Das Beispiel der Schweizer Kleinstadt Zug

Abstract
Am Beispiel der Schweizer Kleinstadt Zug lassen sich erhellende Einblicke in die Waldwirtschaft eines vormodernen Gemeinwesens gewinnen. Zahlreiche Fallbeispiele aus dem Verwaltungsalltag machen deutlich, dass eine korporativ-genossenschaftlich geprägte politische Ökonomie bestimmte ökonomische und soziale Zielsetzungen verfolgte. Das Management der Waldressourcen beruhte auf folgenden Determinanten: Auf Sachkenntnis abstellendes Handeln, haushälterischer Umgang mit den vorhandenen Gütern, Wissen um den unbedingten Bedarf nach sowie die Bereitschaft zu stetiger Erneuerung der Ressourcenbasis, ein nicht nur auf finanziellen Ertrag sondern auch auf praktische und soziale Zweckdienlichkeit fokussiertes Verständnis für den multiplen und changierenden Wertcharakter von Holzressourcen sowie eine Distributions- und Sanktionspraxis im Zeichen des Gemeinen Nutzens und zum Vorteil der legitimen Nutzerschaft.
Abstract (englisch)
The Swiss small town Zug offers illuminating insights into the forestry of a pre-modern community. Numerous case examples from the daily administration show that a cooperative political economy pursued specific economic and social objectives. The management of forest resources was based on the following principles: decisions taken on the basis of knowledge, economical use of existing goods, awareness of the absolute need as well as the willingness to constantly renew the resource base, understanding not only of financial profit but also of practical and social convenience as well as comprehension of the multiple and changing values of forest resources, a practice of distribution and sanctioning for the purpose of common benefit and the profit of the legitimate beneficiaries.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Holzwirtschaft als Abbild und Basisgröße der politischen Ökonomie
Wenig überraschend hat der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ seine Wurzeln in den Anfängen der wissenschaftlichen Forstwirtschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Wälder stellten heiß begehrte und heftig umstrittene Ressourcen dar. Dass sie aufgrund des Bevölkerungswachstums des 18. Jahrhunderts und der damit einhergehenden Übernutzung zu sozialen Brennpunkten wurden, auf denen konträre Interessen von Privatbesitzern, Nutzergenossenschaften, Gemeinden, Obrigkeiten, Armen und Adligen ausgetragen wurden, zählt zu den Topoi der neueren Umweltgeschichte.
Lange Zeit hat die historische Forschung die alarmistischen Niedergangsnarrative, wie sie die obrigkeitlich legitimierten Pioniere der modernen Forstwirtschaft programmatisch in die Welt setzten, als Tatsachenbefunde übernommen. Dabei gingen die politischen Motive der Reformer vergessen, deren Vorschläge die historisch gewachsenen Besitzverhältnisse von Grund auf in Frage stellten.
Jahrhunderte alte Nutzungsregime, die spezifische Formen der Waldbewirtschaftung im Dienste der ortsansässigen und nutzungsberechtigten Bevölkerung perpetuierten, standen quer zu den Konzepten der Modernisierer. Als entsprechend fortschrittsfeindlich galten und gelten die eingesessenen Nutznießergruppen (Kommunen, Korporationen, Genossenschaften), denen man sogar revolutionäre Umtriebe zutraute für den Fall, dass von Seiten der Regierung oder reicher Privatiers Hand an das kollektive Wald- und Allmendeeigentum gelegt würde.Dieses auf theoretisch-praktische Dichotomien und soziale Antagonismen hin zugespitzte Szenario machte vergessen, von welch fundamentaler Bedeutung kommunales Ressourcenmanagement zum Zweck ausreichender Holzversorgung der Gemeindeangehörigen für die vormoderne Gesellschaft im Raum der heutigen Schweiz (und darüber hinaus) tatsächlich war. Mannigfaltiger Elementarbedarf wurde unmittelbar aus Forstressourcen gedeckt (Heizen, Bauholz, Sammelwirtschaft, Mast, Weide, Jagd, Energieträger für Industrialisierung, Schutz vor Naturkatastrophen etc.).
Folgerichtig markierte die Waldwirtschaft ein zentrales Handlungsfeld an der Schnittstelle kommunaler Politik und Ökonomie. Aus diesem Grund will sich die folgende Darstellung nicht als Beitrag zur Forst- oder Umweltgeschichte verstanden wissen. Es geht ihr vielmehr darum, vom Material Holz her denkend unbekannte Facetten vormoderner Lokalverwaltung auszuloten und die Logiken zu dechiffrieren, die sich in den Interaktionen zwischen Entscheidungsträgern und Bevölkerungen manifestierten.Die überaus dichte Überlieferungslage zur Kleinstadt Zug, die im Verbund mit dem von ihr regierten Territorium ein eigenständiges Staatswesen bzw. einen autonomen ‚Ort‘ der 13örtigen Eidgenossenschaft bildete, bietet hierfür eine ideale Ausgangslage. Namentlich die Stadtrats- und Gemeindeprotokolle, die das Bürgerarchiv Zug aufbewahrt, sind von großer Aussagekraft.
Sie bilden die Grundlage dieser Untersuchung, welche die historische Realität in ihrer Vielfalt und Unübersichtlichkeit anhand vielfältiger Quellenbeispiele so detailliert wie möglich ausleuchten möchte.Im Kleinkleinspiel wöchentlicher Ratssitzungen treten Zielsetzungen und Praktiken lokaler Verwaltung zu Tage, aus denen sich die grundlegenden Spielregeln der politischen Ökonomie unter kommunalen bzw. korporativen Vorzeichen herleiten lassen.
Als Dominanten der Ratspolitik erweisen sich weder Hegemonialansprüche noch obrigkeitliches Gewinnstreben oder der Drang nach persönlicher Bereicherung an entfesselten Märkten. Das Verwaltungshandeln lässt sich auch nicht mit heutigen Konzepten von ökonomischer oder ökologischer ‚Nachhaltigkeit‘ messen. Vielmehr orientierten sich die Verantwortungsträger an sozialen Logiken, die nach ihrem Dafürhalten der Stabilität und Kontinuität des herrschaftlichen Arrangements am besten dienten. Maßgebend war dabei das Ideal einer fairen Güterdistribution, die allen vollberechtigten Mitgliedern des Gemeinwesens zu Gute kommen sollte.Peter Hoppe, ausgewiesener Kenner der örtlichen Verhältnisse, hat gezeigt, dass die Zuger Bürgerschaft selbst im 18. Jahrhundert noch immer stark handwerklich-gewerblich geprägt war. Rund drei Fünftel der Bürgergeschlechter waren irgendwann im Stadtrat vertreten.
Ihm zufolge formierte sich in Zug bis auf ein paar Einzelfälle keine „ständisch abgehobene“ und „abgeschlossene Kaste“ von Ratsgeschlechtern, die einem aristokratischen Standesideal nachlebten und sich aus Rentenvermögen, Staats- und Solddienst sowie Militärgeschäften großen Stils alimentierten. In der „engen kleinstädtischen Gemeinschaft“ war man schichtübergreifend verschwägert und ging „ohne hindernde Standesdünkel intensive wechselseitige Beziehungen“ ein, woraus sich ein „Neben- und vor allem Miteinander von hohem und niederem Stand“ ergab. Weil jedem Bürgergeschlecht unabhängig von seiner Größe nur ein Ratssitz zustand, wurden „Ämter der städtischen Administration oder hoheitliche Funktionen etwa als Landvogt“ größtenteils von gewöhnlichen Bürgern wahrgenommen, die weder besonders wohlhabend noch angesehen zu sein brauchten.Diese für die Zeit erstaunlich horizontale Sozialstruktur darf nicht vergessen machen, dass städtische oder dörfliche Gemeinschaften eine Vielzahl von Ortsansässigen von der Teilhabe an Gemeindegütern und kollektiven Ressourcen ausschlossen. Korporative Politik bezweckte im Kern, dass möglichst umfassende Privilegien und Ressourcen exklusiv den nutzungsberechtigten Genossen zu Gute kommen sollten. Um den Kreis der Nutznießenden klein zu halten, schotteten sich Gemeinden seit dem 17. Jahrhundert hermetisch ab und nahmen kaum mehr neue Mitglieder auf. Nur selten wurde reichen Zugezogenen das Bürgerrecht verkauft, um Geld für die Gemeindekasse einzunehmen. Allerorts gab es auf Dauer mehr Einwohner zweiter Klasse, die sog. ‚Hintersassen‘, was soziale Spannungen und Ressourcen-Konflikte schürte, denn durchschnittlich und prekär situierte Haushalte waren existentiell auf die Teilhabe an Waldressourcen angewiesen.
Im Fall von Zug existieren für die Zeit vor 1800 zwar keine Unterlagen zum privaten Bodenbesitz; dass sich im Ancien Régime aber kaum Wald in privaten Händen befunden haben dürfte, erschließt sich daraus, dass selbst Ende des 20. Jahrhunderts immer noch 3793 Hektaren bzw. 62 Prozent des zugerischen Waldbestandes in korporativem Besitz bzw. gar nie privatisiert worden waren.
Es liegt also auf der Hand, dass die städtischen Wälder bei der Deckung des Bedarfs zum Heizen, zum Einzäunen der Fluren, für die Herstellung von Schiffen und Fuhrwagen sowie für den Betrieb der städtischen Kalk- und Ziegelöfen eine entscheidende Rolle gespielt haben müssen.Um die Holzversorgung langfristig zu garantieren, hatte die Stadt seit dem 16. Jahrhundert im erweiterten Umland ausgedehnte Waldungen aufgekauft. Deren Bewirtschaftung und die Sorge um die Bestände an fruchttragenden Bäumen auf den Allmenden (z.B. Kirsch- und Nussbäume) fielen in die Zuständigkeit des Rates und prägten das administrative Tagesgeschäft auf Schritt und Tritt.
Dabei fällt auf, dass über Routinegeschäfte wie periodisch an die Bürgerschaft verteilte Brennholzrationen weniger diskutiert wurde als etwa über die von Einzelpersonen vorgebrachten Anfragen um Bauholz. Einerseits hatten die nutzungsberechtigten Gemeindemitglieder grundsätzlich Anrecht auf Baumaterialen wie Kalk, Steine, Ziegel sowie Lang- und Harthölzer für Ständer- und Dachkonstruktionen oder als tragende Elemente. Andererseits tangierten derartige Zuwendungen Fragen der Verteilgerechtigkeit und des wirtschaftlichen Nutzens für das Gemeinwesen und mussten deshalb politisch verhandelt werden.Leider erlaubt es die Quellenlage nicht, die im Bauwesen umgesetzten Holzmengen zu berechnen. Eine ungefähre Vorstellung vom Materialbedarf für Neu- und Umbauten sowie Renovationen mag der Immobilienbestand in und um Zug vermitteln, der sich mit der geschätzten Anzahl zum Baustoffbezug berechtigter Haushalte korrelieren lässt. Nebst Gemeindegebäuden und Wehranlagen gab es in der Stadt Zug Ende der 1760er Jahre 273 Wohn- und Nutzbauten. Davon sind in 260 Fällen die Namen der Besitzer bzw. der Bewohner bekannt. Leider kann daraus nicht auf die tatsächliche Bevölkerungszahl geschlossen werden.
Rückschlüsse darauf, wie viele Bürger mit Anrecht auf Zuwendungen aus kommunalen Ressourcen außerhalb der Stadt wohnten, erlauben die alljährlich zur Verteilung des Weihnachtsgeldes, der sogenannten Fünfbätzler, von den Seckelmeistern der Nachbarschaften erhobenen Zahlen.- Abb. 1: Auflistung der verteilten “Weihnachtsgelder”. BüA Zug A 39.26.31.3544, 12.12.1767. Zur Verfügung gestellt von Bürgerarchiv Zug, mit Dank an Thomas Glauser und Frederik Furrer [Foto].
Im fraglichen Zeitraum bezogen den Fünfbätzler jeweils rund 660 Personen. Es dürfte sich mehrheitlich um Haushaltsvorstände gehandelt haben, denn auf die 260 Stadthäuser kamen rund 300 Bezieher. Die anderen Bezugsberechtigten lebten in Häusern extra muros.
Diesen Hausbestand vor Augen, musste der Rat jederzeit damit rechnen, legitimen Forderungen nach hochwertigem Material entsprechen zu müssen. Diese Ausgangslage zwang die Verantwortlichen zu umsichtigen Strategien, die sich folgendermaßen charakterisieren lassen und in den weiteren Kapiteln eingehend beschrieben werden sollen:a) Die Zuger Holzwirtschaft charakterisierte sich durch gewisse Eigenheiten, die sie von anderen agronomischen Handlungsfeldern unterschieden (Kap. 2).
b) Es fällt auf, dass spezifische ökonomische Logiken bzw. Zielsetzungen die Waldwirtschaft prägten. Das Forstmanagement orientierte sich wesentlich an Kompetenzen, Erfahrungswissen und Kenntnissen der lokalen Gegebenheiten. Gleichzeitig berücksichtigte es öko- bzw. biologische sowie soziale Zusammenhänge.
Die Vorannahme, Ressourcenpolitik unter den Vorzeichen des Ständezeitalters wäre ausschließlich auf hegemoniales Gewinnstreben und soziale Hierarchien ausgerichtet gewesen, erweist sich als irreführend (Kap. 3).c) Offenkundig wurden konkrete Maßnahmen ergriffen, um kommunale Holzreserven nachhaltig vor Raubbau und Zerstörung zu bewahren (Kap. 4).
d) Holz galt als solider, beständiger, gleichzeitig aber polyvalenter Wertträger. Im Licht seiner vielfältigen Verwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten stand Holz für mannigfaltige und changierende Wertigkeiten. Zu individuellen Wertzuschreibungen oder Gruppenpräferenzen hinsichtlich spezifischer Holzarten bzw. -erzeugnisse finden sich kaum explizite Äußerungen in den Quellen. Indes lässt sich aus den Praktiken von Aneignung, Gebrauch, Bearbeitung, Symbolnutzung oder Konservierung sowie über die Modalitäten der Distribution und des Handels von Holz die Bandbreite möglicher Wertschätzungen erschließen (Kap. 5).
e) Wie bereits erörtert, beruhten die Gemeinwesen der vormodernen Schweiz auf korporativen Grundlagen. Zahlreiche öffentliche Leistungen wurden aus den Erträgen gemeinen Besitztums und der kollektiven Vermögen von Bürger- und Talschaften finanziert.
In Städten, Landschaften und Dörfern profitierten die das volle Bürgerrecht besitzenden Männer bzw. ihre Haushalte von den Erträgen und Nutzungsoptionen, die öffentlicher bzw. kollektiver Besitz generierte. Zu den üblichen Privilegien gehörten neben Handgeldern zu Wahlen und Abstimmungen regelmäßig ausgeschüttete Anteile an den Einnahmen aus Bündnissen und Soldallianzen mit Großmächten, Weiderechte, Getreidespenden sowie Fürsorgeleistungen – und eben Holzbezüge und unterschiedliche Weisen der Baum- bzw. Waldnutzung (Kap. 6).Holzwirtschaft im Licht der ökonomischen, politischen und sozialen Einbettung von Wald und Bäumen
Der Begriff ‚Materie‘ stammt aus dem Lateinischen (Wortstamm mater für ‚Mutter, Ursprung, Quelle‘). Der antike Wortgebrauch wies indes noch eine viel konkretere Facette auf, als man aufgrund des kategorialen Klangs der modernen Begriffsverwendung vermuten würde. Nebst Materie und Grundstoff bedeutete materia ursprünglich ‚Holz, Stamm-, Bau-, Schiffbau-, Brenn- und Nutzholz‘. Materiare stand für ‚aus Holz bauen‘. Und materiarius bezeichnete den ‚Bauholzhändler‘. All dies verweist auf den fundamentalen Stellenwert von Holz als Baustoff seit der Antike.
Dennoch ist stets zu berücksichtigen, dass die finale Verarbeitung von Bäumen zu Baumaterial nur eine und vielleicht nicht einmal die wichtigste unter vielerlei Nutzungsweisen darstellte. Nach Joachim Radkau „versteht die Holz-Geschichte nicht“, wer „nur auf das Holz schaut“.
Vormoderne Holzwirtschaft sollte deswegen immer vor dem Hintergrund zahlreicher Parallelfunktionen beleuchtet werden, die alle Wälder, kleinere Baumgruppen oder Einzelbäume erfüllten: Fallholz, Pilze, Vögel, Frösche, Schnecken, Eicheln, Hagebutten, Nüsse, (Öl-)Früchte, Beeren, Wildobst, Kirschen, Honig, Wachs, Kräuter, Misteln, Moos, Rinde, Harz, Ruten, Nadeln und Laub (als Waldstreue und -futter).Die Aufzählung könnte noch fortgesetzt werden, verdeutlicht aber bereits so den Stellenwert von Waldressourcen als Reservoir von Ergänzungsgütern namentlich für prekär ausgestattete Haushalte sowie für das Handwerk und Kleingewerbe: Eichen- und Fichtenrinde diente zur Herstellung von Leder. Der Bast von Linden und Ulmen wurde für Flechtwerk, Seile, Schuhe, Matten und Taschen verwendet. Aus Weidenruten wurden Körbe hergestellt und mit Eschen- und Haselstangen Fässer gebunden. Harzhaltige Kienspäne eigneten sich als Lichtquellen.
Waldungen fungierten als Dreh- und Angelpunkte kommunaler Ressourcenzirkulation und trugen dazu bei, akute Armut abzufedern. Forsten dienten als Weiden für Kühe, Schafe und Ziegen und zur Schweinemast. Auf den Wiesen schützten Hochstämmer das Vieh vor der heißen Sommersonne.Neben dem praktischen und ökonomischen Nutzen ist auch die soziale Einbettung von Baumbeständen aller Art zu bedenken. Wer etwa jahrelang einen Baumgarten pflegte, erlangte dadurch auch ohne Besitzrechte an Land oder Bäumen schwer definierbare aber legitime Ansprüche, die mit den Rechten angestammter Besitzer und Nutzungsberechtigter konkurrierten. Indem Menschen Arbeit und Zeit in das Gedeihen langlebiger Pflanzen investierten, eigneten sie sich diese auch an, selbst wenn sie ihnen nicht gehörten. Und deshalb mussten plötzlich gegensätzliche Interessen austariert und sogar erbrechtliche Fragen geklärt werden. Bäume mochten so zu Auslösern langwieriger Konflikte werden, woran aber niemand interessiert sein konnte (vgl. Kap. 6).
Besonders verschachtelt präsentierte sich die Rechtslage, wenn es Privatpersonen gestattet wurde, selber Bäume auf Gemeindeland zu pflanzen. Als im April 1670 die Söhne des verstorbenen Seckelmeisters Müller auf der Zuger Kuhallmende Kirschbäume setzten, damit das Vieh mehr und besseren Schatten hätte, erschienen drei der höchsten städtischen Beamten vor Ort, um ein allfälliges Präjudiz zu verhindern. Der vorgängige Ratsbeschluss hatte explizit festgehalten, die Bäume und deren Früchte würden jetzt und für immer Gemeingut bleiben. Außerdem könnte die Obrigkeit die Bäume jederzeit wieder entfernen lassen.
- Abb. 2: BüA Zug A 39 50006/541, 12.04.1670, mit Bezug zum oben genannten Ratsbeschluss. Zur Verfügung gestellt von Bürgerarchiv Zug, mit Dank an Thomas Glauser und Frederik Furrer [Foto].
Im November 1734 setzte sich die Nachbarschaft Oberwil dafür ein, dass ein paar unlängst versteigerte Nussbäume, auf denen die Nachbarschaft Nutzungsrechte besaß, nicht gefällt würden, damit deren Ertrag weiterhin der Oberwiler Kirche zukomme. Der Zuger Rat hatte ein Einsehen und entschied, die Ernten sollten zwischen den Sammelnden und der Kirche hälftig geteilt werden. Würde ein Baum absterben, sollte er (d.h. das Holz) dem Gemeinwesen zufallen und auch nicht mehr ersetzt werden – eine implizite Aufforderung zu aufmerksamer Baumpflege.
Baumbewirtschaftung erweist sich aufgrund der ihr innewohnenden sozialen Dimensionen und wirtschaftlichen Implikationen als vielschichtige Herausforderung. Wenn mehrere Akteure legitime Ansprüche auf Teilhabe anmeldeten, musste zwangsläufig um Verteilfairness gerungen werden (vgl. Kap 6). Dabei waren unterschiedliche Effekte gegeneinander abzuwägen, und der Materialwert in Holz stand nur als eine unter vielen Varianten, wie Bäume zum Nutzen der lokalen Ökonomie Verwendung finden konnten.Im letzten Beispiel wurde u.a. die schlecht absehbare Lebensdauer von Nutzbäumen angesprochen. Ab wann nahm der Ertrag so stark ab, dass man zu erwägen begann, einen Baum zu ersetzen? Und wer einen alten Baum dann tatsächlich fällte und einen neuen setzte, durfte während mehrerer Jahre kaum Ertrag erwarten. Solche Entscheidungen konnten sich über Jahre hinziehen.
Wer Bäume einträglich bewirtschaften wollte, musste in jahrzehntelangen Zyklen zu handeln und über die eigene Lebenserwartung hinauszudenken gewillt und fähig sein, denn Bäume brauchen „zum Wachstum Generationen; über solche Zeiträume gibt es keine auch nur halbwegs exakte rationale Planung“. Eine Waldwuchssequenz überdauerte leicht ein Menschenalter, und Bäume gedeihen je nach Boden-, Licht- und Temperaturverhältnissen sehr unterschiedlich. Deshalb stand die Baumbewirtschaftung Experimenten entgegen, die auf schnelle, innovative Erkenntnisse ausgerichtet waren.Einjährige Versuchskulturen mit Feldfrüchten oder Viehfutter, wie sie die ökonomischen Patrioten und andere Promotoren der Agrarmodernisierung des 18. und frühen 19. Jahrhunderts vielerorts initiierten, waren für die Waldwirtschaft von nebensächlicher Bedeutung, denn sie war ein sperriges, Generationen überdauerndes Langzeitpolitikum. Unbewusste Nachlässigkeit und unverzeihliche Fehler machten sich erst bemerkbar, wenn sich vielleicht gar niemand mehr an deren Ursachen erinnerte. Wenn Akteure prospektiv handelten, taten sie dies im Vertrauen auf transgenerationell überliefertes Langzeitwissen.
Ein letztes, für die Holzwirtschaft relevantes Charakteristikum betraf die aufwändigen Beförderungstechniken namentlich für Langhölzer. Wo nicht geflößt werden konnte, verteuerten lange, beschwerliche Transportwege das Baumaterial beträchtlich.
Damit die Auslieferung von Bauholz nicht teurer zu stehen kam als das Schlagen und Zuschneiden der Stämme, wurde bei der Zuteilung von Holzrationen den topographischen Gegebenheiten Rechnung getragen.Haushälterischer Umgang mit wertvollen Ressourcen
Das Handeln der politischen Entscheidungsträger lässt auf ein detailliertes Wissen um die vorhandenen Holzreserven schließen. So wussten die Verantwortlichen genau über die Sorten, den Wuchs (krumm oder gerade), die Länge (mit Blick auf mögliche Verwendungen), die Beschaffenheit (dürr, durchastet etc.) und die Holzmenge Bescheid, die in einem zum Roden freigegebenen Waldstück zu gewinnen war.
Wenn der Rat einem Bürger für sein Bauvorhaben einen Hau zuteilte, d.h. ein genau abgestecktes Waldstück zum Abholzen freigab, konnten einzelne Bäume im fraglichen Perimeter explizit ausgenommen werden. So wurde 1636 nachträglich verordnet, zwei schöne Eichen in einem bereits vergebenen Hau sollten nicht gefällt werden, weil das Holz später für andere Zwecke besser zu gebrauchen wäre. Der Bannwart wurde beauftragt, den Holzbezüger mit anderem Holz in gleichem Wert zufrieden zu stellen. Als 1734 Hans Kaspar Lutiger von St. Wolfgang den dortigen Löwen kaufte, bat er anstelle eines brennhauws um Bauholz, weil das Gebäude baufällig war, was ihm zugebilligt wurde. Wegen der Eichen aber sollte Lutiger warten, bis der Stadtbaumeister und der Bannwalter einen Augenschein genommen und dabei den tatsächlichen Bedarf abgeschätzt sowie über die Frage, wo passendes Eichenholz am besten zu finden wären, nachgedacht hätten. Als 1739 ein verheerender Sturm dem Baumbestand im ganzen Zugerland beträchtlichen Schaden zufügte, sollten die Bannwalter wegen des umgeworfenen Holzes zusammen mit drei Ratsherren die Lage inspizieren. Das plötzliche Überangebot wollte sorgfältig und klug verwaltet werden, weshalb der Rat den Baumeister beauftragte, beim Rüsten die knütsche (als Bauholz brauchbare Stämme) abzuführen, sprich: zum Nutzen des Gemeinwesens zu konfiszieren. Weitsichtiges Waldmanagement bildete im Verbund mit einer pragmatischen Lagerbewirtschaftung die Grundlage eines funktionierenden Bauwesens.Ein möglichst haushälterisches Mikromanagement beruhte aber nicht nur auf genauem Wissen über Holzbestände und -reserven. Ebenso wichtig waren Kenntnisse bezüglich der Verwendungsmöglichkeiten der zur Verwertung fälligen und für bestimmte Zwecke geeigneten Holzsorten, -stärken und -beschaffenheiten.
– dass sich beinahe astfreies Holz zur Herstellung von Brettern, Fensterrahmen, Fässern oder Schindeln eignete,
– wo im Eyeler Wald (Eichenwald) die besten Reifstangen zu finden waren,
– dass sich die dürren Kirschbäume auf der Allmende perfekt zur Herstellung von Gatterschwingen eigneten,
– wo im Herrenwald die zur Sanierung der Frauenkirchenstühle in der Kirche St. Wolfgang nötige kleine Eiche zu finden wäre,
– dass Oswald Brandenberg für die Reparatur seiner Trotte (Trauben- oder Saftpresse) mit Tannenholz am besten gedient war,
– dass man auf der Suche des richtigen Holzes für vier neue Kreuze, die Pater Guardian für die liturgische Ausstattung der Allmende geordert hatte, am ehesten im Eichelenacher fündig würde,
– dass sich dürres Eichenholz für die Herrstellung von Schwirren (massiven Holzpflöcken) oder für Hochwasserverbauungen eignete,
– dass die jungen Wagner Hans Wickart auf der Lorzen und der Sohn des verstorbenen Zieglers Speck zur Herstellung von Deichseln vier oder fünf Buchen brauchen konnten ebenso wie Hans Kaspar Kloter, der für Karrenachsen und Axtstiele eine kleine Buche zugeteilt bekam,
– dass Pfleger Müller im Lauenried als Ersatz für den gebrochenen wendellbaum (Transmissionsachse) seiner Walke ein zweckmäßiges Stück Eiche brauchte,
– dass man für die Reparatur der Letzibrücke kaum ohne Eichenholz auskommen würde, die Eichenwälder aber trotzdem schonen und möglichst auf alternative Holzsorten zurückgreifen sollte,
– dass die Nachbarschaften zur Reparatur des für Wallfahrten und Prozessionen jeweils in der Neugasse aufgestellten Bogens umsonst sechs Trämeltannen bekommen sollten, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Bäume nicht besser für den Bau von Nauen (kleine Frachtschiffe) – der Zugersee war für die Versorgung der Stadt gleichermaßen bedeutsam wie für den Handel mit gewerblichen Erzeugnissen − verwendet werden konnten,
– dass krumm gewachsenes Eichenholz (gürben) für den Nauenbau extrem wertvoll war, so dass entsprechend geformte Eichen nur mit Erlaubnis des Rats und unter Aufsicht des Weibels behauen werden durften.
Die praktische Verwendbarkeit von Nutzhölzern und ein ausgewiesener Bedarf für konkrete Zwecke rechtfertigte das Fällen der benötigten Stämme. Anders gestaltete sich die Ausgangslage im Fall seltenerer Sorten, die für Luxusgegenstände oder für repräsentative Bauten gebraucht wurden. Hier war selbst dann Zurückhaltung geboten, wenn die ‚Obrigkeit‘ als Bauherrin eines Projektes auftrat. Als sich der Zuger Stadtrat Anfang des 18. Jahrhunderts vornahm, den heute als Bürgerratssaal bekannten Raum im zweiten Stock des Rathauses mit einer kunstvollen Täfelung aus Nussbaum im barocken Stil ausstatten zu lassen, wurden die dazu nötigen Bäume nicht einfach kurzerhand geschlagen. Dagegen sprachen zum einen die ernährungstechnische Funktion und soziale Verwurzelung von Nussbäumen (vgl. Kap. 2 und 6), zum anderen die moralische Ökonomie unter republikanischen Vorzeichen, derzufolge sich Regierungshandeln nach dem Gebot von Sparsamkeit und Mäßigung zu richten hatte. Aus diesen Gründen beobachteten die Regierenden während mehrerer Jahre ihr ganzes Staatsgebiet und machten Kaufangebote, wo und wann immer jemand gerade einen Nussbaum zu fällen oder ein nicht selber benötigtes Stück zu verkaufen oder gegen anderes Holz einzutauschen beabsichtigte.
Erhalt, Schutz und Wiederverwertung von Holzressourcen
Dem haushälterischen Umgang mit beschränkten und wertvollen Ressourcen entsprach ausgeprägte Sorge um den Erhalt der Baumbestände. So beschloss die Zuger Bürgerversammlung 1611 ganz uneigennützig, der Rat dürfe fünf Jahre lang niemandem mehr Holz aus dem Gemeindewald überantworten.
Für das Funktionieren des Gemeinwesens ist bezeichnend, dass das Pflanzen von Bäumen in Zug ausgerechnet zu den Obliegenheiten des Baumeisters zählte, dem primär für die öffentlichen Gebäude zuständigen Amtsträger mit dem traditionell höchsten Budget.
Dies kann dahingehend gedeutet werden, dass im Denken der Zeit die Bäume im Inventar der Landesreichtümer genau wie Bauten erstrangige Größen darstellten und deshalb gebührender Aufmerksamkeit und steten Unterhalts bedurften. Jedenfalls wurde besagter Baumeister regelmässig beauftragt, neue Eichen, Schwarzpappeln, Weiden, Kirsch-, Birn- oder (allgemein) Obstbäume zu pflanzen. Wenn Private auf öffentlichem Grund neue Bäume setzen wollten, hatte dies unter Aufsicht des Baumeisters zu geschehen. Das Fällen von Bäumen durch Private war nicht nur bewilligungspflichtig, es musste auch zeitnah für Ersatz gesorgt werden.Immer wieder wurde daran erinnert, beim Holzschlagen vorsichtig vorzugehen. Die Wälder sollten durch das Holzen nicht noch zusätzlich Schaden nehmen.
Beispielhaft für die Sorge um behutsam gepflegten Jungwuchs steht eine Episode aus dem Jahr 1711. Pfleger Keiser im Lüssi und einigen weiteren Bürgern wurde vorgeworfen, sie hätten gegen den Beschluss der Bürgergemeinde die zum Schutz des jungen Eichenwaldes auf der Allmende ausgehobenen Gräben zugeschüttet. Die Angeschuldigten argumentierten, sie hätten dies zum Nutzen der Allgemeinheit getan. Das Vieh, das aus besagten Gräben Wasser gesoffen habe, sei nämlich wegen des Ungeziefers in den Kanälen krepiert. Dem Jungwald sei deswegen keinerlei Schaden entstanden, gebe es doch andere Methoden, das Vieh am Eindringen in den Wald zu hindern. Die Ratsherren kamen nach einem Augenschein allerdings zu einer gegensätzlichen Beurteilung und verordneten, Pfleger Keiser und seine Kumpane müssten die zugeschütteten Graben unter Aufsicht von Ratsherr Schell umgehend wieder ausheben (ausschahrren). Joseph Brandenberg, der diesen Beschluss nicht befolgen wollte, drohte die Obrigkeit mit einer Turmstrafe – einer seltenen und drakonischen Zwangsmaßnahme (vgl. Kap. 6).Erheblicher Aufwand wurde für die Schädlingsbekämpfung betrieben. Wiederkehrend legten bis zu fünf Käfervögte Rechnung darüber ab, wie viele Käfer sie gefangen und wie viel Holz sie zu deren Vernichtung gebraucht hatten. Im Fokus standen die Maikäfer, die alle paar Jahre zu einem Problem wurden. Eigentliche Plagen lassen die Einträge zu den Jahren 1675, 1678, 1681 und 1687 vermuten.
Auf Vorschlag der Untervögte entschied der Rat wegen außerordentlich vieler Käfer 1729, jeder Haushalt sollte zwei Viertel fangen lassen, wobei 1 Viertel etwa 35 Litern entsprach. 1732 lehnte die Gemeindeversammlung das gleiche Ansinnen dann ab, beauftragte gleichzeitig aber den Rat, neue Modalitäten für die Käferjagd vorzuschlagen. Am 5. Mai, nur zwei Tage nachdem die Bürger ihm einen Denkzettel verpasst hatten, bestimmte der Rat wieder fünf Käfervögte. Gleichzeitig sollte jeder Genosse pro Kuh, die er auf der Allmende weidete, ein Viertel Käfer liefern.An der Tagesordnung war schließlich die Wiederverwertung von noch brauchbaren Holzteilen. Einmal wurden die Latten eines abgebrochenen Zauns auf der Allmende versteigert.
Anlässlich des bereits erwähnten Sturms von 1739 wurde umgehend angeordnet, auf dem See und an Land solle nach Pfählen und Holz gesucht und die gefundenen Stücke eingesammelt werden. Als die Kirchgenossen von Niederwil 1754 neues liturgisches Gerät anschaffen wollten, sollten Kreuz und Fahne von geringem zeüg gemacht und die alten Stangen und Holzteile wiederverwendet werden. Die alten Kreuz- und Fahnenstangen sind wieder zu verwenden. Der Pfleger kann die Stühle machen lassen. 1764 sollte der Seckelmeister verwahren, was vom defekten Steinnauen noch brauchbar war. Was er davon verkaufen könne, sollte er in seine Rechnung bringen. Als 1777 die baufällig gewordenen Graben-Häuser abgerissen werden sollten, meldete die Kirche Steinhausen Ansprüche auf einen Teil des Abbruchmaterials an, denn selbstverständlich konnten intakte Wertstoffe wie beständiges Bauholz problemlos wiederverwendet werden, selbst wenn sie ein paar Jahrhunderte in einer Liegenschaft verbaut gewesen waren.Holz als Mittel zur Geldbeschaffung und im Tausch gegen andere Wertstoffe
Die bisher geschilderten Sachverhalte dokumentieren, dass die historischen Akteure durchaus um Unabdingbarkeit und Schwierigkeiten des Ressourcenerhalts wussten und auch zielführende Strategien verfolgten, um der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen effektvoll entgegen zu wirken. Der sorgsame Umgang der Vormoderne mit Baumbeständen zum einen und Holz als Rohstoff sowie Energieträger zum anderen belegt den Wertcharakter von Holz – für die kommunale Ökonomie ebenso wie für die privaten Haushaltungen.
Üblich war der Verkauf bzw. die Versteigerung besonders nachgefragter und qualitativ hochstehender Holzsorten zwecks Geldbeschaffung.
So steht in den Protokollen des Stadtrats wiederholt, diese oder jene Rechnung solle bezahlt werden, sobald die Eichen- oder Kirschbäume oder überhaupt abgehendes Nutzholz (am Ende ihrer Lebensdauer angelangte bzw. die nach dem Behauen von Stammholz übrig gebliebenden Abschnitte) auf der Allmende versteigert worden seien. Wurde Holz auf der einen Seite wie ein korporatives Gemeineigen bewirtschaftet, so legte der Rat durchaus kaufmännischen Geschäftssinn an den Tag, wenn über das Spiel von Angebot und Nachfrage die Einnahmen der Stadtkasse optimiert werden konnten. Als 1696 der Säger Karl Julian Brandenberg irrtümlich statt eines ihm zugewiesenen Baumes die schönste Eiche des ganzen Waldes fällte, verordnete der Rat umgehend, die Eichenstämme sollten vorerst liegen gelassen werden, bis Vogt Stadlin herausgefunden hätte, wie die edlen Stücke am besten verkauft werden könnten. Dem Vernehmen nach handelte es sich nämlich um sehr schönes Holz mit fast keinen Ästen, das zu Höchstpreisen verquantet werden wollte. Das Bestreben zur Ertragsoptimierung ist auch anlässlich einer Versteigerung abgehender Bäume auf der Allmende im Jahr 1768 erkennbar. Am Vortag der Gant entschied der Rat, die Anzahl der zum Verkauf freigegebenen Eichen sollte von den zu erzielenden Preisen abhängig gemacht werden.Preisbildung nach marktwirtschaftlichen Logiken rückte in den Hintergrund, wenn die Ratsherren einmal selber Bedarf nach Holz hatten. So sollten Vogt Stadlin und Baumeister Speck 1631 die im Chiemen (eine dicht bewaldete Halbinsel und Allmende im Zugersee) umgefallenen Kirschbäume auf einen vorbestimmten Lagerplatz karren, wo sie dann unter den Ratsherren verteilt und nach bescheidenheit (angemessen bzw. vernünftig, aber sicher nicht meistbietend) bezahlt werden sollten.
Bei Bedarf wurden Nutzhölzer auch gegen andere Holzsorten oder Wertstoffe getauscht. Im Jahr 1696 erhielt Baumeister Kloter für die Lieferung von 300 Dachziegeln an das Gemeinweisen eine Buche von der Allmende.
Im Herbst 1779 sollte Holz aus dem Herrenwald gegen Schwarzpappeln (saarbachen) eingetauscht werden, die sich zur Herstellung von Brettern eigneten. Im März 1798 tauschte man sogar mit einem Pächter einen Kirschbaum gegen eine Anzahl Stickel, die sich als Stangen, Latten, Zaunholz oder Baumstützen verwenden ließen.In Betracht der zeitweise prekären Liquidität der Stadtkasse diente Holz auch als Zahlungsmittel etwa für überfällige Beamtenlöhne.
Als 1642 der Sigrist der Kirche nach den obligaten 6 Dienstjahren um einen obrigkeitlichen Mantel in den Landesfarben (blau/weiß) bat, wurde er mit der Erlaubnis zum Fällen des Nussbaums bei der Scheune zufrieden gestellt. Weil er das Kornamt so gut verwaltete, erhielt erhält Kornherr Letter 1729 drei Baumstämme aus dem Nauwer Hölzli. Anno 1734 bekam Bannwalter Karl Speck als Dienstaltersgeschenk ein dürres Eichlein aus dem Eichelwald.Der Wert qualitativ hochstehenden Holzes potenzierte sich im Verbund mit anderen kostspieligen Materialien, wie sich aus den im Hinblick auf die Sanierung der Ratsstubenfenster Ende der 1760er Jahre angestellten Überlegungen schließen lässt. Hierfür sollten einerseits die besseren Glasscheiben aus dem Gewehrsaal im Zeughaus, der zeitgleich neue französische Fenster bekam, verarbeitet werden. Andererseits sollten, so weit möglich, die alten Fenster verwendet werden.
Den praktizierten Verwertungsweisen und dem durch sie belegten Wertcharakter von Holz entsprach die Ächtung und Bestrafung von Verschwendung oder zweckentfremdeter Verwendung von Holz. Zum einen wurde darauf geachtet, dass erlesene Werkstoffe nicht für Zwecke verbraucht wurden, die auch mit billigeren Materialien erreicht werden konnten. Zum andern durfte kein Pardon erwarten, wer bei der Verarbeitung gestümpert oder wegen ungenügender Planung schönes Holz verpfuscht hatte. Als Ratsseckelmeister Bossart 1729 mitteilte, das für den Neubau des Pfarrhofes in Steinhausen vorgesehene Holz sei in der Zimmerhütte so verdorben und verzimmert worden, dass fast nichts davon habe gebraucht werden können, verweigerte ihm der Rat nicht nur die Abnahme seiner Baurechnung. Vielmehr sollte Bossart nach Klärung der Schuldfrage an der Dreikönigsgemeinde, also vor der versammelten stimmberechtigten Bürgerschaft, die in Zug als eigentlicher ‚Souverän‘ waltete, Rechenschaft ablegen.
Holz als kollektive Ressource bzw. Gemeingut
Der zuletzt geschilderte Vorfall verweist nochmals auf den eminenten Stellenwert des Managements existentieller Ressourcen in der korporativ-genossenschaftlich ausgerichteten politischen Ökonomie Zugs und der ganzen Alten Eidgenossenschaft (Schweiz vor 1800). Eine Auswahl einschlägiger Handlungsfelder mag verdeutlichen, welche spezifischen Logiken in der Holzwirtschaft zum Tragen kamen. Zunächst fallen die ebenso vielfältigen wie vertrackten Bestimmungen auf, die regeln sollten, wie Privatpersonen auf Allmendeland gewachsene Bäume pflegen und nutzen durften. Zwei Themenkreise standen dabei im Vordergrund:
Erstens mussten die aus Privilegien am Gemeineigen gezogenen Privatprofite gegenüber dem Kollektiv abgegolten bzw. kompensiert werden. So wurde 1642 Andres Acklin zwar das Recht zugesprochen, die Nussbäume auf dem Gemeinwerk neben seiner Matte zu nutzen. Als Gegenleistung schuldete er den halben Ertrag aber der Kapelle zu Oberwil. Dass hierzu ein ordentliches Verzeichnis angelegt werden sollte, kündet vom hohen Stellenwert genossenschaftlicher Gerechtigkeitsvorstellungen in Bezug auf faire Güterverteilung (inkl. der diesbezüglich geschuldeten Rechenschaft).
Oswaldt Schiker hatte vor vielen Jahren auf der Allmende einige Nussbäume übernommen, die einst Hauptmann Bengg aufgezogen hatte. 1681 wurden ihm diese von der Gemeinde mit 3 Lois (wahrscheinlich Louis d’Or) abgegolten. Im Jahr 1718 bat ein nicht näher bekannter Hans durch einen Fürsprecher um den halben Nutzen an einem Nussbaum auf der Allmende. Dieser wurde ihm gewährt mit der Auflage, die Hälfte des Ertrags jeweils der Kirche zu liefern. Dieser Entscheid bildete offenbar das Fanal für ein Politikum größerer Tragweite. Im folgenden Jahr wurde nämlich dekretiert, wer an die Allmende angrenzende Nussbäume besitze und nicht die halbe Ernte an die St. Michaelskirche abgebe, müsse mit Bestrafung und Versteigerung der Bäume bzw. deren Ertrags rechnen (obwohl sich diese in Privatbesitz befanden und nur am Rande der Allmende standen, diese aber funktional tangierten).Zweitens war die Teilhabe an jenen Werten zu definieren, die Private geschaffen hatten, indem sie Bäume über Jahrzehnte gepflegt hatten. Da sich beständig gute Ernten und schöner Wuchs den Kenntnissen und Vorleistungen der Ahnen verdankten, der Ertrag des Gemeingutes im Fall von Obst- und Nussbäumen also auf individueller Aneignung durch Arbeit beruhte, musste irgendwann auch über Erbansprüche der Folgegenerationen verhandelt werden. Anders als im prioritär auf Privateigentum fokussierten modernen Zivilrecht, das den Besitz von Objekten weit über die Sorge, die Pfege und die Investitionen Dritter zwecks Werterhalt stellt, konnten aufgrund erbrachter Leistungen angeeignete Nutzungsansprüche in vormodernen Rechtsordnungen durchaus eine gewisse Legitimität reklamieren. Dieser Denkweise getreu bat Jakob Freimann 1716 darum, zwei absterbende Kirschbäume fällen zu dürfen, die angeblich noch sein verstorbener Vater gesetzt hatte. Dem Ansinnen wurde statt gegeben unter der Bedingung, Freimann solle als Ersatz vier Nussbäume pflanzen und pflegen. Ähnlich argumentierten einige Allmendeanstößer 1722: Weil die meisten Kirschbäume in der Nähe ihrer Wohnhäuser von ihren Vorfahren gesetzt worden seien, gingen sie davon aus, dass ihnen gegen Entrichtung einer Abgabe ein exklusives Nutzungsrecht zustände. Dem Rat war klar, dass dieser Entscheid Fragen betraf, die für ein korporatives Gemeinwesen von fundamentaler Bedeutung waren. Weil ein solches Grundsatzurteil die behördlichen Kompetenzen des Rates überschritt, verwies er die Bittsteller an die Gemeindeversammlung (den Souverän). Um genau solchen Komplikationen vorzubeugen, erteilte der Rat im Fall von Melchior Lutiger 1682 die Erlaubnis zum Pflanzen, Pflegen und Nutzen von acht Nussbäumen auf der Lorzenallmende nur unter der Einschränkung, dass die Nutzungsrechte nach seinem Tod vollumfänglich an die Kirche St. Michael fallen würden. Als ob die Legitimität dieses Vorbehaltes, der gegen die Logik der Aneignung durch Arbeit verstieß, hätte erkauft werden müssen, beteiligte sich der Rat an den Kosten der Bäume.
Craig Muldrew hat für die Vormoderne zutreffend Haushalte als „the basic economic unit“ ermittelt.
In der Alten Eidgenossenschaft war die soziale Fürsorge (bzw. das Armenwesen) kommunal organisiert und darauf ausrichtet, prekär situierte Haushalte bei ihren Bemühungen um Erreichen der Subsistenzgrenze zu unterstützen. So bekam Christen Moos 1615 einen Ast von einer Eiche auf der Allmende, offenbar ein Akt von mehr als bloß symbolischem Charakter, wie der entsprechende Vermerk im Ratsprotokoll vermuten lässt. Zu garantieren, dass nur Privathaushalte von legitimen Bürgern und Landleuten in den Genuss von Brennholz aus den Gemeindewäldern kamen, gehörte in Zug zu den Pflichten der Nachbarschaftsseckelmeister (der Rechnungsführer der Nachbarschaften). Sie mussten unter Eid dafür bürgen, dass nur Vollberechtigte mit eigenem Haushalt von Holzspenden profitierten. Weil kollektives Handeln etwa bei der Instandhaltung von Infrastrukturen die Einzelhaushalte entlastete – Gruppenstrategien erfüllten vielfach den Zweck, auf direkte Steuern verzichten zu können −, unterstütze der Rat entsprechende Maßnahmen. Als die Anstößer der Straße ins Lauenried diese 1737 in Stand setzten, bekamen sie hierfür Sand und eichene Pfähle gespendet.Mit Holzzuwendungen wurde auch honoriert, wer für die Gemeinschaft als wertvoll erachtete Leistungen erbrachte. So durfte Landvogt Brandenberg 1643 dafür, dass er das Kreuz im See an der Eielen zu erneuern bereit war, auf der Allmende eine Eiche fällen, wobei er kaum das ganze Holz für das neue Kreuz aufgebraucht haben wird.
Major Weissenbach bekam in Betracht der Kirchenstiftungen seiner Voreltern 1725 zwei kleine Eichen zur Herstellung von Zaunpfählen (haagscheyen). Es liegt nahe, dass diese Anerkennungsgeste deshalb geheim gehalten werden sollte, weil der Begünstigte persönlich nichts zum Vermächtnis an die Allgemeinheit beigetragen hatte. Deshalb verstieß dieser Kasus gegen das korporative Gerechtigkeitsideal von Reziprozität und durfte nicht publik werden. Demgegenüber bestand an der Legitimität der Schenkung von zwei Eichen an die Kirchgenossen von Meierskappel für die freiwillige Erneuerung ihrer Kirchenstühle im Jahr 1757 keinerlei Zweifel. Auch die Nachbarschaften, die sich um den Schmuck und die Instandhaltung der anlässlich von Prozessionen in den Gassen der Stadt aufgestellten Triumphbögen kümmerten, bekamen regelmäßig das hierzu erforderliche Holz geschenkt (wahlweise Tannen- oder Eichenstücke).Größere Holzschenkungen an Private wurden in der Regel an konkrete Zwecke gebunden.
Jakob Landtwing an der Gimmenen (Gimmlen) erhielt 1648 für sein Bauprojekt anstelle eines Wappenschilds und Fenstern eine alte Eiche vom Geissboden. Hans Peter und Thaddäus (Thade) Keiser von Oberwil bekamen 1712 sechs gemeine Stöcke von der Walchwiler Allmende und eine konkret bezeichnete kleine Eiche aus dem Eielenwald ausdrücklich für den Bau ihrer neuen Scheune. Johannes Schwerzmann wurden 1788 umsonst zwei Stöcke Bauholz aus dem Grüter Wald überlassen, die er aber zu bezahlen hätte, wenn er sie nicht zum Bauen verwendete. Bemerkenswert war eine Holzspende an Kaspar Sidler, der 1636 zwölf Stöcke Holz für den Bau eines Hauses auf seinem an der Allmende gelegenen Grundstück bezog. Dass er nur mit dürren Tannen und Fallholz abgespeist wurde, erklärt sich aus der Logik der Umstände. Sidler galt in der Gemeinde als ‚hoffnungsloser Fall‘: seit Jahren immer wieder unterstützungsbedürftig, multipel verschuldet, renitent, berüchtigt wegen heillosen hausens und liederlichen Lebenswandels, wegen Ehrverletzungen verurteilt, immer mal wieder am Rande der Legalität operierend, beschäftigte er die Behörden wiederkehrend. Dies erklärt erstens, warum ihm der Rat bei seinem Gnadenakt erlesene Baustoffe vorenthielt, und zweitens, warum Sidler zwar einige Steine von der Allmende verbauen durfte, diese aber ersetzen müsste, wenn anderweitig Bedarf an Steinen entstünde.Die meisten der in den vorangehenden Abschnitten geschilderten Erlasse erklären sich vor dem Hintergrund des Gedankens, dass Holz – ob im Wald stehend, im obrigkeitlichen Lager liegend oder in privaten oder öffentlichen Immobilien verbaut – einen unteilbaren Bestandteil des Landesreichtums (also jener Ressourcen, aus denen die Ökonomie des Gemeinwesens am Laufen gehalten werden musste) darstellte. Entsprechend wurden Gesuche um Bauholz abgelehnt, wenn sich herausstellte, dass die Petenten über Jahre den Unterhalt ihrer Gebäude vernachlässigt hatten und sich mit der Bitte um Baumaterial – von der Warte der Gemeinde betrachtet − auf Kosten des Gemeinen Nutzens bereichern wollten. Hochwertiges Bauholz war weder Konsum- noch Verbrauchsgut. Vielmehr stand es über Generationen in Gebrauch und generierte in vielfältiger Verwendung wertvolle Güter wie Obdach für Mensch und Tier, Werk- und Speicherraum sowie Objekte und Werkzeuge für profane und sakrale Verrichtungen.
Die tägliche Reproduktionsarbeit der Menschen, die Subsistenz der Haushalte sowie allgemein der lokale Wirtschaftskreislauf beruhten auf der intakten Bausubstanz. Nur der Rückbezug auf eine solche ökonomische Wertehierarchie vermag die Umstände einer speziellen Handänderung aus dem Jahr 1716 zu erklären: Obwohl der durch Losentscheid ermittelte Käufer, Wagner Landtwing, sich für den Kauf einer baufälligen Immobilie verschulden, einen Bürgen stellen und außerdem schnellstmöglich den Kamin in Stand stellen musste, bekam er vom Rat für die Renovation sechs Stöcke Holz zugesprochen. Offenkundig war den Entscheidungsträgern am Erhalt der Liegenschaft und an einem verbesserten Feuerschutz des Objekts so stark gelegen, dass sich in diesem Fall sogar die Unterstützung einer bekanntermaßen prekär situierten Hausherrschaft rechtfertigte. Genau umgekehrt lag der Fall von Melk Bilgerig im Jahr 1766. Er wurde verhaftet aufgrund des Vorwurfs, er ruiniere sein Haus, auf dem ihm der Rat zuvor noch Kredite gewährt hatte. Bilgerig rechtfertigte sich, er hätte nur vier Läden und vier Latten verkauft und wegen der Kälte ein Küchenfenster in der Stube montiert. Trotzdem wurde er scharf verwarnt, musste die vorgenommenen Eingriffe rückgängig machen und durfte danach das Haus nicht mehr betreten.Wegen der Unentbehrlichkeit von Waldressourcen für die Gemeinwirtschaft erließ der Rat wiederkehrend allgemeine Verkaufsverbote und erinnerte auch bei Holzvergaben an Hausvorstände oder Korporationen daran, die kostbaren Güter unter keinen Umständen über das Stadtgebiet oder die Landesgrenzen hinaus zu verhökern.
Für den Fall, dass jemand ausnahmsweise die Erlaubnis bekam, gut zu verarbeitendes Holz außerhalb Zugs zu verkaufen, erstritten sich die Schreinermeister 1680 das Zugrecht, ein Vorkaufsrecht. Ressourcen, denen eine konkrete Verwendung im Dienste des Allgemeinwohls zugedacht war, mussten privatem Profitstreben unbedingt entzogen werden.Allerdings arbeitete der Einfallsreichtum der Bürger, die nur ungerne auf ihre kleinen Geschäfte verzichteten, dem buchstabengetreuen Vollzug der Handelsverbote massiv entgegen: Auf die Anschuldigung, Bauholz verkauft zu haben, entgegnete Läufer Jakob Landtwing 1765, den einen der beiden bezogenen Stämme habe er für einen Schüttstein verwendet. Den anderen habe er gegen einen Kirschbaum mit Pfleger Sidler getauscht, der das Holz vielleicht für Bauzwecke verwendete, wie aufgrund der lückenhaften Quellenlage aber nur vermutet werden kann. Änderte es etwas an der Rechtslage, dass Landtwing nicht den von der Gemeinde geschenkten Stamm, sondern erst den eingetauschten Kirschbaum veräußerte?
Konsequenterweise erstreckte sich die Exportsperre auch auf holtzbrauchende materi, also unter erheblichem Holzverbrauch hergestellte Sekundär- und Tertiärprodukte wie Kohle, gebrannte Bau- und Dachziegel oder Branntwein (vgl. den legendären ‚Zuger Kirsch‘).
Selbstverständlich wurden die Preise, zu denen aus wertvollen Landesressourcen hergestellte Güter verkauft werden durften, obrigkeitlich diktiert und kontrolliert. Hamsterkäufe sollten möglichst unterbunden werden, und notfalls wurde versucht, die Versorgung über Importe zu sichern. Ein Ereignis aus dem Jahr 1767 verdeutlicht, dass trotzdem über die Landesgrenzen hinaus gehandelt wurde. Im fraglichen Beispiel war indes Zug der Nutznießer verbotener Holzexporte aus dem befreundeten Nachbarkanton Schwyz, der solches Treiben aber nicht ungestraft tolerieren konnte und deswegen zu unüblichen Maßnahmen griff. So inspizierten vier Ratsherren aus Schwyz unerlaubt das an der Grenze zum Kanton Schwyz gelegene Zuger Dorf Walchwil und luden sogar den dortigen Zuger Untervogt vor. Anschließend verlangten sie per offiziellem Schreiben, den dort wohnhaften Zuger Harschier Hürlemann unter Eid befragen zu dürfen, von wem er die vier Klafter Buchenholz gekauft habe, die bei seinem Haus lagerten. Der Zuger Rat sah im Vorgehen der Schwyzer eine Verletzung der zugerischen Hoheitsrechte und antwortete mit einer scharfen Protestnote. Nicht nur wurde der Wunsch nach einer eidlichen Einvernahme abgeschlagen, vielmehr drückte der Rat auch sein Unverständnis darüber aus, dass sich Schwyz in Sachen Holz gegen Zuger Bürger so kleinlich gebärde, wo Zug den Schwyzern doch in vorteilhafter und nachbarschaftlicher Weise Getreide und Brot liefere.Wie ambivalent in gemeinwirtschaftlichem Mikromanagement unterschiedliche Interessen gegeneinander abgewogen werden mussten, mag eine spannende Begebenheit aus dem Jahr 1773 verdeutlichen: Hammerschmied Utiger in Cham bekam vom Zuger Rat erstaunlicherweise die Erlaubnis, seine Schmiede einem Landesfremden zu verkaufen. Die Aussicht darauf, einen wichtigen Gewerbebetrieb samt aufwändiger Infrastruktur − die Hammerschmiede wurde mit Wasserkraft aus der Lorze betrieben, was intensive Uferpflege und pannenanfällige Technik voraussetzte – zum Nutzen der Landesökonomie erhalten zu können, rechtfertigte es aus der Ratsperspektive sogar, in Cham einen auswärtigen Familienstamm neu einzubürgern, eine für das 18. Jahrhundert spektakuläre Ausnahme.
Der designierte Käufer sollte sich also um teures Geld ins Chamer Genossenrecht einkaufen, was ihm grundsätzlich Anrecht auf Bezüge kommunaler Holzrationen einräumte. Bezüglich Bauholz und Brennholz für den Hausgebrauch würde er anderen Untertanen gleichgestellt. Das kohlholtz für den Betrieb der Schmiede, das Elixier seines gewerblichen Gewinnstrebens, musste er allerdings außerhalb des Stadtgebiets käuflich erwerben. Kein Bürger hätte verstanden, geschweige denn akzeptiert, wenn die Gewinnmargen für teure Eisenprodukte durch die Hintertür auch noch aus Gemeinderessourcen aufgestockt worden wären.Im besagten Fall von 1773 gewichtete für den neuen Eigner zusätzlich negativ, dass Johann Utiger, der die Schmiede 1731 gekauft hatte, nach ein paar Jahren versuchte, seinem Betrieb auf Kosten der Gemeinde mit einem Trick zusätzliche Holzrechte zu verschaffen. Er kaufte 1739 ein kleines Häuschen, zu dem eine halbe Gerechtigkeit gehörte, stieß dieses wenig später wieder ab und beanspruchte das darauf liegende gmeindtsrecht aber für seine Schmiede. Obwohl sich Utiger auf einen analogen Präzedenzfall und seinen Doppelstatus als eingekaufter Chamer und Zuger Stadtbürger berief, schlug sich der Rat auf die Seite der Gemeinde Cham. Utiger könne ein Gemeinderecht nur auf seine Schmiede ziehen, wenn er zuerst eine Liegenschaft mit einer ganzen Gerechtigkeit kaufe und das darauf stehende Haus abbreche. Der Streitfall blieb nicht folgenlos, und es zeugt vom Charakter von Holz als kollektiver Ressource, dass der Rat Utiger 1744 zwischenzeitlich zwang, sein Holz ganz außerhalb des Zugerlandes zu kaufen.
Obwohl die Schmiede als Großverbraucher im Fokus der Gemeinschaft standen, teilten sie mit dieser letztlich das Interesse an einer guten Versorgung. Ein Ausschuss von Feuerwerkern und Schmieden aus den Vogteien (den Untertanengemeinden der Stadt) verlangte vom Rat 1749 den Verkauf von Holz außer Landes zu verbieten, weil sie unter Kohlenmangel litten. Drei Jahre später beschwerte sich Konrad Martin Spillmann im Stad über Marx Hug, den Lehenschmied in Steinhausen, der Holz und Kohle aus dem Gebiet der Burgerschaft ins Zürichbiet verkaufe. Der Rat ermahnte diesen daraufhin, keine Kohle aus der burgerschafft hinaus zu verkaufen.
Dass Waldressourcen in der eidgenössischen Vormoderne eindeutig den Charakter eines Gemeinguts trugen, versinnbildlichen die drakonischen Strafen, die für Holzfrevel oder -diebstahl verhängt wurden. Die Protokolle des städtischen Rates und der Bürgerversammlung Zug belegen für das 16. und 17. Jahrhundert rund 220 Fälle von Holzfrevel, wobei deren Zahl im 17. Jahrhundert rapide ansteigt, was in der Forschung mit rigoroserer Kontrolle und einer mutmaßlichen Häufung der Vergehen erklärt wird.
Neben hohen Bußen wurden gelegentlich auch Turmstrafen ausgesprochen (notabene eine der schwersten Bestrafungen, die für solche Delikte, die in den Zuständigkeitsbereich der niederen Gerichtsbarkeit fielen, gegen Bürger verhängt wurde). Besonders drastisch war der Entzug der Teilhabe an kommunalen Ressourcen aller Art und − als Folge davon – der Ausschluss aus den lokalen Ressourcenkreisläufen. Als Wolfgang Wickart 1615 den Schleifer wegen Holzdiebstahls dingfest machte, erwog der Rat sogar einen Landesverweis, wofür wesentlich die aus Wickarts Schilderung abzuleitende kriminelle Energie des Übeltäters samt seiner ganzen Familie verantwortlich gewesen sein dürfte. Er, Wickart, habe den Schleifer auf der Allmende auf frischer Tat ertappt, als er gerade einen großen Eichenstock wegtragen wollte. Kaum entdeckt, habe dieser das Diebesgut fallen gelassen und sei geflüchtet. Bei der Verfolgung habe Wickart gesehen, dass auch die Frau und Kinder des Schleifers Eichenholz davongetragen hätten, und beim Haus des Schleifers habe schon viel dergleichen Holz gelegen.Kannte die Obrigkeit bei kruder Dieberei keine Gnade, so legte sie gegenüber von Delinquenten, die weniger dreist vorgegangen waren, viel Augenmaß an den Tag. Auch diese auf den ersten Blick schwer verständliche Milde war Ausfluss korporativer Nutzenlogik, denn die ökonomische und soziale Marginalisierung von Einzelpersonen und ihren Haushalten zogen für das Gemeinwesen unter Umständen erhebliche und dauerhafte Folgekosten nach sich, die den konkret entstandenen Waldschaden um ein Vielfaches übersteigen konnten. Als etwa der Schneider Hans Ruedi Stadlin von Oberwil 1692 auf der Allmende und anderswo unerlaubt Kirschbäume gefällt und verkauft hatte, sollte er dafür eine Buße zahlen und in den Turm gesperrt werden. Weil Stadlin gerade Vater geworden war, halbierte der Rat die Buße. Und als der Angeklagte vorbrachte, daheim könne gerade niemand auf das Neugeborene aufpassen, wurde ihm kurzerhand auch noch die Gefängisstrafe erlassen.
Reumütig gestanden 1704 Leander Utiger und der Sohn des verstorbenen Christen Moos, sie hätten etwas Holz von der Allmende genommen. Das Argument, sie hätten wegen großer Armut so gehandelt, überzeugte den Rat. Die Turmstrafe und der Ausschluss aus den bürgerlichen Nutzungen wurden ihnen auf Bewährung erlassen. Unter korporativen Vorzeichen mussten Schuld und Sühne unter Rücksicht auf die Umstände ausgehandelt werden. Neben rechtlichen und rechnerischen Größen bezog das Kalkül des Strafmaßes auch soziale und menschliche Variablen mit ein.Von nahezu sakraler Wertschätzung von Waldressourcen im Gemeinwesen künden schließlich die gravierenden Reputationsschäden, die erlitt, wer öffentlich oder hinter vorgehaltener Hand des Holzfrevels beschuldigt wurde (egal ob berechtigterweise oder grundlos). Selbst postum wurde gegen derartige Nachrede vorgegangen wie etwa im Fall des verstorbenen Statthalters Brandenberg, dessen Verwandtschaft sich 1634 vehement gegen die Anschuldigung des Holzdiebstahls aus Gemeindewaldungen wehrte. Der Rat wusste um die Brisanz der Angelegenheit und ordnete an, der Verleumder müsse die Gerichtskosten bezahlen und öffentlich erklären, er wisse über Statthalter Brandenberg selig nur Ehrbares, Liebes und Gutes zu erzählen. Und damit der explosive Streit keinesfalls nochmals aufflackern würde, blieb die Ehre beider Parteien erhalten. Außerdem mussten Vertreter beider Seiten dem Ammann (dem höchsten Amtsträger) die Hand geben und dabei geloben, nie mehr auf den Konflikt zurückzukommen.
Zusammenfassung
Der Tour d’Horizon durch einige Handlungsfelder vormoderner Holzwirtschaft (vgl. Liste in Kap. 1) vermittelte Einblicke in ein sachlich und sachkundig betriebenes Mikromanagement. Die auf der Folie zahlreicher Fallbeispiele beobachteten Strategien und Praktiken, die in der Bewirtschaftung von Waldressourcen zur Anwendung kamen, lassen Rückschlüsse darauf zu, welche ökonomischen und sozialen Zielsetzungen für eine korporativ-genossenschaftlich geprägte politische Ökonomie bei der Bewirtschaftung von nur in beschränktem Ausmaß verfügbaren Naturressourcen Relevanz behaupteten. Diese waren: Auf Sachkenntnis beruhendes Handeln, haushälterischer Umgang mit den verfügbaren Gütern, Wissen um den unbedingten Bedarf nach Ressourcen sowie die Bereitschaft zu stetiger Erneuerung der Ressourcenbasis, ein nicht nur auf finanziellen Ertrag sondern auch auf praktische und soziale Zweckdienlichkeit fokussiertes Verständnis für den multiplen und changierenden Wertcharakter von Holzressourcen sowie eine Distributions- und Sanktionspraxis im Zeichen des Gemeinen Nutzens und zum Vorteil der legitimen Nutzerschaft.
Ein ansehnlicher Grundstock an Gemeingütern, ein zahlenmäßig überschaubares Personengefüge, eine nivellierte Sozialtopgraphie, flache Herrschaftshierarchien sowie eine von unzähligen Korporationen geprägte Institutionenlandschaft bildeten den Nährboden für eine spezifische politische Ökonomie, unter deren Vorzeichen die Pflege und Verwendung begrenzter kollektiver Ressourcen tatsächlich politisch verhandelt wurden. Eine andere Frage wäre, ob das beschriebene Ressourcenregime nur unter republikanisch-korporativen Vorzeichen bzw. unter der Voraussetzung kommunaler Selbstverwaltung funktionieren konnte, oder ob sich gemeinwirtschaftliche Logiken auch unter anderen herrschaftlichen und soziökonomischen Rahmenbedingungen zu etablieren vermochten.
Abbildungsnachweis Titelbild
Calendarium germanicum versibus rhythmicis et sermone soluto compositum
Wien, ÖNB, cod. 3085, 1475, fol. 3r: Monatsbild April
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