmal
am Wiener St. Stephansdome. ln: Wiener Geschichtsblätter l3l2 (1958) 30-38.
56 Gertnrd Blaschitz, Barbara Schedl: Die Ausstattung eines Festsaales im mittelalterlichen
Wien (in diesem Band).
57 Dem von Fritz Peter Knapp gezogenen Schluß ,,ex silencio”, an der historischen Figur
Neithart Fuchs sei zu zweifeln, da ihn der Spruchdichter Teichner nicht erwähn! ist entgegen
zu halten, dass der Teichner auch dessen Zeitgenossen, den Pfaffen vom Kalenberg nicht
e1wähnt, dessen historische Existenz zweifelsfrei erwiesen werden konnte; siehe dazu: Fritz
Peter Knapp, Geschichte der Literatur in Österreich 2/l (Geschichte der Literatur in
Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwatt) Graz 1999,470 f.
s8 Vgl. dazu auch Jöst, Bauemfeindlichkeit,3l ff.
5e John Margetts (Hg.), Neidhartspiele (Wiener Neudrucke 7) Gtaz 1982.
uo Wolfgang Lazius, 1564: siehe Jöst, Korrelation, 339.
6t J. E. S”hlug”t, Beyträge zur alten Ortsbeschreibung des Stephans-Freythofes, sammt einem
Anhange über die Kirchenmeisterey und das Schicksal des Kirchenschatzes in den Jahren
1526 und 1531. In: Wiener-skizzen aus dem Mittelalter, 2. Reihe. Wien 1836, 3l l-340, hier
316.
180
Variante 3: Sein wirklicher Name ist nicht überliefert, Neithart Fuchs ist ein
,,Künstlername”: ,,Neidharto’ nennt er sich in Erinnerung an den Minnesänger,
den Beinamen ,,Fuchs” nahm oder bekam er zur Kennzeichnung seines
Charakters.
Der Schlüssel zur Klärung der Frage, ob nun der Minnesänger Neidhart von
Reuental und/oder der Hofinann Neithart Fuchs in dem ehrenvollen Grabmonument
an der Südseite zu St. Stephan bestattet wurden, könnte in der Persönlichkeit
HerzogRudolfs IY.62 nt suchen sein.
Der ,,Pfalzerzherzog” und ,,Erzjägermeister von Kärnten”, der Gründer
der Universität Wien, der Stifter des gotischen Ausbaus der Stephanskirche und
des Kollegiatskapitels, der mit zahlreichen Aktionen eine monarchieähnliche
Stellung des Herzogtums verfolgte, besann sich vielleicht des großen deutschsprachigen
Dichters Neidhart von Reuental, der in dem Babenberger Friedrich
ll. ze osterrtche einenMäzen gefunden hatte, und Wien und die Umgebung der
,,Landeshauptstadt” bzw. Residenzstadt in seinen Liedem unsterblich gemacht
hatte; der wie kein anderer Dichter deutscher Zunge (nicht einmal ein Walther
oder ein Frauenlob können mithalten) über Jahrhunderte in verschiedenen
Medien rezipiert wurde und durch das Wirken des Neithart Fuchs ein ,,revival”
erlebte. Der Name des Minnesängers ließ sich wunderbar für politische Ziele
instrumentalisieren, denn Neidhart von Reuental war für die mittelalterliche
Welt eine ,jiber”nationale Erscheinung, er war über die Grenzen des ,,pfalzerzherzogtums”
ein Begriff: in den Schweizer Vorlanden, im deutschen Reich, in
Tirol ebenso wie in Böhmen und Mähren, wo Rudolfs schwiegervater Karl IV.
residierte, der bekanntlich cola di Rienzo und Francesco Petrarca zu seinen
Ratgebern zählte. Aus diesen Gründen ist denkbar, dass Rudolf IV. am gotischen
Dom ein kostbar ausgeführtes Dichtergrab errichten ließ, in welches die
Gebeine des Minnesängers und des Hofrnannes transferiert werden sollten, denn
beide großen Männer waren maßgeblich von Rudolfs vorfahren untersttitzt
worden und hatten den literarischen Ruhm des Landes begründet. Mit Hilfe von
Neidharts ,,remake” konnte der Schatten des ersten großen Dichters ,,österreichischer”
Nation heraufbeschwört werden. Außerdem soll nicht außer Acht
gelassen werden, dass für den tiefgläubigen Rudolf IV. der religiöse Memorialcharakter
des Grabdenkmales und das Gebetsgedenken für beide Dichter
auch eine wesentliche Rolle gespielt haben könnten.
Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass Rudolf IV. 1363 nach
seinem dritten Besuch im Stift Melk ein kunstvolles Grabdenkmal für den Hl.
Koloman63 stiftete, das allerdings dem barocken umbau des Klosters zum opfer
! z1 nuogtr_rv. siehe Alphons Lhotsky, Rudolf IV. In: Hans wagner, Heinrich Koller (Hg.),
Das Haus Habsburg. Aufsätze und Vorträge o’ 2. Wien 1971, 106-l lg.
lleta Niederkom-Bruck, Der heilige Koloman. Der erste Patron Niederösterreichs (Studien
und Forschungen aus dem Niederösteneichischen Institut für Landeskunde l6) Wien lgg2, 39
f.; Hans Tietze, Die Denkmale des politischen Bezirkes Mek (Östeneichische Kunsttopographie
3) Wien 1909,179.
181
fiel (Abb. 3). Der irische Pilger Koloman6a war unglücklicherweise, da der Landessprache
nicht mächtig, für einen Spion gehalten und l0l2 in Stockerau (bei
Wien) an einen Baum erhängt worden. Nachdem man den Irrtum erkannt hatte
und sich Wunder an der Hinrichtungsstätte ereignet hatten, verordnete Markgraf
Heinrich I. l0 l4 oder 10 I 5 die translatio des Leichnams in seine Residenz Melk
und die Bestattung im gleichnamigen Kloster. Damit begann der Kolomanikult,
der in Osterreich und den angrenzenden Ländern das gesamte Mittelalter
hindurch blühte. Besondere Verehrung erfuhr dem Landespatron durch Rudolf
IV.: Nicht nur durch die Errichtung des Baldachingrabes mit Altar in der
Stiftskirche Melk ehrte er den Landespatron; an der Schwelle des nördlichen
Fürstenportales der Wiener Stephanskirche ließ er den ,Kolomannistein”
setzen, auf dem das Blut des Märtyrers geflossen sein soll. Der ,,Kolomannistein”
,,könnte als Grundstein der rudolfinischen Kirchenerweiterung angesehen
werden,”65
Diese Aktivitäten Rudolfs IV. lassen einen politischen Willen erkennen,
der Tradition in der österreichischen Politik hat und bis zum letzten Babenberger
Friedrich II. zurückreicht. Herzog Friedrich II. stand in ständigem Konflikt mit
Kaiser Friedrich IL, da der Herzog ,,nur Interesse für den Ausbau seiner
Machtstellung, nicht aber für den Reichsdienst hatte und die Vergünstigungen
des Privilegium minus bewußt und demonstrativ ausnüt eu.66 Auch der
Babenberger hatte die Enichtung des Bistums in Wien und über Jahre mit
größter Vehemenz die Rangerhöhung der Herzogtümer Österreich und Steiermark
in ein Königreich betrieben.6T Seit der Usurpation des Patronates über die
Kirche St. Stephan übte Friedrich II. das Patronatsrecht aus und hatte gegenüber
dem Kirchengebäude die Unterhaltspflicht übernommen. Er begann, ,;um einen
greifbaren Rechtstitel zu bekommen, mit einem großen Umbau, welcher das
Riesentor und Teile der Westempore betraf.’68 Im Zusammenhang mit der
Bistumsgründung bemühte er sich um die Kanonisation Kolomans und um eine
abermalige translatio der Gebeine Kolomans in die zukünftige ,Sischofskirche”.
6e Seine ehrgeizigen, auf Vergrößerung, Rangerhebung und Konsolidierung
des Herrschaftsbereiches gerichteten Pläne brachten Friedrich II. oft Konflikte
mit dem Kaiser. Auch darin sind Parallelen zwischen dem Mäzen des
Minnesängers und dempa latinus archidux erkennbar.
6o Si”h” zum folgenden Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte
Osterreichs. Köln-Graz 1963, 28, l7 0-177.
65 Marlene Zykan,Der Stephansdom (Wiener Geschichtsbücher 26121) Wien-Hamburg 1981,
73.
66 Fri”d.ich Hausmann, Östeneich unter den letzten Babenbergem. ln: Erich Zöllner, Das
babenbergische Österreich (Schriften des Instituts für österreichkunde 33) Wien 1978, 54-68,
hier 62.
67 Hausmann, Babenberger, 66.
6E Annemarie Fenzl, St. Stephan in Wien. ln: Die Zeit der frühen Habsburger. Dome und
Klöster 1 279- I 3 79. Ausstellungskatalog I 97 9, 21 4-222, hier 2 I 6.
6e Karl Lechner, Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Östeneich 976-1246.
Wien-Köln-Craz 1976, 293.
t82
Unter Kaiser Maximilian (1459-1519), dem Begründer des habsburgischen
Weltreiches, kam es vor 1504 zur (wahrscheinlich) ersten Restaurierung
des Neidhart-Grabmales. Der Humanist und poeta laureatus Conrad Celtes, der
1504 in der Wiener Offizin des Johann Winterberger fünf Epigramme veröffentlicht,
betitelt das letzte, dem Neithart Fuchs gewidmete Epigramm , mit ,Jn
restauratam Neythardt franci sepulturam”; ein anderes dieser fünf Epigramme
ist übrigens dem Landesheiligen Koloman gewidmetT0. Koloman wurde entsprechend
dem dlmastischen Interesse Kaiser Maximilians durch den Hofhistoriographen
Jakob Mennel den Ahnen der Habsburger zugerechnet?l. In der
,,Sipp-, Mag- und Schwägerschaft” bzw. in der darauf basierenden ,,Fürstlichen
Chronik” wurde die Legende Kolomans mit Holzschnitt aufgenommen (Abb. 4).
:**{< Für uns Rezipienten des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist es eigentlich Nebensache, ob tatsächlich Knochen des Minnesängers Neidhart von Reuental und des,,Literaturschaffenden" Neithart Fuchs in dem Hochgrab zu St. Stephan wiederbestattet wurden. Wichtig für die memoria ist der Glaube, dass die sterblichen Überreste Neidharts und des Neithart Fuchs tatsächlich in das Prunkgrab an der Südseite des Stephansdomes transferiert worden sind, Dafür, dass dies nach Beendigung des von Rudolf IV. in Auftrag gegebenen Hochgrabes tatsächlich erfolgte, sprechen meines Erachtens fünf gewichtige Fakten: l. der Schreiberscherz des Laurentius mit der Datierung ... Anno a translatione Neidhardi in ecclesiq sancto Stephani Wienne primo72, der mit Sicherheit in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu setzen ist; 2. die Ergebnisse der kunsthistorischen Untersuchung Friedrich Dahms73, der zur Erkenntnis gelangte, dass das Hochgrab flir die Stelle beim Singertor, wo es sich immer noch befindet, konzipiert und geschaffen worden ist; 3. die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung von Karl GroßschmidtTa, der an den Gebeinen frühere Erdbestattung konstatierte und der feststellte, dass die Knochen von zwei männlichen Individuen stammen und dass die im Grabmal bestatteten Gebeine und Gebeinfragmente flir den Laien ein komplettes männliches Skelett ergeben; 4. die Resultate der Radiokarbon-Datierung von den Proben aus dem Neidhartgrab, die mit 54,4%o bzw. mit 73,4yo Wahrscheinlichkeit die Lebensdaten mit 1340 AD bis 1400 AD und 1110 AD bis 1260 AD kalibrieren konnte. to Si"h" den Beitrag von Perger, Neithart (in diesem Band). " Niederkorn-Bruck, Koloman, 50 ff. '' Siehe den Beitrag von Perger, Neithart (in diesem Band). '' Siehe den Beitrag von Dahm, Neidhart-Grabmal (in diesem Band). '' Siehe den Beitrag von Großschmidt, Skeletheste (in diesem Band). 183 5. Die Rolle, die das Grabmal des ersten österrelchischen Dichters in den dynastischen und machtpolitischen Kalkulationen der österreichischen Herrscher spielte. 184 ; I I't I II I -l .t' @ 1 i i i I I t k -ri it il Abb. 1: Plan des alten St. Stefans-Freithofes, 1552. Albert von Camesina nach Bonifaz Wolmuth, 1870. Farblithographie. '" 63,I cm x 61,6 cm. Historisches Museum der Stadt Wien, Inv. Nr. 31.440. Aus: 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien. Kat. Nr. 4.13, S. 195. Atbb.2: Otto von Botenlauben und Beatrix von Courtenay, Frauenroth, Oberfranken. Aus: Kurt Bauch, Das mittelalterliche Grabbild. Berlin, New York 1976,109. 186 .:.: 6 -l Abb. 3: Grabmal des hl. Koloman nach dem Stich von 1702. Aus: Hans Tietze, Die Denkrnale des politischen Bezirkes Melk (Osteneichische Kunsttopographie 3) Wien 1909, 17 9. Abb. 4: Darstellung des hl. Koloman 1516/18. Sipp-, Mag-, und Schwägerschaft Kaiser Maximilian I. Aus: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses IV (1886) Tafel 19. Reproduktion. 188 Das sog. Neidhart-Grabmal zu St. Stephan und andere Dichtergräber* Gertrud B las chitz (Krems) Das Neidhard-Grabmal befindet sich an der Südseite des Stephansdomes, in unmittelbarer Nähe des Singertoresr. Das durch ein Vordach geschützte Hochgrab ist an der Nord- und Westseite an die Außenwand des Domes angebaut, die freistehenden Wände der Süd- und Ostseite zier(t)en kostbar gearbeitete Sockelreliefs2. Auf der Deckplatte der Tumba liegt eine lebensgroße Figur, die einen Mann in adeliger Kleidung aus der ZeiLum 1350 darstellt'. Die Unterarme sind abgeschlagen. An seiner rechten Seite sind Spuren eines Schwertes erkennbar, an der linken Seite Fragmente eines ursprünglich vorhandenen Schildes, das einen aufrecht stehenden Fuchs trug, dessen Reste noch vorhanden sinda. Weder die Tumba noch die das Grabmal umgebenden Kirchenaußenwände tragen eine erläuternde Inschrift. Der Wiener Lokaltradition zufolge und nach schriftlichen Quellen sollen in diesem Grabmal die Gebeine des Minnesängers Neidhart von Reuental (Wirkungszeitraum von l2I7 bis vor 1246) und/oder die des Neithart Fuchs, eines Hofmannes Ottos des Fröhlichen (1333-1339), bestattet sein. Im Zuge der umfassenden Restaurierungsmaßnahmen, durchgeführt vom Bundesdenkmalamt Wien, wurde die Tumba abgetragen und in den Restaurierwerkstätten gereinigt und konservierts. Dadurch war erstmals die Möglichkeit gegeben, der baulichen Konstruktion des Hochgrabes eine grundlegende kunsthistorische Analyse zu widmen; die +Für die Durchsicht des Manuskriptes danke ich Elisabeth vavra, Krems, Helmut Birkhan, WI ien und Karl Brunner, Krems/IVien. Siehe dazu: Friedrich Dahm, Das Neidhart-Grabmal im Wiener Stephansdom. Untersuchungen zur Bau- und Restauriergeschichte (in diesem Band). ' Manfred Koller, Untersuchung und Restaurierung von Bildwerken des Neidhartkreises in Wien und Tirol (in diesem Band); Erhard Jöst, Bauemfeindlichkeit. Die Historien des Ritters Neithart Fuchs (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 192) Göppingen 1976; ders. , Literarische und ikonographische Korrelation im Mittelalter. In: Österreich in Geschichte und Literatur 2015 (1976) 332-350. ' Koller, Untersuchung (in diesem Band). o Siehe Koller, Untersuchung, Abb. I (in diesem Band). ' Siehe Koller, Untersuchung (in diesern Band). 17l abermalige Graböffnung6 erlaubte ebenso erstmals die anthropologische Untersuclung der darin bistatteten menschlichen GebeineT. Bei der Graböffnung am I l. April 2000, durchgeführt unter der Leitung des Archäologen Johann Offenberger, Bundesdenkmalamt Wien (Abteilung für Bodendenkmalpflege), konnten vom Anthropologen Karl Großschmidt8 (Institut für Histologie und Embryologie der Universität Wien) in der Tumba die Knochen von zwei männlichen Individuen geborgen werden: Fragmente eines Schädels, zwei linke Oberarmknochen und zahlreiche Knochenfragmente. Die anthropologische Befundung ergab u. a., dass die Gebeine Spuren von einer ursprünglichen Erdbestattung aufiviesen. Im Institut für Radiumforschung und Kernphysik der Universität Wiene wurden Proben dieses Knochenmaterials zur Radiokärbon-Datierung eingereicht. Übergeben wurden die Knochenproben als anonymes ,,mittelalterliches Material vom Stephansdom". Am 18. Oktober 2000 lagen folgende Werte vor: Bei der einen Probe (VERA 1470) wurde als kalibriertes Alter mit 54,4o/o Wahrscheinlichkeit 1340 AD bis 1400 AD ermittelt; bei der zweiten Probe (VERA l47l) wurde mit 73,40Ä Wahtscheinlichkeit I I l0 AD bis 1260 AD als kalibriertes Alter bestimmtr0. Das Ergebnis verleitet zur Schlußfolgerung, die aufgefundenen Knochen teils dem Minnesänger Neidhart von Reuental zuzuordnen und teils dem Neidhart- Rezipienten Neithart Fuchs. Die mögliche Bestattung eines Minnesängers und eines Mannes, der für dessen ,,revival" maßgeblich verantwortlich war, an dieser prominenten Stelle in einem derart kunstvoll ausgeführten Grabmal wirft zahlreiche Fragen auf, wie etwa: Von welchen mittelalterlichen Dichtern sind Gräber überliefert, wo befinden/befanden sich diese Gräber und wie laute(te)n die Grabinschriften? Seit wann gibt es schriftliche Belege für das Neidhart- Grabmal zu St. Stephan? Gibt es schriftliche Belege für die Bestattung des Neidhart von Reuental? Gibt es schriftliche Belege für die historische Existenz des Neithart Fuchs? Ist denkbar, dass durch das Wirken des innovativen Epigonen Neithart Fuchs der Minnesänger Neidhart in Vergessenheit geraten war? Kritische Stimmen meinen, es könnten irgendwelche Knochen nach der Errichtung des Ehrengrabes aus dem den Stephansdom umgebenden Friedhofin die Tumba gebettet worden sein (Atb. 1). Aber warum dann der Aufwand mit der Tumba!? Das Hochgrab weist Ahnlichkeit mit anderen Grabmälem aus der Zeit Rudolfs IV. auf, so etwa mit dem Doppelgrabmal Rudolfs IV. und seiner Gemahlin Katharina von Luxemburg (ursprünglich in der Mitte des Chorhallen- 6 Das sogenannte Neidhart-Grabmal bei St. Stefan in Wien. In: Mittheilungen der k.k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunsh und historischen Denkmale (r 87s) 3e f. i Helmut Birkhan bemühte sich 1984 erfolglos um eine derartige Untersuchung der Knochen, siehe dazu: Christine Kasper, Wer liegt im Neidhartgrab? In: ibf-Report Nr. 977 (1984) l-3. Ü Karl Großschmidt, Die Skelettreste des Minnesängers Neidhart von Reuental und dessen Epigonen Neithart Fuchs. Eine Identifizierung (in diesern Band). ' Vienna Environmental Research Accelaerator (VERA-Laboratorium, Währinger Straße 17, Kavalierhakt, A- I 090 Wien, Austria). '0 Sieh" Diagramm I und 2 im Artikel Großschmidt, Skeletheste (in diesem Band). t72 schiffes des Stephansdomes) und mit dem Hochgrab-Monument des Koloman in der mittelalterlichen stiftskirche zu Melkrr. Die plastik weist große Ahnlichkeit weiters mit den Fürstenfiguren vom Singertor der Kirche zu St. Stephan auf. Wurden die Gebeine beider ,pichter" nach der Errichtung des Grabdenkmales in der Werkstätte Rudolß IV. bewußt als Akt der memoria in die Tumba transferiert? Was konnte Herzog Rudolf IV. um 1360 veranlaßt haben, ein Denkmal .für den ,,Ilofrat" eines seiner Vorgänger, dessen Todesjahr eventuell 1334 wart2, in Auftrag zu geben? Von IntereJse ist weiters die Frage, warum ein vorwiegend politisch motivierter Herrscher des 14. Jahrhunderts, etwa 130 Jahre nach dem Ableben des Minnesängers und etwa 30 Jahre nach dem angenommenen Tode des Hofinannes, es der Mühe wert fand, die letzte(n) Ruhestätte(n) dieses (dieser) Dichters (Dichter) für sich und die Nachwelt zu kennzeichnen und so die Voraussetzungen für die Sicherung und Erneuerung des Totengedächtnisses zu schaffen. Um der Klärung dieser Fragen ein wenig näher zu kommen, wird in einem ersten Schritt ein Resümee über Gedenkstätten für mittelhochdeutsche Dichter versucht. Der Minnesänger Otto von Botenlauben (t1245) wurde gemeinsam mit seiner Gemahlin Beatrix von- courtenay in der von beiden gestifteten Frauenroder Klosterkirche bestattetrr. Der Doppelgrabstein (Abb. 2), obgleich heute an den Rändem und an den Figuren beschädigt, vermittelt noch immer die ursprüngliche prächtige und anspruchsvolle Intentionto. Er wurde gegen 1270 fertiggestellt. Die Figuren liegen auf Polstern und sind mit prächtiger Kleidung ausgestattet. Das Wappen Ottos von Botenlauben bedeckt dessen Beine. Löwe und Hund liegen neben den Figuren aufderen Kleidern. Ulrich von Liechtenstein (120510816.1.1275) wurde mit seiner Frau Berta vor der Liechtensteinerkapelle zu Seckau begrabenrs. Die Kapelle geht auf eine Jahrtagsstiftung ulrichs und seiner Gemahlin zurück und war eindeutig als Familiengrablege bestimmt; da sie zum Zeitpunkt des Ablebens des Stifterpaares noch nicht geweiht war, wurden die Gebeine beider in geweihter Erde am Rande derselben bestattetr6. Die Kapelle wurde 1837 äbgebrochen. Die It Arthur saligeq Herzog Rudolf IV. und Katharina von Luxemburg. In: 850 Jahre st. Stephan. Symbol und Mitte in Wien 1147-199'7. Wien 1997, 108; ders., Doppelgrabmal Rudolf tv. und Katharina von Luxemburg. In: 850 Jahre st. stephan. symbol und Mitte in Wien I147-1997. 108. '2 vgl. dazu Ric'hard Perger, Neidhart in wien (in diesem Band) sowie Ekkehard Simon, Neidhart's tomb Revisited. In: Seminar 7 (1971) 62, rr Affn. 12. Ich danke Helmut Birkhan für diesen fieundlichen Hinweis. ta siehe zum folgenden: Kurt Bauch, Das mittelalterliche Grabbild. Berlin, New york 1976, 109 f. 15 wilhelm Deuer, ulrich von Liechtenstein als Auftraggeber und Bauherr. Eine kunsthistorische Spurensuche. In: Franz Viktor Spechtler, Barbara Maier (Hg.), Ich - ulrich von Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter (Schriftenreihe der Akademie Friesach 5) Klagenturt 1999, 133-l54,hier 147. 16 Ebenda, 149. t73 überlieferte Inschrift laüet: Ulr... Lichten / stain ... stifter /... Perchta seine Frawen /... Ono . Ulricus. [seiJne / s[uenJe, Perchta, tochter, / Otto enikl ... hie begra / ben ... a... bis17. Ulrich von Liechtenstein war nicht nur Autor der ersten deutschsprachigen fiktiven Autobiographie, sondem er zählte zu den einflussreichsten steirischen Landherren unter den letzten Babenbergern und unter Ottokar II. Plemyslr8. Bei archäologischen Grabungen wurde auf dem Areal der friiheren Burg Sachsendorf (VB Hom, Niederösterreich) in der ehemaligen Kapelle ein Grabstein gefundenre. Es ist eine Sandsteinplatte (160 cm x 70 cm x 25 cm) aus der Zeit um 1300 mit einem Hügelkreuz, zwei Wappen und einer schwer lesbaren Inschrift, die besagt, ,daß ein Mann, namens Ulrich und seine Frau Elisabeth in der Gruft bestattet worden warenoo20. Aufgrund zahlreicher Urkunden könnte geschlossen werden, dass die Burg im Besitz jenes Ulrich von Sachsendorf war, der im ,,Frauendienst" des Ulrich von Liechtenstein als Gefolgsmann des Babenbergerherzog Friedrichs II. genannt wird2'. Ob der Grabstein tatsächlich für jenen Minnesänger, der im Codex Manesse als ,per von Sachsendorf' angeführt ist und dessen Vorname nicht überliefert wurde, erstellt worden ist, konnte bislang nicht verifiziert werden. Die Nachricht über das Grabmal Walthers von der Vogelweide (t um 1230) stammt aus etwa 1350 und ist durch Michael de Leone, dem Protonotar der Würzburger Bischöfe und Scholasticus am Neumünsterstift zu Würzburg, überliefert22. Im sog. ,,I\4anualeo' schreibt Michael de Leone, Walthers Grab befinde sich im Kreuzgang des Würzburger Stiftes Neumünster; in der Würzburger Liederhandschrift, die etwa gleichzeitig entstanden ist, steht zusätzlich von einer Hand des 14. Jahrhunderts, ... begraben ze wirzeburg. zv dem r7 Ma.la Loehr, Die Grabplatte auf der steirischen Frauenburg und die Ruhestätte Ulrichs von Liechtenstein. In: Mitteilungen des Instituts für Östeneichische Geschichtsforschung 65 (r9s7) s3-69. t* Heinz Dopsch, Zwischen Dichtung und Politik. Herkunft und Umfeld Ulrichs von Liechtenstein. In: Franz Viktor Spechtler, Barbara Maier (Hg.): Ich - Ulrich von Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter (Schriftenreihe der Akademie Friesach 5) Klagenfurt 1999,49-104; Jan-Dirk Müller, Ulrich von Liechtenstein. ln: Verfasserlexikon 9, Sp. 1274- 1282. t'Martin Krenn, l0 Jahre Sachsendorf-eine Burganlage im Licht der Archäologie. ln: Historicum 1996,15-21. 'o Mu.tin Krenn, Sachsendorf - ein mittelalterlicher Henensitz. In: Mitteilungen aus dem Stadtmuseum Wels 7 (1990) [-8]. '' Ingo F. Walther (Hg.), Codex Manesse. Frankfurt am Main 1988, Tafel 49; Krenn, l0 Jahre Sachsendorf, 15 f. 22 Hannes Kästner, Die Gräber der alten Meister. In: Anna Keck, Theodor Nolte (Hg.), Ze hove und an der strözen. Die deutsche Literatur und ihr,,Sitz im Leben". Stuttgart-Leipzig 1999,237-253, hier 238 f; Hedwig Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla. Wien 1970, 216 f. 174 Nuwenmunster in dem grashoue23. Der Minnesänger Walther von der Vogelweide erhielt seine letzte Ruhestätte also in geweihter Erde, in einem Kloster, und der Ort dieser letzten Ruhestätte ist überliefert. Der Bericht über Begräbnis, Ort der Grablegung und Grabmal Frauenlobs finden sich in einem Zusatz der Chronik des Matthias von Neuenburg (1295- 1370) der Handschriften V und C, die möglicherweise Albert von Strassburg zuzuschreiben sind'*. In diesem sog. Hohenberger Kapitel wird berichtet, Frauenlob sei am Tage vorAndreas im Jahre 1317 unter außergewöhnlichen Ehren im Kreuzgang des Mainzer Doms beigesetzt worden. Frauen hätten ihn unter großen Jammern und Weinen von seinem Quartier (ab hospicio) zur Grabstätte getragen und dort eine große Totenklage erhoben. Der Originalgrabstein ist zerstört, auf dem jetzigen befindet sich eine ,gngenaue" Wiedergabe der ursprünglichen Inschrift: Anno D(omi)ni MCCCWIII ob(iit) Henricus Frowenlop in vigilia beati Andree apostoli; demnach wäre der Todestag des Dichters Frauenlob der 29. November l3 I 8 gewesen. Oswald von Wolkenstein (1375/78-1445) wurde in der Stiftskirche Neustift, der traditionellen Begräbnisstätte seiner Familie bestattet2s. Oswald war Zeit seines Lebens ein Förderer der Stiftskirche Neustift. Sein Grabstein wurde als Gedenkstein anlässlich einer bevorstehenden Pilgerreise konzipiert; er ist ein Dokument adeligen Selbstbewusstseins. In Vertikalrichtung ist in Minuskel die knappe Inschrift anno.d(omi)ni.m.ccccviij.oswald(us).de.wolkenstain nt lesen. Daneben befindet sich, den Stein beinahe zsr Gänze bedeckend, das lebensgroße, portraithafte Reliefbildnis des Dichters. Oswald von Wolkenstein steht auf den beiden Familienwappen. Er trägt einen knielangen Wappenrock mit kunstvoll ausgeführtem Gürtel, an dem ein Schwert hängt, sowie Beinzeug und Eisenschuhe mit Radsporen. In der rechten Hand hält er die Kreuzfahne, in der linken den Helm mit Pfauenfedern als Helmzier. Oswald ließ den Stein anläßlich einer bevorstehenden Pilgeneise zu seinem Gedächtnis enichten. Nach seiner glücklichen Rückkehr veranlaßte er die Aufstellung in der von ihm 1407 neu erbauten St. Oswald-Kapelle im Brixener Dom. Das Relief bekam nun die Funktion einer Stifterdarstellung, hatte doch Oswald das Benefizium bedacht26. Von der Grabstätte Wolframs von Eschenbach2T (um ll70 - um 1220) berichtet Jakob III. (Püterich) von Reichertshausen in seinem 1462 geschrie- 23 H"g"t, Reiserechnungen, 216; vgl. dagegen Kurt Herbert Halbach, Walther von der Vogelweide (Sammlung Metzler 40, Realien zur Literatur Abt. D: Literaturgeschichte) Stuttgartl983,37. 2a Karl Stackmann, Frauenlob. In: Verfasserlexikon 2, 868; Kästner, Gräber, 239; Klaus Amold, Matthias von Neuenberg. In: Verfasserlexikon 6, 194-197. 25 Anton Schwob, Oswald von Wolkenstein. Sein Leben nach historischen Quellen. In: Ulrich Müller (Hg.), Oswald von Wolkenstein. Darmstadt 1980, 343-389. 'o Ute Monika Schwob, Das Schreckbild vom jähen Tod und Vorsorge flir den Todfall. Die Familie Wolkenstein als Beispiel für mittelalterliche Verhaltensweisen. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 9 (1996197) 87. " Kästn"r, Gräber,240. t75 benen ,,Ehrenbrief'. Der bayerische Ritter hatte nach dem Grabmal des von ihm verehrten Dichters gesucht und fand es in der Frauenkirche in Eschenbach. Aus dem Jahre 1608 ist die angebliche Inschrift überliefert: Hie ligt der Streng Ritter herr Woffiam von Eschenbach ein Meister Singer. Dass diese Inschrift nicht dem 13. Jahrhundert zugerechnet werden kann, ist offenbar. Wann das Grabmal Wolftams entstand und ob es tatsächlich seine Gebeine birgt, ist ungewiss. Tatsache ist, dass es ein Grabdenkmal des großen Dichters gibt. Das Grabdenkmal des Spruchdichters Freidank wurde von Hartmann Schedel 1465 in Treviso gesucht und gefunden". Es befand sich an der Außenmauer der Hauptkirche und hatte eine Grabinschrift in deutscher Sprache: Hye leit FreydanckT go, on all sein danck / der alweg sprach und nie sancl*e. Heinrich von Morungen3o (t angeblich um 1222) entwirft in einem Lied aus Gram über die Distanziertheit seiner Minnedame seine fiktive Grabinschrift: Wan sol schrtben kleine / reht üf dem steine, der min grap bevät, wie liep st mir waere / und ich ir unmaere3r ; derartige fiktive Inschriften stehen in antiker Tradition32. Sein Grabstein ist nicht überliefert, sein Ableben wurde jedoch in Urkunden des 16. Jahrhunderts aus dem Umkreis des Thomasklosters in Leipzig notiert33. Kästner3a sieht zwei verschiedene Entwicklungen, die zur Aufzeichnung von Dichtergräbern veranlassen: Vor allem im 14. Jahrhundert ist es der Stolz auf lokale historisch-literarische Traditionen, während Püterich von Reichertshausen und Hartmann Schedl sich gezielt auf die Grabsuche der von ihnen verehrten deutschsprachigen Dichtern machen. Lokalpatriotismus verbindet sich in Renaissance und Humanismus mit Nationalstolz und der Verehrung großer Männer der deutschen Vergangenheit. Der Franke Conrad Celtis, der Neidharts Grabmal in Wien besucht, verfasst ein Epitaphium Neithardi auf den vermeintlichen Landsmann". Mit den letztgenannten beginnt eine Entwicklung, ,die in der Neuzeit dann das Dichtergrab zum kollektiven Gedächtnisort und zum Kultobjekt werden läßt. Dichtergräber werden dann wahre Pilgerstätten, Orte der Verehrung und Inspiration."36 Diese Auflistung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Von Interesse in diesem Zusammenhang ist jedoch mit Sicherheit die letzte Ruhestätte des zweiten Spaßmachers am Hofe Ottos des Fröhlichen, des Pfarrers 28 Käst.rer, Gräber, 241 . 2e Kästner, Gräber, 241 f. 30 Kästner, Gräber, 243 f. 3l Heinrich von Morungen, Lieder. Text, Übersetzung, Kommentar von Helmut Tervooren IUniversal-Bibliothek 9797(4) VIIV3/ l -5]. " P. Ovidius Naso, Metamorphosen. Lateinisch./Deutsch von Michael von Albrecht (Univ- ersal-Bibliothek 1 360) Stuttgart 1 994, IX, 56 l ff. " Helmut Tervooren, Heinrich von Morungen. In: Verfasserlexikon 3, Sp. 804-815, hier Sp. 804 f. 3a Kästner, Gräber, 251 ff. 3t Kästn"r, Gräber, 242. 36 Kästner, Gräber, 252. t76 vom Kahlenberg37: darumb so hiett er die rwen man, / den Neythart und den capelan heißt es im Druck der ,ges-c-hicht des pforrers vom Kalenbergl, herausgegeben von Philipp Frankfurter.'o Dieser Pfaffe konnte mit Gundaker von Thernberg identifiziert werden3e. Als junger Pfarrer hatte der aus der Familie derer von Themberg aus dem südlichen Niederösterreich (Nähe von Kirchberg am Wechsel) von Herzog Otto dem Fröhlichen die pfarre im Kahlenbergerdorf (heute Wien 19) erhalten, die er von etwa 1330 bis 1339 betreute. Später wurde er Pfarrer zuPigglitz bei Kirchberg (V.2ll91ll4), wo er auch gestorben und begraben ist. Eine in der dortigen Pfankirche befindliche Grabplatte aus rotem Marmor trägt in Fraktur die Inschrifta0: Hie' liegt' begraben' der Erbidige / herr' hew' lilolgerus ' gundacker / von Terenberg' pfarer czw' Ka / lenperg Taussent' funf hundert [...]o'. Die Datierung mit 1500 legt nahe, dass dieser Grabstein aus der Pfarrkirche Prigglitz erst Anfang des 16. Jahrhunderts gesetzt und beschriftet worden ist. Nach Rupprich fand dabei möglicherweise der originalgrabstein mit Inschrift verwendunga2. Gundaker von Temberg erhielt auch in der Klosterkirche des Zisterzienserstiftes Lilienfeld einen Gedenkstein, sein Ableben ist im dortigen Totenbuch verzeichnet. Das damals noch steirische Prigglitz liegt etwa 40 km vom Begräbnisort Herzog ottos des Fröhlichen entfemt, der nach seinem Ableben 1339 im Kloster Neuberg (Steiermark) begraben worden ista3. In einem zweiten Schritt werden einige überlegungen und Untersuchungen, die seit langem in der Neidhartforschung diskutiert werden, resümiert, abermals in Beschränkung auf die für die Fragestellung wesentlichsten Quellenstellen: Schriftliche Belege über den Tod des Minnesängers Neidhart von Reuental und seine Bestattung sind nicht überliefert. Häufig dagegen sind die Quellenstellen, die sich auf das Grabmal eines Neidhart oder eines Neithart Fuchs beziehen, wie die folgende kurze Zusammenfassung der schriftlichen Zeugnisse illustriert. Es handelt sich um Quellenstelren, die v. a. von Ekkehard 37 Für die Erinnerung an dieses Grabmal danke ich Helmut Birkhan, Wien. 'o viktor Pol]ryn (Hg.), Die Geschichte des pfarrers vom Kalenberg. In: Felix Bobertag, Narrenbuch: Kalenberger. Peter Leu. Neithart Fuchs. Markolf. Bruder Rausch. (Deutsclü Nationallitteratur I I ) Berlin-Stuttgart I 884, I -g6, Vers 995 f. " HellmutRosenfeld, Philipp Frankfurter. In: Verfasserlexikon 2, g17 ff; Hans Rupprich, Die deutsche Literaturvom späten Mittelalterbis zum Barock I (Geschichte der deutsciren Literatu1 von den Anfängen bis zur Gegenwart 4/1) München 1970, ll9-lz4; ders., Das wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der wissenschaften, phil.-hist. Klasse 22815) wien 1954, g4-gg; siehe auch perger, Neithart (in diesem Band). a0 Rupprich, Wiener Schrifttum al 87, Anm. 39. Eine zweite Inschrift bezieht sich auf Hieronymus Neuburger oder Neuperger, pfaner in -l"'R"gueptpitr"i cvho,n 1515-1521, siehe Rupprich, WienerSchrifttum g7-, Anm. 39. *' Wiener Schrifttum 87, Anm. 39. Rosenfeld, Frankfi.rter, 818; pfaner vom Kalenberg, Vers 2125-213g. 177 Simon, Richard Perger, Erhard Jöst sowie Margarete Saary4 zusammengestellt und publiziert wurden. In das 14. Jahrhundert fällt die Erwähnung des angeblichen Hauses des Neithard im Grundbuch der Stadt Wien (... dicitur domus neithardi) und die berühmte Datierung des Vokabulars des ,,Lucianus" durch den Schreiber Laurentius, die der 2. Hälfte des 14. Jahrhundeds entstammt (anno a translatione Neithardi in ecclesia sancti Stephani Wienne primo.)As In das 15. Jahrhundert füllt die nicht unbedeutende Außchrift des Dombaumeisters Hans Puchsbaum zwischen 1446 und 1456 auf einer Zeichnung der Vorhalle des Singertores: Die visirung des Furpaws der tur zu Sand Stephan bey des Neitharts graba6; 1466 wurde ein Friedhofstor zum St. Stephans Friedhof unweit von Neidharts Grabmal als Neidhartstor bezeichnet (Abb. l)47. 1464 erwähnt Martin von Leibitz Neithart Fuchs im Zusammenhang mit Otto dem Fröhlichen ... Tempore suo fuit ille notabilis dictator cantonium in Theotonica Neidthardus, ... et elevatum habet sepulchrum ad Sanctum Stephanum. o8 Die erste Nennung mit dem Zunamen Fuchs ist wahrscheinlich mit Heinrich Wittenwilers ,,Ring" gegebenae. Das Epos erschien etwa 1408-1410 und stellt somit ein gewisses Indiz für die historische Existenz des Ritters Neithart Fuchs dar und dafür, dass der historische Neithart Fuchs ein Wappen besaßlso Diese These stützt der Nachtrag im Wappenbuch des Konstanzer Ritters und Bürgers Konrad Gruenenberg (1480-1500), der das Wappen des Neithart Fuchs mit dem Kommentar versieht: der neythart / der paurn / veind vo(n) zeissl / maur der zu / wien an s. stffi / turn begraben / ligt.5t Auch die anonyme Grabschrift auf der Innenseite eines Vorderdeckels der Hs. 1304 der Königsberger Universitätsbibliothek, nennt Neithart Fuchs: Epidaphium Neithart vochs circa sepulturqm suam wienne... Sodann sind noch anzuführen die oo Simon, Neidhart's tomb; Richard Perger, Neidhart in Wien (in diesem Band); Jöst, Bauemfeindlichkeit, 18-55; Jöst, Korrelationen; Margarete Saary, Das Neidhartgrab zu St. Stephan als Bestandteil der Wiener Neidharthadition. ln: Helmut Birkhan (Hg.), Neidhart von Reuental, Aspekte einer Neubewertung (Philologica Germanica 5) Wien 1983,189-214. os Perg"r, Neidhart (in diesern Band); Simon, Neidhart's tomb; Jöst, Bauemfeindlichkeit, l8- 55. a6 Saary, Neidhartgrab, 199. a7 Renata Kassal-Mikula, Plan des alten St. Stefans-Freithofes 1552 (mit Angabe der Gestalt und Größe der alten romanischen Pfankirche), Rekonstruktion von Albert Camesin4 1870. In: 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien. Kat. Nr. 4.13, S. 194 f. Das Neidhartstor wurde später in,,Zinnertof' umbenannt. a8 Perger, Neidhart in Wien (in diesem Band). on Edmund Wießner (Hg.), Heinrich Wittenwilers Ring (Deutsche Literatur, Reihe 4: Realistik des Spätmittelalters I und.2) Leipzig l93l und 1936; Helmut Birkhan (Hg.), Heinrich Wittenwiler, Der Ring [in Ubertragung] (Fabulae mediaevales 3) Wien 1983; Eckart Conrad Lutz, Spiritualis fomicatio. Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein ,,Ring" (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 32) Sigmaringen 1990. so Her Neithart, ..., ein ritter chiuog, I der allen törpeln hass truog, :und der den Fuchsschwanz im Schild frihrt mich dunkt er sei einfuchs wild; I des zagelfiert er an dem schilt; Wießner, Wittenwiler, Vers 157 ffund Vers 645 f. 5r Jöst, Bauernfeindlichkeit, 27 f. 178 Erwähnung durch Veit Ampeck im ,,Chronicon austriacum" (1488-1493): Hic quendarn militem in curia sua dictum Neithardum Fux ex Frankonia omnibus ioculacionibus et solaciis imbutum, qui Vienne quiescit. Abschließend sei noch an das Schwankbuch Neithart Fuchs erinnert, das in Wien entstanden ist: das er noch zuo Wien leit begraben in der kirchen zuo sant Steffan, weiters an Ladislaus Sunthaim von Ravensburg, den Hoftristoriker Kaiser Maximilians L, der zwischen 1498 und 1505 in seinem ,ponauthal" die Lage von Neitharts Grabmal zu sand Stephan vor der kirchen, an der kirchmaur hin an beschreibt und an das Epigramm von Conrad Celtis (s. u.). Die Liste ließe sich flir die ZeiI nach 1500 bedeutend verlängerns2, womit wir dann erst recht die Abhängigkeit von den Quellen einer genauen Prüfung unterziehen müssten. Festgehalten werden muss, dass auch die ,,frühen" Nennungen zeitlich relativ weit von den historischen Persönlichkeiten entfemt sind, also keineswegs an die Authentizität zeitgenössischer Stellungnahmen herankommen. Die erste Erwähnung domus Neithardi nennt einen Hausbesitzer namens Neithard, die ungewöhnliche Datierung des Laurentius nimmt Bezug auf die Translatio der Gebeine eines Neithard. Der Baumeister Hans Puchsbaum lokalisiert mit bey des Neidharts grab und das Friedhofstor wird einfach Neidhartstor genannt. Also: Lediglich bei dem (chronologisch) früheren Aufscheinen des Namens Neidhart im Zusammenhang mit dem Grabmal fehlt sowohl der Beiname Fuchs als auch die Zuordnung zum Hofe Ottos des Fröhlichen (Grundbucheintrag, Schreiber Laurentius, Hans Puchsbaum, Bezeichnung des Friedhoftores). Die Nennung des Martin von Leibitz bezieht sich auf einen Dichter in deutschen Versen am Hofe Ottos des Fröhlichen; auch der anonyme Kompilator der Schwänke des Neithart Fuchs bringt den Dichter, der zu St. Stefan begraben ist, eindeutig in Zusammenhang mit Otto dem Fröhlichen, ebenso Philipp Frankfurter in der Geschicht des Pfarrers vom Kalenberg. Warum sollte Neidharl nx Zeit der Errichtung des Grabmals und der Transferierung der Knochen vergessen gewesen sein? Dagegen spricht m. E. die gesamte Neidhart-Rezeption, die doch nicht nur in der Tradierung der Schwänke und Spiele besteht, sondern auch in der Rezeption der Lieder - und gerade den Auftraggebern und Redaktoren der Liederhandschriften geht es um die Sammlung und Aufzeichnung des Oeuvres des Minnesängers. Die Mehrzahl der Ly-rikhandschriften in Pergaments3 entstand im 14. Jahrhundert, nämlich C, Co , G, K, O. Die papierhandschriften stellen meist eine ,,Spezialsammlung des Neidhartkorpus'o dars4, und gehören überwiegend dem 15. Jahrhundert an. Eine Sonderstellung nimmt die Nürnberger Papierhandschrift c ein, denn der Redaktor wollte offenbar eine Art ,,Gesamtausgabeo' des Neidhart-Liedguts mit allen verfügbaren Melodien schaffen. Dagegen spricht auch die Handschrift G der ,,Gedichte Heinrich des 52 Perger; Saary, 200-208; Jöst, Bauemfeindlichkeit I 8-55. " Dietrich Boueke, Materialien zur Neidhart-Überlieferung. (Münchener Texte und untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 16) München 1967. 5a Ekkehard Simon, Neidhart von Reuental, 89. 179 Teichners,.s5, denn in Gedicht 595 zitiert der Spruchdichter Heinrich der Teichner, der vermutlich in Wien zwischen 1350 und 1377 wirkte, seinen berühmten Vorfahren Neidhart. Dagegen spricht weiters, dass Neidhart in den spielen und schwänken und schließlich in den wandmalereien als handelnde Pirson auftritt. Auch die Wandmalereien in den Wiener Tuchlauben stellen einen ,,Gegenbeweis" dar, denn sie basieren fast ausnahmslos auf den Liedern Neidharts, wie sie in C und R aufgezeichnet sind56. Vor allem anderen aber spricht die Mentalität HerzogRudolß IV. dagegen, der einen,,Nationaldichter" f,ir sein ,,Pfalzerzherzogtum" haben wollte und die memoria an den großen Minnesänger beleben wollte. Selbstverständlich war dem 14' Jahrhundert der Epigone, dem der erfolgreiche Transfer von Neidharts Liedern zu einem erheblichen Teil zu verdanken ist, näher als das Original aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Existenz dieses Hofrnannes im Umkreis Herzog Ottos des Fröhlichen, der (auch) dichtete, belegen zahlreiche Quellen:s? Neithart Fuchs dichtete in der Art seines Vorgängers und dichtete dessen Lieder um, indem er aktualisierte, vergröberte ... und dessen Namen belebte. Zur Klärung der Namensgleichheit sinJ einige Varianten denkbar:s8 Variante l: Er hieß tatsächlich Neidhart, damals kein seltener Name, und erhielt im Laufe seiner dichterischen und (politischen?) Tätigkeit den charakterisierenden Beinamen Fuchs. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang einerseits an die Wandmalerei in Diessenhofen, die im Register über der Neidhart-Darstellung die Fabelfigur Fuchs aufiveist, andererseits an das Große Neidhartspiel (Versl925-1933), wo von Neithart gesagt wird, er hielte sich für listiger als der fuxr'. Variante 2: Er hieß Otto Fuchs60 (wie die Stellen bei Wittenwiler und der Wappen-Kommentar Gruenenbergs nahelegen) und., bereicherte seinen Namen mit Neithart in memoriam an sein Idol Neidhart''. 55 Heinrich Niewöhner (Hg.), Die Gedichte Heinrichs des Teichner (Deutsche Texte des Mittelalters 44,46,48) Berlin 1953-56; vgl. auch Edmund Wießner, Neidharts Grabdenkmal am Wiener St. Stephansdome. ln: Wiener Geschichtsblätter l3l2 (1958) 30-38. 56 Gertnrd Blaschitz, Barbara Schedl: Die Ausstattung eines Festsaales im mittelalterlichen Wien (in diesem Band). 57 Dem von Fritz Peter Knapp gezogenen Schluß ,,ex silencio", an der historischen Figur Neithart Fuchs sei zu zweifeln, da ihn der Spruchdichter Teichner nicht erwähn! ist entgegen zu halten, dass der Teichner auch dessen Zeitgenossen, den Pfaffen vom Kalenberg nicht e1wähnt, dessen historische Existenz zweifelsfrei erwiesen werden konnte; siehe dazu: Fritz Peter Knapp, Geschichte der Literatur in Österreich 2/l (Geschichte der Literatur in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwatt) Graz 1999,470 f. s8 Vgl. dazu auch Jöst, Bauemfeindlichkeit,3l ff. 5e John Margetts (Hg.), Neidhartspiele (Wiener Neudrucke 7) Gtaz 1982. uo Wolfgang Lazius, 1564: siehe Jöst, Korrelation, 339. 6t J. E. S"hlug"t, Beyträge zur alten Ortsbeschreibung des Stephans-Freythofes, sammt einem Anhange über die Kirchenmeisterey und das Schicksal des Kirchenschatzes in den Jahren 1526 und 1531. In: Wiener-skizzen aus dem Mittelalter, 2. Reihe. Wien 1836, 3l l-340, hier 316. 180 Variante 3: Sein wirklicher Name ist nicht überliefert, Neithart Fuchs ist ein ,,Künstlername": ,,Neidharto' nennt er sich in Erinnerung an den Minnesänger, den Beinamen ,,Fuchs" nahm oder bekam er zur Kennzeichnung seines Charakters. Der Schlüssel zur Klärung der Frage, ob nun der Minnesänger Neidhart von Reuental und/oder der Hofinann Neithart Fuchs in dem ehrenvollen Grabmonument an der Südseite zu St. Stephan bestattet wurden, könnte in der Persönlichkeit HerzogRudolfs IY.62 nt suchen sein. Der ,,Pfalzerzherzog" und ,,Erzjägermeister von Kärnten", der Gründer der Universität Wien, der Stifter des gotischen Ausbaus der Stephanskirche und des Kollegiatskapitels, der mit zahlreichen Aktionen eine monarchieähnliche Stellung des Herzogtums verfolgte, besann sich vielleicht des großen deutschsprachigen Dichters Neidhart von Reuental, der in dem Babenberger Friedrich ll. ze osterrtche einenMäzen gefunden hatte, und Wien und die Umgebung der ,,Landeshauptstadt" bzw. Residenzstadt in seinen Liedem unsterblich gemacht hatte; der wie kein anderer Dichter deutscher Zunge (nicht einmal ein Walther oder ein Frauenlob können mithalten) über Jahrhunderte in verschiedenen Medien rezipiert wurde und durch das Wirken des Neithart Fuchs ein ,,revival" erlebte. Der Name des Minnesängers ließ sich wunderbar für politische Ziele instrumentalisieren, denn Neidhart von Reuental war für die mittelalterliche Welt eine ,jiber"nationale Erscheinung, er war über die Grenzen des ,,pfalzerzherzogtums" ein Begriff: in den Schweizer Vorlanden, im deutschen Reich, in Tirol ebenso wie in Böhmen und Mähren, wo Rudolfs schwiegervater Karl IV. residierte, der bekanntlich cola di Rienzo und Francesco Petrarca zu seinen Ratgebern zählte. Aus diesen Gründen ist denkbar, dass Rudolf IV. am gotischen Dom ein kostbar ausgeführtes Dichtergrab errichten ließ, in welches die Gebeine des Minnesängers und des Hofrnannes transferiert werden sollten, denn beide großen Männer waren maßgeblich von Rudolfs vorfahren untersttitzt worden und hatten den literarischen Ruhm des Landes begründet. Mit Hilfe von Neidharts ,,remake" konnte der Schatten des ersten großen Dichters ,,österreichischer" Nation heraufbeschwört werden. Außerdem soll nicht außer Acht gelassen werden, dass für den tiefgläubigen Rudolf IV. der religiöse Memorialcharakter des Grabdenkmales und das Gebetsgedenken für beide Dichter auch eine wesentliche Rolle gespielt haben könnten. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass Rudolf IV. 1363 nach seinem dritten Besuch im Stift Melk ein kunstvolles Grabdenkmal für den Hl. Koloman63 stiftete, das allerdings dem barocken umbau des Klosters zum opfer ! z1 nuogtr_rv. siehe Alphons Lhotsky, Rudolf IV. In: Hans wagner, Heinrich Koller (Hg.), Das Haus Habsburg. Aufsätze und Vorträge o' 2. Wien 1971, 106-l lg. lleta Niederkom-Bruck, Der heilige Koloman. Der erste Patron Niederösterreichs (Studien und Forschungen aus dem Niederösteneichischen Institut für Landeskunde l6) Wien lgg2, 39 f.; Hans Tietze, Die Denkmale des politischen Bezirkes Mek (Östeneichische Kunsttopographie 3) Wien 1909,179. 181 fiel (Abb. 3). Der irische Pilger Koloman6a war unglücklicherweise, da der Landessprache nicht mächtig, für einen Spion gehalten und l0l2 in Stockerau (bei Wien) an einen Baum erhängt worden. Nachdem man den Irrtum erkannt hatte und sich Wunder an der Hinrichtungsstätte ereignet hatten, verordnete Markgraf Heinrich I. l0 l4 oder 10 I 5 die translatio des Leichnams in seine Residenz Melk und die Bestattung im gleichnamigen Kloster. Damit begann der Kolomanikult, der in Osterreich und den angrenzenden Ländern das gesamte Mittelalter hindurch blühte. Besondere Verehrung erfuhr dem Landespatron durch Rudolf IV.: Nicht nur durch die Errichtung des Baldachingrabes mit Altar in der Stiftskirche Melk ehrte er den Landespatron; an der Schwelle des nördlichen Fürstenportales der Wiener Stephanskirche ließ er den ,Kolomannistein" setzen, auf dem das Blut des Märtyrers geflossen sein soll. Der ,,Kolomannistein" ,,könnte als Grundstein der rudolfinischen Kirchenerweiterung angesehen werden,"65 Diese Aktivitäten Rudolfs IV. lassen einen politischen Willen erkennen, der Tradition in der österreichischen Politik hat und bis zum letzten Babenberger Friedrich II. zurückreicht. Herzog Friedrich II. stand in ständigem Konflikt mit Kaiser Friedrich IL, da der Herzog ,,nur Interesse für den Ausbau seiner Machtstellung, nicht aber für den Reichsdienst hatte und die Vergünstigungen des Privilegium minus bewußt und demonstrativ ausnüt eu.66 Auch der Babenberger hatte die Enichtung des Bistums in Wien und über Jahre mit größter Vehemenz die Rangerhöhung der Herzogtümer Österreich und Steiermark in ein Königreich betrieben.6T Seit der Usurpation des Patronates über die Kirche St. Stephan übte Friedrich II. das Patronatsrecht aus und hatte gegenüber dem Kirchengebäude die Unterhaltspflicht übernommen. Er begann, ,;um einen greifbaren Rechtstitel zu bekommen, mit einem großen Umbau, welcher das Riesentor und Teile der Westempore betraf.'68 Im Zusammenhang mit der Bistumsgründung bemühte er sich um die Kanonisation Kolomans und um eine abermalige translatio der Gebeine Kolomans in die zukünftige ,Sischofskirche". 6e Seine ehrgeizigen, auf Vergrößerung, Rangerhebung und Konsolidierung des Herrschaftsbereiches gerichteten Pläne brachten Friedrich II. oft Konflikte mit dem Kaiser. Auch darin sind Parallelen zwischen dem Mäzen des Minnesängers und dempa latinus archidux erkennbar. 6o Si"h" zum folgenden Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Osterreichs. Köln-Graz 1963, 28, l7 0-177. 65 Marlene Zykan,Der Stephansdom (Wiener Geschichtsbücher 26121) Wien-Hamburg 1981, 73. 66 Fri"d.ich Hausmann, Östeneich unter den letzten Babenbergem. ln: Erich Zöllner, Das babenbergische Österreich (Schriften des Instituts für österreichkunde 33) Wien 1978, 54-68, hier 62. 67 Hausmann, Babenberger, 66. 6E Annemarie Fenzl, St. Stephan in Wien. ln: Die Zeit der frühen Habsburger. Dome und Klöster 1 279- I 3 79. Ausstellungskatalog I 97 9, 21 4-222, hier 2 I 6. 6e Karl Lechner, Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Östeneich 976-1246. Wien-Köln-Craz 1976, 293. t82 Unter Kaiser Maximilian (1459-1519), dem Begründer des habsburgischen Weltreiches, kam es vor 1504 zur (wahrscheinlich) ersten Restaurierung des Neidhart-Grabmales. Der Humanist und poeta laureatus Conrad Celtes, der 1504 in der Wiener Offizin des Johann Winterberger fünf Epigramme veröffentlicht, betitelt das letzte, dem Neithart Fuchs gewidmete Epigramm , mit ,Jn restauratam Neythardt franci sepulturam"; ein anderes dieser fünf Epigramme ist übrigens dem Landesheiligen Koloman gewidmetT0. Koloman wurde entsprechend dem dlmastischen Interesse Kaiser Maximilians durch den Hofhistoriographen Jakob Mennel den Ahnen der Habsburger zugerechnet?l. In der ,,Sipp-, Mag- und Schwägerschaft" bzw. in der darauf basierenden ,,Fürstlichen Chronik" wurde die Legende Kolomans mit Holzschnitt aufgenommen (Abb. 4). :**{< Für uns Rezipienten des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist es eigentlich Nebensache, ob tatsächlich Knochen des Minnesängers Neidhart von Reuental und des,,Literaturschaffenden" Neithart Fuchs in dem Hochgrab zu St. Stephan wiederbestattet wurden. Wichtig für die memoria ist der Glaube, dass die sterblichen Überreste Neidharts und des Neithart Fuchs tatsächlich in das Prunkgrab an der Südseite des Stephansdomes transferiert worden sind, Dafür, dass dies nach Beendigung des von Rudolf IV. in Auftrag gegebenen Hochgrabes tatsächlich erfolgte, sprechen meines Erachtens fünf gewichtige Fakten: l. der Schreiberscherz des Laurentius mit der Datierung ... Anno a translatione Neidhardi in ecclesiq sancto Stephani Wienne primo72, der mit Sicherheit in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu setzen ist; 2. die Ergebnisse der kunsthistorischen Untersuchung Friedrich Dahms73, der zur Erkenntnis gelangte, dass das Hochgrab flir die Stelle beim Singertor, wo es sich immer noch befindet, konzipiert und geschaffen worden ist; 3. die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung von Karl GroßschmidtTa, der an den Gebeinen frühere Erdbestattung konstatierte und der feststellte, dass die Knochen von zwei männlichen Individuen stammen und dass die im Grabmal bestatteten Gebeine und Gebeinfragmente flir den Laien ein komplettes männliches Skelett ergeben; 4. die Resultate der Radiokarbon-Datierung von den Proben aus dem Neidhartgrab, die mit 54,4%o bzw. mit 73,4yo Wahrscheinlichkeit die Lebensdaten mit 1340 AD bis 1400 AD und 1110 AD bis 1260 AD kalibrieren konnte. to Si"h" den Beitrag von Perger, Neithart (in diesem Band). " Niederkorn-Bruck, Koloman, 50 ff. '' Siehe den Beitrag von Perger, Neithart (in diesem Band). '' Siehe den Beitrag von Dahm, Neidhart-Grabmal (in diesem Band). '' Siehe den Beitrag von Großschmidt, Skeletheste (in diesem Band). 183 5. Die Rolle, die das Grabmal des ersten österrelchischen Dichters in den dynastischen und machtpolitischen Kalkulationen der österreichischen Herrscher spielte. 184 ; I I't I II I -l .t' @ 1 i i i I I t k -ri it il Abb. 1: Plan des alten St. Stefans-Freithofes, 1552. Albert von Camesina nach Bonifaz Wolmuth, 1870. Farblithographie. '" 63,I cm x 61,6 cm. Historisches Museum der Stadt Wien, Inv. Nr. 31.440. Aus: 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien. Kat. Nr. 4.13, S. 195. Atbb.2: Otto von Botenlauben und Beatrix von Courtenay, Frauenroth, Oberfranken. Aus: Kurt Bauch, Das mittelalterliche Grabbild. Berlin, New York 1976,109. 186 .:.: 6 -l Abb. 3: Grabmal des hl. Koloman nach dem Stich von 1702. Aus: Hans Tietze, Die Denkrnale des politischen Bezirkes Melk (Osteneichische Kunsttopographie 3) Wien 1909, 17 9. Abb. 4: Darstellung des hl. Koloman 1516/18. Sipp-, Mag-, und Schwägerschaft Kaiser Maximilian I. Aus: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses IV (1886) Tafel 19. Reproduktion. 188 Gertrud Blaschitz (Hg.) NEIDHARTREZEPTION IN WORT UND BILI) \.::J till -r. Ji\)l ''! itqrr.[J. .,i .6 - 2,/1 l,lAao Krems 2000 Inhalt Vorwort 9 Einleitung l0 Neidhart in der Datenbank Barbara Heller-Schuh, konftextel. Methodische Uberlegungen zur Konzeption einer Datenbank mittelhochdeutscher Texte l3 Wandmalereien in der Tradition Neidharts Roland Böhmer, Neidhart im Bodenseegebiet. Zur Ikonographie der Neidhartdarstellungen in der Ostschweizer Wandmalerei des 14. Jahrhunderts 30 , Nikolaus Henkel, Ein Neidharttanz des 14. Jahrhunderts in einem Regensburger Bürgerhaus 53 Elga Lanc, Neidhart-Schwänke in Bild und Wort aus der Burg Trautson bei Matrei 7l Gertrud Blaschitz und Barbara Schedl, Die Ausstattung eines Festsaales im mittelalterlichen Wien. Eine ikonologische und textkritische Untersuchung der Wandmalereien des Hauses ,,Tuchlauben 19" ............... 84 Neithard, Neithart Fuchs und das Grabmal zu St. Stephan Richard Perger, Neithart in Wien tt2 Friedrich Dahm, Das,,l.{eidhart-Grabmal" im Wiener Stephansdom. Untersuchungen zur Bau- und Restauriergeschichte 5 123 Karl Großschmidt, Die Skelettreste des Minnesängers Neidhart von Reuental und dessen Epigonen Neithart Fuchs. Eine Identifizierung Gertrud Blaschitz, Das sog. Neidhart-Grabmal zu St. Stephan und andere Dichtergräber Neidhartschwänke und Neidhartspiele Erhard Jöst, Den Bawrn zu leydfahr ich dahere. Text und Bild im,,Neithart Fuchs" Erhard Jöst, Wiltu neithart wissen... Der Reliefzyklus an der Meißener Albrechtsburg Patricia Harant, Liedrezeption in den Neidhartspielen. Der lange Weg Neidharts - von Reuental nach Zeiselmauer Restaurierung yon Neidhartbildwerken Renäta Burszän, Salzproblematik der mittelalterlichen Wandmalereien in Wien, ,,Tuchlauben 19" sowie Konservierung / Restaurierung der Szene,,Spiegelraub" Manfred Koller, Untersuchung und Restaurierung von Bildwerken des Neidhartkreises in Wien und Tirol Inhalt der beilieeenden CD-ROM (Aktivierung mittels Aufruf von index. htm) Wandmalereien Diessenhofen,fur Zinne" Zijrrich,fum Brunnenhof' Zürich,Zum Griesemann" Winterthur,Zum Grundstein" Regensburg, Glockengasse 14 Burg Trautson Burg Runkelstein Wien,,,Tuchlauben 19" 156 l7t 189 210 219 249 278 6 SkulPturen Albrechtsburg in Meißen Neidhart-Grabmal zu St. Stephan in Wien Historische Aufrrahmen Hochgrab Chronolo gie der Graböffnung Figur und Sockelrelief nach der Restaurierung Holzschnitte Die Schwanksammlung,,Neithart Fuchs" Inkunabel Augsburg l49l-97 (z) Fragment Augsburg I49l-97 Inkunabel Nümberg 1537 (zt) Inkunabel Frankturt 1566 (*) Federzeichnung 7 ' Vorwort Der vorliegende Band präsentiert Ergebnisse einer voT Institut für n"uti"nmoa" des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Osteneichischen etuO.tni" der Wissenschaften und den Werkstätten des Östeneichischen Bundesdenkmalamtes veransüalteten Tagung im Oktober 1999. Anlass für die Tagong *ur einerseits das am Institut für Realienkunde laufende Projekt Realien im kontext - Datenbank von ,,Realien" in der mittelhochdeutschen Literalo", dut auf einem Text des Minnesängers Neidhart von Reuental basiert und im Sinne ein"t kontextuellen Methode die Neidhart-Bildtradition in die Projektarbeit einbezieht. Andererseits erfolgte zur gleichen Zeit im Bundesdenkmalamt Wien die Restaurierung von Originalen der Neidhart-Bildtradition, und die abermalige Restaurierung der Wandmalereien aus den Wiener Tuchlauben war bereits in Diskussion. Nach diesem Arbeitsgespräch erlangte das Kremser ,"Irleidhartprojekt" nicht nur neue Dynamik und weitere Dimensionen, sondern auch Aktualität. Die vorliegende Publikation ist das Ergebnis einer äußerst erfreulichen interdisziplinären Zusammenarbeit, die neueste Forschungsberichte zu Neidhart und Neithart Fuchs aus Denkmalpflege, Kunstgeschichte, Germanistik, Geschichte und EDV bringt. Ich danke Gerhard Jaritz, dem Herausgeber der Zeitschrift ,Medium aevum quotidianum", für die Aufnahme der Publikation als Sonderband. Mein Dank gilt ganzbesonders Elisabeth vavra, Barbara Schedl und Karl Brunner für viele hilfreiche Gespräche. Für tatkräftige und geduldige Unterstützung danke ich Birgit Karl, Gundi Tarcsay und Peter Böttcher. Gertrud Blaschitz 9 -- Der Band Einleitung Das Ziel des Pilotprojektes Realien im Kontext - Datenbank von ,,Realien,. in der mittelhochdeutschen Literatur war es, in Erg?inzung zu der äInstitut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit b-estehenden Bilddaten_ bank methodische Grundlagen für den Aufbau einer Textdatenbank zu entwickeln, die den Zugriffaufrealienkundlich relevante Bezeichnungen in den verschi" denen Texttypen ermöglichen und die Abfrage nach äegdiren oder Begrifßkombinationen in beiden Datenbanken erlauben soll. üie für die Bilddatenbank wurde auch bei der Textdatenbank das Datenbankverwaltungssystem rLero, in Anwendung gebracht. Anhand der umfangreichsten sammlu-ng von Neidhartliedern des Spätmittelalters, der Berliner Händschrift c, wurden Grundlagen für die Textanalyse dichterischer euellen erarbeitet lBarbara Heller_ Schuh). zeugen einer lebhaften Neidhartrezeption* sind in vier schweizer städten wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert überliefert. Rolanä Böhmer untersucht die Neidhart-wandmalereien in den ehemaligen Habsburlerlanden und unternimmt deren Einordnung in die zeitgenössische-profane we'stscrr*ei zer wandmalerei. - Ebenfalls dem 14. Jahrhundert zuzuordnen ist der harttanz" in ,,Neit- einem Regensburger Bürgerhaus, der r9g4 bei Renovierungsarbeiten entdeckt wurde, über den Nikolaus Henkel schreibt. Die von den werkstätten des Bundesdenkmalamtes wien unter der Leitung von Manfred lMgallterel id urchgeführre Restaurierung der wandmalerei aus der nu?g üuut.on u.i machte das Manko, dasJ diesem wandbild bis dato -t"in" ikono_ graphische würdigung zuteil wurde, deutlich. Elga Lanc uoter.u"nf äi" Darstel_ lung der Neidhartschwänke in Bild und wort undlegt somit erstmals eine studie zu diesem wesentlichen Zeugnis der Neidhart-Bildädition in stiJti.oi-vor. Der Artikel ,,Die Ausstattung einis Festsaales im mittelalterlichen wien.. von Ger_ trud Blaschitz und Barbara Schedr unternimmt den versuch, aie tglg entdeck- Zur Schreibung: Im sinne.der Neidhartrezeption wird nur dann die Schreibung Neithart an_ gewandt, wenn eindeutig Neithart Fuchs, der Hotnann ottos des Fröhlichen (1330_1339) gemeint ist. l0 ten Wandmalereien der Wiener Tuchlauben in den Kontext der mündlichen, srt ritti"tr"n und ikonographischen Neidhartüberlieferung zu stellen. Im Themenbereich Neidhart, Neithart Fuchs und das Grabmal zu St. Stephan bringt Richard Perger ein Resümee seiner historischen Studien über N"ittturt Fuchs in wien. Im Laufe der Restaurierung der Tumbafigur des Neidhart-Fuchs-Grabes zu st. Stephan unter der Leitung von Manfred Koller wurde die Notwendigkeit einer Renovierung der gesamten Tumba erkannt, was deren Abbau bedingte: Die erforderliche Graböffnung im April 2000 ermöglichte erstmals eine genaue kunsthistorische Analyse des Hochgrabes (Friedrich Dahm) sowie die anthropologische Untersuchung der darin befindlichen Knochen (Karl Großschmid|. Eine Synopse dieser aktuellen Forschungsergebnisse versucht die Herausgeberin. Im Komplex Neidhartschwänke und Neidhartspiele bringt Erhard Jöst Interpretationen zur Rezeptionsgeschichte der Wort-Bild-Relation der Neithartschwänke in den Ausgaben des Schwankbuches und auf den Reliefs der Albrechtsburg in Meißen. Patricia Harant beschäftigt sich mit der Liedrezeption in den Neidhartspielen. Im Kapitel ,,Restaurierung von Neidhartbildwerken" wird die Notwendigkeit einer abermaligen Restaurierung der Neidhart-Wandmalereien in den Wiener Tuchlauben aus der Zeit um 1400 begründet; Renäta Burszän stellt in diesem Band die wichtigsten Ergebnisse ihrer Diplomarbeit über die Salzschäden der mittelalterlichen Wandmalereien (Akademie der bildenden Künste, Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung) vor' Ihre beispielhaft durchgeführten Analysen der Salzproblematik sowie der Konservierung und Restaurierung der Szene ,spiegelraub' sind ausführlich auch auf der beiliegenden CD-ROM dokumentiert. Manfred Koller berichtet über die Untersuchung und Restaurierung der Wandmalerei aus der Burg Trautson und des Grabmiles des Neithart Fuchsr. Die CD-ROM Die dem Band beigefügte CD-ROM enthält sämtliche uns bekannten mittelalterlichen Bildquellen der Neidhart-Tradition. Es sind dies Wandmalereien, Skulpturen, Holzschnitte aus der Schweiz, aus Italien, aus Deutschland und aus Osterreich, weiters das Hochgrab mit der Liegefigur zu St. Stephan in Wien und eine Federzeichnung aus einem Wiener Codex. Neben bereits bekannten Werken der Neidhart-Bildtradition, zum Teil in neuesten Aufoahmen, finden sich zahlreiche Novitäten. Dant zählen bei den Wandmalereien die Aufrrahmen rEin weiterer Beinag zum Thema ,,Restaurienrng von Neidhadbildwerken" wird im Heft 43 von Medium Aewm Quotidianum 2001 erscheinen: Stefan Rodler, Zu Maltechnik, Zustand und Präsentationsproblematik des Neidhadzyklus (Diplomarbeit an der Akademie der bildenden Künste, Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung). ll :- aus dem Bürgerhaus in Regensburg, weiters die Wiedergabe der von Friedrich von Schmidt angefertigten Nachzeichnung aus der Burg Runkelstein2, die Aufnahmen von der kürzlich in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes Wien restaurierten Neidhart-Wandmalerei aus der Burg Trautson3 und die Ergebnisse der rasterelektronenmikroskopischen bzw. röntgenmikroanalytischen Untersuchungen von Renäta Burszän anläßlich ihrer Diplomarbeit über die Salzproblematik in den Wiener Tuchlauben. Gänzlich neu sind die Aufuahmen von der restaurierten Tumbahgur des Neidhart-Grabes zu St. Stephan, die Reportage von der Graböffnung, die Aufnahmen über die Tumbakonstruktion und über die Stratigraphie des Knochenmaterials, aber auch die über die Überreste der Gebeine. Neben den bereits von Erhard Jöst publizierten Holzschnitten aus den Drucken des Schwankbuches von l49l-9'7 (z) und 1566 (22) wird die komplette Folge der Holzschnitte des Fragmentes Augsburg l49I-97 und die Ausgabe von 1537 (zt) wiedergegeben, die dankenswerterweise von Erhard Jöst als Mikrofilme.. zur Verfügung gestellt wurden. Die Federzeichnung aus dem Codex 5458 der Osterreichischen Nationalbibliothek, bereitgestellt von Veronika Pirker- Aurenhammera, vervollständigt die bisher bekannte Kollektion an Bildzeugnissen aus der Neidhart-Tradition. 2 Mein Dank gilt Andr6 Bechtold, der mir eine Aufirahme des Runkelsteiner Veilchenschwankes als Diapositiv zur Verfügung stellte. 'DI Gobert Auersperg danke ich herzlich für die Fotografieredaubnis und für die Genehmigung zur veröffentlichung dieser Aufirahmen der Neidhartwandmalerei aus der Burg Trautson bei Matrei. a Veronika Pirker-Aurenhammer danke ich ganz herzlich für die Information über die Federzeichnung im Codex 5458 der Österreichischen Nationalbibliothek. t2