Bildlich gestaltete Tischplatten in Spätmittelalter und Früher Neuzeit

Abstract
Die Studie ist der Frage einer Materialikonologie bzw. einer Materialsemantik des Werkstoffes Holz im Möbelbau des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit gewidmet. Grundlage dafür ist wegen der spärlichen schriftlichen Quellenlage ein Vergleich von bildlich gestalteten Tischplatten, weil dies sich wegen der unterschiedlichen Gestaltungstechniken der Bemalung und Intarsien für eine Gegenüberstellung besonders gut eignet. So kann ein möglicher Unterschied im Umgang mit dem Werkstoff Holz und einer daraus resultierenden Wertigkeit der Möbel nachvollzogen werden. Um diese Analyse möglichst weit zu fassen, wird auch die zeitgenössische Rezeption anhand von Bildquellen berücksichtigt. Dies ergibt in der Summe einen Untersuchungsansatz zum Thema der Materialsemantik des Werkstoffes Holz, wie er in der historischen Möbelforschung bisher noch nicht vorgenommen worden ist.
Abstract (englisch)
This study is dedicated to the question about a material iconology – or rather a material semantics – of wood in furniture making in the late Middle Ages and Early Modern Period. With regard to the sparse written sources for that topic it is based on a comparison of pictorially designed table tops, since the different kinds of design techniques applied on them, painting and intarsia, are well suited for comparative analyses. Thus we may comprehend potential differences in both handling wood as a material and valuing the pieces of furniture produced from it. In order to lay out the analysis on a broader scale, the contemporary reception in pictorial sources is taken into account, too. The result is an investigative approach to the topic of a material semantics of wood that has not been undertaken in historical furniture research so far.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Im Folgenden soll das Thema des Werkstoffes Holz anhand des Objektbestandes der bemalten Tischplatten des Spätmittelalters, sowie anhand der Tische mit intarsierten Tischplatten der Frühen Neuzeit betrachtet werden. Auf Grund der Tatsache, dass in der historischen Möbelforschung der Werkstoff Holz bisher nur als Baustoff wahrgenommen wurde, stellt sich die Frage, ob dem Werkstoff nicht auch ein gewisser semantischer Gehalt innewohnt und wenn ja, ob dadurch das Möbel selbst eine gewisse Bedeutungsaufladung, beziehungsweise eine Aufwertung erfährt oder ob eine Aufwertung nur auf der künstlerischen Gestaltung (Bemalung, Schnitzereien, Intarsien) basiert.
Es handelt sich hierbei um erste Überlegungen, die im Zusammenhang mit dem Workshop „Holz in der Vormoderne. Werk-Stoff/ Wirk-Stoff/ Kunst-Stoff“ des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Universität Salzburg angestellt wurden. Aufgrund der spärlichen schriftlichen Quellenlage geht die Studie zunächst von den Objekten aus,
wobei folgende Fragen im Zentrum stehen: Dient das Holz der bemalten Tischplatten nur als Bildträger und wurde demnach für die Tischplatten selbst Holz von minderer Qualität verwendet? Hier bietet sich ein vergleichender Blick auf die Tafelmalerei an, auch deswegen, weil die bemalten Tischplatten per se eng mit dieser verbunden sind. Eine Antwort darauf lässt auch Rückschlüsse auf den Möbelbau an und für sich zu. Eine weitere Frage wäre, ob es bei den intarsierten/ marketierten Tischplatten zu einer Aufwertung durch das Material Holz kommt oder ob dieses hier auch nur als Bildträger dient und der Wert des Möbels somit nur von der fertigen Intarsie abhängt. Wird der Werkstoff hier also scheinbar ebenso verschleiert wie auf den bemalten Tischplatten? Um diese Fragen beantworten zu können und dem zeitgenössischen Umgang mit solchen Möbeln auf die Spur zu kommen, lohnt sich auch ein Blick auf bildliche Quellen, die einen Hinweis auf die Rezeption solcher Möbel liefern, wie zum Beispiel die sogenannte Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497.Die bildliche Gestaltung der Tischplatte
Neben der Entwicklung der Möbelformen aufgrund praktischer Kriterien spielten von Anbeginn an auch ästhetische Aspekte bei der Herstellung von Möbeln eine große Rolle. Der Baustoff wurde nicht nur bautechnisch, sondern auch künstlerisch bearbeitet. Neben anderen Möbeln bot und bietet sich der Tisch mit seiner großen horizontalen Fläche, der Tischplatte, besonders gut zur künstlerischen Gestaltung etwa als Bildträger an. Obwohl es zunächst unpraktisch erscheint, die Tischplatte allzu aufwändig zu gestalten, weil dies scheinbar dem alltäglichen Gebrauch des Möbels entgegensteht, ist seit der Spätantike eine Tradition der bildlichen Gestaltung der Tischplatte nachweisbar. Diese beschränkte sich zunächst auf reliefierte Beispiele aus Marmor und Metall, bis sich die Malerei durchsetzte.
Für den Zeitraum von 1330 bis 1550 sind bisher insgesamt 23 Tische mit bemalten Tischplatten nördlich der Alpen nachweisbar.Neben einer Veränderung der Form des Möbels von langen schmalen hin zu kleineren quadratischen Tischen am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert ist für alle Objekte eine äußerst qualitätvolle Malerei feststellbar. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass neben der neuesten Maltechnik, wie der illusionistischen Malerei und Trompe l’œuil Darstellungen, auch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse abgebildet und von namhaften Künstlern wie zum Beispiel Martin Schaffner, Hans Sebald Beham oder Hieronymus Bosch angefertigt wurden. Somit scheint bei den bemalten Tischplatten vor allem der Aspekt der Materialverschleierung im Vordergrund zu stehen, weil die Tischplatten nur als Bildträger angesehen werden könnten und das Holz durch die Bemalung scheinbar völlig ausgeblendet wird. Scheinbar deswegen, weil nicht klar ist, ob auch die Untergestelle der Tische mit bemalten Tischplatten farbig gefasst oder holzansichtig waren. Diese Unsicherheit begründet sich in der Tatsache, dass nur einer der genannten Tische mitsamt seinem Untergestell erhalten ist. Dabei handelt es sich gleichzeitig auch um den ältesten Tisch mit bemalter Tischplatte, nämlich um den sogenannten gotischen Falttisch aus Lüneburg von 1330 (Abb. 1).
- Abb. 1: Lüneburger Falttisch, 1330. Eichenholz bemalt, Länge gesamt 660 cm, Breite 80 cm. Lüneburg, Museum Lüneburg. Foto links: © Jens Kremb. Foto rechts: aus Biddle 2000, S. 40.
Bei näherer Betrachtung erscheint das Untergestell mit einer Art Beize oder Ähnlichem dunkel gefärbt zu sein, so dass auch hier eine Holzansichtigkeit nicht direkt erkennbar ist, doch lassen der unregelmäßige Auftrag, der vor allem an der Tischplattenkante zu erkennen ist, und ältere Aufnahmen darauf schließen, dass dieser Farbauftrag nicht original war und ein deutlicherer Kontrast zwischen einem holzansichtigen Untergestell und der bemalten Tischplatte durchaus vorhanden gewesen sein kann. In diesem Zusammenhang sei jedoch auf die Aussage von Wilhelm Bode hingewiesen, der in seinem Werk über die italienischen Hausmöbel für die Tische des 15. Jahrhunderts feststellt, „dass auch hier die Naturfarbe des Holzes nicht rein zur Geltung kam, sondern mit einer rotbraunen Farbe gedeckt wurde.“
Heinrich Kreisel stellt einen solchen Anstrich, der möglicherweise zur Schädlingsabwehr eingesetzt wurde, auch an romanischen Möbeln fest. Ob es also bei den Tischen mit bemalten Tischplatten einen absichtlichen Kontrast zwischen der bemalten Platte und einem holzansichtigen Untergestell gegeben hat, ist nicht eindeutig zu klären. Auf einer Tafel des sogenannten Mömpelgarder Altars von Heinrich Füllmaurer von um 1540 zeigt die Szene der Bestechung der Grabwächter durch den Hohen Rat einen Tisch, bei dem sich das Untergestell von der Tischplatte deutlich unterscheidet (Abb. 2).Ob es sich hierbei um zwei verschiedene Holzarten handelt, vielleicht dunklere Eiche für das Untergestell und helleres Lindenholz für die Tischplatte, wie es Ruth Mohrmann für die Tische der Bauernstuben des 18. Jahrhunderts feststellt,
ist natürlich nicht nachweisbar, doch unterscheiden sich die hier abgebildeten Möbelteile in ihrer Farbigkeit sehr deutlich voneinander. Diese Annahme wird von der Verordnung über die Meisterstücke der Schreiner in Augsburg von 1519 gestützt. Dort heißt es, dass neben dem Schrank ein „zusamen gelegten tisch […] us linde geforniert […] und das gestell von buchin holtz“ anzufertigen sei.- Abb. 2: Heinrich Füllmaurer/Werkstatt, Mömpelgarder Altar, um 1540. Tafel mit der Bestechung der Grabwächter durch den Hohen Rat, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie. Foto: © Kunsthistorisches Museum Wien.
Verschleierung des Materials
Roswith Capesius sieht auf Grund der technischen Erleichterung durch Sägemühlen seit dem 14. Jahrhundert und der damit einhergehenden veränderten Verarbeitung des Holzes einen Anstieg der Verbreitung von minderem Weichholz, was für sie ein Indiz für die ebenfalls seit dieser Zeit aufkommende Bemalung bzw. farbige Fassung von Möbeln ist.
Plinius berichtet in seiner Historia naturalis, dass man Tische, die aus dem kraus gewachsenen bruscum– dem Knorren, einem Auswuchs des Ahorns – hergestellt wurden, trotz der besonderen Erscheinung des Holzes schwarz einfärbte. Demnach basiert die farbliche Veränderung oder die farbige Gestaltung der Tischplatten meines Erachtens nicht unbedingt auf der Verwendung eines minderwertigeren Holzes, was durch die identifizierten Holzarten der bemalten Tischplatten unterstützt wird. Die Wertigkeit der Möbel, im speziellen Fall der Tische, hängt somit nicht nur von deren Gestaltung ab. Weiter schreibt Plinius im 13. Buch, dass Tischplatten, die aus dem Wurzelholz der Thujamaser gefertigt wurden, einen Wert von 1.300.000 Sesterzen, „der Schätzung nach einem großen Landgut gleich“, haben konnten. Auch, wenn die Tische mit bemalten Tischplatten nicht einen solchen Wert erreichen, bleibt festzuhalten, dass das Material durch die Bemalung zwar verschleiert wird, das Möbel durch die Bemalung aber aufgewertet wird.Aufwertung des Materials
Diese Art der Aufwertung konnte durch die Imitation eines anderen Werkstoffes noch verstärkt werden. So sind zwei Tischplatten erhalten, bei denen die Bemalung Marmor imitiert, womit die Tische jenen Beispielen folgen, bei denen eine Steinplatte auf ein Holzgestell montiert ist. Dies ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts gängige Praxis, wobei der Würzburger Ratstisch von Tilmann Riemenschneider von 1506 sicherlich das berühmteste Beispiel darstellt.
Bei den beiden erhaltenen bemalten Tischplatten, die Marmor imitieren, handelt es sich um die sogenannte Schwäbische Tischplatte und die Tischplatte von Hieronymus Bosch, die beide mit Ende 15. Jahrhundert datiert werden können. Die Schwäbische Tischplatte ist aus Kirschbaumholz gefertigt und die Ränder und Kanten der Tischplatte, wie auch die Gratleisten unter der Platte, sind mit einer roten Marmorimitation, vermutlich soll rosso antico imitiert werden, versehen (Abb. 3). Zwar hat sich auch hier das Untergestell des Tisches nicht erhalten, doch kann man auf Grund der unterseitigen Weiterführung der Bemalung mit der roten Marmorimitation davon ausgehen, dass es sich hierbei um die Tischplatte eines Kastentisches mit aufklappbarer Platte gehandelt hat. Der Hintergrund der Tischplatte von Hieronymus Bosch/Werkstatt mit der Darstellung der Sieben Todsünden und den Vier Letzten Dingen stellt ebenfalls eine Marmorimitation, vermutlich grünen Serpentinmarmor, dar (Abb. 4).- Abb. 3: Schwäbische Tischplatte Kirschbaumholz, bemalt, 106×116 cm, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien. Foto © MAK Wien/ Georg Mayer.
- Abb. 4: Hieronymus Bosch/Werkstatt, Tischplatte mit den Darstellungen der Sieben Todsünden und den Vier Letzten Dingen Ölfarbe auf Pappelholz, 120×150 cm, Museo Nacional del Prado Madrid. Bildquelle: Wikimedia Commons.
Eine solche Imitation von Marmor wendet Bosch auch auf den Rückseiten der Tafeln der Visionen vom Jenseits an, wo alternierend roter Marmor (Porphyr oder Rosso antico) und grüner Serpentinmarmor wiedergegeben ist.
Normalerweise ist eine solche Marmorimitation in der Tafelmalerei vor allem auf den Rückseiten von Porträts zu beobachten. Gedeutet wird dies von der Forschung dahingehend, dass dadurch der vergängliche Werkstoff Holz negiert wird und die Eigenschaft der Beständigkeit und somit der „Ewigkeitswert“ des Steinmaterials auch auf das Abbild übertragen werden sollte. Somit machen die beiden mit Marmorimitat bemalten Tischplatten deutlich, dass der Werkstoff Holz durch die Bemalung nicht nur verschleiert, sondern sogar negiert wird und die Möbel nicht nur aufgrund der höheren Wertigkeit des imitierten Materials aufgewertet werden, sondern auch aufgrund weiterer Eigenschaften, die auf das Objekt übertragen werden können.Holzart als Argument für Gattungs- und Zuschreibungsfragen
In der Forschung ist die Identifikation der Tischplatte von Hieronymus Bosch/Werkstatt als solche und auch die Zuschreibung an Bosch umstritten.
Die Auseinandersetzung mit dem Material dieses Objektes scheint exemplarisch für die Unsicherheit und die vielen Fragen zu stehen, die sich nicht nur in der Möbelforschung, sondern in diesem Fall auch für die Tafelmalerei ergeben. Neben der als unpraktisch angesehenen Bemalung wird hier vor allem die Tatsache als Argument verwendet, dass die Tischplatte aus Schwarzpappelholz gefertigt ist. Erwin Pokorny merkt in dem Zusammenhang an, dass seiner Meinung nach die Holzart Pappel als Holz für eine Tischplatte zu weich sei. Dem sind jedoch z.B. die Tischplatte von Hans Wertinger/Werkstatt von 1531 mit der erweiterten Darstellung der Landkarte von Bayern des Johannes Aventinus, die aus Fichtenholz besteht sowie die Tischplatte von Martin Schaffner von 1533 mit einem komplexen Bildprogramm, das in einer Art Weltbild die Bereiche Astrologie und Alchemie sowie christliche und humanistische Inhalte zusammenstellt und die aus Lindenholz gefertigt ist, entgegen zu setzen. Vergleicht man die Rohdichte in g/cm3 bei 15% Holzfeuchte, so liegen die Werte von Pappelholz durchschnittlich bei 0,56, von Lindenholz bei 0,53 und von Fichtenholz bei 0,47. Somit weisen diese Holzarten durchaus ähnliche Rohdichten auf, und Linden- und Fichtenholz sind vergleichbar weich. Des Weiteren ist zu beachten, dass es trotz der annähernd gleichen Rohdichte durchaus Unterschiede in Bezug auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften der Hölzer gibt, wobei Pappelholz im Gegensatz zu Fichten- und Lindenholz einen höheren Abnutzungswiderstand besitzt, sodass es nicht nur heutzutage im Möbelbau –und hier vor allem als Tischplatte – Verwendung findet. Auf Grund des hohen Abnutzungswiederstandes wurde und wird Pappelholz in den Niederlanden auch zur Anfertigung der traditionellen Holzschuhe verwendet. Diese und die weitere Tatsache, dass die niederrheinische Tiefebene um Wesel herum seit dem 12. Jahrhundert zum ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Schwarzpappel gehört, relativiert die Argumente der Kritiker, die die Holzart der Schwarzpappel, aus der die Tischplatte gefertigt ist, als einen Beweis dafür anführen, dass die Tischplatte nicht von Bosch bemalt worden wäre. In diesem Zusammenhang wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die bisher untersuchten Gemälde des südniederländischen Raumes auf Tafeln aus baltischer Eiche gemalt sind. Meines Erachtens ist jedoch zu beachten, dass bei weitem noch nicht alle erhaltenen Tafelgemälde einer Holzartbestimmung unterzogen wurden und es durchaus weitere Tafeln geben könnte, die auch aus Pappelholz gefertigt worden sind. So sind neben den Tafelgemälden in Italien, wo es üblich war auf Pappelholztafeln zu malen, durchaus auch Beispiele in den Œuvres deutscher Maler nachweisbar. Ebenso fehlt eine dezidierte Holzartbestimmung von südniederländischen Möbeln vom Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, so dass es durchaus sein kann, dass Pappelholz zur Herstellung von Möbeln verwendet wurde.Dies führt zu Überlegungen über den Herstellungsprozess der Tische mit bemalten Tischplatten, und es stellt sich die Frage, ob in den Malerwerkstätten die schon fertigen Tische bemalt wurden oder ob hier auch die Tafeln angefertigt wurden? Üblicherweise wurde die Produktion durch Zunftordnungen insofern geregelt, als nur bestimmte Handwerkszweige eine Zulassung erhielten, bestimmte Produkte anzufertigen.
So könnte es bei den Tischen mit bemalten Tischplatten ähnlich wie bei den Altarretabeln sein, wenn diese zunächst ungefasst von den Bildschnitzern aufgestellt wurden und erst später von den Malern gefasst und bemalt wurden.Im Fall von Martin Schaffner ist festzustellen, dass sieben seiner neun bekannten profanen Tafeln bzw. Porträts aus Lindenholz bestehen, ebenso wie seine Tischplatte. Sämtliche seiner sakralen Werke sind dagegen auf Nadelholz gemalt.
Somit könnte es zwar sein, dass die Tischplatte von Schaffner als eine separat vom Untergestell extra angefertigte Tafel angesehen werden könnte, jedoch lassen drei Beispiele aus dem ungarischen Nationalmuseum vermuten, dass Schaffner den bereits fertigen Tisch zur Bemalung bekam, da deren Tischplatten ebenfalls jeweils aus Lindenholz gefertigt wurden. Dies erinnert wiederum an die Abbildung des Tisches auf dem sogenannten Mömpelgarder Altar. Somit wäre das der Schwarzpappel vergleichbar weiche Lindenholz der Tischplatte von Schaffner als Baustoff des Tisches anzusehen, welches dann zum Bildträger wurde. Das könnte, um auf das Beispiel von Bosch zurückzukommen, auch erklären, dass die sonst in der niederländischen Malerei für einen Bildträger bisher nicht nachgewiesene Holzart Schwarzpappel zu einem schon fertig produzierten Tisch gehörte.Tischplatten mit Intarsien und Marketerien
Die Überlegungen, ob die jeweilige verwendete Holzart selbst, beziehungsweise deren Qualität und Eigenschaften, oder die künstlerische Gestaltung die Wertigkeit der bemalten Tische ausmacht, lassen sich auch bei den Tischen mit intarsierten Tischplatten anstellen. Ebenso stellt sich die Frage nach dem Umgang mit dem Werkstoff Holz. Wird dieser bei den bemalten Tischplatten und vor allem bei den Beispielen, die eine Marmorimitation aufweisen, eher negiert, scheint es bei den intarsierten bzw. marketierten Tischplatten nur zu einer Verschleierung zu kommen, wie das süddeutsche Beispiel aus dem Florentiner Kunsthandel aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts zeigt (Abb. 5).
Die Umrandung des Bildfeldes weist ebenfalls eine Marmorimitation auf, und die Darstellungen der Ranken, der Jagd, sowie die Musikinstrumente und das Rollwerk sind aus unterschiedlichen, nicht näher bestimmten Holzarten gefertigt, die jedoch zum Teil gefärbt und gebrannt wurden. Durch die wie ein Horror Vacui anmutende Fülle von Darstellungen auf der Tischplatte wird hier das Erscheinungsbild des Holzes verschleiert. Im Gegensatz dazu bleibt im Fall der Tischplatte der Eheleute Marx Rehlinger und Juliana Roth in Ulm von um 1570 trotz der überbordenden Rankenmotive und Ornamentik ein gewisser Eindruck des Holzes erhalten, auch wenn bestimmte Einlagen grün gefärbt wurden, um eine möglichst echt wirkende Blattranke darzustellen (Abb. 6). Einen ähnlichen Eindruck vermitteln die Einlagen auf den Seiten des Kastens des Zahltisches aus dem Rheinland von 1567. Hier wird durch die Verwendung des helleren Eichenholzes für die Darstellung einer Ranke ein Kontrast zum Nussbaumholz des Korpus des Tisches hergestellt, jedoch bleibt die Erscheinung des Holzes natürlich und die Holzarten können ohne weiteres vom Betrachter identifiziert werden.- Abb. 5: Intarsierte Tischplatte, letztes Viertel 16. Jh. 67×43,5 cm, Kunsthandel Florenz. Foto aus: Möller 1956, Abb. 189.
- Abb. 6: Tischplatte von Marx Rehlinger und Juliana Roth, um 1570 124×116,5 cm, Ahorn, Eschenmaser, Birnbaum, Linde, Nuss-baum und Elfenbein graviert und gefärbt, Ulmer Museum Ulm. Foto aus: Die Renaissance im dt. Südwesten 1986, S. 776.
Dies ist z.B. bei dem Tisch im Hamburger Museum für Kunst Gewerbe aus dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts nicht mehr der Fall. Hier wird in einem zentralen Bildfeld, das durch Ebenholzeinlagen von der üppigen Rankenbordüre getrennt wird, eine Hirschjagd in einer Ruinenlandschaft dargestellt (Abb. 7).
Der Tisch mit seiner bildlichen Gestaltung steht nicht nur von der Ikonographie her in der Tradition der bemalten Tischplatten. Der Tisch scheint auch beispielhaft für die oft angesprochene Konkurrenz zwischen der Intarsie und der Malerei zu stehen, die der Augsburger Schreiner Peter Heyß 1564 thematisiert. So wird er in den Akten zu einem Prozess zitiert, wobei er den Unterschied zur Malerei betont und seiner Ansicht nach die bildhaften Intarsien höher zu bewerten seien als gemalte Bilder: „[…] denn mit seinen Farben kann er mir mein Arbeytt wenig zieren, ich kann in auch nit nachkummen, sunder muss main Arbeyt nehmen, wie ich’s an dem Holtz gehaben mag.“- Abb. 7: Tischplatte, 90,2×64 cm Ahorn-, Nuss-, Birn-, Eschen-, Eichen-, Knollen- und Ebenholz, letztes Drittel 16. Jahrhundert, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Foto aus: Möller 1956, Abb. 187.
Hier wird das Material Holz auf seine Farbigkeit reduziert und nur als Werkstoff und Mittel zur Herstellung der Intarsien angesehen und wahrgenommen. Die Wertigkeit scheint sich somit auf die künstlerische Gestaltung zu beschränken. Darauf weist auch der Eintrag bei Plinius hin, wo es heißt: “Dies war der Beginn des Luxus, dass man ein Holz mit einem anderen einlegte und geringere Arbeiten so mit Holz, kostbarere aber mit Schale fertigte.“
Dies ist meines Erachtens auch bei den Tischplatten der zwei Schragentische in der Fuggerstube auf Schloss Tratzberg von um 1520 der Fall, bei denen die natürliche Erscheinung des Holzes nicht mehr im Vordergrund steht, weil die bildliche bzw. grafische Gestaltung der Blockintarsie derart aufwändig und kleinteilig ist, dass die verwendeten Hölzer allein wegen ihrer Farben ausgewählt und verwendet worden sind. Für die Blockintarsie von Tisch 1 (Abb. 8) wurde augenscheinlich Ahorn und Nussbaumholz verwendet. Die sehr aufwändige, kleinteilige Gestaltung der Blockintarsie wird von einer Flechtband-Sternornamentik geprägt, die in der Mitte des Tischblattes in ein kleineres quadratisches Feld eingeschrieben ist, welches von einem oktogonalen größeren Feld umfangen wird, wobei die Fläche des Oktogons durch unterschiedlich gestaltete schmalere Ornamentstreifen gefüllt ist. In den sich ergebenden vier Zwickeln zum Rand der Tischplatte hin sind noch einmal vier quadratische kleinere Felder eingefügt, welche das Motiv des zentralen Vierecks wiederholen. Den einfassenden Abschluss der Tischplatte bilden schmale Streifen mit stehenden Quadraten in liegenden Quadraten, sowie nur stehende Quadrate, in deren Zentrum ein kleines Schachbrettmuster wiedergegeben wird. Der auf der gesamten Tischplatte angewendete Kontrast von hellem und dunklen Holz verleiht den Ornamenten zum Teil einen dreidimensionalen Charakter. Einige Flächen der Intarsien erscheinen heller, was auf eine mögliche jüngere Ausbesserung von Schadstellen hindeutet.Die Gestaltung der Tischplatte von Tisch 2
unterscheidet sich zu der von Tisch 1 in der Hinsicht, dass sich auf ihr neun quadratische Felder mit identischen Flechtbandmustern wiederholen, die durch jeweils zwei Ornamentbänder, die ebenfalls an den Schnittpunkten über- beziehungsweise untereinander geflochten sind, voneinander getrennt werden (Abb. 9). Zur Tischplattenkante hin fassen wiederum zwei Ornamentbänder, eines mit Sternendekor und das äußere als Weidenflechtzaun gestaltet, die neun Felder ein. Der flache Zargenkasten weist eine Gestaltung mit einem Sternen- und einem Wellenband auf. Neben der Gestaltung besteht auch ein Unterschied aufgrund der verwendeten Hölzer zu Tisch 1. So werden bei Tisch 2 augenscheinlich Eiche oder Esche und Nussbaumholz für die Blockintarsien verwendet.- Abb. 8: Schragentisch 1, um 1520. 110x112x79 cm, Intarsien der Tischplatte vermutl. aus Ahorn und Nussbaum, Untergstell und Tisch-plattenunterkonstruktion aus Zir-benholz, Fuggerstube Schloss Tratz-berg Tirol. Foto: © Jens Kremb/ Familien-stiftung Schloss Tratzberg.
- Abb. 9: Schragentisch 2, um 1520. 104x105x80 cm, Intarsien der Tischplatte vermutl. aus Eiche und Nussbaum, Untergestell und Tischplattenunterkonstruktion aus Zirbenholz, Fuggerstube Schloss Tratzberg Tirol. Foto: © Jens Kremb/ Familienstiftung Schloss Tratzberg.
Die schragenförmigen Untergestelle der Tische aus Zirbenholz,
deren aufrechte Stützen im Stil der sogenannten Astwerkgotik in Form von geflochtenen Ästen mit Aststümpfen gestaltet sind, verweisen sehr prägnant auf den eigentlichen Werkstoff und dessen Natürlichkeit, womit der Kontrast zwischen der Natürlichkeit des Werkstoffes beim Untergestell und dem stark geometrisch gestalteten Erscheinungsbild der Tischplatten im Vordergrund steht. Hier sei noch darauf hingewiesen, dass die Gestaltung der Blockintarsie der Plattenkante von Tisch 1 mit einem alternierend hell und dunklen Ornamentband mit stehenden Winkeln den Fladern einer Brettkante des Tangentialschnitts entspricht, wodurch die natürliche Erscheinung des Holzes nachgeahmt wird. (Abb. 10) Auf die Raumgestaltung ausgeweitet wird der Kontrast zwischen der Natürlichkeit und dem gestalteten Erscheinungsbild des Werkstoffes auf den Tischplatten durch den Vergleich mit der hölzernen Wandvertäfelung mit ihren relativ großen unverzierten Flächen, jedenfalls in der Fuggerstube, noch besonders hervorgehoben.- Abb. 10: Nachahmung der Fladern einer Brettkante des Tangentialschnitts bei Tisch 1 im Vergleich eines Bankbrettes, Fuggerstube Schloss Tratzberg Tirol. Foto: © Jens Kremb/ Familienstiftung Schloss Tratzberg.
Zur Wertigkeit des Materials und Rückschlüsse aus heutiger Sicht
Bisher zeigte sich anhand der intarsierten Tischplatten, dass hier der Werkstoff Holz ähnlich wie bei den bemalten Tischplatten verschleiert wurde und der Wert durch die künstlerische Gestaltung zustande kam. Möglicherweise führten aber auch die verwendeten Hölzer selbst zu einer Aufwertung des Möbels. Die Aufzeichnungen, die im Zusammenhang mit der Erneuerung des Getäfels in den Repräsentationsräumen der kaiserlichen Hofburg in Innsbruck (1548-1563) gemacht wurden, liefern dafür einen ersten Anhaltspunkt. So wird für die sogenannte Paradeisstube vorgeschlagen, die edlen Hölzer Esche, Ahorn und Ölbaum zu verwenden. Diese Hölzer galten vor allem gegenüber dem häufig verwendeten Nadelholz als höherwertig, wurden aufgrund des hohen einheimischen Preises jedoch in Schlesien und Böhmen gesucht. 1548 schrieb man an den Hofpfennigmeister Florian Griespeck nach Prag, man „brauche für den Saalbau 1000 ‚schön, edel Spän von gar schönen ahornen flader oder ebensoviel eschen spän, die von Art edel seien und nit spän, die erst durch das schneiden geedelt werden, oder ganze Stücke edelholz […]. Jedes Stück solle vier Insbrucker Werkschuh lang sein.“
Hier stellt sich allerdings die Frage, welche Eigenschaft die jeweiligen Hölzer im Gegensatz zum genannten Nadelholz edler macht. Die Beschaffung aus einer anderen Region kann es nicht sein, da die gleichen Hölzer, nur zu einem teureren Preis, auch in Bayern erhältlich gewesen wären. Meines Erachtens ist hier das Erscheinungsbild der Holzoberfläche ausschlaggebend. Ebenso ist diese Unterscheidung auch an anderen Möbeln, wie zum Beispiel den zweigeschossigen Schränken abzulesen, deren Konstruktionsteile aus Nadelholz und deren repräsentative Schauteile, wie zum Beispiel die Füllungen in den Rahmen der Türen, aus Riegelahorn gefertigt sind.Wie dem auch sei, ohne eine solche Quelle wie jene über die Ausstattung der Paradeisstube ist eine Aussage über die Wertigkeit eines Werkstoffes bzw. eines Kunstwerks vorsichtig zu tätigen. Denn verständlicherweise stimmen die heutigen Wertvorstellungen nicht zwangsläufig mit denen der Vergangenheit überein, wie es zum Beispiel Thomas Raff in seiner Publikation über die Sprache der Materialien deutlich macht.
Unter diesen Aspekt fallen sicherlich auch die Aussagen über die intarsierten Tischplatten, wenn wir aus heutiger Sicht, ohne Quellen, die dies belegen können, davon ausgehen, dass die Tische auf Grund einer gewissen Kunstfertigkeit in der Ausführung der Intarsien eine Aufwertung erfahren hätten. Schaut man sich nämlich die Tischplatte von Tisch 1 auf Schloss Tratzberg genauer an, so lassen sich durchaus auch handwerkliche Unzulänglichkeiten feststellen. So ist z.B. an den vier kleineren quadratischen Eckfeldern eine unpräzise Ausführung und Ungenauigkeit in der Einpassung zu erkennen. Wie wurde das wohl von dem zeitgenössischen Betrachter bewertet? Etliche Beispiele von Kunstwerken, die auf Grund ihrer meisterhaften Beherrschung von Werkzeug und Material selbst heute noch höchstes Erstaunen hervorrufen, scheinen die Ungenauigkeit auf der Tischplatte in Tratzberg geradezu an den Pranger zu stellen. Dies kann jedoch nur im Vergleich geschehen. Konnte der zeitgenössische Betrachter einen solchen direkten Vergleich, wie er heutzutage möglich ist, überhaupt vornehmen? Anke te Heesen geht davon aus, dass sich das vergleichende Sehen erst im 16 Jahrhundert mit den sich verbreitenden Kunst- und Wunderkammern langsam etablierte.Des Weiteren kann laut Raff eine Bewertung oder, wie in unserem Fall eine Aufwertung, auch anhand einer Materialhierarchie vorgenommen werden, wobei hier mindestens zwei Materialien in direktem Zusammenhang stehen müssen.
Eine solche Abstufung kann auch heute noch objektiv nachvollzogen werden, wenn Quellen, wie für das bereits erwähnte Beispiel der Neugestaltung der Repräsentationsräume der Hofburg, überliefert sind. Am Beispiel der Tische auf Schloss Tratzberg kann die Materialhierarchie quasi auch wortwörtlich nachvollzogen werden, wenn die Intarsien der Tischplatte aus den Holzarten Ahorn und Nussbaum bestehen und somit in der Wertigkeit höher anzusiedeln sind als das Nadelholz, aus dem die Untergestelle der Tische bestehen.Bildquellen und ihre Aussagen zur Material- und Gestaltungshierarchie
Weitere Quellen, die uns in der Frage zur Wertigkeit des Möbels Tisch und seinen Werkstoffen weiterhelfen können, sind Bildquellen, wobei auch hier vorsichtig vorzugehen ist, da auch deren Auswertung aus der Sicht des heutigen Betrachters vorgenommen wird und explizite Aussagen zum Thema in den Bildquellen meist fehlen.
Eine solche Quelle stellt die sogenannte Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497 dar. Hier werden in 30 ganzseitigen Miniaturen die Handlungen des Rates in 15 Rechtskapiteln dargestellt. Die Miniatur B mit der Unterschrift „Van schickinge unde vorderinge des neddersten gherichts“ zeigt das Niedergericht innerhalb eines mit Rippengewölbe versehenen Raumes an einem langen Tisch sitzend.
Der Tisch selbst wird durch die deutliche Darstellung der Maserung des Holzes holzansichtig wiedergegeben. Demgegenüber steht die Miniatur K, die den Rat an einem Tisch sitzend zeigt, der mit einem grünen Tuch bedeckt dargestellt ist, und die Miniatur D, wo der Rat an einem runden, rot gefassten Tisch sitzt, der mit einem in Gelb bzw. goldener Farbe aufgemalten konzentrischen Kreis und zum Rand hin mit in gleicher Farbe gemaltem Blumendekor verziert ist (Abb. 11). Die bewusste und deutlich unterschiedliche Wiedergabe der Tische zeigt, dass für bestimmte Ratshandlungen auch dementsprechendes Mobiliar verwendet wurde. Hier jedoch war der Werkstoff Holz bzw. seine Wertigkeit scheinbar nicht von Bedeutung, jedenfalls nicht in der Hinsicht, als dass bestimmte wertvolle Hölzer repräsentativ genutzt wurden. Viel mehr zeigt sich eine scheinbare Abstufung und somit eine Abgrenzung nach unten durch die Gestaltung der Möbel, wenn das Niedergericht an einem holzansichtigen Tisch Platz nimmt und berät, während andere Ratsentscheidungen über Eigentumsverfügungen oder Vormundschaft an einem Tisch mit grüner Tischdecke oder eben einem farbig gefassten Tisch vorgenommen werden.- Abb. 11: Zusammenstellung der Miniaturen B (Van schickinge vnde vorderinge des neddersten gherichts), K (Van ghiften by levende edder na dode), und D (Van vormunderen) des Hamburger Stadtrechts von 1497, Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg. Fotos aus: Binder 1988.
Darauf, dass es tatsächlich einen solchen bewussten Umgang mit Möbeln gegeben hat, weisen die Untersuchungsergebnisse von Julian Jachmann für die Ausstattung des Augsburger Rathauses zu Beginn des 17. Jahrhunderts hin, wo er zu dem Schluss kommt, dass die Raumausstattungen auf spezielle Anlässe hin abgestimmt und dem jeweiligen Stand entsprechend verwendet wurden.
Eine solche Regelung über die standesgerechte farbige Fassung von Möbeln ist auch in dem Braunschweiger Ratsedikt von 1653 dokumentiert. Somit scheint es nicht nur eine Materialhierarchie zu geben, sondern auch eine Gestaltungshierarchie, wobei im Fall des Hamburger Stadtrechts der holzansichtige Tisch die untere Stufe darstellt.Diese Theorie könnte von der Darstellung der Entweihung der Hostie auf dem Corpus Christi Altar von 1335-1345 im Museu Nacional d’Art de Catalunya in Barcelona gestützt werden (Abb. 12).
Dort werden im mittleren Bildfeld der unteren rechten Zeile zwei Juden gezeigt, von denen der linke mit einem Messer eine Hostie auf einem deutlich mit Maserung wiedergegebenen holzansichtigen Tisch durchsticht, woraufhin Blut aus der Hostie strömt. Die Brisanz beziehungsweise die Besonderheit, dass die Entweihung auf einem holzansichtigen Tisch durchgeführt wird, kommt vor allem durch zwei Aspekte zustande: Zum einen ist der Boden des Raumes, in dem die Entweihung stattfindet, mit ebenfalls deutlich gemaserten Holzplanken ausgelegt, und zum anderen sind alle anderen Tische, die auf dem Altarblatt abgebildet sind, mit Tischtüchern bedeckt, beziehungsweise die dargestellten Altäre mit deutlich erkennbaren Steinplatten versehen. Somit wird die Entweihung der Hostie auf einem Möbel vorgenommen, welches durch den Vergleich mit dem Holzboden die niederste Stufe darstellt und wodurch der Vorgang der Entweihung betont wird.- Abb.12: Corpus Christi Altar, 1335-1345. 108.8 x 222 x 8.7 cm, Detailausschnitt, Museu Nacional d’Art de Catalunya Barcelona. Foto: © Museu Nacional d’Art de Catalunya Barcelona.
Die oben genannten Beispiele zu Darstellungen von Möbeln in Bildquellen zeigen bereits, dass der detailgenauen Wiedergabe von Möbeln durchaus eine Botschaft innewohnen kann. Zum Schluss möchte ich kurz auf weitere Bildquellen hinweisen, die auf Grund ihrer Detailgenauigkeit gerade in Bezug auf die Holzarten aufschlussreich sein und eine Aussage zur Wertigkeit der Werkstoffe zulassen könnten. Dabei handelt es sich um Interieurdarstellungen, bei denen größte Sorgfalt auf die Wiedergabe der verschiedenen Hölzer gelegt wird, die zur Herstellung von Tischen Verwendung fanden. So zum Beispiel bei der Darstellung Kardinal Albrechts von Brandenburg als Hieronymus im Gehäus von Lucas Cranach d.Ä. von 1525 im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, bei der die Tischplattenoberfläche mit ihrer Dartsellung von verschlungenen Linien an ein Wurzelmaserfunrier erinnert oder bei der Verkündigung des Oberrheinischen Meisters von um 1460 im Kunstmuseum in Basel (Abb. 13), bei der der Tisch aus Ahornholz gefertigt zu sein scheint. Trotz der schlichten Erscheinungsform der Tische, die auch als eine Art Demutsformel für die jeweilige dargestellte Person verstanden werden kann, erhalten die Möbel durch die präzise Wiedergabe der Hölzer eine Eleganz, die als abbildungswürdig empfunden wurde und somit durchaus einen gewissen Wert der Möbel wiederspiegelt.
- Abb. 13: Oberrheinischer Meister, Verkündigung an Maria, um 1460. Tempera auf Tannenholz, 48×57 cm, Kunstmuseum Basel. Foto: © akg-images.
Schluss
Dieser letzte Ausblick sowie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, auf welch mannigfaltige Weise das Thema Holz in Bezug auf Tische und ihre gestalteten Tischplatten betrachtet werden kann. Zum einen wurde klar, dass es durch die Bemalung der Tischplatten zu einer Verschleierung beziehungsweise Negierung des Werkstoffes Holz kommt, wobei nicht zwangsläufig Holz von minderer Qualität verschleiert wurde. In besonderen Fällen wird durch die Bemalung gar ein anderer Werkstoff imitiert. In beiden Fällen resultiert aus der Bemalung eine Aufwertung des Möbels. Eine solche lässt sich auch bei Tischen mit intarsierten Tischplatten feststellen. Zwar ist der Werkstoff bei diesen Beispielen teilweise noch nachvollzieh- und identifizierbar, wodurch eine gewisse Wertigkeit allein schon von der Materialhierarchie her zustande kommen kann, doch scheint auch hier die künstlerische Bearbeitung der Stücke den eigentlichen Wert auszumachen, wobei innerhalb der Künste, oder zwischen den Künsten und dem Handwerk eine zeitgenössisch bestehende Konkurrenz in Bezug auf die Frage, welche Art der Gestaltung die höherwertige darstellt, nachweisbar ist.
Diese ersten Annäherungen an das Forschungsfeld über das im Laufe der Zeit verlorene Wissen einer Materialikonologie zum Werkstoff Holz und seiner möglichen Semantik in Bezug auf das Möbel Tisch lassen sich sicherlich auch allgemein auf Möbel des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit anwenden, wobei neben der Tatsache, dass die Möbel heute oft aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgerissen sind und nur einzeln betrachtet werden können, auch die schwierige Quellenlage eine rege Diskussion in der historischen Möbelforschung zur Folge haben wird.
Abbildungsnachweis
Biddle, Martin: King Arthur´s round table. An archaeological investigation. Hong Kong 2000. (Abb. 1)
Möller, Lieselotte: Der Wrangelschrank und die verwandten süddeutschen Intarsienmöbel des 16. Jahrhunderts. Berlin 1956. (Abb. 5 und 7)
Die Renaissance im deutschen Südwesten zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg (Heidelberg, Schloss Heidelberg, 21. Juni bis 19. Oktober 1986), Ausstellungskatalog, Band 2, Karlsruhe 1986. (Abb. 6)
Binder, Beate: Illustriertes Recht. Die Miniaturen des Hamburger Stadtrechts von 1497 (Veröffentlichungen des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. XXXII). Hamburg 1988. (Abb. 11)
Weiterführende Literatur
Kremb, Jens: Aufwertung oder Verschleierung des Materials? Bemalte Tischplatten in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in MEMO 1 (2017): Holz in der Vormoderne, S. 92–108. Pdf-Format, doi: 10.25536/20170107.