Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. aus dem Jahre 1596
Abstract
Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. wurde auf Befehl Kaiser Rudolfs II. nach dessen Tod am 24. Jänner 1595 erstellt. Mit diesem liegt die bislang älteste und ausführlichste Quelle zu den Ambraser Sammlungen, ihrer räumlichen Strukturen und deren Bestände vor. Die Aufarbeitung dieser Quelle zeigt aussagekräftige Inventareinträge auf, die neue Informationen nicht nur über das Aussehen der Ambraser Sammlungen (Rüstkammern, Kunst- und Wunderkammer, Bibliothek und Gemäldebestand), sondern auch über ihre Verwahrung, ihre Präsentation und durch Besitzvermerke über ihre ursprünglichen Eigentümer geben. Anhand der bildlichen Beschreibungen der Inventaristen ist es möglich, kulturhistorische Einblicke in die – sonst wenig dokumentierte – Lebenswelt am Innsbrucker Hof zu Ende des 16. Jahrhunderts zu erhalten.
Abstract (englisch)
The inventory of Archduke Ferdinand II’s estate was made on the orders of Emperor Rudolf II after his death on January 24, 1595. This is the oldest and most detailed source to date on the Ambras collections, their spatial structures and their holdings. The processing of this source reveals meaningful inventory entries that provide new information not only about the appearance of the Ambras collections (armories, art and curiosity chambers, library and paintings), but also about their safekeeping, their presentation and, through notes of ownership, about their original owners. The descriptions of the inventory allow cultural and historical insights to the – otherwise little documented – world at the Innsbruck court at the end of the 16th century.
Inhaltsverzeichnis
Am 24. Jänner 1595 endete mit dem Tod des Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II. eine fast 30-jährige Regentschaft (Abb. 1). Diese war geprägt von der Pracht fürstlicher Hofhaltung der Spätrenaissance, einer facettenreichen künstlerischen Internationalität, regen fürstlichen Besuchen, aber auch von den damit einhergehenden Schattenseiten, unter anderem einer immens hohen Verschuldung der Kammer. Ein bleibendes Vermächtnis Ferdinands, der neben Kaiser Rudolf II. und Erzherzog Leopold Wilhelm als einer der bedeutendsten Sammlerpersönlichkeiten des Hauses Österreich gilt, ist die von ihm begründete Ambraser Sammlung (Abb. 2, 3).
Diese Kollektion von Rüstungen und Waffen, von Kunstkammergegenständen und Kuriositäten, einer Bibliothek und einem umfangreichen Gemäldebestand, ist die einzige noch heute in ihren originalen historischen Räumlichkeiten existierende fürstliche Kunstsammlung der Renaissance (Abb. 4).
Die früheste und damit wichtigste Quelle zu den Ambraser Sammlungen sowie allgemein zum Besitz des Tiroler Landesfürsten stellt das Nachlassinventar Ferdinands II. dar, welches nach seinem Tode 1596 erstellt worden war (Abb. 5). Anhand dieses Inventars gilt es im Folgenden, die Sammlung und ihre Ordnung zu rekonstruieren. Das Hauptaugenmerk soll auf die im Inventar erwähnten und beschriebenen Behelfe und Verwahrungsmöglichkeiten sowohl in den Sammlungsbereichen als auch im alltäglichen Gebrauch liegen. Vor allem gilt es der Frage nachzugehen, ob es in der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. speziell hergestellte Behältnisse gab, die auf eine museale oder repräsentative Präsentation schließen lassen. Anhand von Quellenmaterial zur Innsbrucker Hofhaltung in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts soll zudem der Versuch gemacht werden, den Objekterwerb und die Warenlogistik mitsamt dem Transport nachzuzeichnen.
Der Sammler
Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) kam in Linz als zweitgeborener Sohn Kaiser Ferdinands I. und der Anna Jagiello von Böhmen-Ungarn zur Welt. Ferdinand wuchs mit seinen zahlreichen Geschwistern wegen der osmanischen Expansion im Osten des Habsburgerreiches vor allem in der Innsbrucker Burg auf und wurde im Geiste des Renaissance-Humanismus und nach den tradierten adeligen Richtlinien erzogen. 1547 wurde der damals 18-jährige Erzherzog zum Statthalter im Königreich Böhmen ernannt (Abb. 6).
Diese rein repräsentative Funktion sollte die ständige Präsenz und damit uneingeschränkte Macht des Hauses Österreich in Böhmen demonstrieren. Bereits in Prag mögen erste Überlegungen des Habsburgers, eine umfangreiche Sammlung von Rüstungen, Waffen, Kunstgegenständen, Gemälden, Münzen und Büchern aufzubauen, entstanden sein. Realisiert wurden diese Ideen dann in Innsbruck ab den 1570er Jahren. 1564 trat Ferdinand nach dem Tod seines Vaters, gemäß dessen Testament, sein Amt als Landesfürst von Tirol und den österreichischen Vorlanden an. Für seine Frau, Philippine Welser aus Augsburg, und die aus dieser Verbindung stammenden Söhne, Andreas und Karl, ließ er in Innsbruck die mittelalterliche Burg Ambras im Stil der Zeit um- und ausbauen (Abb. 7).
Das Anwesen mitsamt zahlreichen Wirtschaftsgütern wurden Philippine zur Versorgung überschrieben. Noch zu Lebzeiten seiner Frau ließ Ferdinand das Ambraser Unterschloss als Standort seiner ständig wachsenden Sammlungen errichten (Abb. 8).
Da die Söhne wegen der bürgerlichen Herkunft ihrer Mutter in Tirol nicht erbberechtigt waren, heiratete Erzherzog Ferdinand II. 1582, zwei Jahre nach dem Tod Philippines, standesgemäß, seine Nichte Anna Caterina Gonzaga aus Mantua (Abb. 9).
Diese Verbindung brachte anstatt der erhofften männlichen Nachkommen zwei überlebende Töchter.Das Nachlassinventar
Nach dem Tod des Tiroler Landesfürsten 1595 galt es sein Testament zu vollstrecken, die Nachfolge zu regeln und natürlich das Erbe dem letzten Willen entsprechend zu verteilen. Um dies juristisch korrekt durchzuführen, war die Erstellung eines Nachlassinventars nötig. Hierbei handelt es sich um eine detaillierte Bestandsaufnahme des gesamten Hab und Gutes, welches der Verstorbene bis zum Zeitpunkt seines Todes zusammengetragen und besessen hatte. Der Zweck dieses Rechtsdokumentes lag darin, die Nachlassgegenstände möglichst detailliert aufzuzeichnen, damit diese für die Testamentsvollstrecker und für die Erben leichter zu identifizieren waren.
Den ersten juristischen Schritt im Falle Ferdinands II. setzte das Familienoberhaupt und zugleich oberster Sachwalter, Kaiser Rudolf II. Der Monarch ordnete am 6. Februar 1595 das Versperren aller Residenzen und der Räumlichkeiten an, die der Verstorbene bewohnt hatte (allerlai soll versperrt sein […] daran nichts verruckt und verändert werden). Dies war eine Vorsichtsmaßnahme, um zu verhindern, dass sich jemand unrechtmäßig Zutritt verschaffen und Gegenstände entwenden konnte. Im Falle des Tiroler Landesfürsten wurden daher die Alte Burg in Innsbruck (die heutige Kaiserliche Hofburg), Schloss Ruhelust (ein primär aus Holz erbauter und dadurch erdbebensicherer Wohnpalast östlich der Burg gelegen), Schloss Ambras (Hochschloss und Unterschloss sowie alle dazugehörenden Wirtschaftsgebäude) mit den umfangreichen Sammlungen, zwei Jagdhäuser im Tiroler Unterland, Schloss Thurnegg (auch Rotholz) sowie das Fürstenhaus am Achensee versiegelt (versecretiert).Das Inventarisieren
Die Bestandsaufnahme wurde von der Tiroler Kammer organisiert, über deren konkrete Arbeitsweise wir nicht unterrichtet sind. Dies darf nicht weiter verwundern, handelt es sich dabei doch um übliche, routinemäßige Arbeitsabläufe in der Verwaltung. Die mit der Auflistung betrauten Schreiber wurden von Aufsichtspersonen zu den ihnen zugewiesenen Gebäuden begleitet. Diese Supervisoren hatten die ordnungsgemäße Durchführung zu garantieren. Der Kaiser ernannte zudem noch als offizielle Rechtsbeistände eigene Kommissare, die zugleich die Interessen der Erben, der Erzherzogin-Witwe Anna Caterina, Ferdinands Söhne aus erster Ehe sowie der Schwägerin des Verstorbenen, Erzherzogin Maria von Innerösterreich, vor Ort zu vertreten hatten.
Besonders auffällig ist die lange Zeitspanne von fast einem Jahr zwischen dem Versiegeln der Gebäude und dem tatsächlichen Beginn der Inventur. Die Ursachen hierfür sind nicht dokumentiert. Eine plausible Erklärung für die Verzögerung mag organisatorischer Natur gewesen sein, wie etwa das Bereitstellen von geeignetem Personal und das Herbeischaffen des nötigen Arbeitsmaterials wie Papier, Federkiel, Tinte und Wachs. Letztgenanntes wurde für die landesfürstliche Kanzlei nicht, wie man annehmen würde, in Tirol selbst bezogen, sondern vorzugsweise in Augsburg gekauft. Ebenso mag das Benennen und Entsenden der Kommissare, die sich wohl zuerst mit den Erben abzusprechen hatten, für die zeitliche Verzögerung verantwortlich gewesen sein. Die Bestandsaufnahme selber erfolgte dann sehr zügig und war, trotz der großen Menge an Material und den verschiedenen Standorten, innerhalb eines Monats abgewickelt. Positiv auf die Arbeit der Inventaristen wirkte sich aus, dass auf bereits vorhandene Teilinventare des ferdinandeischen Besitzes zurückgegriffen werden konnte, die noch vor dem Ableben des Fürsten erstellt worden waren. So lagen Listen zur Sattel- und zur alten Rüstkammer in der Burg, zum Kleiderbestand Ferdinands (Abb. 10), dem Kapellenschatz von Schloss Ruhelust und einzelnen Bereichen der Ambraser Sammlung wie der Rüstkammern und zu Münzen und Medaillen vor.
Bei den Inventareinträgen muss man sich im Klaren sein, dass diese nicht von Fachleuten im eigentlichen Sinne wie Goldschmieden, Plattnern, Buchdruckern, Malern, Gelehrten oder Kunstsachverständigen erstellt worden waren, sondern dass die Inventur von Beamten abgewickelt wurde. Die fachliche Unkenntnis lässt sich teilweise bei den Befunden des Gesehenen ablesen, was heute zuweilen bei einer eindeutigen Objektidentifizierung Schwierigkeiten bereitet. So kam es etwa bei der Durchsicht von Grafiken beim Bestimmen des Trägermaterials zur Verwechslung von Papier und Pergament, die oftmals vorgefundenen exotischen Papageifedern wurden an Objekten fälschlicherweise als Pfauenfedern ausgewiesen und bei den kurios anmutenden „wächserne[n] Frücht“ handelte es sich um täuschend echt nachgebildetes Obst, jedoch nicht aus Wachs sondern aus Stein.
Die Ungenauigkeiten mögen aber auch durchaus den schlechten Arbeitsbedingungen geschuldet sein. Um das immense Arbeitspensum zu schaffen, nahmen die Inventaristen ihre Tätigkeit wohl vor Tagesanbruch auf, die dann bis zum Einbruch der Dunkelheit andauerte. Das bedeutete konkret, dass die Arbeiten bei und mit Kerzenlicht erfolgten, da die Inventur in den Wintermonaten Jänner und Februar stattfand. Zudem waren die Räumlichkeiten aufgrund der Nichtnutzung durch den herrschaftlichen Haushalt unbeheizt und kalt.Kulturgeschichtliche Aspekte
Dass das ferdinandeische Nachlassinventar viel mehr als nur eine reine Auflistung von Objekten ist, soll im Folgenden anhand einzelner Beispiele aufgezeigt werden. Die detaillierten Ausführungen führen den Leser gleichsam durch die Räumlichkeiten der von Ferdinand II. bewohnten Schlösser und mit der Nennung von Blickrichtungen entsteht dabei der Charakter einer virtuellen Führung. Hierbei handelt es sich um ein besonderes Spezifikum dieses Nachlassinventares, denn darin wurden die einzelnen vorgefundenen Gegenstände nicht nur stakkatoartig aufgenommen, wie dies etwa in den Inventaren der herzoglich-bayerischen oder der kursächsischen Sammlungen zur gleichen Zeit der Fall war. Jeder betretene Raum wurde namentlich gemäß seiner Verwendung erfasst, so erfahren wir etwa von Warte-, Schreib-, Schlaf- und Tafelkammern, wodurch heute eine präzise bauliche- und räumliche Rekonstruktion diverser Gebäude möglich ist. Der jeweilige Schreiber hielt dann seine Gehrichtung im Raum fest („links herum“, „von rechts“), als Orientierungspunkte dienten dabei markante Gegenstände, etwa große Kästen, auffallende Truhen oder Schreibtische. Die Gebäude wurden auch unterschiedlich begangen, nicht etwa konsequent von oben nach unten oder umgekehrt. Mittels dieser Präzision sollte das Nachlassinventar ein unanfechtbares juristisches Instrument werden. Diese durchaus eigenwillige Arbeitsweise ist aus heutiger Sicht insofern von kulturgeschichtlicher Relevanz, da die Gebäude, insbesondere die Alte Burg und Schloss Ambras, im 18. und 19. Jahrhundert umgebaut und damit dem damaligen Zeitgeschmack angepasst wurden. Im Falle von Schloss Ruhelust ist es sogar so, dass diese Residenz aufgrund der Zerstörung durch einen Brand 1636 nicht mehr existiert. Wir erhalten damit anhand des Inventares einen Blick hinter verschlossene und auch endgültig verlorene Türen. Die Präzision der Beschreibungen ermöglicht es, einen Einblick in eine frühneuzeitliche Großküche zu bekommen, wenn etwa die Raumabfolge und Grundausstattung der Hofküche in der Burg beschrieben wird.
Aus kunst- und kulturhistorischer Sicht sind die Details zu den offiziellen Gemächern sowie den (privaten) fürstlichen Wohnräumen essentiell: Wie waren diese strukturiert und eingerichtet? Die Staatsgemächer in der Burg und in Ruhelust waren, dem aktuellen höfischen Todesfall angemessen, mit schwarzen Tüchern ausgeschlagen. In den Beschreibungen ist die Erwähnung von relativ wenig Mobiliar auffällig, was den Eindruck leerer Räumlichkeiten entstehen lässt, aber durchaus den Modalitäten der Renaissance entsprach. Heute existieren nur mehr wenige Gebäude, anhand derer man Vergleiche über die Innenausstattung in Innsbruck anstellen könnte. Ähnliche oder zumindest teilweise entsprechende Ausstattungen des späten 16. Jahrhunderts lassen sich heute noch im englischen Hampton Court, dem französischen Schloss Blois oder in der Churburg im Südtiroler Vinschgau finden. Aus der Biografie Ferdinands ist bekannt, dass sich der Erzherzog als dilettierender Handwerker und Künstler versuchte, etwa in der Architektur, im Drechseln und Glasblasen (Abb. 11).
Hierin folgte er einer erzieherischen Tradition im Hause Österreich seit dem Spätmittelalter, wonach jedes Familienmitglied einer „ordentlichen Beschäftigung“ nachgehen und ein Handwerk erlernen solle.
Dem Nachlassinventar ist eine auffällige Unordnung in den Räumen Ferdinands zu entnehmen. Kästen und Schubladen von Schreibtischen waren mit Unmengen nicht zusammenpassender Utensilien gefüllt. So fanden sich etwa in einem Tisch in der Schreibstube von Schloss Ruhelust Naturalien wie Handsteine und Bezoare, daneben wertvolle Textilien wie spanische (schmeckherte) Handschuhe und Spitzenwaren und auch Geschäftsschriften. Im Kellergewölbe der Ruhelust waren in elf Fässern allerlaj Roh Cristallen Arzt Hanndt stain, auch sonnst stainwerch deponiert, die zur Verkleidung und Dekoration einer nicht ausgeführten künstlich angelegten Grotte, vielleicht im Hofgartenbereich, bestimmt waren. In einer Seitenkammer der Kapelle im Jagdschloss Thurnegg lagerten neben Tisch- und Bettwäsche, Jagdzubehör und Utensilien zum Fischen. Diese Einträge verstärken und bestätigen nachdrücklich den Eindruck, dass die Inventaristen tatsächlich verschlossene Räumlichkeiten visitierten, in denen wenige Monate zuvor noch der Landesfürst gewohnt und hantiert hatte.
Das Durcheinander zeigt sich auch in der Lokalisierung von Objekten, die man in den Ambraser Sammlungen als Standort vermutet hätte, tatsächlich aber an einem ganz anderen Ort vorgefunden hatte. Mit einem Vermerk im Inventar wurde klar festgehalten, dass der Gegenstand wieder an den angestammten Platz zurückgebracht werden müsse. Dies lässt vermuten, dass sich der begeisterte Sammler Ferdinand Kunstgegenstände zum Studium oder zum Präsentieren vor Gästen ausheben hatte lassen. So traf man etwa in der fürstlichen Schlafkammer von Ruhelust auf einen mit prächtigen Einlegearbeiten verzierten Münzkasten (Abb. 12), der mit zahlreichen Münzen samt Inventar bestückt aus den Ambraser Sammlungen stammte.
Im gleichen Raum befand sich eine Truhe, worin drei Kräuterbücher lagen, die ebenfalls in die Sammlungen zurückgestellt (restituiern) werden mussten.
In einem der Gastzimmer auf Ruhelust lagen auf einer Lanngen Tafl zahlreiche Handsteine, prächtige zu thematischen Szenerien zusammengefügte Gesteinsproben, aufgereiht, die in die Ambraser Kunstkammer verbracht werden sollten (Abb. 13).Ebenfalls in den Wohnräumen des Ambraser Hochschlosses traf man auf Kunstkammerstücke. Im f[ürstlich] G[naden] Saal fand man filigrane Holzdrechselarbeiten aus Berchtesgaden und einen überlangen Holztisch vor, der zahlreiche Schubladen und Fächer aufwies und mit Mineralien, Fossilien und Gesteinsproben bestückt war (Abb. 14).
Ein weiterer wissenschaftlicher Mehrwert des Nachlassinventars liegt in den angeführten Informationen zum Erhalt einzelner Gegenstände. Es ist vorstellbar, dass die Inventaristen kleine Zettel mit schriftlichen Notizen bei den Objekten vorfanden und diese inhaltlichen Details dann ins Inventar übertrugen. Auch eine mündliche Auskunft der Aufsichtspersonen, vor allem durch Jakob Schrenck von Notzing – der für die Sammlungsakquirierung wichtigsten Person – wäre hier vorstellbar (Abb. 15).
Diese wichtigen Hinweise, wie Dinge ihren Weg in den Besitz Ferdinands fanden, wären womöglich sonst vergessen worden und für immer verloren gegangen. Im Falle zahlreicher sogenannter Turcia in den Ambraser Rüstkammern (später als Türkenkammer bezeichnet) wissen wir nun, dass diese auf Vermittlung des Lazarus von Schwendi in den Besitz des Habsburgers kamen.
Im ersten Kasten der Ambraser Kunstkammer (Darynnen, Allerlaj Cristallene, mit golt eingefaste Unnd auch gannz guldine gschirr sein) fanden sich Präsente des Herzogs von Mantua und des Kaisers (entweder Maximilian II. oder Rudolf II.). Auch fanden sich darin jene Ehrengeschenke, die Ferdinand II. als Dank für seine Rolle als Stellvertreter bei der Eheschließung seiner Nichte Erzherzogin Elisabeth mit König Karl IX. von Frankreich 1570 in Speyer erhielt (Abb. 16). Zwei große mechanische Spielereien, heutigen Spieluhren nicht unähnlich, stammten von Ferdinands Neffen, Wilhelm V. sowie Ferdinand von Bayern (Abb. 17).Prächtige Messgewänder bekam der Landesfürst von seiner Schwester Erzherzogin Magdalena, Gründerin des Adeligen Damenstiftes in Hall.
In der versperrten Truhe in einem der Gastzimmer im Ambraser Hochschloss lagen 40 Stück Zobel, die als Geschenke eines moldauischen Woiwoden verzeichnet wurden. Schließlich fanden sich im fürstlichen Fuhrpark eine Sänfte, die 1583 vom Mantuaner Hof und eine Kutsche, die 1585 von Kurfürst August von Sachsen verehrt worden war.Das Aufbewahren
Das Nachlassinventar ist reich an Nennungen der unterschiedlichen Aufbewahrungsbehältnisse: Truhen, Kästen, Kabinette, Schreibtische, Körbe und Säcke. Ethnologisch interessant ist, dass die Benennung einiger dieser Hüllen – gstatl und scatl – bis heute im lokalen Sprachgebrauch im bayerischen und Tiroler Raum immer noch geläufig ist. Die verwendeten Begriffe lassen auch auf die Größe schließen, so handelt es sich beispielsweise bei einem trühel um eine kleinformatige Truhe und ein castl bezeichnet ein kleines Kästchen. Regional spezifische Behältnisse wie die bemalte württembergische oder die niederländische Truhe, deren Typus heute schwer oder gar nicht mehr zu verifizieren ist, werden aufgeführt.
Auch sollte man sich nicht durch heute geläufige Bezeichnungen irreleiten lassen, etwa beim vielfach anzutreffenden „Schreibtisch“, der kein Möbel in Tischform unserer Tage für Schreibarbeiten ist, sondern eine spezielle Form eines Kabinettschrankes mit Türen, Schubladen, Fächern und aufklappbaren Elementen. Die Beschreibungen sind durchwegs mit der definierten Form, rund, eckig, lang, kurz, niedrig, hoch oder schmal sowie durch ihr Aussehen, ob beschlagen, eisern, hölzern oder mit einem Textil (Samt, Leinwand, Leder) überzogen, sehr detailliert und anschaulich. Die Behelfe dienten einerseits der simplen Verwahrung von Gegenständen, andererseits waren sie durch ihre handwerkliche Fertigung und ihre reiche künstlerische Ausstattung Kunstobjekte per se. Ein besonders prächtiger Kabinettschrank, in dem sich fürstliche Repräsentation und alltäglicher Aufbewahrungszweck paart, hat sich erhalten. Anlässlich der zweiten Hochzeit Ferdinands II. mit Anna Caterina Gonzaga wurde 1582 in Mailand ein Schrank aus Ebenholz bestellt, der mit üppigen Silberapplikationen verziert, in Schloss Ruhelust vorzufinden war (Abb. 18). Ein Beleg für die meisterhafte Fertigkeit der Holzintarsie am Innsbrucker Hof im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts ist ein rechteckiger Münzschrank aus den Ambraser Sammlungen, die dem Hoftischler Conrad Gottfried zugeschrieben wird. Nicht minder kostbar ist ein im Ambraser Bestand erhaltenes hölzernes castl. Optisch durch seine Kleinheit ansprechend, ist seine Oberfläche mit Intarsien verkleidet, die als Dekoration Illusionsarchitektur und florale Motive aufgreift (Abb. 19). Ein weiteres Holzkästchen – die Dekoration stellt eine Landschaft samt Stadtsilhouette dar – wurde mit gefärbtem Stroh und Holzstreifen verkleidet (Abb. 20).Was konkret in diesen kleinen Behältnissen verwahrt wurde, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Im Nachlassinventar werden auch immer wieder Schachteln und papierene Dosen (scatele) erwähnt, worin archäologische Fundstücke und Naturalien (Bohnen, Pfeffer, Samen) verwahrt wurden.
Heute noch werden in der Ambraser Kunstkammer Schachteln dieser Art, deren Oberfläche entweder bemalt oder mit Seide und Silberfäden überzogen sind, gezeigt (Abb. 21, 22).Die Inventaristen nahmen jeden Raum auf jeweils eigene Art und Weise auf. Es wurde vor Beginn der Tätigkeiten kein Richtlinienkatalog festgelegt, wo man die Kontrolle beginnen sollte, ob von links nach rechts, von vorne nach hinten oder von den Türen zu den Fenstern hingehend. Orientierungspunkte waren aber immer markante Gegenstände im Raum, wie große Kästen, markante Schreibtische oder schwere Truhen. Während der Rundgänge wurden alle Behältnisse geöffnet und die Schubladen herausgezogen. War das vorgefundene Fach leer, wurde dies ebenso vermerkt. Nicht immer aber waren die Truhen, Kisten und Kästen offen oder der passende Schlüssel sofort zur Hand. Mehrmals wurde notiert, dass ein Schlosser eigens zu Hilfe gerufen werden musste, um das betreffende Möbel aufzubrechen. In Einzelfällen war das Öffnen gar nicht möglich, was ebenso notiert worden war.
Nicht immer darf man im Falle des Verwahrens des fürstlichen Besitzes von der heutigen Sorgfalt ausgehen. So waren etwa in der geheimen Schreibstube Erzherzog Ferdinands II. im Ambraser Hochschloss wichtige juristische Dokumente einfach in Körben verwahrt.Von kulturhistorischer Wichtigkeit ist der Inventarvermerk, dass die originalen Futterale, mit denen kostbare Kunstkammergegenstände transportiert und geliefert worden waren (Allerlaj Fueteral Zu den Costlichen geschirrn, so in der Kunst Camer stehen) im Dachboden des Ambraser Unterschlosses oberhalb der Bibliothek gelagert wurden. Im Gegensatz zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo eine Unmenge dieser Futterale erhalten blieben und heute museal den Besuchern präsentiert werden können, haben sich nur wenige der Ambraser Futterale bis heute erhalten. Beispielsweise bei einem Löffel aus Heliotrop
, beim sogenannten Wiener Musterbuch , dem Set eines wissenschaftlichen Messinstruments , einer gedrechselten Elfenbeinkugel sowie verschiedener Taschenkalender (Abb. 23).Der Großteil dürfte durch fehlende Nutzung und in Folge schlechter Lagerung durch Feuchtigkeit und Ungezieferbefall beschädigt und dann ausgesondert worden sein.
Einen Aspekt des Aufbewahrens im weiteren Sinne betreffen auch die musealen Behelfe, die Erzherzog Ferdinand II. für die Präsentation der Objekte in der Ambraser Sammlung hatte anfertigen lassen. Neben der sicheren Verwahrung wurde damit zugleich die museale Präsentation ermöglicht. Die modern anmutenden Ausstellungsbehelfe verweisen auf die Neuartigkeit und zugleich Einzigartigkeit der Ambraser Kollektion. Im Falle der Heldenrüstkammer, worin Rüstungen und Harnische verdienter Militärs im Sinne der Erinnerungskultur ausgestellt wurden, waren die Objekte in Einzel- und Sammelkästen aus Zirbenholz verwahrt (Abb. 24).
Die museale Präsentation erforderte zusätzlich besondere Konstruktionen, worauf die Gegenstände montiert waren. Hier behalf man sich, wie in heutigen Museen, mit Harnischkreuzen und besonders innovativ, mit hölzernen Figurinen. Diese Puppen hatten bewegliche Glieder, um besondere Bewegungen nachzuahmen, die Gesichter waren physiognomisch lebensecht gestaltet und man verwendete Echthaar, um den Naturalismus zu steigern. Die Gliederpuppen trugen auch Textilien, die zeitgenössische Kleider nachahmten. Im Bestand der Sammlungen von Schloss Ambras sind drei dieser Puppen erhalten geblieben. Die sicherlich beeindruckteste ist jene, die den „Riesen“, den Trabanten Bartolomäus Bon, darstellt (Abb. 25).
Zu den rezenten Forschungserkenntnissen im Zusammenhang mit der Ambraser Sammlung gehören zweifellos Informationen zur unerwartet innovativen Präsentation in der Kunstkammer, womit bislang tradierte Annahmen korrigiert werden können. Es herrschte die Meinung, dass die Kunstkammerkästen, 18 zimmerhohe Holzkästen, je neun auf einer Seite, Rücken-an-Rücken gestellt, plus zwei an den seitlichen Enden (Zwerchkästen), im Inneren – zumindest bei einigen – farbig ausgemalt gewesen waren. Ebenfalls nicht belegbar, da im Inventar an keiner Stelle beschrieben, ist die Vorstellung des Verhängens der Kästen mit Tüchern. Die Schränke waren hingegen doppelflügelig konzipiert und die dokumentierte unterschiedliche Farbigkeit im Kasteninneren, so wurde argumentiert, wäre der optischen Unterstützung sowie dem Ordnungssystem der Objekte geschuldet gewesen. Wenn man sich aber nun die Fülle an Gegenständen in den einzelnen Kästen ansieht, wäre die Hintergrundfarbe gar nicht mehr sichtbar gewesen. Dies lässt eher darauf schließen, dass die angeführten Farben nicht im Inneren, sondern an den Kastentüren außen – vielleicht zur Orientierungshilfe – angebracht worden waren. Somit kann man auch entkräften, dass es sich bei den hölzernen Kunstkammerkästen um Schaukästen im Sinne einer Vitrine handelte. Hierfür wären die Behelfe allein durch ihre Füllmenge nicht geeignet gewesen, vielmehr handelt es sich um reine Verwahrungskästen (Abb. 26). Die Gegenstände wurden zum Studium herausgenommen und dann auf Spezialtischen – Repositorien – platziert (Abb. 27).
Eine optimale Kombination aus Aufbewahren, musealer Präsentation und fürstlicher Repräsentation boten die in der Kunstkammer befindlichen Münzschränke mit einem reichen Bestand an antiken wie modernen Münzen und Medaillen. Einige dieser dreh- und aufklappbaren Behelfe sind erhalten geblieben und bringen ob ihrer Multifunktionalität den Betrachter heute noch zum Staunen.
Optischen Anreiz boten sie durch kleinteilige figurale Dekoration, etwa in Gestalt eines Renaissancepalastes mit Wendeltreppen, Statuen und Medaillons oder in Form eines antiken Tempelbautes en miniature (Abb. 28). In diesem Zusammenhang verdienen auch die noch im ursprünglichen Zustand erhaltenen, langrechteckigen Möbel für Mineralien und Naturalien Erwähnung, die unter anderem in der Ambraser Bibliothek aufgestellt waren (Abb. 29).Diese Schränke beeindrucken noch heute durch ihre Monumentalität und in ihrer imposanten Größe mit einer jeweiligen Länge von beinahe fünf Metern und einer Tiefe von rund eineinhalb Metern. Die Gegenstände in Form von Gesteinsproben, Handsteinen, Fossilien etc. waren in Schubfächern untergebracht, die mit feinem Rehleder ausgekleidet und auf das Objekt eigens angepasst waren.
Zusammenfassend zeigt sich im Falle des Verwahrens besonders gut die Absicht des Sammlers, die Gegenstände optimal unterzubringen und konservatorisch so gut als möglich zu erhalten. Die zahlreichen erwähnten Behältnisse, in ihren unterschiedlichen Formaten und aus diversen Materialien hergestellt, vermitteln auch den Wunsch nach geeigneter und zugleich bequemer Präsentation. Da die Zugänglichkeit im Falle der Ambraser Sammlungen reglementiert war und nicht mit einer Öffentlichkeit im Sinne eines heutigen Museums zu bewerten ist, waren die genannten Behelfe nicht zwingend einer musealen Präsentation geschuldet, sondern waren vielmehr Spiegel des fürstlichen Sammlungsverständnisses und unterstrichen die Wertigkeit und die hohe Materialität der darin verwahrten Preziosen. Die bis in jüngster Zeit als museale Präsentationsbehelfe eingestuften Kunstkammerkästen waren jedoch aufgrund ihrer Gestaltung mit Flügeltüren und den darin variabel eingezogenen Regalböden eher reine Verwahrungsbehältnisse. In einigen Fällen zeigt sich sogar, dass das eine oder andere Objekt noch in jener Verpackung gelagert wurde, in dem es vom Absender an den Innsbrucker Hof gesandt worden war. Im Nachfolgenden soll nun der Blick auf den Transfer und die Bemühungen um die Logistik beim Erwerb von Sammlungsgegenständen geschärft werden.
Der Transport
Eine bislang nicht berücksichtigte Frage im Zusammenhang mit den Ambraser Sammlungen ist jene nach der Verpackung und dem Transport der erworbenen Gegenstände. Wie konnten fragile Bergkristall- und Korallenobjekte, feine Goldschmiedearbeiten, großformatige Gemälde und schwere Harnische unbeschadet nach Innsbruck gebracht werden? Wer wickelte die logistische Arbeit ab und wie sah die sichere Verpackung aus?
Bereits der Künstler und Theoretiker Gabriel Kaltenmarck stellte 1587 hierzu grundsätzliche Überlegungen in seiner Anweisung zum Aufbau einer Kunstsammlung an. Er handelte neben der allgemeinen Kostenfrage auch die Sicherheit des Transfers über Wasser und Land ab. Im Falle Erzherzog Ferdinands II. stand bereits vor dessen Herrschaftsantritt als Tiroler Landesfürst ein umfangreicher Transport aus seiner ehemaligen Residenzstadt Prag in seine neue (alte) Heimat Tirol an. Dies betraf zunächst den gesamten Hausrat aber eben auch rund 735 Zentner an Harnischen und Ausrüstungsgegenständen, die von Böhmen nach Innsbruck zu schaffen waren. Die Koordination dieses Großauftrages lag in Händen des Prager Futtermeisters Gabriel Mittermayer und des Tiroler Hofkanzlers Johann von Wellinger. Die Ladung wurde von Prag nach Linz auf dem Landweg transportiert, dann auf die Donau verladen, wo man den Wasserweg bis nach Kufstein nützte, hier wurde umgeladen, um dann den Inn weiter flussaufwärts gegen Innsbruck zu nützen. Die Logistik in der Beschaffung gewünschter Objekte und den Transport überließ Ferdinand II. seiner „rechte Hand“ in diesen Angelegenheiten, seinem Privat- und Geheimsekretär Jakob Schrenck von Notzing. Dieser konnte sich bei seiner Arbeit wiederum auf ein umfassendes Netz von Agenten, Höflingen, Künstlern, Handwerkern, Kaufleuten (Welser und Fugger) und Diplomaten, etwa den kaiserlichen Gesandten in Madrid, Hans Khevenhüller, oder den kaiserlichen Orator in Venedig, Veit von Dornberg, und in Genua, Adrian von Sittichhausen, stützen. Hinzu kamen helfende Hände vor Ort in Innsbruck. So gab es neben dem Rüstmeister , der für die Rüstkammern verantwortlich zeichnete, auch ausgewählte Kunstkämmerer. Hierzu zählte unter anderem der Niederländer Gerard de Roo, der eigentlich als Bassist in der fürstlichen Hofkapelle eingestellt war. Die Bedeutung der Kunstkammer zeigt sich schon allein darin, dass ab den 1580er Jahren bis 1595 vier Kunstkämmerer, Oswald Portner, Appolinaris Willer, Jakob Wacker und Paul Ottenthaler, wenn auch sicherlich nicht gleichzeitig, in Ambras tätig waren. Eine weitere Vertrauensperson war der erzherzogliche Kammerdiener Caspar Möller von Möllenstein, der sich um die Akquirierung von Luxusgegenständen (Stoffe, Pelze, Antiquitäten, Korallen, Perlen) kümmerte.
Ferdinand kam aber noch ein anderer, persönlicher Umstand zugute. Der Landesfürst konnte sich der Unterstützung seiner über ganz Europa verstreuten Verwandtschaft und deren bewährtem Netzwerk und diplomatischen Verbindungen sicher sein. Seine Schwestern Anna, Barbara, Eleonore und Johanna waren mit den Herzögen von Bayern, Ferrara und Mantua sowie dem Großherzog von Toskana verheiratet (Abb. 30).
Der Neffe Philipp war König von Spanien (nach 1580 auch von Portugal), seine Nichten waren unter anderem Königinnen von Polen, Schweden und Dänemark.
Wir wissen, dass Objekte in Stroh und Textilien eingewickelt und dann mittels Fässern, Holztruhen und Säcken über Land auf Fuhrwägen oder mit Pferde- und Fußboten transportiert wurden. Für den Innsbrucker Hof wurden im Jahr 1542 angekaufte Rüstungen in Einzelteilen zerlegt, in Truhen und Fässern nach Innsbruck befördert. Ungewöhnlich mutet es an, wenn man hört, dass Kaiser Ferdinand I. ein kopiertes Gemälde wollverwarrt in ainem rorr eingemacht auf der post von Innsbruck nach Wien versenden ließ. Mit besonderer Sorgfalt wurden 1564 Marmorsteine für Umbauten an der Burg von Regensburg nach Prag befördert, die nass gemacht, in Tüchern eingeschlagen und in Truhen verstaut, versandt wurden. Kaiser Maximilian II. wiederum ließ Kleinodien aus dem Nachlass seiner Schwester, Katharina von Polen, 1572 von Linz nach Wien in schwarzen raistruhen verpacken. Detailliert sind wir über den Transport von wertvollen Tieren der fürstlichen Menagerien in Innsbruck unterrichtet. Im Allgemeinen wurde die wertvolle Ware in Käfigen, Kisten und Fässern verladen. 1567 ließ Ferdinand II. zehn Reiher aus Konstanz nach Innsbruck bringen, mit der Anweisung, die Vögel in Leinen einzuwickeln, ohne dass ihre Köpfe und Füße bedeckt werden. Geriet man mit dem Transport in die kalte Jahreszeit, in welcher die Pässe (Brenner, Gotthard) und Straßen mit Schnee bedeckt waren, benutzte man Schlitten. So etwa 1573, als die in Innsbruck vom Bildhauer Alexander Colin gefertigten Grabsteine für Kaiser Ferdinand I. und dessen Frau Anna Jagiello nach Prag transferiert werden sollten. Und noch 1665, als man auf Anordnung Kaiser Leopolds I. die bedeutendsten Handschriften der Ambraser Sammlungen für die Erweiterung der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien entnommen hatte, nutze man hölzerne Kisten, geflochtene Körbe und eiserne Truhen für den Wasserweg von Innsbruck nach Wien.
Zusammenfassend kann man hervorheben, dass der Transfer von Kulturgütern der Neuzeit gleichzeitig ein Beleg für die umfassende Mobilität innerhalb Europas darstellt. Erzherzog Ferdinand II. war in der günstigen Lage, dass sein Territorium an den Anschlussstellen der wichtigsten Handelsrouten lag und der Landesherr beim Lukrieren der Objekte über ein engmaschiges und gut funktionierendes Netz an Agenten, Diplomaten bis hin zu Familienmitgliedern verfügte. Keine Kosten und logistischen Bemühungen wurden gescheut, um dem Wunsch nach Kuriosem und Kostbarem zu entsprechen. Wertet man die Nachrichten über Verpackungsmodalitäten und Transportbehelfen der frühen Neuzeit aus, so darf man mit Verwunderung feststellen, dass so viele unschätzbare Kunstobjekte die strapaziösen Wege, über zuweilen unwegsames Gelände mit unpfleglicher Behandlung, dann doch unbeschadet überstanden haben. Die Ambraser Sammlungen waren nach dem Tod Erzherzog Ferdinands II. aufgrund seiner ausdrücklichen testamentarischen Verfügung der Unteilbarkeit über Generationen unangetastet vor Ort verblieben. Damit übertauchte diese großartige Sammlung das Schicksal zahlreicher anderer Fürstenkollektionen, unter Erben in alle Winde verstreut zu werden. Die drei nachfolgenden Tiroler Landesherren nach Ferdinand bereicherten sogar einzelne Sammlungsbereiche um Gegenstände in der Rüst- und Kunstkammer sowie der Bibliothek. Die empfindlichste Schmälerung bedeutete aber dann der Abtransport der Zimelien aus der Bibliothek im Auftrag Kaiser Leopolds I. 1665. Die aus Ambras entnommenen einzigartigen Handschriften und Bücher sollten die kaiserliche Hofbibliothek in Wien aufwerten. Damit war der Weg geebnet, dass man in den kommenden 100 Jahren immer wieder Gegenständen aus Ambras zur Bereicherung der kaiserlichen Sammlungen in Wien aus Tirol abtransportierte. Ab 1750 hingegen transferierte man dafür in Wien nicht benötigte Kunstgegenstände, vor allem Objekte des Kunsthandwerks, nach Innsbruck: Schloss Ambras wurde zum Kunstdepot.
Conclusio
Mit dem Nachlassinventar des Tiroler Erzherzogs Ferdinand II., das 1596 ausgefertigt wurde, liegt ein bedeutendes kulturhistorisches Dokument vor. Die Aufzeichnungen sind für die Ambraser Sammlungen, der ältesten heute noch am originalen Ort verwahrten ehemaligen fürstlichen Sammlung der Renaissance, die ältesten Quellen. Glücklicherweise werden im Nachlassinventar die Objekte nicht nur knapp gelistet, sondern detailliert beschrieben. Dies ermöglicht es noch heute, trotz partieller Ungenauigkeiten, Gegenstände aus der Sammlung Ferdinands II. mit erhaltenen Objekten zu identifizieren. Anhand der anschaulichen Sprache der Inventaristen etwa bei der Benennung von Räumlichkeiten und der Angabe von Gehrichtungen beim Betreten der Zimmer, wird dem Leser ein unvermuteter Einblick in die Lebenswelt am Innsbrucker Hof zu Ende des 16. Jahrhunderts gewährt. Anhand des Aufzählens zahlreicher Behältnisse wird man unterrichtet, wie diverse Gegenstände auf ihre ganz eigene Art und Weise verwahrt wurden. Aus ästhetischen und repräsentativen Gründen wurden Truhen, Kästen und Schachteln nicht nur aus kostbaren Materialien gefertigt, sondern auch mit phantasievollen Dekorationen ausgestattet. Die beschriebenen musealen Behelfe sowohl in den Rüst- als auch in der Kunst- und Wunderkammer, die für die damalige Zeit durchaus als modern und innovativ zu bewerten sind, und damit den speziellen Sammlungscharakter unterstreichen, belegen den besonderen Wunsch für das Verwahren und Konservieren des Sammlungsgutes. Durch die Neuauswertung des Inventares können auch bislang geltende Vorstellungen von der Ambraser Sammlung, im Speziellen, was die Farbigkeit der Kunstkammerkästen angeht, korrigiert und nachgeschärft werden. Informationen zu privaten Gegenständen in Kästen, Truhen und Schubladen sowie zu alltäglichen Dingen werden ebenfalls geliefert und lassen zudem so die Person des Tiroler Landesfürsten Ferdinand II. „lebendiger“ werden.