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Thomas Kühtreiber
Kontakt: thomas.kuehtreiber@sbg.ac.at
Website: http://www.imareal.sbg.ac.at/home/team/thomas-kuehtreiber/
Institution: Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit | IZMF, Universität Salzburg
GND: 122049292
ORCID: 0000-0001-8338-668X
Erstveröffentlichung: 2016

Abstract

Medium Aevum Quotidianum Sonderband 33 (2016) 80-105

Abstract (englisch)

Medium Aevum Quotidianum Sonderband 33 (2016) 80-105

Inhaltsverzeichnis

Adelssitze im Tullnerfeld – Eine Spurensuche
Thomas Kühlreiber
Die hier vorliegende Betrachtung versteht sich ausdrücklich als “dienender
Beitrag” in Bezug auf jene Fragen, die in diesem Band im Mittelpunkt stehen:
Welche Aussagen erlauben die Hinterlassenschaften adeliger und geistlicher Eliten
im Gebiet des heutigen Tullnerfeldes über ihren kulturellen Horizont? Zweifelsohne
sind Burgen und andere Sitze ideale Quellen, um derartigen Fragen nachzugehen
– sofern sie erhalten sind. Genau dies ist aber das Problem: Für den hier
im Fokus stehende Region und den vorgegebenen Zeitraum – das 1 2. bis 14.
Jahrhundert – ist die Überlieferungslage außerordentlich dünn. Da der “Erfahrungshorizont”
der in diesem Raum wirkenden Akteure adeliger und geistlicher Eliten
aber nachgewiesener Maßen weit über diese Region hinausreichte,1 werden einzelne
Aspekte auch an Beispielen aus angrenzenden Gebieten des heutigen Niederösterreich
behandelt.
Das Tullnerfeld als Kleinregion
Das Tullncrfeld verdankt seine Entstehung dem Zusammenspiel von tektonischen
Senkungsbewegungen im nördlichen Vorfeld des Alpenbogens und den sedimentären
Ablagerungen der Donau; letztere sind für die hohe Fruchtbarkeit der Böden
verantwortlich, wobei gerade in historischer Dimension diese immer mit den
Gefahren von Hochwässern für die hier lebenden Menschen zusammen zu denken
sind. Die bis heute bestimmende Leitlinie dieser Beckenlandschaft ist somit die
Donau, die nach dem Verlassen des Durchbruchtales der Wachau im Bereich der
mittelalterlichen Städte Mautem, Krems und Stein erstmals wieder in Altarme
auffächern konnte, die im Laufe der Jahrtausende durch Hochwässerfluten ihren
Lauf veränderte. Flussabwärts, d.h. nach Osten hin, bildet das “Donauknie” bei
1 Vgl. dazu beispielhaft die Ausführungen zu den Herren von Wink! von Günter Marian in diesem
Band.
80
Greifenstein, wo der Fluss die Fließrichtung von West-Ost nach Süden ändert und
den Ostrand der Alpen umströmt, die natürliche Grenze.
Abb. I : Im Text genannte Städte/Orte (Kreise) und Burgen/Sitze (Rechtecke):
I Mautern 2 Stein an der Donau, 3 Krems an der Donau, 4 Kirchberg am Wagram, 5 Stockerau,
6 Trübensee, 7 Traismauer, 8 Tulln, 9 Zeiselmauer, 10 Komeuburg, I I Klostemeuburg.
A Grafenwörth B Oberstockstall, C Winklberg, D Gaismck, E Wink!, F St. Michael*,
G euaigen, H Zwentendorf, I Greifenstein J Judenau, K Ried.
Entwurf: Thomas Kühtreiber; digitale Umsetzung: Julia Klammer
Dass das Tullnerfeld überhaupt als mehr oder weniger geschlossener Landschaftsraum
aufgefasst werden kann, verdankt es aber vor allem seiner relativ
klaren Umrandung an der Nord- und Südseite: Während die sildliehe Grenze durch
die Ausläufer des Wienerwaldes gebildet wird, ist nördlich der Donau der “Wagram”,
eine Geländestufe hin zu den quanären Schotter-, Kies- und Lössablagerungen,
ein gut wahrnehmbares GeländemerkmaL Der Name “Wagram”, mittelhochdeutsch
wiigrein, bedeutet wörtlich übersetzt “Rand des wogenden Wassers”2
und ist ein geläufiges Toponym fur Hochterrassenkanten entlang von Flusstälern,
2 Vgl. Elisabeth Schuster: Etymologie der niederöstetnichischen Ortsnamen 3. Teil: N bis Z.
Wien 1994 (Historsi ches Ortsnamenbuch von Niederösterreich, Reihe B), S. 368, Kat.Nr. W
1 8.
8 1
das in Niederästeneich beispielsweise auch im Traisental, bei Baden oder auch
entlang der Donau bei St. Pantaleon im Westen oder im Marchfeld (Wagram an der
Donau, Deutsch Wagram) zu fmden ist.3
Die Tatsache, dass der Tullnerfelder Wagram das Ergebnis der Erosionskraft
der Donau in den letzten Jahrtausenden darstellt, zeigt gleichzeitig an, dass weite
Teile der Beckenlandschaft vor der Regulierung der Donau ab dem 18. Jahrhundert
regelmäßig durch Überschwemmungen bedroht war. Es verwundert daher nicht,
dass sich speziell auf der nördlichen Donauseile die Dörfer vor allem am oder auf
dem Wagram befinden und zum heutigen Donaulauf hin die Dichte an Siedlungen,
wie Trübensee, Neuaigen, Utzenlaa oder Wink! deutlich abnimmt. Siedlungsnamen
wie Altenwörth oder Seeharn weisen bereits auf die (halb-)inselartige Lagen an
oder zweitweise auch innerhalb von Donauarmen. Südlich des heutigen Donaulaufs
indizieren hingegen Orte, die auf ehemals römischen Limesbefestigungen situiert
sind, wie Traismauer, Zwentendorf, Tulln oder Zeiselmauer, dass hier der immanenten
Hochwasserbedrohung mit dauerhafteren Siedlungsbemühungen begegnet
wurde. Das bedeutet jedoch nicht, dass nach derzeitigem Forschungsstand von
einer Siedlungskontinuität im engeren Sinn ausgegangen werden kann: Alle römischen
Militärlage und Kastelle wurden noch im 5. Jahrhundert aufgegeben und erst
im Laufe des Frühmittelalters wieder besiedelt, wobei insbesondere Mautern und
Tulln sowohl in der historischen Überlieferung als auch nach der archäologischen
Evidenz eine Vonangstellung als frühe Zentralorte innehatten.4 Dass hingegen sehr
wohl das Umfeld der römjsche Limesorte auch im 6./7. Jahrhundert siedlungsmäßig
erschlossen waren, zeigen vor allem Gräberfelder dieser Zeit an,5 auch die
Identifizierung des Tullnerfeldes mit jenem feld, das nach Paulus Diaconus im
frühen 6. Jahrhunden als zeitweiliger Siedlungsraum der Langobarden diente, kann
3 Siehe u.a. Mathias Jw1gwirth et al.: Die Donau. Landschaft – Fisch – Geschichte (Wien 2014),
s. 120-123.
4 Zum Forschungsstand allgemein siehe: Heike Krause und Thomas Kühtreiber: Hochmittelalterliche
Transformationsprozesse und illre Wirkung auf das Siedlungsbild Ostösterreichs, in:
Tradition – Umgestaltung – Innovation. Transformationsprozesse im hohen Mille/alter, hg.
von Eike Gringmuth-Dallmer und Jan K.läp􀚈te, Praha 2014 (Praehistorica Bd. XXXI/2), S.
22 1-268, hier: S. 227 f. u. 2 5 1 ; Helga Sedl.mayer: Transformation von Zentrum und Peripherie.
Vom römischen Favianis zur fi”ühmittelalterlichen civitas Mutarensis (Mau/ern an der
Donau/6sterreich), in: Zentrale Orte und zentrale Räume des Friihmillelalters in Süddeutschland.
Tagung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz und der Friedrich-SchillerUniversitäl
Jena vom 7. – 9.10.201 I in Bad Neustadt an der Saale, hg. von Peter Ette1 Wld
Lukas Werther. Mainz 2013 (RGZM-Tagungen Bd. 18), S. 1 93-216.
5 Ebda.; zu Tulln siehe Nikolaus Hofer: Von Comagenis zu Tu/ln. Neue archäologische Erkenntnisse
zur Stadtwerdung Tullns, in: Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Osterreich 2001 ( 17),
s. 195-204.
82
dafür als Beleg herangezogen werden.6 Jedenfalls konnte sich, nicht zuletzt dank
der erhaltenen antiken Baureste, entlang des südlichen Donauufers im Laufe des
Mittelalters eine dichtere Siedlungskette etablieren als nördlich davon, wo nicht
zuletzt durch Hochwässer das Wüstfallen von Dörfern und auch einem frühen
Zentralort mit wohl stadtähnlicher (Sozial-)Struktur – Trübensee7 – beobachtet
werden karm.
Adelssitze im Tullnerfeld topographisch betrachtet
Betrachtet man nun das Verteihmgsmuster bekarmter und überlieferter Standorte
mittelalterlicher Adelssitze im Tullnerfeld, so entspricht ihre Verteilung ziemlich
genau dem mittelalterlichen Siedlungsmuster, womit einmal mehr deutlich wird,
wie sehr die ökonomische Grundlage von Grundherrschaft in Form bewirtschafteter
Gemarkungen sich auch in die Standortwahl im Burgenbau – zumindest in kleinmaßstäblicher
Betrachtung – widerspiegelt. Auffällig ist aber auch, dass sich die
Burgenstandorte in annähernd vier Reihen in West-Ost-Richtung gruppieren:
Entlang des Tullnerfelder Wagram, nördlich und südlich des Hauptverlaufs der
Donau seit dem Mittelalter sowie am Nordrand des Wienerwaldes. Alle vier “Burgenketten”
sind keinesfalls als “Wehrlinien” zu verstehen, wie dies die frühere
Burgenforschung gerne tat,8 sondern zeichnen neben dem Siedlungsmuster auch
das mittelalterliche Verkehrsnetz nach: Entlang des Wagram ist seit dem späten 1 1 .
Jahrhundert der “Plekete Weg” in den Schriftquellen, aber auch in Flurnamen
fassbar,9 dem entlang der Niederterrasse zum Donauufer die “Nördliche Donaustraße”
südlich vorgelagert war. 10 Beiden Straßenzügen können als regionale Bezugspunkte
im Westen Krems und im Osten des Tullnerfelds Stockerau und
Korneuburg zugeordnet werden. Die “Südliche Donaustraße” war über weite Züge
mit der ehemaligen Limesstraße identisch und verband demnach die ehemaligen
Limeskastelle und mittelalterlichen Zentralorte Favianis!Mautem, Traismauer,
6 Paulus Diaconus: Historia Langobardorum, hg. von Georg Waitz, I 878 (MGH SS rerum
Langobardorum) Bd. l , S. 1 9 f., zitiert nach: Herwig Wolfram: Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte
Österreichs vor seiner Entstehung 378-907 (Wien 1 987), S. 70 u. Anm. 7.
7 Vgl. Kurt Bors: Die Entdeckung der “Stadt” Trebensee bei Tu/ln und anderer verschwundener
Orte zwischen Absdorf und Haus leiten. Ergebnisse der Ortswüstungsforschung im Gelände,
hg. von der Dorfgemeinschaft Trübensee (Tulln 2003); Gerhard Reichhalter, Karin Kühlreiber
und Thomas Kühtreiber: Trübensee, in: Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber und Thomas
Kühtreiber: Burgen Weinviertel (Wien 2005), S. 387-389.
8 Vgl. dazu für den Untersuchungsraum Felix Halmer: Der Wiener Wald als wehrpolitischer
Raum im Mittelalter, in: Niederdonau I Natur und Kultur 1942, S. 3-5 1 , hier: S. 4-6.
9 Peter Csendes: Die Straßen Niederösterreichs im Früh- und Hochmittelalter. Wien 1 969 (Dissertationen
der Universität Wien Bd. 33), S. 1 76-178. 10
Ebda., S. 142 f.
83
Zwentendorf, Comagenis/Tulln, Zeiselmauer, um südlich des Donauknies Klosterneuburg
zu erreichen. 1 1 Dass die historische Bedeutung dieser Straße auch im
Mittelalter bekannt war, hat durchaus auch seinen Niederschlag in der zeitgenössischen
Literatur gefunden.12 Dabei darf nicht vergessen werden, dass beide
“Donauuferstraßen” mit der Donau selbst als “Wasserstraße” ein symbiotisches
Ganzes bilden und je nach Wegverhältnissen, Wasserstand, zu transpo1tierendem
Gut und verfügbaren Verkehrsmitteln oftmals situativ entweder der Land- oder der
Wasserweg gewählt wurde.13 Am schlechtesten untersucht bzw. quellenmäßig
fassbar ist der entlang des nördlichen Wienerwaldrandes verlaufenden Weges, der
von St. Andrä!Wördem im Osten von der Limesstraße/südlichen Donaustraße abzweigend
über Königstetten und Tulbing Richtung Judenau fiihrte und von dort
zum einen den Raum Alt- und Neulengbach erschloss, wohl ein Abzweigung
Richtung St. Pölten besaß und in einer dritten Trasse bei Traismauer wieder auf die
Limesstraße traf.14 Da Siedlungen nun einmal über ein Wege- und Straßennetz mit
einander verbunden sind respektive sein müssen, um Kommunikation aller Art zu
ermöglichen, darf es auch nicht verwundern, dass es eine Koinzidenz zwischen
Burg und Weg/Straße fibt, ohne damit sofort auf militärische Kontrolle auf selbige
schließen zu müssen. ‘ Wenn man allerdings auch die möglichen Nord-Süd-Verbindungen
der Untersuchungsregion in diese Fragestellung mit einbezieht, wird
dieser Befund noch klarer: Mit dem Wienerwaldkamm, der Donau und dem Wagram
stellen sich einem Nord-Süd-orientierten Verkehr drei mehr oder weniger
ausgeprägte Verkehrshindernisse dar, die je nach örtlicher Topographie leichter
oder weniger leicht zu überwinden waren. Während Donauübergänge mit
geregeltem Überfuhrdienst, später z.T. auch mit Brücken, bei Mautern!Stein,
1 1 Ebda., 229 f. 12
Gertrud Blaschitz: Von der Via publica zur mittelalterlichen Heeresstraße. Zur Kontinuität der
Römerstraßen in literarischen Quellen, in: Der umkämpfte Ort – von der Antike zum Mittelalter,
hg. von Olaf Wagencr. Frankfurt am Main 2009 (Beihefte zur Mediaevistik Bd. 10), S.
85-104.
13 Vgl. dazu am Beispiel der Kreuzzüge entlang der Donau Alan V. Murray: Roads, Bridges and
Shipping in the Passage of Crusade Armies by Over/and Routes to the Bosporus I 096-1190,
in: Die Vielschichtigkeil der Straße. Kontinuität und Wandel in Minelalter und früher Neuzeit,
hg. von Komelia Holzner-Tobisch, Thomas Kühtreiber und Gertrud Blaschitz. Wien 2012
(Veröffentlichungen des lnstitutsfiir Realienkunde des Mille/alters und der frühen Neuzeit Bd.
22 = Osterreichische Akademie der Wissenschaften. philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte
Bd. 826), S . 1 8 3-208.
14 Zumindest Abschnitte dieses Weges könnten im Mittelalter und der Frühen euzeit als .,Ungamstraße”
bezeichnet worden sein, worauf Toponyme in den Weistümern zu Königsletten
und Katzelsdorfhindeuten, vgl. Csende, Straßen (wie Anm. 9), S. 177 u. Anm. 7.
15 Siehe dazu Thomas Kühtreiber: Straße und Burg. Anmerkungen zu einem vielschichtigen
Verhältnis, in: Holzner-Tobisch, Kühtreiber und Blaschitz: Vielschichtigkeil (wie Anm. 13), S.
263-302, hier: S. 269-273.
84
Tulln/Trübensee und Klostemeuburg/Komeuburg nicht zuletzt durch die ,,Doppelung”
der Zet1tral01te relativ leicht nachvollziehbar ist, sind andere kleinere oder
nur zeitweilig – j e nach Donauverlauf – nutzbare Donauquerungen nur auf Grund
weniger Quellen tmd mündlicher Überlieferung einigennaßen erschließbar. 16 Im
Flysch-Sandstein des Wienerwaldes haben sich die Altwegtrassen bisweilen sehr
tief in den relativ weichen Untergrund eingeschnitten und bilden beeindruckende
Hohlwegbündel und -facher insbesondere in den Steilpassagen. Neben den Talübergängen
von St. Andrä Wördem über Kierling nach Klosterneuburg sowie über
den Riederberg vom Tullner Raum nach Purkersdorf und in weiterer Folge nach
Wien wurden nahezu alle breiteren Höhenrücken genutzt, wobei insbesondere die
Altwege von Tulbing und Königstetten über den Scheiblingstein bzw. den “Passauer
Zipf’ in den Wiener Raum bzw. nach Mauerbach, von Katzelsdorf über den
Passauerhof nach Mauerbach sowie – parallel zur heutigen Bundesstraße I über
den “Rieder Berg” von Ried nach Purkersdorf ein Höhenweg von Ried am
Riederberg über die Höhenrücken beim Troppberg nach Purkersdorf. Bezeichnendeiweise
befinden sich an einigen neuralgischen Stellen Reste von Sperrwällen,
deren Datierung noch tmklar ist, aber die strategische Bedeutung der Wege zwischen
dem Tullner und dem Wiener Raum herausstreichen.17 Archäologische Streu-
16 Nachweise für historisch genutzte Schiffsübergänge an der Donau im Tullnerfeld,
beispielsweise für den Wechsel der donauaufwärts getreidelten Schiffszüge, finden sich für
den Raum Zwentendorf – Altenwörtb: Otto Meißinger: Die historische Donauschifaf hrt –
Holzschifef und Flöße. Melk 1975 (Schriftenreihe des Schifal hrtsmuseums Spitz a.d. Donau),
S. 34 f., zitiert nach: Stefan Wunder!: Die Geschichte der Schiffswerft Korneuburg unter
Berücksichtigung der Situation der Arbeiterschaft. unpublizierte Diplomarbeit Universität
Wien 2008, S. 12; im Rahmen der Erhebung von Schifffahrtspersonal im Kontext der
Türkenkriege 1566 wurden Schiffsleute im Tullnerfeld in Hollenburg, Grafenwörth, St.
Johann, Seebam, Altenwörth, Winkl, Utzenlaa, Maria Ponsce, Neuaigen, Trübensee, Tulln und
Langenieharn erfasst. Wenngleich es hier um den Schiffsverkehr entlang der Donau ging,
lassen diese Orte mit Vorsicht auch auf mögliche Überfuhren schließen: HK.A Fasz. Nr. 442
(rot), siehe: Hans-Heinrich Vangerow: Schiffsleute und Schiffsbestand an der Donau von
Passau bis Wien Anno 1566, in: Hi storisches Jahrbuch der Stadt Linz 1985 ( 1986), S. 481-
504, hier: S. 487; zum Schiffsbestand in den Orten der Region S. 493 f. Für die Hilfe bei der
Literarurrecherche möchte ich mich bei Maria Knapp (Wink!) und Andreas Noworny
(Neustift) herzlich bedanken.
17 Die früheren Versuche, diese Befestigungen mit den ,.Awarenhagen” oder den ungarischen
Feldzügen des 1 0 . Jahrhunderts in Verbindung zu bringen, erscheint wenig überzeugend, vgl.
Rudolf Büttner: Befestigungsanlagen im Wienerwa/d um die Jahrtausendwende. Wien 1957
(Mitteilungen der Kommission fiir Burgenforschung 7 = Anzeiger der Osterreichischen Akademie
der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse 25), Hermann Schwarnmenhöfer: Archäologie im
Ostreich (ohne On 2011), S. 23-25 (Troppberg, Rauchbuchberg); wahrscheinlicher ist eine
Datierung in die Türkenzeit, wie dies beispielsweise auch für die Sperranlagen in der Wachau
in Anspruch genommen werden kann: Anton Dachler: Verschanzungen in Niederösterreich
85
funde sowie die römischen Meilensteine in Nitzing und am “Scheiblingstein” (sie! )
belegen die Begehung dieser Höhenwege zumindest seit antiker Zeit, eine
Weiternutzung in Mittelalter und Neuzeit ist nicht nur durch die an diesen Wegen
gelegenen Siedlungen, sondern u.a. auch durch den Fund eines St Anna-Pilgerzeichens
angezeigt. 18 Bezeichnenderweise befinden sich sowohl an den nördlichen
als auch an den südlichen Ausläufern dieser Höhenwege jeweils Burganlagen: Ein
namenloser Burgstall am Exelberg bei Wien, dem die ehemalige Burg in Tulbing
am “Schloßberg”19 sowie ein historisch überlieferter zweiter Sitz20 am Höhenweg
über den Scheiblingstein zugeordnet werden können.21 Der Höhenweg über den
Troppberg mündet südseitig in Purkersdorf, wo in der Nähe des Hauptplatzes sich
die baulichen Reste der Burg befinden/2 während am nördlichen Wienerwaldabhang
die Wegtrasse unmittelbar durch die Vorbefestigungen von Burg Ried
fiihren.23
Entlang des Wagrarn bieten die tief eingeschnittenen Hohlwegkerben gute
topographische Hinweise auf die wichtigsten Aufstiege in das Hinterland. ln
unmittelbarer Yerlängemng des Donauübergangs Tulln-Trübensee nach Norden
liegt das Dorf Gaisruck. An der unmittelbaren Geländekante oberhalb des Grabeneinschnitts,
durch den bis heute die Straße fiihrt, befindet sich ein künstlicher Hügel,
der aufgrund von Fundmaterial der unmittelbaren Umgebung als hallstattzeitJiches
Hügelgrab gedeutet wird. Allerdings ist eine Sekundärnutzung als Burghügel
aufgrund von Analogiefällen und eines 1220 genannten “Rudolfus de Geizmkke”
und in den Nachbarländern, in: Berichte und Mitteilungen des Alterthums-Vereines 1 9 1 1 (44),
S. 45-64, hier: S SO (Wachau) und S. 52 f. (Wienerwald).
18 Autopsie der Funde durch den Verfasser in Privatsammlungen der Region.
19 Literatur in Auswahl: Hans P. Schad’n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederästerreich
Ein Beitrag zur Geschichte des Befestigungswesens und seiner Entwicklung
vom Ringwall bis zur Mauerburg und Stadtumwehrung. Horn-Wien 1953 (Prähistorische Forschungen
Bd. 3), S. 241 f.; RudolfBüttner: Burgen und Schlösser zwischen Greifenstein und
St. ?ölten. Wien 1969 (Burgen und Schlösser in Niederösterreich Bd. II/1), S. 59-61 ; ders.:
Burgen und Schlösser zwischen Greifenstein und St. Pölten. Wien 21982 (Burgen und Schlösser
in Niederösterreich Bd. 5), S. 72.
2° Freundliche Mitteilung Günter Marian, NÖ Landesarchiv St. Pölten.
21 Der Trasse nach Königstetten kann hingegen keine Wehranlage gesichert nachgewiesen werden,
der Hinweis von Büttner ist zu vage: Büttner: Burgen und Schlösser 5 (wie Anm. 19), S.
20 f.
22 Literaturauswahl: Rudolf Büttner: Burgen und Schlösser zwischen Wienerwald und Leitha.
Wien 1 966 (Niederösterreichs Burgen und Schlösser Bd. UL), S. 1 20-123; Rudolf Büttner und
Brigitte Faßbinder: Burgen und Schlösser zwischen Mödling, Purkersdorf und Klosrerneuburg.
St. Pölten-Wien 1988 (Burgen und Schlösser in Niederösterreich Bd. 2), S . 122-125.
23 Den besten Überblick zum Forschungsstand und zur historischen ÜberliefeJung bietet die
Hornepage des Vereins zur Erhaltung und Erforschung der Burg Ried am Riederberg:
http://www.burgried.at/ (Zugriff vom 1 0 . 1 .2016).
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nicht auszuschließen.24 Die mehrteilige Hausberganlage von Hippersdorf nützt eine
Geländezunge am Ausgang des Schmidales, wobei die örtliche Wegverbindung
sowohl den Talboden als auch über einen nordwestlich der Burganlage liegenden
Hohlweg durch westlich des Schmidatals befindliche Hochfläche nutzen konnte?5
Zu den raumtaktischen Kontrollpunkten zählten letztendlich auch die Donauübergänge
selbst, sodass auch die Wiederbesetzung der Donallkastelle mit mittelalterlichen
Befestigungen weltlicher und geistlicher Grundherren, wie in Mautem/6
Traismauer,27 Zwentendorf, Tulln und Zeiselmauer, auch tmter diesem Gesichtspunkt
betrachtet werden kann. Am nördlichen Donauufer gegenüber von Mautern
befand sich die Überfuhr als landesfiirstliches Lehen spätestens seit 1220 sogar
unter der Kontrolle eines Ministerialengeschlechts “de Urfar”?8 Auch wenn mit
diesen wenigen Beispielen keinesfalls ein geschlossenes “Wegkontrollsystem”
durch Burgen am Rand des Tullnerfeldes konstruiert werden kann, so zeigt sich
doch, dass insbesondere Übergänge als strategisch wichtige Punkte eine hohe
Anziehungskraft fiir den Standortwahl im Burgenbau besaßen. Abgesehen von
raumtaktischen und ökonomischen Überlegungen darf ein Aspekt nicht außer Acht
gelassen werden, wenngleich dieser am schwierigsten zu erschließen ist: Die
“verkehrsgünstige” Lage erhöht die Chance, in den Informationsaustausch
eingebunden zu sein – durch fahrende Händler, Gäste und alle möglichen anderen
Reisenden, die an diesen Adelssitzen vorbei kamen bzw. ihnen gar nicht
“entgehen” konnten. Manchmal mag manche Erzählung wertvoller gewesen sein
als der bezahlte Brückenzoll oder Wegemaut
Zur Baugestalt der Adelssitze im Tullnerfeld
Wie eingangs ausgefiihrt, sind kaum aufrechtstehende Baureste des 12. bis 14.
Jahrhunderts von Adelssitzen im Tullnerfeld erhalten geblieben. Um daher Vorstellungen
entwickeln zu können, wie Wohnverhältnisse adeliger und geistlicher
24 Vgl. Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber und Thomas Kühtreiber – euaigcn, in: Reichhalter,
Kühlreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie Anm. 7), 1 9 1 (mit weiterfUhrender
Literatur).
25 Ebd., 234 f.
26 Gerhard Reichhalter, Patrick Schicht und Andreas Hermengild Zajic: Mautern – Lage, Baubeschreibung,
in: Burgen Waldviertel – Wachau – Mährisches Thayata!, hg. von Falko Daim,
Karin KUhtreiber und Thomas KUhtreiber (Wien 2009), S. 324-326.
27 Literaturauswahl : Johann Offenberger: Burg und Schloß Traismauer. in: Museum for Frühgeschichte
Traismauer, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, hg. von der
Kulturabteilung der Niederösterreichischen Landesregierung (Wien 1 990) 1 59- 169.
28 Vgl. Zusammenfassend Gerhard Reichhalter und Helga-Schönfellner-Lechner: Förthof, in:
Daim, Kühtreiber und Kühtreiber: Burgen Wa!dvierte!- Wachau – Mährisches Thayatal (wie
Anm. 26), S. 261-263.
87
Eliten in dieser Region ausgesehen haben könnten, bedarf es dreier Herangehensweisen:
• Das Berücksichtigen der ehemals bebauten Fläche als “Rahmen”
• Das Einbeziehen von Adelssitzen aus der näheren Umgebung des
Tullnerfelds, insbesondere entlang der Donau
• Das Erweitern der herkömmlichen Gleichsetzung von “Adelssitz=Burg” auf
Adels- und Stifts-/Vogteihöfe
Die bebaute Fläche: Auch we1m insbesondere ehemalige Niederungsburgen, wie
beispielsweise Judenau29 oder Neuaigen30, des Öfteren in neuzeitlichen Schlossbauten
aufgegangen sind, können in Fällen, wo die Anlagen abgekommen sind,
über die erhaltenen Erdwerke Aussagen über die ehemalige Größe getroffen
werden. Der vor wenigen Jahren zumindest teilweise überbaute ehemalige Standort
von Schloss Grafenwöt1h zeigt mit einer Grundfläche von 1 80 x 1 00 Metern eher
die Ausmaße des neuzeitlichen Schlosses einschließlich der Außenanlagen als jene
der mittelalterlichen Burg an. Anders ist dies im Fall über ein Luftbild wieder
entdeckte ehemalige Wasserburg der abgekommenen Siedlung St. Michael,
Katastralgemeinde Mollcrsdorr:J1 Als Bewuchsmerkmal zeichnete sich im Frühjahr
2012 in der Flur “Michaelergrund” eine von einem mmähemd ovalen Wassergraben
umgebene Fläche ab, die in der Mitte nochmals durch einen schmäleren
Graben wohl in ein Haupt- und Vorbw·gareal unterteilt war (Abb. 2). Der Zugang
erfolgte von Süden wohl über eine Erdbrücke, die sich als heller Streifen im
dunklen Graben abzeichnet, wobei der Graben genau an der Stelle des Zugangs den
Scheitelpunkt bildet. Die Anlage erreichte beeindntckende Außenmaße von 75 x 68
Meter, abzüglich des ca. sieben bis zehn Meter breiten Grabens stand immer noch
eine Innenfläche von ca. 55 x 48 Meter zur Verfügung. Die Kernburg befand sich
wahrscheinlich in der nördlichen, annähernd rechteckigen Fläche, in deren Mitte
sich mittig ein annähernd Ost-West-orientiertes, rechteckiges Gebäude abzeichnet.
Mit Vorsiebt kann also von einem, zentralen Hauptgebäude als Wohn- und
Repräsentationsobjekt als “Festes Haus” ausgegangen werden, das seine Breitseite
dem Ankommenden präsentierte. Im Analogieschluss könnten sich in der Vorburg
weitere Wohn- und Wirtschaftsbauten, aber auch kleinere Gärten befunden haben.
Eine Idee, wie derartige Wasserburgen mit einem zentralen, palasartigen Wohnbau
ausgesehen haben könnten, liefert die Darstellung der im bayerischen Chierngau
29 Literamrauswahl: Büttner: Burgen und Schlösser Il!l (wie Anm. 19), S. 33-35; Büttner:
Burgen und Schlösser 5 (wie Anm. 19), S. 15-18; Roderich Geyer: Die Baugeschichte des
Schlosses Judenau. Tulln 2008 (Milleilungen des heimatkundliehen Arbeitskreises .fiir die
Stadt und den Bezirk Tulln Bd. 22), S. 4-37.
30 Reicbhalter, Kühlreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie Anm. 7), S. 386 f. (mit
weiterfiihrender Literatur).
31 Für die Überlassung des Luftbilds sei Andreas Ziegler herzlich gedankt.
88
gelegenen Burg Hartmannsberg im “Codex Falkensteinsis” der Grafen von
Falkenstein am ltm von 1 1 65, wo aus den romanischen Arkaden des zinnenbekrönten
Gebäudes eine Person im Wasser der in (Halb-)Insellage en·ichten Burg
angelt.32 Ein räumlich und mutmaßlich auch zeitlich näheres Beispiel ist die Burg
“Neubau”, Stadtgemeinde Gföhl.33 Die Nutzungsdauer der Burg im “Dörfl” bei St.
Michael ist derzeit noch w1klar: 1 550 als öde vesstn Sand Michel bezeichnet und
somit bereits aufgelassen, sind Dorf und Kirche seit 1 200 w-kwldlich fassbar,
explizite Nennungen von Burg und Burgbesitzern sind nicht bekannt. Oberflächenfunde
aus dem Umfeld der Burg zeigen derzeit nur eine Besiedlung des Areals im
15. Jahrhundert an.34
Abb. 2: St. Michael*, KG Mollersdorf: Luftbild der Burgstelle, Ansicht von Osten.
Foto: Andreas Ziegler (20 12)
32 Bayerisches Hauptstaatsarchiv Kl. Weyam I, fol. 1 1 r; zum Bild siehe http://tethys.imareal.
sbg.ac.at/realonline/, Bildnr. 003057, Zugriff vom 14.1 .20 1 6 ; die Darstellung zeigt
wahrscheinlich nicht das heutige Schloss Hartmannsberg, sondern eine wenige hundert Meter
südlich gelegene Vorgängeranlage am Langbürgner See, siehe: http://palafitte.eu/file/nau8/
Brennpunkt.pdf und http://www.bgfu.de/kundenlbgfu/bgfu.nsf/O/
598b7836c2 l f5d98c I 257247004 l 3a99?opendocument (Zugriff vom 14.1 .20 16).
33 Gerhard Reichhalter: Neubau – Lage, Baubeschreibung, in: Daim, Kühtreiber und Kühtreiber:
Burgen Waldviertel- Wachau – Mährisches Thayatal (wie Anm. 26), S. 163-165.
34 Reichhalter, Kühlreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie Anm. 7), S. 385 f; die
Umrisse der ehemaligen Burg sind heute noch als eigenständige Parzelle Grundstücknummer
.303 im Kataster fassbar.
89
Abb. 3 : Winkl, MG Kirchberg am Wagram sowie digitales Geländemodell mit Schattierung
des Reliefs von NW (Hillshade). Aus: NOE Atlas 4.0 (2016).
Ebenfalls als ehemalige Wasserburg ansprechbar, wenngleich mit einem ca.
zwei Meter erhöhten Kemwerk, ist die Burg Winkl am südlichen Ende der gleichnamigen
Katastralgemeinde (Abb. 3). Der heute von der Pfarrkirche mit
90
KirchEriedhof geprägte Burghügel ist rechteckig bis queroval und heute noch von
einem ca. ein- bis zwei Meter tiefen Sohlgraben umgeben. Aussagen über die ehemalige
Baustruktm der Burg sind nur sehr eingeschränkt möglich, da durch die
Nutzung der östlichen Hälfte des Burghügels als Friedhof das ehemalige Terrain
gleichmäßig eingeebnet wurde. Allerdings indiziert der in der Kirche erhaltene
romanische Kembau, der nach Ronald Woldron bauhistorisch in den Zeitraum von
1 160-1200 datiert wird/5 dass möglicherweise das Areal von Beginn an als BurgKirchenanlage
mit Kirchenareal im Osten und adeligem Wohnsitz im Westbereich
strukturiert wmde.36 Der Westteil ist um 60 bis 80 Zentimeter höher als der
Kirchenbereich und bildet heute ein annähernd quadratisches Plateau von ca. 20 x
20 Meter aus, das mittig in Ost-West-Richtung von einem dmchstichartigen Graben
durchzogen ist. In Verbindung mit einer Erdbrücke im Westen deutet sich hier der
ehemalige Zugang zur Bmg an, während der heutige Weg von Norden rezent ist.
Die doch relativ kleine Kernfläche könnte ein Hinweis sein, dass auch in Wink! ein
zentraler Wehr- und Wohnbau im Sinne eines Wohnturms oder Festen Hauses das
Hauptgebäude bildete. Dies ist allerdings reine Spekulation, da auch im Bereich der
Kirche weitere Gebäude existiert haben kölUlen. Die frühe Nennung von Herren
von Wink! ab den l l 20cr Jahren lässt sich jedenfalls gut mit der Baugestalt eines
mäßigen hohen Burghügels am Übergang zwischen Niederungsburg und sogenannten
“Hausbergen” in Übereinstimmung bringen 37
Als “Hausberg” wird die Österreichische Variante der “Motte”, künstlicher
Burghügel mit zumeist geometrischem Grundriss, bezeichnet. Im Unterschied zu
den klassischen “Motten”, die in ihrem Kerngebiet – den Flachlandzonen Nordfrankreichs,
der BENELUX-Länder und Norddeutschlands, zumeist komplett aus
aufgeschüttetem Erdmaterial, eventuellen Holzeinbauten und Rasensoden als
Erosionsschutz der Außenoberfläche aufgebaut wurden, sind die “Hausberge” im
Hügelland des Wcinvie1tels, aber auch im Mostviertel oder im steirischen
Voralpengebiet, zumeist wohl aus dem Gelände herausgearbeitet und nur partiell
künstlich durch Aufschütten überhöht.38 Während die ftiihesten Motten im oben
35 Wolfgang Baatz, Günter Marian, Claudia Riff-Podgorschek und Ronald Woldron: Die neu
entdecklen romanischen Wandmalereien in der Filialkirche Hl. Nikolaus in Wink/, in: Unsere
Heimat 2004 (75/1), S. 63-65
36 Zu Burg-Kirchenaulagen im heutigen Weinviertel vgl. Gerhard Reichhalter: Burgenbau im
Weinviertel, in: Reichhalter, Kühtreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie Anm. 7),
20-35, hier: S. 25-27.
37 Zur Geschichte der Herren von Wink! vgl. den Beitrag von Günter Marian in diesem Band; zur
Bw·g im Allgemeinen Gerhard Reichhalter, Karin Kühtreiber und Themas Kühtreiber: Winki Lage,
Baubeschreibung, in: Reichhalter, Kühlreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie
Anm. 7), S. 232 f.
38 Sicherheit über den konkreten Aufbau können allerdings nur archäologische Grabungen
bringen, diese sind allerdings an hausbergartigen Anlagen noch rar gesät; vgl. dazu: Sabine
9 1
erwähnten Ursprungsgebiet schon um die Jahrtausendwende archäologisch belegt
sind, sind sichere Nachweise von Hausbergen in Ostösterreich vor 1200 noch sehr
selten. Oberflächenfunde des 12., vielleicht sogar des 1 1 . Jahrhunderts vom oder
aus dem Umfeld von Hausbergen können auch von sekundären Aufschüttungen des
Burghügels stammen und datieren somit noch nicht zwangsläufig diesen Burgentyp
l9
Abb. 4: Winklberg, KG Mitterstockstall: Luftbild des Hausbergs von Westen. Foto:
Luftbildarchiv des lnstiruts fur Urgeschichte und Historische Archäologie (2004).
Bezeiclmendetweise ist der zweite Hauptsitz der Herren von Winkt
Winktberg -, nach welchem sich eine Seitenlinie der Winkler nach der Mitte des
Felgenhauer-Schmied!: Hausberge im niederösterreichsi chen Weinviertel, in: Molle – Turmhügelburg
– Hausberg. Zum europäischen Forschungsstand eines mittelalterlichen Burgentypus,
hg. von Sabine Felgenhauer-Schmied!, Peter Csendes und Alexandrine Eibner. Wien
2007 (Beiträge zur Millefalterarchäologie in Österreich Bd. 23), S. 163-1 80, hier: 163; siehe
auch: Thomas Kühtreiber und Gerhard Reichhalter: Hausberge, Motten und Burgställe.
Terminologische und siedlungsarchäologische Überlegungen zum Burgenbau im MelkErlaufgebiet
(Niederösterreich), in: ebda., S. 225-249, hier: S. 225-228; Nikolaus Hofer, Martin
Krenn und Christoph Blesl: Hausberge und verwandte Wehranlagen. Zum aktuellen
Forschungsstand in Niederösterreich, in: ebda., S. 249-262, hier: S. 254-258.
39 Zur Datierungsproblematik vgl. Felgenhauer-Schmied!: Hausberge (wie Anm. 38), S. 1 75-
178; Kühtreiber und Reichhalter: Hausberge (wie Anm. 38), S. 236 f.
92
13. Jahrhunderts zu nennen beginnt,40 eines der besterhaltenen Beispiele des Typus
“Hausberg” (Abb. 4). In Mitterstockstall, knapp hinter der Wagramkante an einem
grabenartigen Einschnitt gelegen, bildet der Hausberg einen klassischen Kegelstumpf
mit acht Meter Höhe und einer nutzbaren Grundfläche von 40 Metern im
Durchmesser.41 Damit besaß Winklberg eine durchaus zeitübliche Innenfläche, die
zumindest eine mehrteilige Bebauung ermöglicht hätte. Mangels archäologischer
Untersuchungen und aufgrund fehlender aufgehender Mauerteile gestalten sich
Aussagen zur möglichen Bebauung im 1 3 . und 14. Jahrhundert sehr schwierig.
Georg Matthäus Vischer zeigt die Anlage 1672 als Burg-Schloss mit geschlossener
Randbebauung, einem Torturm mit barbarkanenartigem Vorbau und einem wieteren
Turm an der dem Zugang gegenüberliegenden Seite (Abb. 5).
WINCIBELPER.G

Abb. 5: Winklberg, KG Mitterstockstall: Vedute der Burg von Georg Matthäus Vischer (1672)
Das kleine Gebäude am aus Betrachterinnenseite rechten Bildrand könnte eine
Kapelle an der Zuwegung der Burg darstellen. Dass ein umlaufender Steinhering
mit Wohngebäude, eventuell auch Turm, auf einem Hausberg des 1 3 ./14.
40 Vgl. den Beitrag von Güntcr Marian in diesem Band.
41 Vgl. Gerhard Reichhalter, Karin Kühlreiber und Thomas Kühtreiber: Wink/berg – Lage,
Baubeschreibung, in: Burgen Weinviertel (wie Anm. 7), S. 226 (mit weiterfUhrender Literatur).
93
Jahrhunderts in der weiteren Umgebung denkbar ist, zeigen die Überreste auf dem
Hausberg von Klement, wo aufgehende Mauerreste in zeittypischen Kompartimentmauerwerk
auf eine entsprechende Bebauung im Zeitraum zwischen 1 250 und
1350 schließen lassen.42
Abb. 6: Burg Ried, KG Ried am Riederberg: Digitales Geländemodell mit Auszeichnung der
Hangneigung (Slope). Aus: NOE Atlas 4.0 (2016)
Allein darauf aufbauend können freilich keine gesicherten Aussagen
getroffen werden, ob die Hausberge der Region in ihrer Entstehungsphase eher
Holz- oder Steinbebauung aufgewiesen haben. Eine hausbergartige Burganlage, die
jedoch entsprechend den aktuellen archäologischen Forschungsergebnissen nach
von Anfang an eine Massivbebauung besaß, ist die Burg Ried, Katastralgemeinde
Ried am Riederberg. Der Burghügel und die massiven Außenwälle samt bergseiligem
Schildwall wurden aus dem Gelände des Höhenrückens herausgeschnitten,
wobei insbesondere die kegelstumpfförmige Gestaltung des Burghügels eine
42 Zu Klement vgl. Gerhard Reichhalter, Karin Kührreiber und Thomas Kühtreiber: Klement –
Lage, Baubeschreibung, in: Reichhalter, Kührreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie
Anm. 7). S. 91 f., die Neudatierung der Ausbauten beruht auf einer Autopsie des Verfassers
von 2014.
94
Zuordnung zu den Hausbergen rechtfertigt (Abb. 6).43 Auch wenn die bisherigen
Ausgrabungen nur eine kleine Fläche des Burghügels betrafen, zeigen die bisherigen
Ergebnisse, dass ähnlich wie in Winklberg Burg Ried eine Randbebauung um
einen offenen Innenhof aufwies. Der älteste, bislang freigelegte Teil ist die Ringmauer,
an die an der besonders gefalu·deten Bergseite innen ein Rundturm angestellt
wmde. Dieser wird aufgnmd der partiell erhaltenen Quadetmauer mit Pietra
Rasa-Putz in die Zeit um 1 200 gestellt, der Bering muss dementsprechend noch in
das 12. Jahrhundert gestellt werden, was mit Nennungen Genannter von Ried im
gleichen Zeitraum übereinstimrnt.44 Ab dem frühen 1 3 . Jahrhundert in kuenringischem
Besitz, dürfte die Burg um 1300 unter den “Schenken von Ried” ihre Blütezeit
en·eicht haben.45 In diesen Zeitraum fallt auch der noch nachvollziehbare
Ausbau mit einem Zwinger sowie vermutlich auch der über den Schildwall laufende
Außenbering. Ob die nur oberflächlich erkennbaren Baureste von an den
Bering innen angebauten Gebäuden, damnter auch ein möglicher Palas, zu den
Baumaßnahmen des 1 2. bis 14. Jahrhunderts gehören, können erst zukünftige
Untersuchungen zeigen. Überregionale Querbeziehungen Jassen sich aus diesem
geringen Bauresten nur schwer ziehen; einzig der runde Tunn ist im hochmittelalterlichen
Burgenbau Ostösterreichs selten anzutreffen, Analogien dafur sind Bmg
Klamm im Semmeringgebiet, die sekundär zum Turm ausgebaute Rundkapelle auf
Burg Starbernberg im südlichen iederösterreich oder der Hauptturm auf Burg
Rabenstein im PielachtaL Weitere Beispiele außerhalb der Landesgrenzen ließen
sich anfiilu·en, ohne dass sich daraus ein zwingendes Muster in Bezug auf Verwandtschaftsverhältnisse
etc. ergäbe.
Die einzige Höhenburg, die im Untersuchungsgebiet mit beträchtlichen
Teilen ilu·er mittelalterlichen Bausubstanz erhalten geblieben ist und somit etwas
tiefergehende Überlegungen erlaubt, ist Burg Greifenstein in der gleichnamigen
Katastralgemeinde. Am südlichen Donauufer gelegen, üben·agt sie den schmalen
und überschwemmungsgefahrdeten Geländestreifen zwischen Donau w1d steilem
Nordabfall des Wienerwaldes knapp vor dem “Donauknie”. Die Burg liegt innerhalb
eines geschlossenen Passauer Bistumbesitzes und ist seit dem 1 2. Jahrhundert
urkundlich in Passauischem Eigentum, aber in der Verwaltung durch Ministeriale,
43 Siehe dazu und zu den Grabungsergebnissen http://www.burgried.at/burgruinel
baubeschreibung/, Zugriff vom 1 5 . 1 .2016; Oliver Fries, Gerald Fuchs und Alois Poycr: KG
Ried am Riederberg, Marktgemeinde Siegharrskirchen, in: Fundberichte aus Österreich 20 I I
(50), S. 290; Bemhard Arnold, Oliver Fries, Gerald Fuchs und Lukasz Grzywacz: KG Ried am
Riederberg, Marktgemeinde Sieghartskirchen, in: Fundberichte aus Österreich 2012 (51), S.
225 f.;
44 Markus Jeitler: Ried- Geschichte, in: NÖ Burgendatenbank (unpubliziert; Institut fur Realienkunde
des Mittelalters und der frühen Neuzeit).
45 V gl. dazu auch: http://www.burgried.at/burgruine/geschichte/ (Zugriff vom 1 5 . 1 .20 16).
95
später durch Pfleger, fassbar.46 Die Kemburg, bestehend aus Ringmauer, keilförmig
zur Angriffsseite gestelltem viereckigem Turm und talseitigern Wohnbau, besitzt
die “Standardausstattung” einer hochmittelalterlichen Burg (Abb. 7).
Abb. 7: Greifenstein. Luftbild von Süden.
Foto: Luftbildarchiv des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie (2009)
Insbesondere der Turm kann über die Eckquaderung, die oberhalb des
ehemaligen Anschlusses zur Ringmauer Buckelquader mit breitem Randschlag
aufweist, in das 13. Jahrhundert eingeordnet werden, wobei eine EtTichtung zur
“Blütezeit” der Buckelquadermode im 2. Viertel des 1 3 . Jahrhunderts wahrscheinlich
ist.47 Buckelquadermauerwerk lässt sich auf dem Gebiet des heutigen
Ostösterreichs insbesondere in der späten Babenbergerzeit, also im Zeitraum der
Regentschaft von Leopold VI. und Friedrich Il. als Landesfürsten fassen; inwieweit
46 Patrick Schicht und Envin Kupfer: Greifenstein – Geschichte, in: NO Burgendatenbank (unpubliziert;
Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit).
47 Patrick Schicht und Gcrhard Reichhalter: Greifenstein – Lage, Baubeschreibung, in: NO Burgendatenbank
(unpubliziert; Institut flir Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit);
Patrick Schicht: Osrerreichs Kastellburgen des 13. und 14. Jahrhunderts. Wien 2003 (Beiträge
zur Millefalterarchäologie in Oste”eich, Beiheft 5), S. 2 1 7 ; 2. Auflage (Wien 2007), S. 22;
Patrick Schicht: Buckelquader in Osrerreich. Mittelalterliches Mauerwerk als Bedeurungsträger
(Petersberg 2011 ), S. 35 f.
96
die vor allem an Stadtbefestigungen, wie Wien, Hainburg, Wiener Neustadt und
Enns und auf kastellartigen Stadtburgen auftretenden Quader auf die herzogliche
Initiative zurückgeht oder komplexere Entstehungshinterg1iinde besitzt, wird
kontroversiell diskutiert. Weitgehend unbestritten ist aber, dass eine Antikenrezeption
eine wesentliche Motivationsgrundlage fur dieses Phänomen darstellt,
wobei Aspekte der Herrschaftslegitimation hier eine nicht unwesentliche Rolle
spielen dürften.48 Auffällig ist, dass es entlang der Donau eine Reihe von Burgen,
aber auch Kirchenbauten des 1 3 . Jahrhunderts im Passauischen Kontext gibt, die
Buckelquader aufweisen. Gerade im Fall des im Sockelbereich mit Buckelquadem
ausgestatteten Kirchturms der Pfarrkirche von Lorch, Stadtgemeinde Enns, erscheint
angesichts der Bemühungen des Bistums Passau seit dem I 0. Jahrhundert,
über eine fiktive Bischofsreihe von Lorch eine diözesane Kontinuität seit der
Spätantike zu konstruieren, die Deutung als “bauliche Konstruktion von Alteh.rwürdigkeit”
beinahe handgreiflich, sodass ähnliche Motivationen im Fall von Burg
Greifenstein im unmittelbaren Vorfeld des babenbergischen Herrschaftsmittelpunktes
des 1 2./1 3 . Jahrhunderts mit Wien und Klosterneuburg durchaus denkbar
erscheint. 49
Die Bezugnahme auf die Antike bildet die Brücke zu einem weiteren Aspekt
des Burgenbaus im Tullnerfeld: Die Adaption römischer Baureste fur mittelalterliche
Sitze. Sowohl in Mautern an der Donau50 als auch in Zwentendorf51 konnte
archäologisch der Ausbau von Türmen der ehemals spätantiken Kastellmauern zu
Kleinburgen nachgewiesen werden. In Mauern wurde im nahen Umfeld des
späteren Passauischen Verwaltungssitzes und somit als möglicher Vorgängerbau
ein Hufeisenturm durch einen Anbau an der Innenseite und einem vorgelagerten
Graben im (frühen) 1 3 . Jahrhundert von der Siedlung abgesetzt. Die Befunde aus
dem Kastelllager von Zwentendorfstammen von Ausgrabungen der Jahre 1 953 und
1957 und sind dementsprechend mit Vorsicht zu interpretieren. Gesichert ist, dass
ein Fächterturm an der ehemaligen Südostecke des Lagers im Hochmittelalter von
48 Siehe Schicht: Kastellburgen (wie Anm. 47), 8.21 7-222; Schicht: Buckelquader (wie Anm.
47), S. !89-!99; Thomas Kühtreiber: The Medieva/ Town Wall: Sign of Communication and
Demarcation, in: Medium Aevum Quotidianum 2003 (47), S. 50-68.
49 Siehe dazu auch mit ähnlicher Argumentation Schicht: Buckelquader (wie Anm. 47), S. 1 93 .
50 Martin Krenn, Martina Hinterwallner und Doris Schön: KG Mautern, SG Mautern an der Donau,
VB Krems, in: Fundberichte aus Österreich 2005 (44), S. 26 f.; Martin Krenn und Martina
Hinterwallner: KG Maurern, SG Mautern an der Donau, VB Krems, in: Fundberichte aus
Österreich 2006 (45), S. 28 f.
51 Erik Szameit: Der Krollenturm bei Zwentendorf. Über die Weiterverwendung zweier spätantiker
Wehrbauten des Österreichischen Donau/imes im Mittelalter: Zwentendorf und Tu/ln, in:
Burgen der Salierzeit Bd. 2: In den südlichen Landschaften des Reiches, hg. von Horst-Wolfgang
Böhme. Sigmaringen 1 99 1 (Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums
Bd. 26/2), S. 377-388.
97
einem ovalen Sohlgraben umgeben, wobei die zeitliche Einordnung an Keramikscherben
aus der Grabensohle, die von Erik Szameit in das I I . bis 1 3 . Jahrhundert
datiert wurden, hängt (Abb. 8 u. 9). Der Autor verweist auf einen weiteren, Befund
aus Tulln, der aber mangels Vorlage an dieser Stelle nur erwähnt werden soll.52
Tulln könnte in der Frage der Adaptierung antiker Limesbefestigungen eine
zentrale Rolle spielen, da dieser 01t seit der Karolingerzeit zentralörtliche Funktion
besaß. Allerdings ist das Areal, an dem sich die landesfurstliche Burg mit hoher
Wahrscheinlichkeit befand, schon im späten 13. Jahrhundert zugunsten eines Doppelklosters
fur Dominikaner und Dominikanerirmen aufgegeben wurde; heute
befindet sich in diesem Bereich das Landeskrankenhaus.53 Die Befunde aus Maulern
und Zwentendorfzeigen aber, dass im Hochmittelalter im Tullnerfeld auch mit
kleinräumigen Turmburgen zu rechnen ist, die über ein multifunktionales Hauptgebäude
nur wenig Platz fur weitere Wohn- und Wirtschaftsbauten innerhalb der
Außenbefestigung boten. Zuletzt soll in diesem Zusammenhang auf einen weiteren
antiken Baukörper mit mittelalterlicher Nachnutzung verwiesen werden, nämlich
auf das antike Kastentor von Zeiselmauer. leiseimauer war spätestens seit dem
späten 1 0. Jahrhundert Mittelpunkt der Passauischen Besitzungen im östlichen
Tullnerfeld, 1 1 84 wird hier ein bischöfliches Palatium genannt, 1 5 10 ist von einem
zerbrochenen schloß die Rede. 54 Das heute noch bis unter die Dachtraufe erhaltene
antike Lagertor wurde den Fensteröffnungen nach zu schließen im 14./15.
Jahrhundert baulich adaptiert, wobei die kleinen Fensteröffnungen auf eine
Nutzung als (Zehent-)Speicher schließen lassen. Dies karm, aber muss kein Beweis
auf die Lage des Bischöflich-Passauischen Verwaltungssitzes sein, zeigt aber, wie
auch fur derartige Zwecke antike Bauten grundherrschaftlich genutzt werden
konnten.
52 Ebda., S. 387 f.
53 Barbara Schedl.· Der König und seine Klosterstiftung in der Stadt Tu/ln. Eine Selbstinszenierung
Rudolfs I. im Herzogtum Österreich. St. Pölten 2004 (Geschichtliche Beilagen zum St.
Pöltner Diözesanb/a/1 Bd. 3 1 = Beiträge zur Kirchengeschichte Österreichs Bd. 14 = Mitleilungen
des heimatkundliehen A rbeitskreises fiir die Stadt und den Bezirk Tu/ln Bd. 20);
Norbert Hirsch und Nikolaus Hofer, Archäologische Untersuchungen auf dem Areal des
ehemaligen Landeskrankenhauses Tulln, NÖ, in: Bericht zu den Ausgrabungen des Vereins
AS!NOE im Projektjahr 2000. Fundberichte aus Österreich 2000 (39), S. 255-273.
54 Markus Jeitler: Zeisebnauer – Geschichte, in: NÖBurgendatenbank (unpubliziert, Institut für
Realienkunde des Mittelalters und der frühen euzeit); Rudolf Büttner: Burgen und Schlösser
an der Donau (Wien ‘ 1 977), S. 1 3 1 f.; Büttner: Burgen und Schlösser 5 (wie Anm. 19), S. 66
u. s. 86 f.
98
Abb. 8: Krottenrurm, KG Zwentendorf. Schematischer Grundriss des Grabungsbefundes.
Aus: Szameit: Krattenturm (wie A.nm. S I ), S. 381, Abb. 02.
Abb. 9: Krottennmn, KG Zwentendorf. Grafischer Rekonstntktionsvorschlag. Aus: Szameit:
Krattenturm (wie Anm. 51), S. 3 8 1 , Abb. 02
Zeiselmauer ve1mittelt zur letzten Gruppe von Herrschafts- und Verwaltungssitzen,
die an dieser Stelle besprochen werden sollen: Baukomplexe, die tmter
99
den Begriffen “Hof’, “curia” oder “curtis” fungieren und in der Regel in Siedlungen
zentralörtlicher Funktion anzutreffen sind. Im Gegensatz zu den klassischen
Burgen sind die Adels- und Klösterhöfe zwar auch durch Mauem oder andere Umhegungen
vom Umfeld abgegrenzt, aber besitzen in der Regel keine ausgeprägten
Befestigungen. Dennoch können diese Anlagen als gleichrangige Objekte neben
den klassischen Bur􀀬en angesehen werden, worauf nicb􀊵. nur frühmittelalterliche
Befunde hinweisen, 5 sondem auch die schriftliche Uberlieferung zur Rolle
derartiger Höfe auch für hochrangige Adelsversamrnlungen.56 Bezeichnenderweise
ist es ja der “Hof’ der zur Metapher der Residenzbildung und der ,,höfischen
Kultur” wird, und nicht die Burg. Dem gegenüber fristet die Erforschung dieser
Höfe ein stiefmütterliches Dasein, obgleich gerade in der Region hervorragende
Vertreter dieser Baugattung vorliegen.57 Dazu zählen der “Herzogshof’ und der
“Passauerhof’ in Krems an der Donau, das Schloss Oberstockstall (Abb. 1 0) sowie
der ehemalige “Passauerhof’ in Klostemeuburg. Insbesondere die beiden
“Passauerhöfe” in Krems und Klostemeuburg zeigen frappante Ähnlichkeiten in
der Baugestalt, wobei das Bauensemble in Krems noch weitgehend erhalten
geblieben ist,58 jenes in Klosterneuburg Dank archäologischer Untersuchungen
weitgehend rekonstruierbar ist (Abb. 1 1 -12):59 Das Hauptgebäude bildet in beiden
Fällen ein zweigeschossiger Saalbau, wobei diese im Gegensatz zu den Saalbauten
auf Burgen über eine große primäre Einfahrt in das Erd- bzw. Kellergeschoß
verfugen. Diese verweisen auf die Doppelfunktion dieser Gebäude als Wirtschaftund
Repräsentationsgebäude, wobei im Fall von Klosterneuburg die Nutzung als
Weinkeller mit Weinpresse und ehemaligen Standspuren von Fässem archäolo-
55 Vgl. aus dem Gebiet der angrenzenden Slowakischen Republik: Alexander Ruttkay: Feudalsitze
und die Struktur der Besiedlung. Beiträge zur Typologie der Beziehungen im Gebiet der
Slowakei, in: Burgen und Siedlungsstntktur. Nitra 2004 ( Castrum Bene Bd. 7), S. 203-241 .
56 Als Beispiel aus dem Gebiet des heutigen Niederösterreich sei auf die curia der Herren von
Sulz (KG Altenburg) verwiesen, wo 1290 Stephan von Maissau urkundend fassbar wird: Thomas
Kühtreiber und Gerhard Reichhalter: Sulz• – Geschichte, in: Daim, Kühlreiber und Kühtreiber:
Burgen Waldviertel- Wachau – Mährisches Thayatal (wie Anm. 26), S. 59 f.
51 Eine Ausnahme stellen die Würdigungen des Forschungsstandes in folgenden Beiträgen dar:
Heike Krause, Gerhard Reichhalter: Der “Perchhof’ zu Heiligenstadt. Ein klösterlicher Profanbau
und Kleinadelssitz, in: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 2009 ( 12), S. 124-175;
Heike Krause, Gerhard Reich.halter: Der Berghof zu Hei/igenstadt. Ein klösterlicher Profanbau
und Kleinadelssitz, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 2001/12 (NF
77/78), S. 95-l 52.
58 Hans Tietze: Österreichsi che Kunsttopographie Bd. 1 : Die Denkmale des politischen Bezirkes
Krems (Wien 1908), S. 232-240; Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs: Niederösterreich
nördlich der Donau (Wien 1990), S. 559 f.
59 Von der Herren Hof zu Passau. Vom römischen Lagerdorfzum mittelalterlichen Leseho/, hg.
von Johannes-Wolfgang Neugebauer (Klostemeuburg 1 998).
100
gisch zumindest wahrscheinlich gemacht werden konnte.60 An die Saalbauten wurde
in beiden Fällen jeweils ein kleinräumiger Turm angestellt, die wohl zum einen
als herrschaftliche “Marke” in den jeweiligen Stadttopographien angesehen werden
können, im Kremser Passauerhof auch als privater Rückzugsraum mit Ausblick im
Sinne der sich etablierenden Stubenkulturen gedeutet werden kann. Den Saalbauten
benachbart befinden sich in Krems und Klostemeuburg jeweils ein rechteckiges
und mit Stützpfeilern versehenes Gebäude, das im Kremser Passauerhof als Hofkapelle
(St. Ursula) eindeutig zu identifizieren ist.61 Daran schließen weitere
Wohnbauten an, die in Krems ehemals eine prachtvolle Fassade mit gleichartig
gestalteten Fenstern (zweilichtigen Sprossenfenstem) aut\vies. Sowohl die Ursulakapelle
als auch der Wohnbau im Kremser Passauerhof können kunst- und bauhistorisch
in die Zeit um 1 300 datiert werden, was gut mit der archäologischen Einordnung
der älteren Bauteile in Klosterneuburg in die 2. Hälfte des 1 3 . Bis in das
erste Drittel des 14. Jahrhunderts übereinstimmt.62 Einzig die Datierung des Kremser
Saalbaus nach Dehio “wahrsch. um M. 12. Jh.” weicht davon deutlich ab, ist
aber nach Autopsie von kurzzeitig freiliegendem Mauerwerk durch den Verf. in
Frage zu stellen.63 Die hier genannten Bauelemente sind auch am “Herzogshof’ im
Krems erhalten: Der Baukomplex, nach archäologischer und bauhistorischer
Befundung im Zeitraum 1 220/30 geg1ündet, war landesfurstlicher Ve1waltungssitz
in Krems, bevor dieser 1379 an das Stift Lilienfeld verkauft wurde.64 Auch dieser
Hof war, obgleich ursprünglich außerhalb der älteren Stadtbefestigung situiert,
nicht befestigt bzw. der Saalbau durch eine große Toreinfahrt ebenerdig
erschlossen, während hofseilig ein ehemals prachtvolles Stufenportal in den Saal
im Obergeschoß fuhrte. Die stark überprägte Andreaskapelle besitzt im Inneren des
Polygonchores bedeutende Reste des frühgotischen Gewölbes, das ebenfalls eine
60 Johannes Wolfgang Neugebauer, Christine Neugebauer-Maresch und Fritz Preinfalk.: Die
archäologischen Ausgrabungen am Kardinal-Piffl -Platz Nr. 8, in: Neugebauer: Herren Hof
61 (wie Anm. 59), S. 23-32, hier S. 24 f. Für eine Deutung des Klostemeuburger Gebäudes als Kapelle in Analogie zu Krems sprechen
sich bereits Heike Krause und Gerhard Reichhalter aus: Krause und Reichhalter: “Perchhof’
(wie Arun. 57) S. 170, A.nm. J 1 3 . 62
Siehe dazu: Rudolf Koch: Baugeschichte und Rekonstruktion des spätmittelalterlichen
Lesehojkomplexes, in: Neugebauer: Herren Hof(wie A.nm. 59), S. 65-78.
63 Ausgeprägtes Opus Spicatum-Mauerwerk im Westteil des Saalbaus könnte auch auf eine
zeitliche Einordnung in das frühe 1 3 . Jahrhunder: hindeuten. Auch die Datierung der kleinen
Turmannexe differiert zwischen Krems – 15. Ja.b·hundert, siehe Dehio NÖ Nord (wie Anm.
58, S. 559) und Klosterneuburg – 1 . Drittel 14. Jahrhundert, siehe Koch: Baugeschichte (wie
A.nm. 62), S. 70.
64 Hclga Schönfellner-Lecher: Herzogshof- Geschichte, in: Daim, Kühlreiber und Kühtreiber:
Burgen Waldviertel – Wachau – Mährisches Thayatal (wie A.nm. 26), S. 254; Gerbard
Reichhalter, Patrick Schicht und Thomas Kühtreiber: Herzogshof- Lage, Baubeschreibung,
in: ebda., S. 254-257.
1 0 1
zeitliche Einordnung in das 1 3 . Jahrhundert rechtfertigt, weitere frühe Bauteile
wurden in spätere Wohnbauten entlang der Stadtmauer der 2. Hälfte des 1 3 .
Jahrhunderts integriert. Die Bedeutung von repräsentativen Kapellenbauten der Zeit
um 1300 lassen weitere Verwaltungshöfe der Region erschließen, die in der
Neuzeit z.T. schlossartig ausgebaut wurden, wie das ab dem frühen 14. Jahrhundert
in Passauischem Besitz befindliche Gut Oberstockstall (Abb. I 0), 65 der ebenfalls
Passauische Verwaltungssitz in Mautem66 sowie der mit prachtvollen Wandmalereien
der Zeit um 1 305/10 ausgestaltete Kapelle des Stiftshofs von Göttweig in
Stein an der Donau.67 Auffallig ist an all diesen Kapellen die annähernd gleiche
Baugestalt mit geradem Ostabschluss, dessen Altarbereich nur durch die Gewölbelösung
und – zumindest im Fall der Göttweigerhof-Kapelle – durch entsprechende
Berücksichtigung in der Wandmalerei akzentuiert wird.
Abb. 10: Gut Oberstockstall, MG Kirchberg am Wagram. Luftbild von Osten. Foto:
Luftbildarchiv des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie (2004).
65 Gerhard Reichhalter, Karin Kühlreiber und Thomas Kühtreiber: Stockstall – Lage, Baubeschreibung,
in: Reichhalter, Kühlreiber und Kühtreiber: Burgen Weinviertel (wie Anm. 7). S.
229-23 1 .
66 Patrick Schicht, Andreas Hermengild Zajic: Mautern – Lage, Baubeschreibung, in: Daim,
Kühlreiber und Kilhtreiber: Burgen Waldviertel- Wachau – Miihrisches Thayatal (wie Anm .
26), s. 324 f.
67 Literaturauswahl: Renate Wagner-Rieger: Die Architektur von Krems und Stein, in: 1000 Jahre
Kunst in Krems, hg. von Harry Kühne! (Krems a. d. Donau 1971), S. 88-130, hier: S. 93 f.;
Elga Lanc: Die minelalterlichen Wandmalereien in Wien und Niederösterreich. Wien 1983
(Corpus der miuelalterlichen Wandmalereien Osteireichs Bd. 1), S. 293-308.
102
Lesehofkomplex des Dom- oder Hochsliftes Possou
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Abb. 1 1 : Klostemeuburg, Passauerhof Gnmdriss der ergrabenen Gebäude. Aus: Koch:
Baugeschich1e (wie Anm. 62), S. 73. A : Saalbau (“Chorhof”/”Stainhaus”), B: Kapelle (bei Koch:
Kellergebäude), C: Turm, D: Begrenzungsmauer, E: Arkadenbau, F: Quertrakt
Abb. 1 2 : Klostemeuburg, Passauerhof Grafischer Rekonstruktionsvorschlag.
Aus: Koch: Baugeschichte (wie Anm. 62), S. 72.
103
Dieser Befund findet seine Verstärkung durch ein weiteres Ausstattungsmerkmal,
dass den Großen Passauerhof von Stein an der Donau mit jenem von
Klosterneuburg verbindet: Aus beiden Komplexen stammen figural reliefierte
Bodenfliesen, die im Fall von Klosterneuburg ehemals den Boden des Saalbaus
bedeckten 68 Einige der Motive beider Passauerhöfe stammen eindeutig aus
derselben Modelprägung, sodass fur die Zeit um 1300 mit einer gemeinsamen
Belieferung dieser Höfe ausgegangen werden kann.69 Die überwiegend zoomorphen,
bisweilen als Fabelwesen gestalteten Motive zeigen starke Übereinstimmungen
mit zeitgenössischen Physiologus-Handschriften bzw. aus diesen abgeleiteten
bildliehen Darstellungen und kötmen als christlich ausgedeuteter Kampf von Gut
und Böse interpretiert werden.70 Möglicherweise bildeten diese gemeinsam mit
anderen Ausstattungselementen, wie Wandmalereien, Teppichen und anderen
Wandtextilien multimediale Programme; darauf deuten die schlecht erhaltenen
Wandmedaillons an der ehemaligen Westwand des Erdgeschoßes im Kremser
Passauerhof hin, die ebenfalls in das frühe 14. Jahrhundert datiert werden und ausgewählte
Äsopfabeln thematisieren, d.h. wiederum moralisierende Inhalte über
Tiere transportieren. 71
Aus diesen Betrachtungen wird bewusst die so genannte “Gozzoburg” ausgeklammert,
da nach derzeitigem Forschungsstand weder klar ist, ob es sich im 1 3 .
Jahrhundert um einen zusanunengehörenden Baukomplex handelt, noch, wer denn
tatsächlich als Bauherr fur die einzelnen Bauteile und deren Ausstattung verantwottlich
zeichnet.72 Es sei nur darauf verwiesen, dass es sich bei diesem Bauen-
68 Johannes-Wolfgang Neugebauer und Christine Neugebauer-Maresch: Zum figuralverzierten
Fliesenboden der Kapelle des Lesehofes, in: Neugebauer: Herren Hof (wie Anm. 59), S. 93-
1 3 1 .
69 Ebda., S . 105 f.; zu den Bodenfliesen aus dem Großen Passauerhof i n Stein an der Donau
siehe: Gertrud Blaschitz: Figural verzierte Bodenfliesen aus der Zeit um 1300, in: Archäologie
Österreichs Sonderausgabe 1995, S. 57-63; Gertrud Blasehitz und Martin Krenn: Bodenfliesen
als Ornament und Symbol. Ein interdisziplinärer Versuch zur millelalter/ichen Bedeutungsforschung,
in: Fundberichte aus Österreich 1994 (33), S. 81-108; dies.: Millelalterliche
Bodenfliesen als Ornament und Symbol. Ein Beitrag zum Themenbereich Alltag und materielle
Kultur des Spätmittelalters, in: 1000 Jahre Krems, hg. von Willibald Rosner. St. Pötten 2004
(Studien und Forschungen aus dem NÖ lnstitutfor Landeskunde Bd. 24), S. 270-323.
70 Ebda.
71 Der Bildzyklus fand an der Südseite bezeichnenderweise in Physiologus-Motiven seine Fortsetzung
(nicht mehr erhalten), vgl. Tietze: Kunst/opagraphie (wie Anm. 58); Elisabeth Vavra:
Ein früher Beleg for die Darstellung von Tierfabeln in der mittelalterlichen Monumentalmalerei
Österreichs. Der Freskenzyklus im Passauer Hof zu Krems, in: Mitleilungen des
Kremser Stadtarchivs 1 9 8 1/82 (21/22), S. 1-20; Lanc: Wandmalereien (wie Anm. 67), S. 138
f.
72 Zur kontroversen Bewerrung siehe als Auswahl mit Fokus auf die Bau- und Besitzgeschichte:
Günter Buchinger et al.: Gozzoburg – Stand der Dinge (Horn-Wien 2007); Günther
104
semble auf keinen Fall um eine “Burg” handelt, sondern am ehesten um einen
Stadthof oder eine Stadtvogtei – eine Bezeichnung, die bislang nur in der deutschen
Forschung Eingang gefunden hat.73 Unabhängig von dieser Frage spielt die
“Gozzoburg” in ihrer Baugestalt und ihrer herausragenden Ausstattung eine zentrale
Rolle für den hier besprochenen Raum, der in diesem Band an anderer Stelle
gewürdigt wird 74 Damit wird aber einmal mehr auf die Bedeutung der herrschaftlichen
“Höfe” und Häuser” als Orte des kulturellen Austausches deutlich: Gerade
entlang der Donau häufen sich nicht zufallig klösterliche und adelige Sitze und
Höfe, die nicht als Befestigungsanlagen anzusehen sind, sondern als Stützpunkte
dieser Eliten in einem sowohl wirtschaftlich als auch flir den kulturellen Austausch
zentralen Raum Mitteleuropas. Dass diese nicht nur auf Städte beschränkt sind,
zeigt das Beispiel von Oberstockstall, weitere sind im unmittelbaren Hinterland der
Wachau zu finden.75 Mit der Kombination aus Saalbau flir semi-öffentliche
Begegnungsstätten, Kapellen und Wohnräumen verfügten viele dieser Höfe über all
jene Infrastmktur, auf die adelige und geistliche Eliten wohl auf ihren Reisen
zurückgreifen wollten und die genau dadurch den Austausch zwischen regionaler
und überregionalen Kulturträgem ermöglichten. Im Gegensatz zu den Höhenburgen
lagen sie oftmals verkehrsgünstiger, wenngleich, wie oben ausgeführt, auch Erstere
klare topographische Bezüge zum regionalen Verkehrsnetz erkennen lassen.
Jedenfalls kann erst unter Berücksichtigtmg beider Phänomene von “Sitzen” ein
dem Facettenreichtun1 mittelalterlicher “Begegnungsorte” angenähertes Bild
entworfen werden. Dafür möge dieser Text einen kleinen Beitrag leisten.
Buchinger, Paul Mitchell, Doris Schön, Helga Schönfellner-Lechner: Die Baugeschichte der
domus Gozzonis zu Krems an der Donau. Das Haus eines Stadtrichters aus dem I 3.
Jahrhundert, in: Burgen und Schlösser. Zeitschrift fiir Burgenforschung und Denkmalpflege
2008 (49/4), S. 228-235; Ernst Englisch: Gozzo und die ” Gozzoburg “. Fragen auf eine
Antwort (Krems 2009); Thomas Kühtreiber, Gerhard Reichhalter und Patrick Schicht:
Gozzoburg – Lage, Baubeschreibung, in: Burgen Waldviertel – Wachau – Mährisches
Thayatal (wie Anm. 26), S. 249-254.
73 Vgl. Mathias Untermann: Handbuch der mittelallerliehen Architektur (Darmstadt 2009), S.
199-201 .
74 Siehe den Beitrag von Kar! Brunner in diesem Band.
75 Als gut erhaltene Beispiele des 13./14. Jahrhunderts sei pars pro toto auf den Hof Altrehberg
Nr. 4 (Thomas Kühtreiber und Gerhard Reichhalter, Rehberg 1/, in: Daim, Kühlreiber und
Kühtreiber: Burgen Waldviertel – Wachau – Mährisches Thayatal (wie Anm. 26), S. 260 f.)
und auf den Sitz “Gießhübl” am Jauerling (Gerhard Reichhalter: Gießhübl, in: ebda., S. 3 1 8 f.)
verwiesen.
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Adelskultur in der “Provinz”:
Das niederösten·eichische Tullnerfeld
als mittelalterliche Kulturlandschaft ( 1 2.-14. Jh.)