Geschlecht, Verwandtschaft und Objektkultur

Abstract
Was hielt Menschen in mittelalterlichen Städten zusammen? Welche Formen von Zugehörigkeit verbanden sie? Urkunden und Verwaltungsquellen dokumentieren die Verflechtung städtischer Gruppen in quantitativ relevanten Mengen. Basierend auf zwei von der Stadt Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Pilotprojekten erfassen wir die Bestände der mittelalterlichen Wiener Urkunden sowie der sogenannten Wiener „Testamentbücher“ (präziser: Stadtbücher, 1395-1430) systematisch in Hinblick auf Verwandtschafts- und Geschlechterbeziehungen, Gütergemeinschaften und Jenseitsökonomie und fragen nach der Rolle materieller Kultur bei der Herstellung und Sichtbarmachung dieser Relationen und Interaktionen. Das Projekt verknüpft in innovativer Weise Prosopographie, Soziale Netzwerkanalyse und Digital Humanities und leistet so zudem einen Beitrag zur Optimierung der Datenstruktur sowie der Editor- und Service-Funktionen von monasterium.net, der größten virtuellen Urkundendatenbank Europas.
Abstract (englisch)
What made people stick together in late medieval cities? Which types of ties and forms of belonging connected them? Charters and other documents of practice provide substantial data on social networks in medieval urban space. Based on two pilot projects funded by the City of Vienna and the Austrian Academy of Sciences we systematically scrutinize Vienna´s medieval charters and further available funds, e.g. of last wills (so called “Testamentbücher”, or more precisely “Stadtbücher”) to establish the connections between kin- and gender relations and material and spiritual economies, as well as the various roles objects played in forging, representing, and strengthening social interactions and relations. Our research innovatively combines prosopographical approaches with a digital humanities methodology and social network analysis and also contributes to further the development of monasterium.net, Europe´s largest database for medieval charters, both in terms of data collection and of the portal´s editing and service functions.
Inhaltsverzeichnis
Der vorliegende Beitrag erläutert das titelgebende Forschungsprojekt, das 2020/21 von der Magistratsabteilung 7 der Stadt Wien in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert wird. Es beruht seinerseits auf einem durch denselben Fördergeber unterstützten Pilotprojekt zum Thema „Stadt und Gemeinschaft. Schenkungen und Stiftungen als Quellen sozialer Beziehungsgeflechte im spätmittelalterlichen Wien“, im Rahmen dessen 2017/18 die Grundlagen für die weitere Arbeit gelegt wurden (vgl. dazu ).
Zur Einführung: Beziehungsgeflechte und Jenseitsökonomie
Verwandtschaftliche, wirtschaftliche und nachbarschaftliche Kontakte waren zentrale Elemente der sozialen und politischen Beziehungskultur in spätmittelalterlichen Städten. Sie wurden wechselseitig gefestigt, artikuliert und ausgebaut.
Heiratsverbindungen dienten der Absicherung und dem Ausbau der eigenen sozialen Stellung, die oft Voraussetzung für die Ausübung zentraler politischer Ämter war. Bilaterale verwandtschaftliche Vernetzungen fanden Ausdruck und Stabilisierung in komplexen, oft intergenerationellen Besitztransaktionen, erbrechtlichen Vereinbarungen, letztwilligen Verfügungen oder auch individuellen Zuwendungen an bestimmte geistliche Institutionen. Der nachhaltige Erfolg solcher Stiftungen im weitesten Sinn hing seinerseits von der Bindekraft dieser Beziehungen ab, diese wiederum von der Dichte und Qualität der sozialen Netzwerke, die sie begründeten: Wenn Menschen beiderlei Geschlechts materielle Werte zur Verfügung stellten, kauften, tauschten oder mit Renten belegt weitergaben, handelte es sich nie nur um rechtlich-ökonomische Transaktionen. Denn immer bekräftigten sie damit auch bestehende soziale Verbindlichkeiten oder begründeten neue, ebenso wie sie emotionale Nähe zum Ausdruck brachten. Wenn sie geistliche Gemeinschaften begünstigten, erwarteten sie von diesen die Erbringung einer Gebetsleistung für ihr eigenes Seelenheil. Durch das „ewige“ Gedenken (memoria) für die Stiftenden und ihre Angehörigen blieben geistliche Gemeinschaften ihrerseits mit diesen dauerhaft verbunden und profitierten längerfristig von deren Zuwendungen.Die große Bedeutung dieser doppelten – materiellen und spirituellen – Ökonomie und der aus ihr resultierenden Verschränkung geistlicher und weltlicher Gemeinschaftsformen äußert sich nicht zuletzt in der großen Anzahl unterschiedlicher geistlicher Institutionen, die in städtischen Räumen durch ihre besondere Dichte auch einer besonderen Konkurrenz unterlagen: Kirchen und Kapellen, Klöster, Spitäler und Siechenhäuser sowie zunehmend auch Bruderschaften, die eng an bestimmte Berufsgruppen gebunden waren, bildeten vielschichtige städtische Sakral- und Sozialtopographien.
Sie entwickelten sich – in jeweils unterschiedlicher geographischer Ausformung – dynamisch durch die Unterstützung der jeweiligen Stadtherren sowie städtischer und regionaler Eliten, die ihrerseits häufig enge Beziehungen untereinander pflegten. In Wien liegt der Beginn dieser Entwicklung im 12. Jahrhundert; sie erfuhr einen ersten Höhepunkt im frühen 13. Jahrhundert unter den letzten Babenberger Herzögen und einen weiteren um 1300 im Zuge der Herrschaftsübernahme der Habsburger in den österreichischen Ländern. Im späten 14. Jahrhundert gab es in Wien rund 50 Kirchen und Klöster, Kapellen und wohltätige Institutionen sowie eine große jüdische Gemeinde. Stadtraum, Sakraltopographie und Herrschaftsstrukturen entwickelten sich in enger Wechselwirkung miteinander; ihre jeweiligen Trägergruppen differenzierten sich im Zuge dieses Prozesses zunehmend aus.Im Fokus des Forschungsprojektes, dessen Zwischenergebnisse wir im Folgenden vorstellen und perspektivisch weiterentwickeln wollen, standen daher zunächst die Gründungs-, Stiftungs- und sonstigen Gütertransaktionen dieser Gruppen mit geistlichen Institutionen. Die Zahl und Heterogenität geistlicher Gemeinschaften im Stadtraum wirft die Frage nach deren spirituellen, sozialen und auch ökonomischen Profilen auf. Welche Personen investierten in welche Gemeinschaften und warum? Untersucht man also konsequent die Relationen zwischen Personen und Institutionen, so wird neben rechtlichen Rahmenbedingungen und Ämterstrukturen eine große Menge an Beziehungskonstellationen sichtbar, die über die einzelnen Rechtsgeschäfte weit hinausgehen. Sie haben die Qualität sozialer Netzwerke und machen gleichzeitig auch Personen sichtbar, die ein Fokus auf den politisch-normativen Rahmen in den Hintergrund rückt. Das gilt besonders für Frauen, die keine politischen Ämter in der politischen Stadtgemeinschaft ausüben konnten, in erb- und besitzrechtlichen Angelegenheiten jedoch Männern weitgehend gleichgestellt waren. Dies äußert sich auch in dem in diesem Projekt bereits erhobenen und ausgewerteten Datenmaterial (vgl. Abb. 1): 25 % aller an den erfassten Rechtsgeschäften beteiligten Personen waren Frauen.
- Abb. 1: Kennzahlen zur Verteilung der erfassten Personen nach Funktion und Geschlecht (Details zu Umfang, Zeitraum und Dokumentation der Daten s.u. mit Anm. 15). Grafik: Herbert Krammer
Verwandtschafts- und Freundschafts- sowie Stiftungsnetzwerke können also als chronologisch und sozial verbindende Konstanten aufgefasst werden. Für ihr effektives Zusammenwirken spielt die Kategorie Geschlecht eine maßgebliche Rolle. Neben der herausragenden Rolle von Heiratsverbindungen für sozialen Aufstieg macht die Überlieferung zu vielen europäischen Städten Bürgerinnen als geschäftsfähige Akteurinnen und gleichwertige Partnerinnen unterschiedlicher Rechtsgeschäfte, etwa als Erblasserinnen und Stifterinnen für geistliche Einrichtungen, sichtbar. Viele von ihnen kamen aus Familien, die in Stadträten und in anderen wichtigen Funktionen vertreten waren. Viele setzten die in diesen Zusammenhängen geknüpften Beziehungen als Mitglieder und Funktionsträgerinnen in Klöstern und karitativen Einrichtungen fort. Hier wird die enge Verflechtung städtischer und geistlicher Kultur besonders deutlich.
Familien- und Besitzverhältnisse waren mit politischen und religiösen Interessen eng verknüpft. Über diese komplexen sozialen Netzwerke ist für besonders gut dokumentierte Städte wie etwa Florenz auf der Basis jahrzehntelanger Forschungen recht viel bekannt. In jüngster Zeit wurden sie zunehmend auch mit digitalen Methoden systematisch ausgewertet und visualisiert und bieten so neue Frageperspektiven und Erkenntnismöglichkeiten.Zwar bieten mitteleuropäische Städte im Vergleich mit jenen in den am stärksten urbanisierten Regionen des mittelalterlichen Europa deutlich weniger umfangreiches Quellenmaterial.
Dennoch stellen die Urkundenbestände und das vielfältige Verwaltungsschriftgut auch dieser Städte besonders ab Mitte des 14. Jahrhunderts eine gute Basis dar, um den hier aufgeworfenen Fragen nachzugehen. Für Wien kann die Überlieferungssituation insgesamt als robust bezeichnet werden. Die stadtgeschichtliche Forschung hat in den vergangenen Jahrzehnten hervorragende Grundlagen sowohl zum städtischen Sozialgefüge Wiens als auch zu den Stadt-Umland-Beziehungen und zur urbanen Entwicklung im weiteren Donauraum geschaffen, wodurch die vorhandenen qualitativen Befunde um quantitative Erhebungen ergänzt und beide integriert werden können. Die grundlegenden Arbeiten von Otto Brunner, Leopold Sailer, Richard Perger u.a. zu Grundbesitz, Finanzen und Funktionen städtischer Eliten sowie zum Erb-, Ehegüter- und Testamentrecht, in denen das Quellenmaterial systematisch erhoben wurde, sind besonders in den letzten Jahren durch netzwerkanalytische Pilotstudien und durch neue Arbeiten etwa zum Wiener Immobilienmarkt sowie zur spirituellen Ökonomie in der Stadt ergänzt worden.Um den Relationen zwischen Gütergemeinschaften, Verwandtschaftsbeziehungen, Jenseitsökonomie und ihren Auswirkungen auf die Bildung von sozialen Gemeinschaftsformen systematisch nachzugehen, haben wir zunächst eine Erhebung prosopographischer Daten von personellen und institutionellen Akteuren auf breiter Basis unternommen, die derzeit laufend weitergeführt und hinsichtlich der Quellenbestände erweitert wird. Dafür nutzen wir einerseits Methoden der digitalen Datenerhebung, und zur Auswertung Methoden der Sozialen Netzwerkanalyse (SNA), ebenso wie andererseits qualitative Fallstudien.
Die dichte Sakral-Landschaft des mittelalterlichen Wien bot dafür eine hervorragende Grundlage. Die ab dem 14. Jahrhundert stark zunehmende Überlieferung setzt sich – neben erzählenden, visuellen und materiellen Quellen (Archäologie, Architektur) – aus mehreren Urkundenreihen und den besonders seit der Mitte des 14. Jahrhunderts stark anwachsenden heterogenen Beständen der städtischen Verwaltungsquellen zusammen, deren systematische Auswertung längerfristig Gegenstand dieses Vorhabens ist. Im Zentrum der Untersuchung stand zunächst die systematische digitale Erfassung aller urkundlichen Quellen, die in Form von Rechtsgeschäften vor allem Schenkungs- und Stiftungsbeziehungen zu geistlichen Einrichtungen in der Stadt Wien seit dem frühen 13. Jahrhundert dokumentieren: Die bislang bis 1404 erfassten 745 Urkunden entsprechen 45,6 % des für diesen Zeitraum erhaltenen gesamten Urkundenbestandes (1.633 Stück). Dieser Befund kann somit als Beleg für die angenommene Bedeutung geistlicher Institutionen als Knoten in zeitgenössischen sozialen Netzwerken gewertet werden. In einem nächsten Schritt wird nun auch der verbleibende Teil dieses Materials ausgewertet, um eine robuste Basis für strukturelle Vergleiche zu erarbeiten.Datenerfassungsmodell und Datenbank
1. Die formale Datenerschließung in einer semistrukturierten Graphen-Datenbank basiert auf den über die Urkundenplattform monasterium.net verfügbaren Urkundenregesten der Quellen zur Geschichte der Stadt Wien. Zunächst wurden mithilfe des dort implementierten Editors die zentralen Analyseeinheiten (Entitäten), d.h. Ereignisse, Personen- und Organisationsnamen samt Attributen sowie formale Funktionen von Personen in Rechtsgeschäften, ebenso wie Orte mittels XML-basierter Mark-Ups digital erfasst (getaggt).
Herzstück der Datenbank ist ein Datenerfassungsmodell (entity-relationship-model, Abb. 2), das auf zwei Pfeilern basiert: der Auszeichnung von Textpassagen in den Quellentexten und dem Anlegen von zentralen Registern der Analyseeinheiten (entities). Die Verknüpfung beider Bereiche geschieht mit Hilfe von Graphen (IDs und Verweise auf IDs). Das Modell strukturiert für die Analyseeinheiten neben der Art ihrer Auszeichnung im Text und ihrer Anlage im Register auch die Möglichkeiten der inhaltlichen Erfassung hinsichtlich ihres Vorkommens in Ereignissen, ihrer Funktionen in Rechtsgeschäften, ihrer Attribute und relationalen Verbindungen. Die mit Informationen zu den Entitäten ausgestatteten Textpassagen (strings) werden in den Digital Humanities factoids genannt. Die Modellierung der Datenbank orientiert sich deshalb am Modell der factoid prosopography. Die Aufbereitung der Daten, die Anlage der Register und die Auszeichnung der Textsegmente erfolgen mit Hilfe des XML-Editors Oxygen und basieren auf den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI).- Abb. 2: Datenerfassungsmodell: graue Kästchen = Register (lists of events, persons, organisations, places); blau = Entitäten; grün = Rolle/Funktion im Rechtsgeschhäft; violett = Relationen; orange = Attribute; blaugrau = zusätzliche Auszeichungsoptionen. Grafik: Korbinian Grünwald
2. Auf dieser Grundlage werden Informationen zu den in die erfassten Rechtsgeschäfte involvierten Akteuren markiert bzw. „ausgezeichnet“ (getaggt), also etwa Aussteller, Empfänger, Siegler, Intervenienten, Zeugen – jeweils beiderlei Geschlechts –, Grundherren und -frauen sowie assoziierte Personen und Institutionen. Der Vorgang des Taggens erfolgt hierarchisch auf vier Auszeichnungsebenen (Ereignis; Funktionen im Ereignis; Entitäten; attributive und relationale Merkmale). Diese Hierarchie gewährleistet die systematische Verbindung aller Ebenen. Die in jedem Regest auftretenden relationalen Bezüge zwischen den so ausgezeichneten Akteuren (Personen; Organisationen) können erfasst werden, indem die Verknüpfung jedes Akteurs mit der Qualität der Beziehung (z.B. kin für Verwandtschaft; office für Amtsträger) sowie mit mindestens einem anderen Akteur, etwa Eltern- oder Geschwisterbeziehungen (kin) oder Amtsbezeichnungen (office) auf der vierten Auszeichnungsebene erfasst wird. Textbasierte Mark-Ups werden also in strukturierter Weise bei gleichzeitiger Führung von Entitäten-Listen (persons, organisations, places, events) vergeben. Diese dienen zur zentralen Identifizierung der Entitäten (IDs), zur Normierung von Namen (forename, surname, addname) und zur Ergänzung weiterer außertextlicher Informationen (z.B. sex). Beide Komponenten – textbasierte Mark-Up-Datenbank und Entitäten-Listen (Register) – referenzieren durch Graphen (IDs und Verweise auf IDs) wechselseitig aufeinander. Dabei ermöglicht es der XML-Editor Oxygen, während der Arbeit im Regest auf die Daten in den bereits generierten Entitäten-Listen zurückzugreifen. So können IDs und normierte Schreibweisen während des Taggens aus diesen direkt abgerufen werden und relationale Informationen zu einzelnen Personen aus vorangegangenen Regesten zur prosopographischen Einordnung noch im selben Arbeitsschritt angezeigt werden.
3. Schließlich hat die analytische Differenzierung von den für das Rechtsgeschäft relevanten Funktionen (Aussteller, Empfänger, etc.), der enthaltenen Entitäten (v.a. Personen und Organisationen) sowie Attributen und Relationen (Ämter, Titel, Berufe, sowie verwandtschaftliche und Dienst-Verhältnisse) und der dadurch markierten Beziehungen zu anderen Akteuren den Vorteil, dass bei umfassenderen Auswertungen einzelne Datensets nach diesen Kategorien strukturiert und diese bei der Visualisierung von Beziehungen mit geringem Aufwand gefiltert werden können. Dadurch lassen sich die aus einer Vielzahl von Rechtsgeschäften gewonnenen Daten qualitativ auf die ihnen zu Grunde liegenden komplexen sozialen Strukturen hin auswerten. Außerdem können die so erfassten Entitäten in Form von XML-Daten in verschiedene Dateiformate konvertiert werden, um weiterführende, quantitative Auswertungen und Visualisierungen in unterschiedlichen Softwareprogrammen (z.B. ORA für bestimmte Varianten der Sozialen Netzwerkanalyse) zu ermöglichen. Die Programmierungen zur Auswertung der Datenbank wiederum können Tabellen zu Personen und Organisationen, zu ihren Attributen und allen genannten Relationen erstellen (vgl. z.B. Abb. 3 kin relations und Abb. 4 staff relations).
- Abb. 3: Screenshot der aus der Datenbank generierten Tabelle zu Verwandtschaftsverbindungen. Von links nach rechts: ID = PersName; Art der Verwandtschaft = kinNorm; verwandte Person = relPerson; Regest und Jahr der Nennung. Grafik: Korbinian Grünwald
- Abb. 4: Screenshot der aus der Datenbank generierten Tabelle zu Verbindungen durch Dienerschaft. Von links nach rechts: ID = PersName; Art der Dienerschaft= staffNorm; dienstgebende Person = relPerson; Regest und Jahr der Nennung. Grafik: Korbinian Grünwald
4. Das Entitätenmodell bietet den besonderen Vorteil, dass die dort angelegten Kategorien nun nach Maßgabe der Projektentwicklung eingeschränkt oder erweitert werden können. Die Daten fungieren selbst als Informationsträger und bilden durch die Mark-Ups zugleich Verbindungen zu anderen Entitäten und damit die Struktur der Datenbank. Auf diese Weise können Mark-Ups ergänzt und präzisiert werden, um sie formal und inhaltlich unterschiedlich strukturierten Quellen oder neuen Fragestellungen anzupassen. Das ist vor allem für die im nächsten Schritt geplante Erfassung von Quellen zentral, die strukturell anders als Urkunden beschaffen sind: Letztwillige Verfügungen, wie sie in großer Zahl in den Wiener Stadtbüchern überliefert sind, machen die Definition neuer Kategorien – allen voran für die zu erfassenden Objekte – nötig und erfordern daher eine flexible Adaption des Datenmodells (vgl. Kapitel 4).
Erste Ergebnisse und ein Fallbeispiel: Die Rathauskapelle als Familienunternehmen
Bislang wurden mithilfe des vorgestellten Datenmodells 745 Rechtsgeschäfte vom Beginn der Überlieferung im frühen 13. Jahrhundert bis 1404 ausgewertet. Die Datenbank weist derzeit 2.269 individuelle Personen, davon 1.713 (75,5 %) Männer und 556 (24,5 %) Frauen in ihren Interaktionen mit 169 geistlichen Institutionen (v.a. Kirchen/Kapellen, Klöster, Pfarren, Spitäler/Siechenhäuser) aus, die nun systematisch in Hinblick auf die titelgebenden Kategorien im Rahmen von Beziehungsgeflechten von geistlichen und weltlichen Akteuren ausgewertet werden können (vgl. Abb. 1 und 5). Dabei ist allerdings die laufend veränderte Überlieferungslage zu berücksichtigen: Während der ausgewertete Wiener Urkundenbestand (QGStW 2/2) bis 1300 gerade einmal 25 Dokumente umfasst, wächst er danach deutlich an: In den 20 Jahren von 1301 bis 1320 enthält er bereits 50 Urkunden; 100 Jahre später weist er für nur vier Jahre (1401–1404) 54 Urkunden aus. Diese Entwicklung setzt sich einerseits wie überall im 15. Jahrhundert verstärkt fort. Andererseits steigt gleichzeitig die Verwaltungsüberlieferung in den Wiener Stadtbüchern noch deutlich stärker an, in deren Rahmen nun auch ein relevanter Teil der zuvor nur urkundlich dokumentierten Geschäfte sowie zahlreiche weitere Bestände erhalten sind. Von einer linearen Ablösung der einen durch die andere Überlieferungsform kann daher nicht ausgegangen werden.
Ungeachtet dessen unterstreichen diese ersten Befunde einerseits zentrale Entwicklungen und Aufgabenbereiche geistlicher Einrichtungen im 13. und 14. Jahrhundert und lassen andererseits bereits jetzt klarer konturierte Schlussfolgerungen zu den Profilen geistlicher Gemeinschaften und den Strategien ihrer Institutionalisierung in Wechselwirkung mit jenen sozialer und politischer Elitenbildung zu.
Von den 49 identifizierten Kirchen und Kapellen hält St. Stephan, die wichtigste Pfarrkirche Wiens, erwartungsgemäß die Spitzenposition mit 186 urkundlichen Nennungen, gefolgt von der Rathauskapelle, deren herausragende Bedeutung mit 163 Nennungen ebenfalls klar ersichtlich ist (Abb. 5).- Abb. 5: Die zwanzig am häufigsten genannten geistlichen Organisationen gemäß ihrer funktionalen Rolle im Rechtsgeschäft. Grafik: Herbert Krammer
Unter den insgesamt 47 genannten Klöstern für Männer und Frauen gehören die am häufigsten genannten zu den frühen Gründungen. Hier wird die Bedeutung langer Tradition gut sichtbar: So erhielten die „alten Orden“ und die Mendikantenhäuser, die teils bereits in babenbergischer Zeit, fast immer aber noch vor bzw. um 1300 gegründet worden waren, ihre Unterstützungen vor allem aus einem tendenziell exklusiveren Beziehungsnetz von „Erbbürger“-Familien, der landesfürstlichen Entourage und ab den 1320er Jahren auch von neuen sozialen Eliten, letztere gekennzeichnet unter anderem durch ihre Mitgliedschaft im Wiener Stadtrat.
Das Wiener Bürgerspital, ebenfalls eine Gründung des 13. Jahrhunderts, war eine Schlüsselinstitution bürgerlicher Spitzengruppen, während vergleichsweise „neue“ städtische Sakralorte wie die Rathauskapelle sowohl von „alten Eliten“ als auch von aufstrebenden städtischen Gruppen für Beziehungspflege und sozialen Aufstieg genutzt werden konnten.Die eng verschränkten Erfolgsgeschichten der Rathauskapelle und der Familie Poll sind exemplarisch für die Integration verwandtschaftlicher und freundschaftlicher, geistlicher und weltlicher Netzwerke in einer formativen Phase der städtischen Eliten. Diese lässt sich in den Jahren von 1343 bis 1379, in denen Jakob Poll als Kaplan der Kapelle tätig war, besonders gut nachvollziehen: Die Familie Poll zählte vom Ende des 13. bis jedenfalls zu Beginn des 15. Jahrhunderts zur sozialen und politischen Elite Wiens. Konrad Poll war der erste Bürgermeister (1282) unter habsburgischer Herrschaft; Niklas Poll übte diese Funktion in den 1320er und 1330er Jahren mehrfach aus.
Im 14. Jahrhundert bekleideten Familienmitglieder laufend bedeutende Ämter in der städtischen und landesfürstlichen Verwaltung, waren regelmäßig im Wiener Stadtrat vertreten und gingen kontinuierlich Heiratsverbindungen mit anderen ratsbürgerlichen Familien ein. Jakob Poll führt mit 108 Nennungen im Bestand unserer Datenbank die Liste der meistgenannten Personen mit großem Vorsprung an (die Plätze 2–9 sind mit jeweils 39 bis 20 Nennungen vertreten, vgl. Abb. 6). Zwischen 1342 und 1401 weist der Bestand 18 individuelle Familienmitglieder des Namens Poll aus, drei davon sind Frauen.- Abb. 6: Die zwanzig am häufigsten genannten Personen gemäß ihrer funktionalen Rolle im Rechtsgeschäft
Die verwandtschaftlichen, freundschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen der Polls umfassten Kaufmannsfamilien, herzogliche Amtsträger, den Passauer Bischof und Wiener Ratsbürgerfamilien sowie geistliche Institutionen. Im Zentrum dieses Beziehungsgeflechts stand die Rathauskapelle. Das Wiener Rathaus wurde 1341 neben einer ursprünglich privaten Kapelle errichtet, die bereits seit 1316 dem Stadtrat unterstellt war; später fanden hier die regelmäßigen Treffen des Rates statt; seit 1343 wirkte Jakob Poll dort als Kaplan bzw. Rektor.
Im Folgenden soll anhand einer Netzwerkgrafik auf der Basis ausgewählter Datenbank-Entitäten skizziert werden, welche Anzahl von Faktoren bei der Etablierung der Familie Poll gleichzeitig mit der institutionellen Entwicklung der Rathauskapelle und der Ausdifferenzierung der im Stadtrat vertretenen politischen Elite zusammenwirkte (Abb. 7: Geistliche der Rathauskapelle und ihre Verwandten: Two-Mode-Netzwerk, generiert mit ORA).- Abb. 7: Two-Mode-Netzwerk zu den Verwandtschafts- und Amtsverbindungen des geistlichen Personals der Rathauskapelle 1325–1379, erstellt mit ORA. Grafik: Herbert Krammer
Die Grafik resultiert aus einer kombinierten Abfrage: 1) Über die office-Verknüpfung der Datenbank wurde nach allen Personen gesucht, die von Beginn des Erfassungszeitraums bis 1379 ‒ dem Jahr der letzten urkundlichen Nennung Jakob Polls ‒ als Geistliche für die Rathauskapelle tätig waren. Diese Informationen ließen sich auch mithilfe des Registers der QGStW rasch identifizieren. 2) Nun kommt aber mit den in den Urkunden erwähnten Verwandtschaftsverbindungen der Geistlichen der Kapelle ein weiterer Suchparameter hinzu. 3) Es wurden nicht nur die Verwandten der Geistlichen selbst abgefragt, sondern auch die Verwandten dieser Verwandten. 4) Schließlich wurde analog zu den Geistlichen der Rathauskapelle auch nach den Amtstätigkeiten von deren Verwandten für andere geistliche Institutionen gefragt.
Es dürfte deutlich werden, dass sich die Ermittlung und Darstellung solcher vernetzten Informationen durch eine klassische Registersuche und in tabellarischer Form nicht bewerkstelligen ließe. Dazu kommt, dass die strukturelle Bedeutung bilateraler Verwandtschaftsverhältnisse in oft uneindeutiger Namensführung resultiert, die wiederum das Aufspüren von Seitenverwandten erschwert. Die Datenbankabfrage durch flexible Kombination der erfassten Entitäten und die Visualisierung des Suchergebnisses in einer Netzwerkgrafik erlaubt hingegen einen ersten Zugang zur Komplexität dieser Verflechtungszusammenhänge und damit einen Ausgangspunkt für weitere qualitative Untersuchungen.
Die ausgezeichneten und identifizierten Entitäten stellen 60 Personen (davon 39 Männer und 21 Frauen) und zwei Institutionen (gelb) in Form von Knoten dar. Die Kanten markieren ein Amts- (orange) oder Verwandtschaftsverhältnis (grün). Netzwerkanalytisch ist die Grafik als Two-Mode-Netzwerk anzusprechen, d.h. die Darstellung verfügt über Knoten unterschiedlichen Typs (Personen und Institutionen).
Die meisten Kanten (insgesamt 80) führen erwartungsgemäß zu Jakob Poll, dem Kaplan der Rathauskapelle. Sie zeigen dessen Verbindungen – als dichtes Geflecht auf der rechten Seite – zu direkten und zu Heiratsverwandten. Da die für diese Netzwerkgrafik gewählten Parameter auch Verwandte von Verwandten inkludierten, weist die Darstellung auch weitläufigere Verbindungen aus, so etwa zwischen der Familie Poll und jener des Niklas von Ragelsdorf, eines Hilfspriesters an der Rathauskapelle oder zum Wiener Ratsherrn und herzoglichen Amtsträger Siegfried Reicholf.Diese Zusammenhänge wären allein aus der Lektüre des Quellenmaterials kaum identifizierbar gewesen; so jedoch bieten sie einen Ausgangspunkt für Fragen nach den Mechanismen der Rekrutierung geistlichen Personals und der Rolle verwandtschaftlicher Beziehungen als Kriterium dafür. Ein aussagekräftiges Beispiel dafür ist die letztwillige Verfügung Jakob Polls (1369) über seine fahrende Habe. Als Empfänger der Objektlegate werden fast nur Kapläne unter seinen Verwandten, besonders solche der Rathauskapelle, sowie persönliche Diener angeführt. Sie erhielten liturgisches Gerät, Kleider, Bücher und Bettzeug, die ihre bereits bestehenden, mit Gebetsleistungen für Jakobs Familie verbundenen Stiftungseinkünfte ergänzten.
Zudem sollte der Verkauf seiner individuellen Einkünfte die materielle Ausstattung des künftigen geistlichen Nachwuchses der Rathauskapelle sichern. Vollstreckung und Bezeugung der Verfügung verdeutlichen wiederum die personellen und institutionellen Verbindungen Jakobs und seiner Familie: Drei der begünstigten Kapläne ernannte er zu den Exekutoren seiner Verfügung. Darunter befand sich der erwähnte Niklas von Ragelsdorf, dessen verwandtschaftliche Verbindungen wiederum zur einflussreichen, mit den Poll verschwägerten Familie Würfel sowie zur Familie Reicholf führen. Als Bürgermeister trat Niklas Würfel einmal gemeinsam mit Niklas Steiner, einem „Kämmererkollegen“ von Jakobs Bruder Ulrich, als Siegelzeuge von Jakobs Geschäft auf.Ein weiterer „Netzwerkeffekt“ ergibt sich aus der Visualisierung der Verbindungen von Personen im Dienst anderer geistlicher Institutionen, die mit Geistlichen der Rathauskapelle in einem verwandtschaftlichen Verhältnis standen. Über diese werden etwa die Verbindungen zwischen der Rathauskapelle und der Kapelle der Hl. Philipp und Jakob deutlich. Letztere war eine frühe Gründung einer mit den Poll verschwägerten Familie; 1370 war sie im Besitz von Lienhard Poll, einem Cousin von Jakob Poll (siehe Abb. 7), 1376 ist Siegfried Poll als ihr Vorsteher belegt.
Beide Kapellen wurden über mehrere Generationen als „Familienunternehmen“ geführt. Die politischen Funktionen und wirtschaftlichen Investitionen von Mitgliedern der Familie Poll überlagerten sich also mit unterschiedlichen Formen ihrer Memorialpraxis. Welches Interesse hatten vermögende Angehörige städtischer Eliten wie die Poll daran, mehrere geistliche Institutionen zu finanzieren? Welche Rolle spielten diese für ihr ökonomisches und soziales Kapital?In der Grafik sind jene Personen mit einem blauen Knoten gekennzeichnet, die als Benefaktoren der Rathauskapelle nachweisbar sind. Diese Informationen stammen aus einem 1367 angelegten Verzeichnis von Besitzungen, Altar- und Messstiftungen sowie liturgischem Gerät der Rathauskapelle. Auch wenn in diesem Besitzinventar selbst fast nur männliche Stifter angeführt sind, geht aus den einzelnen Stiftungsurkunden hervor, dass die Zuwendungen jeweils von Ehepaaren getätigt wurden.
Elf von fünfzehn in dem Besitzinventar angeführten Benefaktoren fanden zudem aufgrund ihrer Verwandtschaftsbeziehungen zu einem der Geistlichen in die Netzwerkgrafik Eingang, gekennzeichnet durch blaue Einfärbung. Die Sorge für ihr Seelenheil war also doppelt abgesichert – sowohl institutionell, als auch verwandtschaftlich. Beide Faktoren stabilisierten einander gegenseitig.Die Grafik hilft somit zu verstehen, dass die Geschichte der Rathauskapelle, die ihre Bedeutung in der Wiener Sakrallandschaft v.a. ihrer Rolle als Versammlungs- und Memorialort für die Mitglieder des Stadtrates zu verdanken scheint, gleichzeitig als Geschichte eines Familienunternehmens erzählt werden kann. Die Familie Poll nutzte die Kapelle, um ihre eigene Position innerhalb der ratsbürgerlichen Elite auszubauen bzw. in ihr Zentrum vorzudringen. Die Kapelle fungierte ihrerseits als Ort der Vernetzung zwischen den Polls, ihren Ratsfreunden, aber auch Personen, die über ihre geistlichen Funktionen zusammen mit bilateralen Verwandtschaftsbeziehungen einen sozialen Aufstieg in diese Gruppe schafften.
Die aus der Datenbank extrahierten Tabellen und die auf ihnen basierenden Netzwerkgrafiken dienen als heuristisches Mittel, um solche Perspektiven der Auswertung zu erschließen, zu testen und aufgrund der daraus resultierenden präziseren Fragemöglichkeiten gezielt weitere Quellenbestände zu durchsuchen. Als Werkzeuge gewährleisten sie eine konsequente Rückbindung der quantitativen Erfassung an qualitative Analysen, nicht zuletzt, weil trotz der Abstraktion der ausgezeichneten Informationen aus dem Quellenmaterial der Bezug zum einzelnen Quellenstück immer erhalten bleibt.Datenbank und Objektkultur
Objekte und Aspekte materieller Sachkultur blieben während der Pilotphase unseres Projekts in der Systematik unserer Datenbank zunächst unberücksichtigt. Die Arbeit am Wiener Urkundenmaterial unterstrich jedoch sowohl die inhaltliche Bedeutung als auch die strukturelle Relevanz von Objekten
(d.h. Transaktionsgüter in Rechtsgeschäften) als dritten Akteurstyp neben den im Entitätenmodell als zentral identifizierten Personen und Organisationen. Letztwillige Verfügungen, wie sie im Bestand der Wiener Stadtbücher von 1395 bis 1430 überliefert sind, gehören zu jenen Quellengattungen, die sich sowohl aus alltagsgeschichtlicher als auch aus sozialhistorischer Perspektive auswerten lassen. Die parallele systematische Auswertung der urkundlichen und der „Stadtbuch“-Überlieferung verspricht also einen besonders dichten und auch heterogenen Befund für die in den folgenden beiden Abschnitten unseres Beitrags zu erörternden neuen Aspekte einer um Objekte als Kategorie erweiterten Fragestellung.Wie andere urkundlich dokumentierte Rechtsgeschäfte auch geben letztwillige Verfügungen immer nur Einblick in einen Teil potentiell relevanter Transaktionen, da die zeitgenössischen erbrechtlichen Vorgaben schriftliche testamentarische Verfügungen zwar zusätzlich zum regulären Erbfall an die Kinder erlaubten, aber eben nicht zwingend nötig machten. Vielmehr bringen die vorhandenen Testamente daher den expliziten Willen der Erblasser*innen zum Ausdruck, ihre Beziehungen zu Verwandten, Freunden, Dienerschaft und geistlichen Institutionen aktiv zu gestalten.
Dabei haben Objekte als Materialisierung von Beziehungskulturen einen besonderen Stellenwert, der sich mittels der hier skizzierten erweiterten Erhebung spezifizieren lassen wird: Objekte werden von Menschen geschaffen und mit Bedeutung versehen, sie bringen Beziehungen zwischen Menschen zum Ausdruck, ebenso wie sie zu deren Herstellung in unterschiedlichen sozialen Praktiken und zu ihrer mittelfristigen Verstetigung beitragen. Objekte sind demnach in unserem konkreten Kontext Repräsentationen des geistlichen wie weltlichen Lebens, spiritueller Vorstellungen und Praktiken ebenso wie sozialer Netzwerke. Aus dieser Relationalität von Objekten, Personen und Institutionen ergeben sich folgende Fragen: Auf welche Weise setzten Transaktionsgüter Personen und Institutionen zueinander in Beziehung? Welche Typen materieller Kultur treten im Quellenmaterial auf? In welcher Weise kann der Vielfalt von Objekten im Quellenmaterial in einer semistrukturierten Graphen-Datenbank Rechnung getragen werden? Ausgehend von den anhand der Fallstudie zur Familie Poll und der Wiener Rathauskapelle vorgestellten Befunden möchten wir nun diskutieren, ob und wie den skizzierten Interaktionen personeller und institutioneller Akteure mithilfe einer Konzeption von Objekten als Analysekategorie eine weitere Dimension verliehen werden kann.Aspekte materieller Kultur spielen in nahezu allen mittelalterlichen Rechtsgeschäften eine Rolle. Allein der Umstand der schriftlichen Dokumentation rechtlicher Transaktionen unterstreicht den Stellenwert der Materialität für Legitimation und langfristige Wirksamkeit. Dementsprechend wurde die Gültigkeit getroffener Vereinbarungen in Urkundenformeln oft explizit auch für nachfolgende Generationen betont.
Dieser Materialität historischer Überlieferung in einer Datenbank Rechnung zu tragen bedeutet, sie für Benützer*innen digital gestützter Anwendungen weiterhin nachvollziehbar zu halten. Unsere Datenbank kommt diesem Erfordernis insofern nach, als jedes Rechtsgeschäft als individuelles Ereignis (event) erfasst wird. Versehen mit einem Identifikator (ID), bleibt der Bezug zu jedem einzelnen Beleg auf monasterium.net erhalten. Auf dieser digitalen Urkundenplattform kann wiederum zu jeder Urkunde des Wiener Bestands ein Digitalisat abgerufen werden. Der gesamte Prozess der Quellenbearbeitung vom Bild der Quelle bis hin zu den darin digital markierten Informationen wird auf diese Weise zugänglich gemacht, während gleichzeitig Visualisierungen komplexer Verknüpfungen dieser Informationen möglich werden. Die Sichtbarmachung der Materialität historischer Überlieferung kann also den von der materiellen Grundlage der Überlieferung notwendigerweise abstrahierenden gedruckten Editions- und Regestenwerken neue Tiefe verleihen und bietet gleichzeitig neue Möglichkeiten ihrer inhaltlichen Auswertung.Die Objektkategorie im Sinn einer Entität der Datenbank umfasst aber nicht nur schriftliche Überlieferungsträger, sondern – in unserem Projektzusammenhang – außerdem alle mobilen Gegenstände, Immobilien, Geldbeträge, aber auch Bezugsrechte oder Renten, die mit Liegenschaften verbunden waren.
Objekte strukturell in der Datenbank zu implementieren bedeutet, sie als gleichwertige Akteure den analytischen Entitäten Personen und Organisationen zur Seite zu stellen. Zeitgenoss*innen teilten ihnen in Rechtsgeschäften stets einen besonderen Platz zu. In der datenbanktechnischen Terminologie handelt es sich um „Transaktionsgüter“. Aus der Perspektive spätmittelalterlicher Geschäftspraktiken sind das meist Immobilien und Grundstücke auf der einen, bewegliche Güter wie Kleidung, Hausrat, Wertgegenstände, Geld sowie der Anspruch auf Besitzrechte oder Abgaben (Burg- und Bergrecht) auf der anderen Seite. Diese Objekte bildeten die materielle Grundlage für die Interaktionen jener Personen und Institutionen, auf deren Erfassung sich die Pilotphase des Projekts beschränkt hat. Gleichzeitig lassen sich Objekte keineswegs auf ihren materiellen Wert reduzieren, denn oft bündelten sie spirituelle und soziale, symbolische und emotionale Bedeutungen, spielten eine potentiell relevante Rolle bei der dynamischen Entwicklung der Beziehungen, innerhalb derer sie verhandelt wurden, und hatten so einen maßgeblichen Anteil an genau jener spirituellen und materiellen Ökonomie, die Gegenstand unseres Projekts ist.Fallstudie: Die beiden Testamente des Leonhard Schauer
Wie also können Objekte im Rahmen der Datenbank neben Personen und Organisationen als Akteure erfasst und in ihrer Relationalität dargestellt werden? Diese Frage soll anhand zweier in Urkundenform überlieferter Testamente konkretisiert werden. Testamente eignen sich für die Analyse von Objekten als Akteure insofern, als sie – in der Datenbankterminologie – oft eine große Anzahl an Personen, Organisationen und Objekten nennen, die in anderen Rechtsgeschäftstypen – etwa in Kaufgeschäften – unerwähnt bleiben, die nur wenige spezifische zur Transaktion bestimmte Güter anführen.
Letztwillige Verfügungen hingegen spiegeln die Komplexität sozialer Verflechtungen oftmals innerhalb eines Dokuments wider und eignen sich besonders, um Ausprägungen materieller Kultur systematisch zu analysieren. Erblasser*innen gaben einzelne Objekte nach Maßgabe unterschiedlicher Motive und persönlicher Beziehungen weiter. Testamente betreffen ferner nicht die Gesamtheit einer Erbmasse. Häufig handelt es sich um spezifische Verfügungen über Teile davon, die abseits der durch erbrechtlich-normative Rahmenbedingungen ausgefolgten Pflichtteile nun ad personam verteilt wurden. Demzufolge können die in einem Testament bedachten Personen und geistliche, etwa karitative Einrichtungen als den Erblasser*innen nahestehende Verwandte und Nachbarn, Freunde und Bekannte identifiziert werden.Die Möglichkeit der individuellen Vergabe von Teilen eines Nachlasses in Form letztwilliger Verfügungen stand Menschen beiderlei Geschlechts offen. Die darin vermachten Objekte eröffnen daher Perspektiven auf inner- und außerfamiliäre Geschlechterbeziehungen, die in Verträgen anderer Art meist nicht thematisiert werden. Frauen als Erblasserinnen hinterließen persönliche Hausgegenstände oft anderen Frauen aus ihrem nahen verwandtschaftlichen Umfeld, während Männer in diesen Testamenten zu den rechtlich befugten Willensvollstreckern ernannt wurden. Ein Beispiel hierfür ist Dorothea, genannt „Wirtin im Prathaus“, die ihre letztwillige Verfügung im Jahr 1409 vor den Wiener Stadtrat brachte.
Sie bedachte ihre liebe mueme Ursula mit familiären Liegenschaften im Familienbesitz und vermachte irer Maretlein ihr kostbares Bett samt Bettzeug (gros pett mit cholnischen ziechen und zwen haubppolster). Diese Objekte stammten aus Dorotheas persönlichem Lebensbereich und wurden an ihr nahestehende Frauen weitergegeben. Nähe und Zugehörigkeit brachte Dorothea allerdings nicht nur durch die Art der ihnen hinterlassenen Objekte, sondern auch durch Pronomina und Attribute wie irer und liebe zum Ausdruck. Solche Anreden erleichtern es, sich dem emotionalen Wert zeitgenössischer sozialer Beziehungen anzunähern; sie fanden insgesamt jedoch nur selten Eingang in rechtliche Transaktionen. Das folgende Beispiel zeigt, dass eine retrospektive Einordnung sozialer Beziehungen auch ohne die Hilfe affektiver Termini möglich ist, wenn Objekte als Akteure analysiert werden.Zwei Testamente aus den Jahren 1399 und 1411 stammen von Leonhard Schauer, der als Offizial des Bischofs von Passau im Herzogtum Österreich in Wien residierte.
Der studierte Jurist war Kanoniker der Domkapitel von Regensburg, Passau und Brixen. Seine Tätigkeiten als Offizial erstreckten sich über das gesamte Passauer Diözesangebiet mit Schwerpunkten entlang der Donau. Schauer gehörte ferner zu den ältesten Magistri der Wiener Artistenfakultät; 1394 bekleidete er das Amt des Rektors an der Wiener Universität. Er war eine Schlüsselfigur in den Beziehungen zwischen Bistum und Herzogtum ebenso wie zwischen Stadt und Universität. Seine letztwilligen Verfügungen sind Ausdruck dieser Brückenfunktionen, die er in den politischen Spitzengruppen zwischen Wien und Passau einnahm.Das erste – lateinische – Testament (1399) betont seine engen Beziehungen zu geistlichen Großen. Als Verwalter seines Nachlasses nominierte Schauer folgende Personen: Sein Blutsverwandter Friedrich von Gars war prothonotarius Herzog Albrechts IV. von Österreich; sein Freund Johann von Kranichberg war wie Schauer selbst Kanoniker im Kapitel von St. Stephan; sein Freund und Gönner Johann Hippelsdorfer Dechant und Pfarrer der großen Passauer Pfarre St. Stephan bei Kirchberg am Wagram. Schließlich nannte er die Wiener Bürger Niklas Weispacher, oberster Finanzverwalter Albrechts IV., sowie Schauers Schwager Johann Sellator.
Leonhard Schauer selbst war unter anderem in Wien wohnhaft, sein Haus befand sich in der Hinteren Bäckerstraße. Seine soziale Zugehörigkeit zur Wiener Elite brachte er auch durch Legate an alle Wiener Klöster, Spitäler und Leprosenhäuser zum Ausdruck.In seinem zweiten – deutschsprachigen – Testament aus dem Jahr 1411 nominierte er zwei weitere Wiener Ratsbürger, Paul Geyr und Wolfgang Purkchartsperger, sowie Erhart Schierl, ebenfalls Kanoniker in St. Stephan, zu den Vollstreckern seines letzten Willens. Seine besondere Beziehung zu den Habsburger Herzögen unterstrich Leonhard Schauer durch zahlreiche Begünstigungen der Kartause Mauerbach im Wienerwald, wo er nicht nur seine Grablege wählte, sondern auch eine persönliche Kapelle ausstattete.
Die engen politischen und ökonomischen Beziehungen zwischen Wien und Passau brachte Schauer ferner durch kostbare Gaben an die Kirche Maria am Gestade in Wien zur Geltung, der er seine Bücher und große Geldsummen vermachte. Maria am Gestade befand sich (mit kurzer Unterbrechung) im Besitz des Bischofs von Passau und war architektonisch mit dem Amtssitz seines Offizials, also Schauers Wirkungsstätte, verbunden.Anhand von Schauers Legaten lassen sich seine sozialen Beziehungen strukturieren und hierarchisieren.
Liegenschaften und Hausrat, die in keiner direkten Verbindung zu seiner amtlichen Tätigkeit standen, verblieben im engsten Kreis der Familie. Die größten Vermögenswerte und persönliche Gegenstände (Weingärten, Haus, Hausrat und Bettzeug) vermachte Schauer seiner Schwester Dorothea und ihren Kindern. Dorothea ist zwar die einzige Frau, die Schauer berücksichtigt, nimmt jedoch den ersten Platz unter den von ihm Begünstigen ein und wird mit ihren Kindern stets unabhängig von ihrem Ehegatten (vermutlich Johann Sellator) genannt.Nach diesen nächsten Familienangehörigen folgen weitere Freunde und Verwandte. Ihnen vermachte Schauer Wertgegenstände, nämlich vergoldete Gefäße, vermutlich Kelche (scyphus, hier jeweils: cyphus). Aus diesem Kreis ragt Herzog Albrecht IV. heraus, der den wertvollsten (sic) dieser Kelche erhielt. Dass es sich dabei nicht nur um eine formale Berücksichtigung des Herzogs handelte, zeigt im Vergleich Schauers zweites Testament von 1411. Darin erhalten alle drei damals regierenden und miteinander konkurrierenden Habsburger Herzöge Leopold, Ernst und Albrecht pauschal eine Summe von 100 Pfund Pfennig.
Eine ebenfalls besondere Rolle spielte Bischof Georg von Passau. Ihm vermachte Schauer ein wertvolles Dekretale „mit Spangen“ sowie kostbares Silbergeschirr. Mit weiteren vergoldeten Kelchen bedachte Schauer außerdem seine Testamentsvollstrecker sowie den Propst des Stifts Klosterneuburg; letzterer erhielt allerdings nur einen „kleinen“ Kelch.Diesem Personenkreis an Freunden und Verwandten, der außerhalb des engsten Familienkreises lag, folgten nun geistliche Einrichtungen – v.a. Klöster und Pfarrkirchen –, die überwiegend mit Schauers Amtstätigkeit in Verbindung standen. Maria am Gestade in Wien erhielt einen Geldbetrag und einen Teil der umfangreichen Bibliothek Schauers, ebenso wie die Kartause Mauerbach, die zudem seinen Ornat bekam. Auch ein geplantes herzogliches Kolleg bei den Wiener Dominikanern wurde bedacht. Die Pfarrkirche in Laa an der Thaya sollte Schauers liturgische Geräte erhalten: sein Messbuch, seinen Messkelch und sein blaues Messgewand aus Samt.
Der vierte und letzte Kreis der sozialen Beziehungen Schauers erstreckt sich über seine engeren Wirkungsstätten hinaus und verortet ihn gleichermaßen als Repräsentanten des Bistums Passau wie des Herzogtums Österreich. Hier wurden ausschließlich Geldbeträge vergeben und großflächig auf zahlreiche geistliche Institutionen und die beiden Dombaustellen in Wien und Passau verteilt. Überdies begünstigte er durch kleinere finanzielle Zuwendungen sein Personal – etwa seinen Notar Michael, seinen Kaplan Martin und seinen Diener Hänslein.
Zusammenfassend können Schauers soziale Beziehungsgeflechte aus der Perspektive seiner letztwilligen Verfügungen anhand der darin vermachten Objekte wie folgt strukturiert werden: 1) engster Familienkreis: Geschwister, deren Ehepartner sowie deren Kinder; 2) persönliche Freunde und weitere Verwandte; 3) Institutionen, an denen Schauer in Ausübung seiner Ämter wirkte; 4) Gemeinschaften, die ihrerseits den übergeordneten geistlichen Einheiten angehörten, die Schauer als Amtsträger repräsentierte. Diese Kreise sozialer Beziehungen lassen sich durch die Vergabe von Objekten konzentrisch anordnen: Angehörige aus Kreis 1 erhielten Immobilien, Hausgeräte sowie die höchsten Vermögenswerte; Angehörige aus Kreis 2 besondere Wertgegenstände; Angehörige aus Kreis 3 Gegenstände, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der Profession des Erblassers standen; Angehörige aus Kreis 4 mehrheitlich kleinere, mittlere sowie wenige größere Geldbeträge.
Ausblick: quantitative Erfassung und qualitative Analyse
Objekte neben Personen und Organisationen als Akteure in die Struktur unserer Datenbank einzuführen, weist also folgende Perspektiven: Vergleichbar mit der im dritten Kapitel erläuterten, kombinierten Abfrage zu einem einzigen Aspekt des Beziehungsgeflechts der Familie Poll (Verwandtschaft und geistliche Karrieren) verdeutlicht der Umfang der vollständigen Erfassung aller so kategorisierbaren Gegenstände in zwei Testamenten derselben Person (Leonhard Schauer) im fünften Kapitel dieser Studie, dass nur eine systematische, digital gestützte Erhebung von quantitativ relevanten Mengen solcher Dokumente eine Analyse größerer Verflechtungszusammenhänge gewährleisten kann. Für die technische Erfassung müssen spezifische datenbankkompatible Kategorien gebildet werden.
Die Liste aller Legate in Schauers Testamenten lässt sich gemäß dem im zweiten Kapitel unseres Beitrages vorgestellten Datenerfassungsmodells wie folgt aufbereiten: Erfassung 1) der Textsequenz, die Objekte enthält; 2) des Erblassers als Aussteller der letztwilligen Verfügung; 3) der Empfänger*innen der Gegenstände; 4) Schlagworte – catchwords in der Sprache der TEI –, welche diese Objekte in die Struktur der Graphen-Datenbank integrieren. Die Definition jener Kategorien, mit denen solche catchwords analog zu den „Untergruppen“ für Personen und Organisationen spezifiziert werden können, soll ihrerseits in Rückbindung an Beschlagwortungssysteme bereits bestehender Datenbanken – etwa der Bilddatenbank REALonline des IMAREAL – erfolgen, um größtmögliche Interoperabilität zwischen den verschiedenen Systemen zu garantieren.
Die Überlieferung der Wiener Stadtbücher, deren Bestand an Testamenten im fünften Kapitel dieses Beitrags in den Fokus gerückt wurde, war nicht zuletzt ein Effekt jener normativen Bestimmungen Rudolfs IV., mit denen der Herzog den Folgen der Pestjahre von 1348/49 und der daraus resultierenden sozio-ökonomischen Krise zu begegnen suchte. Die mit seinen Maßnahmen intendierte Wiederbelebung und gleichzeitige Regulierung des Wiener Immobilienmarktes führte zu einer deutlichen Zentralisierung der städtischen Verwaltung und zu dem erwähnten quantitativen und qualitativen Anstieg der Überlieferung seit den 1360er Jahren. Ein weiterer Effekt der rudolfinischen Maßnahmen bestand darin, dass der ökonomische Spielraum geistlicher Grundherren zugunsten der Stadt als politischer Gemeinschaft deutlich eingeschränkt wurde. Geistliche Institutionen standen von nun an mit der Stadt als größtem Grundbesitzer in einem Konkurrenzverhältnis. Gleichzeitig modellierten Bruderschaften und Gilden neue städtische Gemeinschaftsformen teils nach Vorbildern bestehender geistlicher Institutionen. Ihre Zunahme und Bedeutung stand ihrerseits in Wechselwirkung mit der ökonomischen und sozialen Dynamik dieser Jahrzehnte, die in einer Ausdifferenzierung städtischer Berufsgruppen und im sozialen Aufstieg von Personen und spezifischen Gruppen aus dem Handwerkermilieu in Schlüsselpositionen in der Stadt resultierte. Einen rechtlichen Abschluss fand dieser Prozess im Ratswahlprivileg von 1396, in dem den Handwerkern ein Drittel der Sitze im Rat zugestanden wurde. Schließlich war der durch die „Stadtbuch“-Überlieferung abgesteckte, unmittelbar auf diese Jahrzehnte folgende Zeitraum zwischen 1395 und 1430 eine „neuralgische“ Zeit sozio-politischer Umbrüche, die anhand der nahezu permanenten Konflikte zwischen konkurrierenden Vertretern der landesfürstlichen Familie seit dem Tod Herzog Rudolfs IV. (1365) in komplexen Allianzen mit städtischen und ländlichen, „alten“ und „neuen“ Elitenvertretern ihren Ausdruck fanden. Hier verspricht die systematische Untersuchung der dynamischen Wechselbeziehungen von Personen und sozialen Gruppen und der Verstetigung ihrer Zugehörigkeiten eine neue Grundlage für Antworten auf Fragen nach der sozialen Zusammensetzung der Parteien und den Konstellationen von Interessen, Allianzen und Konfliktverläufen ebenso wie nach den Voraussetzungen und Mechanismen von sozialem Aufstieg und politischer Partizipation in diesen Jahrzehnten.
Die materielle Verortung dieser Zugehörigkeiten im sozialen Raum erfolgte durch Objekte und innerhalb von Institutionalisierungsprozessen. Sakrale Bauten und Objekte wie etwa Altäre oder Grabmäler vermochten durch ihre materielle Beschaffenheit und ihre Monumentalität sozialen Beziehungen generationenübergreifende Tiefe zu verleihen. Geistliche Institutionen und deren bauliche Struktur wurden ihrerseits durch Personen repräsentiert. Personen, die Mitglieder dieser Gemeinschaften waren oder als Amtsträger in ihrem Namen fungierten, positionierten diese im sozialen Gefüge der Stadt und machten sie handlungsfähig. Bauwerke wiederum manifestierten soziale Beziehungen zwischen Personen weit über deren Lebensspanne hinaus und machten diese Beziehungen für künftige Generationen erinnerbar, wodurch diese vom symbolischen Kapital ihrer Vorfahren profitieren konnten. Diese inhaltlichen Dimensionen stecken den Rahmen der künftigen konzeptuellen und technischen Weiterentwicklung des Projektes ab.