Köln und Nürnberg

Abb. 4

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Katja von Baum
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Institution: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
GND: 136750087
Beate Fücker
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Website: http://www.gnm.de/museum/mitarbeiter-und-gremien/mitarbeiter-im-ueberblick/fuecker/
Institution: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
GND: 1037378210
Lisa Eckstein
Erstveröffentlichung: November 2017
Lizenz: Sofern nicht anders angegeben Creative Commons License
Medienlizenzen: Medienrechte liegen, sofern nicht anders angegeben, bei den Autoren
Letzte Überprüfung aller Verweise : 22.11.2017
GND-Verschlagwortung: Holz | Bildträger | Tafelbild | Spätmittelalter |
Empfohlene Zitierweise: Baum, Katja von/Fücker, Beate/Eckstein, Lisa: Der hölzerne Bildträger in der Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts. Köln und Nürnberg, in MEMO 1 (2017): Holz in der Vormoderne, S. 33–41. Pdf-Format, doi: 10.25536/20170103.
Übersicht Abbildungen

Abstract

Am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, wurde jüngst der Bestand an fränkischer Malerei des Spätmittelalters technologisch untersucht. Ziel war u.a. die Darstellung der materiellen Genese der Gemälde: Deren Vergleich mit Werken anderer Entstehungsgebiete soll die Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte technologischer Merkmale sowie deren kunst- und kulturhistorische Hintergründe beleuchten. Grundlage für eine erste Gegenüberstellung bilden die Untersuchungsergebnisse zur Bildproduktion in Köln. Die dort entstandenen Gemälde unterscheiden sich von den Nürnberger Werken technologisch in vielerlei Hinsicht, weshalb anzunehmen ist, dass ihrer Herstellung unterschiedliche Bedingungen und Konventionen zugrunde lagen. Insbesondere der Blick auf den Bildträger führt zu neuen Überlegungen und Fragen bezüglich der Auswahl, Verarbeitung und Bewertung des Materials Holz.

Abstract (englisch)

At the Germanisches Nationalmuseum, Nuremberg, the museum’s holdings of Franconian paintings of the late Middle Ages have recently been examined with regard to materials and techniques. One of the goals is to demonstrate the material genesis of the paintings. As a contribution to technical art history, a comparison with other places of production serves to illuminate not only the development and spread of technological characteristics but also the artistic and cultural contexts. The outcome of recent research on painting production in Cologne forms an initial basis of comparison. The technology of Cologne paintings differs in many ways from that of works made in Nuremberg, which is why it must be assumed that production was subject to different conditions and conventions in the two places. The comparative study of supports in particular prompts new considerations and questions about the selection, processing, and valuation of the material wood.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Nach den Kölner Leinwandgemälden des 15. Jahrhunderts1 und der Kölner Tafelmalerei zwischen 1400 und 14502stand jüngst in einem Forschungsprojekt am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, die fränkische Tafelmalerei des Spätmittelalters im Fokus einer technologischen Reihenuntersuchung.3 Ziel der Untersuchungen war eine möglichst vollständige Darstellung der materiellen Genese aller Gemälde, die Rekonstruktion ihrer ursprünglichen Zustände und Entstehungskontexte sowie die Erfassung von Veränderungen und Alterungsprozessen im Spiegel wechselnder Funktions- und Bedeutungszuweisungen.4 Auf dieser Basis erfolgt die vergleichende Auswertung der technologischen Einzelbefunde zunächst innerhalb der in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang entstandenen Werkgruppe fränkischer Gemälde sowie im Anschluss daran der Abgleich mit den Befunden zu Werken anderer Entstehungsgebiete. Ziel der Untersuchungen und Vergleiche ist es, die Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte technologischer Merkmale sowie deren kunst- und kulturhistorische Hintergründe zu erforschen und das bereits bestehende Wissen darum zu verdichten.
Einen ersten Vergleich mit den jüngst erhobenen Daten zur Malerei in Nürnberg ermöglichen die bereits vorliegenden umfangreichen Untersuchungsergebnisse zur Bildproduktion in Köln. Es liegen damit Daten zu zwei im 14. und 15. Jahrhundert ökonomisch, kulturell und künstlerisch herausragenden Zentren des deutschsprachigen Raumes vor. Beide Städte verzeichnen einen verhältnismäßig umfangreichen Bestand an überlieferten Kunstwerken, die sowohl in Köln als auch in Nürnberg vornehmlich im Auftrag des Klerus und einer bürgerlich geprägten, wohlhabenden Auftraggeberschaft entstanden. Dennoch unterscheiden sich die Gemälde technologisch in vielerlei Hinsicht, weshalb anzunehmen ist, dass der Bildproduktion unterschiedliche Bedingungen und Konventionen zugrunde lagen. Insbesondere mit Blick auf den Bildträger führen die bisherigen Beobachtungen zu neuen Überlegungen und Fragen bezüglich der Auswahl, Verarbeitung und Bewertung des Materials Holz, von denen einige im Folgenden zur Diskussion gestellt werden sollen.

Bildträger in Köln und Nürnberg

Zeittypisch sind die Gemälde Kölns und Nürnbergs im 15. Jahrhundert von sakralen Bildthemen und -funktionen geprägt. Erhalten haben sich vorwiegend Teile wandelbarer Diptychen und Triptychen, Einzeltafeln sowie Bilder ohne klaren Hinweis auf ihren ursprünglichen Zusammenhang; für Köln lassen sich auch Reliquienschranktüren und -deckel nachweisen. Ein erster Unterschied zwischen den Werkgruppen besteht in der Tatsache, dass aus Nürnberg fast ausschließlich Werke auf hölzernem Bildträger überliefert sind. Mit den Gemälden Albrecht Dürers entstanden hier erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts die frühesten erhaltenen Tüchlein, das heißt: mit wässrig gebundenen Malfarben auf Leinwand gemalte Bilder.5 Ganz anders in Köln: Zwar überwiegen auch hier die Gemälde auf Holz, doch ist spätestens seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts eine kontinuierliche Produktion von Leinwandbildern festzustellen. Neben kleinformatigen Tüchleinmalereien handelt es sich dabei um mittel- bis großformatige Gemälde, die im Unterschied zu den Tüchlein in Gestaltung und technischem Aufbau weitgehend mit Holztafelbildern übereinstimmen.6

Neben dem Fehlen von Leinwandgemälden in Nürnberg sind wesentliche Unterschiede auch in Bezug auf die Herstellung der Holzbildträger festzustellen. Diese betreffen sowohl die Auswahl der Holzarten, als auch die Brettherstellung und das Fügen der Tafeln aus diesen Brettern.

Der größte Teil der untersuchten Kölner Bildträger besteht aus Eichenholz.7 Verwendet wurde es für Einzelgemälde sowie mehrteilige Werke wie Diptychen und Triptychen unterschiedlichster Formate. Daneben kam vor allem um 1400 bis etwa 1415 Nussbaumholz zum Einsatz. Man stellte daraus überwiegend kleinformatige Bilder mit integriertem Rahmen – sogenannte Bildrahmenplatten – her. Mit den beiden um 1435 datierten Flügeltafeln Stefan Lochners (Frankfurt, Städelmuseum; München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen), die in der ursprünglichen Höhe ca. 120 cm maßen, hat sich jedoch auch ein größeres Werk – zumindest fragmentarisch – erhalten.

Die Kombination beider Holzarten in einem Werkzusammenhang ist selten. Nachgewiesen wurde sie etwa am Triptychon der Muttergottes mit der Wickenblüte (Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud), bei dem die Mitteltafel aus Nussbaumholz besteht, die Flügel hingegen aus Eichenholz gefertigt sind.8 Nadelholz wurde nach bisheriger Kenntnis in Köln seltener zu Bildträgern verarbeitet. Analysiert wurde bisher ausschließlich Tannenholz, das offenbar überwiegend zur Fertigung möbelartiger Gegenstände zum Einsatz kam: Erhalten haben sich Deckeltafeln sowie die Türen eines Schrankes,9 der ursprünglich möglicherweise der Aufbewahrung eines Reliquienschreins diente. Nur in einem Fall wurde Tannenholz als Bildträger eines Gemäldes identifiziert, bei dem es sich jedoch wahrscheinlich um ein Importwerk aus Süddeutschland handelt, das in Köln überarbeitet wurde.10

Ganz im Unterschied zu Köln bestehen die Bildträger der Nürnberger Gemäldetafeln unabhängig von Funktion und Größe des Gesamtwerks überwiegend aus Nadelholz. Eichenholz hingegen ist bisher für kein Nürnberger Gemälde des 15. Jahrhunderts als Bildträger nachgewiesen. Man wählte es ausschließlich für stabilisierende Elemente wie die Hirnleisten11 ungerahmter Nadelholztafeln. In geringerem Umfang wurden in Nürnberg Bildtafeln auch aus Lindenholz hergestellt, das in dieser Funktion in Köln offenbar nie verwendet wurde.

Womit sind diese grundsätzlichen Unterschiede in der Materialauswahl bei der Herstellung hölzerner Bildträger in Nürnberg und Köln zu begründen? Einen ersten Erklärungsansatz gibt der Blick auf die jeweilige Verfügbarkeit an Holz in den beiden Städten.

Materialwahl nach Verfügbarkeit?

Der dendrochronologischen Analyse und Herkunftsbestimmung zufolge stammt das in Köln zu Bildträgern verarbeitete Eichenholz überwiegend aus dem westdeutsch-niederländischen, zu einem geringen Teil aus dem polnisch-baltischen Raum. Nadelholz wurde aus Süddeutschland importiert.12 Köln besaß seit seiner Loslösung von den Erzbischöfen 1288 keine ausgedehnten Ländereien. Zwar war durch das Stapelrecht und die Kölner Kaufmannschaft die Versorgung der Stadt mit Materialien und Gütern bester Qualität gesichert, doch waren Handwerker auf den Import von Rohstoffen angewiesen. In der überwiegenden Verwendung heimischen Eichenholzes, dem geringeren Einsatz von Nussbaumholz, baltischem Eichen- und süddeutschem Tannenholz sowie dem frühen umfangreichen Gebrauch eines leicht erhältlichen Materials wie Leinwand als Bildträger mag sich die Verfügbarkeit dieser Materialien für Auftraggeber, Tafelmacher und Maler in Köln widerspiegeln.

Bestätigt wird diese Überlegung mit dem Blick auf die Situation in Nürnberg: Hier war die Stadt umgeben von den sogenannten Nürnberger Reichswäldern, für welche die Stadtregierung bis spätestens 1427 die meisten Nutzungsrechte erworben hatte.13

Allerdings waren die ursprünglichen Laubwälder schon Mitte des 14. Jahrhunderts stark übernutzt und wohl in weiten Bereichen kahlgeschlagen. Um den Nachschub an Brenn- und Bauholz zu sichern, begann man deshalb noch im 14. Jahrhundert mit der gezielten Wiederaufforstung des Bestandes. Der Überlieferung zufolge säte der Nürnberger Montanunternehmer Peter Stromer im Jahr 1368 Tannen, Kiefern und Birken.14 Dieses Jahr gilt damit gemeinhin als Beginn der Forstwirtschaft, wenngleich die Befunde der Bauholzuntersuchungen für deutlich frühere Baumpflanzungen sprechen. Legt man dennoch die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts für den Beginn der Aussaaten zugrunde und berechnet den von der Aussaat bis zum möglichen Einschlag der Bäume notwendigen Zeitraum, ist frühestens ab den 1430er Jahren mit Holz aus diesen Aufforstungen zu rechnen. Die kürzesten Umtriebszeiten haben Fichte und Kiefer, gefolgt von der Tanne. Laubbäume wachsen hingegen deutlich langsamer. Sollten also die in Nürnberg für Tafelgemälde genutzten Hölzer aus dem Reichswald stammen, müssten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vorwiegend Fichten und später vermehrt Tannen verarbeitet worden sein. Auch mit Kiefernholz wäre zu rechnen, Laubhölzer wären die Ausnahme. Tatsächlich lässt sich eine solche Verteilung anhand der untersuchten Tafeln nachvollziehen: In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts überwiegt bei der Tafelherstellung die Verwendung von Fichtenholz, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Tannenholz. Kiefernholz wurde in diesem Zeitraum nur in geringem Umfang nachgewiesen. Bezeichnenderweise ergibt der Vergleich dieser Ergebnisse mit jenen der Bauholzuntersuchungen an Gebäuden im Nürnberger Stadtgebiet deutliche Parallelen: Auch hier überwiegen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Fichten und werden in der zweiten Jahrhunderthälfte von den Tannen abgelöst. Kiefernholz wurde zu dieser Zeit als Bauholz im städtischen Raum gemieden, Lindenholz hatte bautechnisch ohnehin keine Bedeutung.15

Auf der Basis der bisherigen Befunde zeichnet sich ab, dass die Wahl des Holzes für die Bildträger eines Herstellungsgebietes stark von der Verfügbarkeit der Holzarten bestimmt war. Dabei wird die Verfügbarkeit der Holzarten kaum vom relativ geringen Bedarf der Tafelmacher, sondern überwiegend durch die Nachfrage nach Brenn- und Bauholz, den autochthonen Bestand bzw. die land- und forstwirtschaftliche Nutzung der Wälder gesteuert worden sein. So war etwa Lindenholz in Nürnberg offenbar stark reglementiert, da Linden im Reichswald als Trachtbäume für Bienen besondere Bedeutung für die Gewinnung von Waldhonig besaßen und deshalb unter strengem Schutz standen.16 Möglicherweise ist Lindenholz aus diesem Grund verhältnismäßig selten als Bildträger in Nürnberg anzutreffen. Neben verschiedenen kleinformatigen Bildtafeln sind nur wenige der erhaltenen Retabelfragmente auf Lindenholz gemalt.17 Das größte unter ihnen könnte die bisherigen Überlegungen zur Wahl des Bildträgerholzes nach der lokalen Verfügbarkeit bestätigen: Die 1462 von dem Nürnberger Maler Hans Pleydenwurff geschaffene Kreuzabnahme (Gm 1127) misst in der Höhe 285,0 cm. Für Nürnberg ist eine derart große Tafel aus Lindenholz nach bisherigem Kenntnisstand ungewöhnlich. Allerdings gehörte die Kreuzabnahme zum Hochaltarretabel der Elisabethkirche in Breslau, von dem unklar ist, ob es in Nürnberg oder vor Ort in Breslau geschaffen wurde.18 Da von 28 schlesischen Tafeln des 15. Jahrhunderts im Besitz des Nationalmuseums Warschau mehr als die Hälfte auf Lindenholz gemalt ist,19 dürfte das Material in Schlesien weitaus häufiger zur Herstellung von Bildtafeln genutzt worden sein, als dies in Franken der Fall war. Dass für die Kreuzabnahme – wie vermutlich für das gesamte Retabel – Lindenholz verwendet wurde, könnte deshalb vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass es vor Ort in Breslau entstand.

Es versteht sich von selbst, dass über die Verfügbarkeit bestimmter Materialien hinaus nach weiteren Gründen für eine entsprechende Auswahl gefragt werden muss. Bei der Betrachtung der Bildtafeln blieb in unseren Erörterungen deren weiterer Verbund bisher unberücksichtigt. Bezieht man diesen mit ein, gestaltet sich die Befundlage deutlich komplexer. Von den untersuchten Gemälden sind nur wenige in ihren originalen Rahmen, bzw. ihrem ursprünglichen Werkverbund erhalten. Diese Beispiele zeigen eine variierende Vielfalt an eingesetzten Holzarten. Neben gerahmten Tafeln, bei denen Tafel und Rahmen aus unterschiedlichen Holzarten bestehen, finden sich Werke wie das um 1434 in Nürnberg entstandene Epitaph der Walburga Prünster (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Gm 117): dessen Bildtafel und Teile der rückseitigen Konstruktion sind aus Fichtenholz, die aufgesetzten Rahmenleisten aus Linde, die Seitenwangen aus Kiefer und die Bedachung mit dem Schriftfeld aus Tanne gearbeitet. Da statische Aspekte in diesem Fall keine Rolle spielten, stellt sich die Frage, welche Kriterien hier die Wahl und Zusammensetzung der Holzarten bestimmten: die Bearbeitbarkeit, der Materialvorrat der Schreinerwerkstatt oder gar der Zufall?

Zur Frage der Qualität

Die Verwendung von west- und osteuropäischem Eichenholz belegt, dass Hölzer beiderlei Herkunft in Köln verfügbar waren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Kriterien es für die Wahl des einen oder des anderen gab. Angesichts herausragender Werke wie der Muttergottes mit der Wickenblüte des Meisters der hl. Veronika und Stefan Lochners Muttergottes in der Rosenlaube (Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud)20 ist man versucht anzunehmen, dass sich der Anspruch an die Kostbarkeit des Gemäldes auch in der Wahl der Holzqualität niedergeschlagen habe. Bäume aus dem Baltikum zeichneten sich aufgrund des strengen Klimas und des dichten Baumbestands in den Wäldern durch langsames Wachstum mit schmalen Jahrringen aus. Die aus diesen sehr gerade gewachsenen Stämmen gewonnenen Bretter besaßen wenige Deformationen und sehr gute mechanische Eigenschaften. Das mildere Klima und die lichteren, häufig zur Viehhaltung genutzten Wälder im Westen Europas ermöglichten hingegen ein schnelleres Wachstum, das häufig schon in geringer Stammhöhe von Unregelmäßigkeiten wie beispielsweise Astansätzen geprägt war.21 Diese Charakteristika baltischen und westeuropäischen Eichenholzes spiegeln sich in den Bildträgern der untersuchten Werke, wobei das baltische Eichenholz durchaus als das hochwertigere zu betrachten ist. Unter den aus westeuropäischem Eichenholz gefertigten Kölner Tafeln ist das Weltgericht Stefan Lochners (Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud)22 besonders stark von gedrehtem Wuchs und Astansätzen betroffen. Angesichts der auf hervorragendem baltischem Eichenholz gemalten Muttergottes in der Rosenlaube ist zu konstatieren, dass die Qualität des Holzes innerhalb des Œuvres desselben Malers stark variieren und, wie im Falle des Weltgerichts, in auffälligem Gegensatz zu dem hohen Anspruch und der Qualität des Gemäldes stehen kann. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit derartige Qualitätsmaßstäbe überhaupt an Gemäldebildträger anzulegen sind.

Blickt man auf die Nadelholzbretter, die in Nürnberg zu Bildtafeln gefügt wurden, fällt auf, dass auch sie heutigen Qualitätsansprüchen nur selten genügen: Sie sind von Astansätzen variierender Anzahl und Größe (Abb. 3), in einigen Fällen auch von Harzgallen durchsetzt. Aufgrund hoher Niederschläge und schnellen Wachstums weisen die Bretter häufig sehr breite Jahrringe auf. Eine qualitative Unterscheidung zwischen Bauholz und Brettern für Bildtafeln wurde in Nürnberg offenbar nicht vorgenommen.

Die Tafelmacher in Nürnberg und Köln reagierten auf die variierende Holzqualität in unterschiedlicher Weise, ohne dass ein Standard erkennbar wäre: Astansätze wurden zum Teil ausgesetzt, oft aber auch belassen; nicht immer wurden Äste und andere Unregelmäßigkeiten in der Holzoberfläche kaschiert. Ein interessanter Aspekt hierbei ist, dass auch diesbezüglich Unterschiede zwischen Köln und Nürnberg zu verzeichnen sind: Erfolgte die partielle Kaschierung von Fugen und Unregelmäßigkeiten im Wuchs des Holzes in Köln in der Regel durch das Überkleben mit Gewebestücken, kamen hierfür in Nürnberg häufig auch Tiersehnen zum Einsatz.

Tafelfügung: Lokale Gepflogenheit oder eine Frage der Holzart?

Wie in Köln wurden auch in Nürnberg die Ränder der Tafeln für das Einpassen in Nutrahmen angeschrägt.23 Wesentliche Unterschiede zwischen Köln und Nürnberg betreffen jedoch die Herstellung der Bretter und ihre Fügung zu Bildtafeln. Die auffallendsten Merkmale sind dabei der meist konische Breitenverlauf der Eichenbretter in Kölner Bildträgern. Um ihn auszugleichen, wurden die Bretter bei der Tafelfügung in der Regel gestürzt angeordnet, die Bretter dann stumpf miteinander verleimt und die Fugen je nach Bildgröße mit einem bis vier Dübeln gesichert (Abb. 4). Im Unterschied dazu sind die Bretter der Nürnberger Nadelholztafeln häufig gerade zugeschnitten oder längs geteilt (Abb. 5).

Ein Stürzen der Bretter war daher oft nicht nötig. Doch selbst bei schräg verlaufenden Brettbreiten verzichtete man meist auf diese Art des Ausgleichs. Stattdessen begradigte man die Tafelseiten, wodurch an den Rändern sehr schmale oder keilförmige Brettstücke entstehen konnten (Abb. 6).

Auch in Nürnberg wurden die Bretter stumpf verleimt, im Unterschied zu den Kölner Eichenholztafeln die Fugen jedoch nicht mit Dübeln gesichert. Handelt es sich hierbei um Unterschiede in den lokalen Gepflogenheiten der Tafelmacher? Oder wurde unabhängig vom Herstellungsort der Bildtafel mit Eichen- und Nadelholz unterschiedlich verfahren?

Ausblick

Auf der Basis der bisherigen Befunde und Vergleiche zeichnen sich für Köln und Nürnberg grundlegende Unterschiede in der Herstellung von hölzernen Bildträgern ab, die die Auswahl des Holzes und seine Verarbeitung betreffen. Dabei scheint die Wahl des Holzes für die Bildtafeln von der jeweiligen lokalen Verfügbarkeit abzuhängen. Ob die spezifische Bearbeitung und vor allem die Art der Tafelfügung von Eichen- respektive Nadelholz lokalen Gepflogenheiten folgt oder von der Holzart abhängig ist, bleibt zu beantworten. Im Weiteren werden die Daten mit den Befunden zu anderen Herstellungszentren zu verdichten24 und, über die Bildtafeln hinaus, die erhaltenen Werkverbünde und deren Kombinationen an Holzarten in die Überlegungen mit einzubeziehen sein.

Fußnoten

  1. Die Untersuchung der Leinwandgemälde erfolgte im Rahmen einer Dissertation; vgl. von Baum 2012a; von Baum 2012b.
  2. Der Untersuchung der Tafelmalerei widmete sich das Verbundprojekt „Die Sprache des Materials. Technologie der Kölner Tafelmalerei vom ‚Meister der hl. Veronika‘ bis Stefan Lochner“, Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud und Doerner Institut/Bayerische Staatsgemäldesammlungen, gefördert vom Deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (2009–2011); vgl. Let The Material Talk 2014; Die Sprache des Materials 2013; von Baum u.a. 2012a, von Baum u.a. 2012b; Walcher/Fischer 2012; Stege u.a. 2012; Dietemann u.a. 2012; Krischel 2012.
  3. „Die deutsche Tafelmalerei des Spätmittelalters. Kunsthistorische und kunsttechnologische Erforschung der Gemälde im Germanischen Nationalmuseum“, gefördert von der Leibniz Gemeinschaft, dem Fördererkreis des Germanischen Nationalmuseums und der Stiftung der Förderer des GNM (2013–2017). Publikation in Vorbereitung. Link zur Projekthomepage und zum Projekt-Trailer.
  4. Die Gemälde wurden nach einem einheitlichen System untersucht und dokumentiert. Untersuchungsmethoden: Anfertigung und Analyse von Gesamt-Röntgenaufnahmen und Gesamt-Infrarotaufnahmen; Flächenuntersuchung im Auf-, Streif- und UV-Licht sowie mit dem Stereomikroskop; mikroskopische Holzartenbestimmung an Handschnitten, in ausgewählten Fällen Dendrochronologie und Dendroprovenancing (Peter Klein, Hamburg; Thomas Eißing, Bamberg); Bestimmung von Tiersehnen mittels Polarisationsmikroskopie, in ausgewählten Fällen mittels Peptidmassenfingerprint (Dan Kirby, Milton MA, USA); Analyse des Grundierungsaufbaus anhand von Querschliffen, in ausgewählten Fällen mittels REM/EDX (externe Labore); Bestimmung der Blattmetallauflagen mikroskopisch und mittels Röntgenfluoreszenzanalyse.
  5. Für einen Überblick zu Dürers Gemälden auf Leinwand vgl. Hirschfelder 2012, S. 356–359.
  6. Von Baum 2012a; von Baum 2012b.
  7. Zum hölzernen Bildträger in Köln vgl. Die Sprache des Materials 2013: „Der hölzerne Bildträger“, S. 21–45 (Katja von Baum, Caroline von Saint-George), hier S. 21–31; von Baum u.a. 2012a.
  8. Vgl. Die Sprache des Materials 2013, Kat. 9 (Roland Krischel, Katja von Baum).
  9. Vgl. Die Sprache des Materials 2013, Kat. 11 (Roland Krischel, Theresa Neuhoff) und Kat. 13 (Roland Krischel, Theresa Neuhoff).
  10. Meister der Lindauer Beweinung/Kölnisch, Christus als Schmerzensmann und Stigmatisation des hl. Franziskus mit Stifterpaar, um 1420. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud. Vgl. Die Sprache des Materials 2013, Kat. 23 (Roland Krischel, Theresa Neuhoff).
  11. Bei diesen Hirnleisten handelt es sich um Querleisten an den Ober- und Unterkanten der Bildtafeln. Die Verbindung besteht aus einer Nut in der Hirnleiste und einer Feder in der oberen und unteren Kantenfläche der Tafel. Vorder- und Rückseite der Hirnleiste liegen in einer Ebene mit der Bildfläche.
  12. Vgl. Die Sprache des Materials 2013: „Der hölzerne Bildträger“, S. 21–45 (Katja von Baum, Peter Klein), hier S. 21–27.
  13. Zur Geschichte des Nürnberger Reichswaldes vgl. auch im Folgenden Sporhan-Krempel/von Stromer 1969; Eißing 2013.
  14. Vgl. Sporhan-Krempel/von Stromer 1969, S. 3; Eißing 2013, S. 14–15.
  15. Eißing 2013, S. 19–22.
  16. Pröll 1968, S. 8 [unpag.].
  17. Flügel eines Retabels für die Allerheiligenkirche in Kleinschwarzenlohe (Gm 1225), um 1450, Höhe jeweils 145,7 cm; gespaltener Flügel eines Bernhardin-von-Siena-Retabels (Gm 1064, Gm 1065), um 1452/60, Höhe 185 cm; Flügeltafel mit der Darstellung der Kreuzabnahme (Gm 1127), 1462, Höhe 285,0 cm; Flügel und Mitteltafel des Retabels der Familie Volckamer (Gm 156), 1493, Höhe jeweils 132,4 cm. Alle Tafeln Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum.
  18. Zu dieser Problematik vgl. zuletzt Patała 2016, S. 6–8 mit Diskussion älterer Literatur.
  19. Vgl. Dobrzeniecki 1977, S. 205–298.
  20. Vgl. Die Sprache des Materials 2013, Kat. 9 (Roland Krischel, Katja von Baum) und Kat. 20 (Roland Krischel, Katja von Baum).
  21. Vgl. etwa Ważny 2011, S. 100; Fraiture 2009, S. 61; Haneca u.a. 2009, S. 6.
  22. Vgl. Die Sprache des Materials 2013, Kat. 18 (Roland Krischel, Katja von Baum).
  23. Die Anschrägung erfolgte meist einseitig auf der unbemalten Rückseite, in einigen Fällen, sowohl bei einseitig als auch bei beidseitig bemalten Tafeln, auf Vorder- und Rückseite. Keine der Kölner und nur zwei der Nürnberger Tafeln besitzen Kantenflächen mit Falz. Bei der Kreuzigung Gm 522 handelt es sich hierbei um eine spätere Veränderung, bei einer weiteren Kreuzigung Gm 533 könnte der Falz ursprünglich sein.
  24. Weiterführende Ergebnisse bezüglich der lokalen Verfügbarkeit bestimmter Holzarten und deren Einfluss auf die Wahl des Holzes zur Herstellung von Bildtafeln sind von dem Forschungsprojekt „Studien zum Kunst- und Technologietransfer in Hessen und am Mittelrhein in Spätmittelalter und Früher Neuzeit auf der Grundlage des Gemäldebestandes des Hessischen Landesmuseums Darmstadt“, Kooperationsprojekt des Hessischen Landesmuseums Darmstadt und der Goethe-Universität Frankfurt (Städel-Kooperationsprofessur), gefördert von der VW-Stiftung (2013–2017), zu erwarten. Projektbeschreibung

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