
Abstract
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Bedeutung von Klein- und Flurdenkmälern für die historische Wallfahrtspraxis am Beispiel dreier niederösterreichischer Wallfahrtsorte und deren Gnadenbildrepräsentationen. Dabei kann gezeigt werden, dass viele Bildstöcke entlang der historischen Pilgerrouten errichtet wurden. Daher können diese als valide Quellen für die Rekonstruktion von wallfahrtsbezogenen Wegenetzen herangezogen werden.
Keywords: Niederösterreich, Neuzeit, Kleindenkmal, Flurdenkmal, Wallfahrt, Vesperbild
Abstract (englisch)
This article deals with the importance of wayside shrines for the historical pilgrimage practice using the example of three Lower Austrian pilgrimage sites and their miraculous image representations. It can be shown that many wayside shrines were erected along historical pilgrimage routes. Therefore, these can be used as valid sources for the reconstruction of pilgrimage-related path networks.
Keywords: Lower Austria, Modern age, Wayside shrines, Pilgrimage, Vesper image
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Der hier vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit einem Thema, das in der historischen Beobachtung des Wallfahrtswesens in der frühen Neuzeit kaum Interesse gefunden hat: den Klein- und Flurdenkmälern. Diese bilden zentrale Elemente der mitteleuropäischen Sakrallandschaft, ihre Erforschung ist allerdings regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Niederösterreich widmet sich seit gut 15 Jahren der Fachbereich Klein- und Flurdenkmale des Museumsmanagement Niederösterreich ihrer inventarmäßigen Erfassung.www.marterl.at veröffentlicht. Davon allerdings sind zum Zeitpunkt der Beitragserstellung nur 235 Datensätze auch mit dem Lemma „Wallfahrt“ verknüpft, woraus auf den ersten Blick auf eine geringe Bedeutung dieser Objektgruppe für das neuzeitliche Wallfahrtswesen geschlossen werden könnte. Ein Bericht aus dem Jahr 1754 hingegen spricht deren nicht unbedeutsame Rolle an: „Bey allen auf dieser Zeller-Reiß aufgerichten Creutz- und Marter-Säulen knyet man nieder und betet: Sey gegrüsset, o Heil Creutz! Sey uns ein Schlüssel zum Paradeyß, ein Laiter zum Himmel, ein Schiflein zum fahren von diesem zeitlichen in das ewige Leben …“. Derartige Frömmigkeitsübungen wurden, wie hier geschildert, bei sämtlichen religiösen Objekten gehalten, auch bei jenen, die sich nicht explizit auf das Wallfahrtsziel bezogen. Vor allem bei den sog. „Urlaubergruppen“, die sich immer wieder entlang der Pilgerwege befanden, kann man die Verbindung zu Wallfahrten in Betracht ziehen, da Wallfahrer*innen dort Abschied von zuhause nahmen. Als das Wallfahrtswesen im 19. Jahrhundert nach der josephinischen Epoche wiederauflebte, scheinen die Kleindenkmäler keine allzu gewichtige Rolle mehr gespielt zu haben. Ein Bericht über die Wallfahrtsroute des Maria-Dreieichen-Vereins der Wiener Pfarre St. Leopold aus 1861 legt dar, dass man alle Kirchen der passierten Orte besuchte und dort Andachten zum*zur jeweiligen Patron*in abhielt; von Flurdenkmälern ist hingegen nicht die Rede. Ob dieser Einzelbefund generalisiert werden kann, wäre allerdings noch auf breiterer Quellenbasis zu untersuchen.
Allein in der Kategorie „Religiöse Kleindenkmäler“ wurden bislang über 7800 Objekte erfasst und in der DatenbankIm Folgenden wird ausgehend von drei marianischen Wallfahrtsorten versucht, die Bedeutung von Klein- und Flurdenkmalen entlang der Pilgerrouten im heutigen Niederösterreich herauszuarbeiten und vergleichend zu diskutieren. Seit der Barockzeit sind drei marianische Einzelwallfahrtsorte mit Kleindenkmälern in Niederösterreich von Belang: Maria Taferl und Maria Dreieichen im Walviertel sowie Maria Schoßberg (Sasvár, Šaŝtin) in Oberungarn, heute Slowakei, nahe der niederösterreichisch-mährischen Grenze. An diesen drei Orten werden Gnadenbilder der Pietà verehrt.www.marterl.at deutlich höher als in der südlichen Hälfte des Bundeslandes. Vergleicht man diesen Befund mit der Anzahl von Darstellungen weiterer Mariengnadenbilder in denselben Erfassungsräumen, so fällt auf, dass solche recht spärlich gesät sind.
Bislang konnten 85 Bildstöcke und Wegkapellen mit Bezug zum Gnadenbild von Maria Dreieichen, 51 Objekte mit Bezug zu Maria Taferl und 26 mit Bezug zu Maria Schoßberg erfasst werden. Im Zuge dessen konnten, wie weiter unten noch detaillierter ausgeführt wird, starke regionale Unterschiede in der Verteilung festgestellt werden: Bildstöcke und Wegkapellen mit der Darstellung des Gnadenbildes von Maria Dreieichen finden sich im niederösterreichischen Wald- und Weinviertel in sehr großer Anzahl, im Gebiet südlich der Donau dagegen konnte bis dato kein einziges Objekt erhoben werden. Allerdings ist die Erfassungsdichte nördlich der Donau aufUm die herausragende Rolle der hier behandelten Klein- und Flurdenkmäler im Wallfahrtswesen zu verstehen, erscheint es zunächst sinnvoll, in gebotener Kürze auf weitere religiöse Kleindenkmäler mit Wallfahrtsbezug auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Niederösterreich einzugehen: Es gibt beispielsweise solche, die aufgrund privater Intentionen errichtet wurden. So steht eine qualitätsvolle Steinkopie des Gnadenbildes der Madonna von Kevelaer („Luxemburger Madonna“) gegenüber der Kirche von Maigen (OG Meiseldorf). Sie wurde 1715 von Pfarrer Freundlich und seiner Familie, die aus Belgien stammte, gestiftet
(Abb. 1). Im Garten des ehemaligen Servitenklosters Schönbühel hängt in der Rosalienkapelle ein großes Bild einer Madonna mit Kind. Diese Kopie des Gnadenbildes von Maria Scharten, einem Wallfahrtsort bei Eferding, schenkte Cäcilia von Starhemberg, die auf Schloss Eferding residierte, dem Kloster aus Dankbarkeit dafür, dass sie geheilt worden war, nachdem sie aus dem Schönbüheler Bründl getrunken hatte. Die Augustinerinnen von St. Laurenz in Wien ließen an der Hoffassade des Mödlinger Toppelhofes, den sie seit 1715 besaßen, eine Steinstatue des Gnadenbildes von Maria Einsiedeln postieren. Die Art der Verbindung zu Maria Einsiedeln konnte nicht eruiert werden. Unklar ist auch der historische Hintergrund des Standbildes der „Madonna Bavariae“ (Abb. 2), eines Abbildes der „Patrona Bavariae“ auf dem Marienplatz in München, das bei Roseldorf (OG Sitzendorf an der Schmida) steht. Die durch Inschrift bekannten Stifter*innen, Jacob und Maria Salome K(F)ugler, sind in den Pfarrmatriken nicht zu finden. Wahrscheinlich kamen sie aus Bayern und standen im Dienst des hier begüterten bayerischen Klosters Baumburg. Interessant ist die im Volksmund „Annamarter“ oder „Prager Jesulein“ genannte, im Prunkgewand dargestellte Steinstatue der Madonna in Heinrichsdorf (OG Weitersfeld). Andachtsbilder aus dem 18. Jahrhundert legen nahe, dass es sich dabei um die alte Gnadenmadonna aus dem benachbarten Sallapulka (Maria im Gebirge) handelt, die, wahrscheinlich nach der Aufhebung der Wallfahrt im Jahr 1784, aus der Kirche entfernt und später durch eine neue ersetzt wurde.Verhältnismäßig oft in niederösterreichischen Kleindenkmälern und Hausbildern vertreten ist das Gnadenbild Mariahilf, die meisten Objekte stammen aber erst aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Ein Gnadenbildrelief ziert auch den Sockel der Pestsäule in Tulln (1694–1696). Als vollplastisches Hausbild von 1733 schmückt Mariahilf das Haus Kremserstraße 8 in Maissau. Ein eindrucksvoller Pfeiler aus der Zeit zwischen 1616 und 1623, „Hochkreuz“ genannt, steht an der Straße zwischen Schwadorf und Schwechat. Sein Stifter, Erasmus Gold von Lampoding, war ab 1616 Pfleger der bischöflich Passauischen Herrschaft Schwadorf, nachdem er zuvor als Hofmarschall und Hofkammerrat des Bistums agiert hatte. Seine Mutter, Amalia von Trenbach, war die Schwester des Bischofs Urban von Trenbach (1561–1598, vorher Pfarrherr in Kirchberg am Wagram). Erasmus war in zweiter Ehe verheiratet mit Maria Jacobea von Pienzenau. Das Monument scheint dem Gedenken seiner Familie gewidmet zu sein, denn die Namen und Wappen auf den vier Seiten nennen die Namen Erasmus Gold, Trenbach, Pienzenau und Elreching. Vom Letzten dieser Familie erbten 1610 die „Golten von Lampolting“ die oberösterreichische Herrschaft Mamling. An die bayerische Heimat erinnert die den Pfeiler – neben einem Gnadenstuhl – bekrönende Plastik Mariahilf, ein Passauer Gnadenbild. Auch in der Kirche von Schwadorf gab es eine solche Darstellung, 1725 wird ein „wundertätiges Gnadenbild Maria-Hilf“ erwähnt. Es soll erst 1692 feierlich von Wien hierher übertragen worden sein.Mariazell ist der bedeutendste Wallfahrtsort der österreichisch-ungarischen Monarchie, zu dem auch verschiedene Pilgerwege aus Böhmen und Mähren sowie von zahlreichen niederösterreichischen Ortschaften führen. Zwar begleiten die Via Sacra, woher immer sie kommt, viele Kleindenkmäler, die alle als Gebets- und Andachtsstationen durchaus in das Wallfahrtsgeschehen einbezogen wurden, jedoch ist die Darstellung der Mariazeller Madonna heute selten anzutreffen. Bloß in zwei Kapellen, die mit alten Wallfahrtswegen zusammenhängen, eine in Asparn an der Zaya und eine in Laxenburg, findet sich das Bild der Gnadenmutter.
Ein Bildstock aus 1676 bei Grafenberg (OG Straning-Grafenberg) trägt ein Relief des Gnadenbildes und in Poysdorf steht am Weg nach Mariazell ein Pfeiler mit einer kleinen, möglicherweise alten Statue in der Nische. An der Via Sacra von Wien her befindet sich in Brunn am Gebirge am Ende der Liechtensteinstraße auf der Etappe nach Heiligenkreuz eine 1837 von Kaiser Ferdinand gestiftete Votivtafel. Sie zeigt den Stadtkern von Mariazell, darüber die Gnadenstatue zwischen zwei Engeln.Plesser erwähnt in seiner Geschichte des Wallfahrtortes und der Pfarre Maria Taferl einige alte Mehrortewallfahrtspfeiler. Sie sind auch in Verbindung mit der Darstellung des Gnadenbildes von Maria Taferl interessant, denn auch dieses findet sich darauf in gemalter Form. Der Ort war ebenso wie der Sonntagberg eine Station der großen Mariazell-Wallfahrten. Ein Pfeiler bei Gneixendorf aus 1642
war mit Blechbildern der Orte Mariazell, Maria Taferl und Sonntagberg versehen, ebenso eine Säule am Ufer des Lunzer Sees (OG Lunz am See). Interessant ist, dass laut Plesser zwei Johannes-von-Nepomuk-Denkmäler mit solchen Bildern geschmückt worden seien: eines aus 1722 bei Scheibbs mit drei Blechtafeln, und ein „Kreuzstöckl“ an der Schwemmwehr oberhalb von Ysper, bei dem der Heilige in einer Nische stehe und die drei Wallfahrtsorte in die Giebelfelder gemalt worden seien. Diese von Plesser beschriebenen Objekte konnten jedoch nicht mehr aufgefunden werden, allerdings existiert ein altes Foto der „Römerbrücke“ in Scheibbs, auf der gegenüber der Statue des hl. Johannes von Nepomuk ein Sonntagberger Gnadenstuhl postiert war, von Maria Taferl ist hingegen nichts zu sehen. Auf den Wegen nach Mariazell stehen im südlichen Niederösterreich heute noch mehrere solcher Pfeiler und Säulen, die meist aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammen (Abb. 3). Auch neuere Bilder, die möglicherweise alte ersetzt haben, kann man auf Bildstöcken an den Wegstrecken nach Mariazell finden.- Abb. 1: „Luxemburger Madonna“ in Maigen (OG Meiseldorf). Foto: Walpurga Oppeker.
- Abb. 2: „Madonna Bavariae“, Roseldorf (OG Sitzendorf an der Schmida). Foto: Alexander Szep.
- Abb. 3: Mehrorte-Wallfahrtspfeiler bei Scheibbs. Foto: www.marterl.at (Erwin Huber).
Die frühneuzeitlichen Hauptwallfahrten auf dem Gebiet des heutigen Niederösterreich
Quellen, die Aufschluss über Wallfahrten in der Barockzeit geben, sind vor allem die Mirakelbücher. Hier werden Gebetserhörungen, Heilungen von Krankheiten und Errettungen aus Unfallgefahren von Einzelpersonen aufgelistet, von denen man nicht weiß, ob sie individuell oder im Rahmen einer Prozession am Gnadenort waren. Man kann also bei den Nennungen der Herkunftsorte nicht unbedingt auf ein gemeinsames, größeres Wallfahrtsunternehmen schließen. Darüber hinaus gab es 1730/31 eine für diese Thematik interessante Umfrage im Bistum Passau über die Situation und Aktivitäten der einzelnen Pfarren, die sich in den diözesanen Akten verschiedener Gemeinden noch erhalten haben. Darin werden auch die jährlichen Prozessionen aufgelistet. Maria Taferl und natürlich Mariazell werden immer wieder genannt, Maria Dreieichen scheint hingegen noch nicht auf.
Auch aus vorhandenen alten Kirchenfahnen mit dem Motiv eines Gnadenbildes kann auf Wallfahrten zu bestimmten Pilgerzielen rückgeschlossen werden.Fernwallfahrten, Mehrortewallfahrten
Neben dem Besuch einzelner Wallfahrtsorte wurden in der Neuzeit auch Fernwallfahrten mit großen Pilgergruppen durchgeführt. Im Raum der Habsburgermonarchie war Mariazell das bevorzugte Ziel, auf dem Weg dorthin wurden immer auch andere Gnadenorte besucht. Die Route der vom Westen und Norden kommenden Gruppen führte über Maria Taferl und meist auch über den Sonntagberg. Maria Taferl gelangte auch durch seine Lage an der Donau zu besonderer Bedeutung, da die vom Westen auf der Donau fahrenden Gruppen zuvor die gefürchteten Stromschnellen des Strudengaus überwinden mussten. Generell war die Schifffahrt auf der Donau zu dieser Zeit gefährlich. 1662 kamen bei Greifenstein dreißig Personen bei einem Schiffbruch zu Tode, 1664 drohte ein Wallfahrerschiff bei Klosterneuburg in einem Sturm zu kentern, doch die Anrufung der Gottesmutter brachte der Überlieferung zufolge Rettung.
1845 lief ein Schiff mit 230 Pilger*innen aus Maria Schoßberg und Umgebung auf dem Weg von Mariazell und Maria Taferl zurück in die Heimat bei Tuttendörfl (Korneuburg) auf eine Sandbank auf und sank. Am nächsten Tag wurden 71 Leichen geborgen, 128 Personen galten als vermisst.Mariazell war Wallfahrtsziel für Menschen aus allen Teilen der Habsburgermonarchie, zudem aus Bayern und Salzburg.
Weit gestreut sind die Ausgangspunkte von Wallfahrten nach Mariazell im gesamten Gebiet von Mähren, Schlesien und Südböhmen, sogar aus Prag kamen Pilger*innen. Böhm*innen aus der Budweiser Gegend (Budějovice) besuchten auf ihrem Weg ins steirische Mariazell gerne auch Hoheneich , ihre Route führte wahrscheinlich durch das Yspertal über Maria Taferl nach Mariazell. Umgekehrt befindet sich in Chlumecz (Kreis Budowice) eine Kirche namens „Klein Mariazell“. Regelmäßig kamen vier Pilgerzüge aus der Gegend von Neuhaus (Jindřichův Hradec) nach Mariazell, die wohl ebenfalls diesen Weg nahmen und sicher Maria Taferl und den Sonntagberg miteinschlossen. Fünf Prozessionen aus der Umgebung von Datschitz (Dačice) kommend, dürften die gebräuchlichste Route der Mährer*innen über Znaim genommen haben. Auch die bekannteste mährische Wallfahrt, nämlich die der Brünner*innen nach Mariazell, die diese angeblich um 1500, gesichert nach der Abwehr der Schweden 1648, gelobt hatten, führte über Znaim. Dazu gibt es genaue Berichte aus den Jahren 1754 und 1835 . Besagte Wallfahrt begann alljährlich am 20. August und dauerte 14 Tage. Für die Daheimgebliebenen wurde in der unter Joseph II. abgerissenen Kirche „Malá Mariacela“ in Komárov (Krumlowitz) bei Brno (Brünn) während dieser Zeit täglich eine Segensandacht vor einer Kopie der Gnadenmutter gehalten. Die Pilger*innen waren in zwei Gruppen geteilt, in eine tschechisch- und eine deutschsprachige. Ihr Weg führte vielfach auf Feldwegen über Lechowitz nach Znaim und von dort bis Eggenburg. Hier ist aus Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts die Straßenbezeichnung „Mariazellerweg“ überliefert. Von Eggenburg aus wurde sodann Maria Dreieichen besucht. Weiter ging es durch das Kamptal, über den „Tettenhengst“ und den Stieferner Kalvarienberg. Die schweren Steine, die Erstwallfahrer*innen hinauf zur Kreuzigungsgruppe schleppten, liegen heute noch als Bußsteinhaufen dort. Dieser Kreuzweg, der dem alten, mühsamen Straßenverlauf folgt, wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Form von roten Holzkreuzen von Stiefern aus errichtet. Der Ortspfarrer Franz Ignaz Schreiber, ein geborener Brünner, stiftete 1760 testamentarisch die heute noch bestehenden gemauerten Breitpfeiler. Auf der Anhöhe des Berges steht eine figurale Kreuzigungsgruppe. 1772 ließen die Schönberger*innen von der anderen Seite des Berges her ebenfalls Kreuzwegbildstöcke aufstellen, sodass auch die Pilger*innen, die von Krems oder Langenlois nach Maria Dreieichen zogen, Stationen zum Beten vorfanden. Der Weg über diesen Berg wurde schon im 17. Jahrhundert von Pilger*innen begangen. Der Stieferner Pfarrer Johann Kropp (1690–1699) berichtet über diese Anhöhe, „dass sie von tausenden christlichen Wallfahrern aus der Umgebung und aus weiter Entfernung, nämlich Böhmen und Mähren, alljährlich überstiegen wird.“ Über Langenlois, Krems und Göttweig führte der Weg weiter nach St. Pölten und von hier über Wilhelmsburg und Annaberg nach Mariazell. Der Heimweg verlief meist über den Sonntagberg nach Marbach an der Donau. Immer wurde im Zuge dessen auch Maria Taferl besucht. Mit dem Schiff ging es weiter bis Krems und dann wieder den gleichen Weg zurück nach Znaim und Brünn. Vielleicht ist in diesem Zusammenhang auch erwähnenswert, dass es auf jener Strecke besonders viele „Urlaubergruppen“ gibt.Ein weiterer Weg aus Mähren nach Mariazell führte von Břeclav (Lundenburg) und Lanžhot (Landshut) über Bernhardsthal und Rabensburg, weiter über Hohenau, das 1679 ebenfalls die Wallfahrt gelobt hatte, nach Wien, wo die Paulaner besucht wurden, und anschließend am „Wiener Weg“ entlang in den steirischen Gnadenort. Die Rückreise erfolgte wieder über Maria Taferl, von Marbach bis Wien reiste man per Schiff.
In Maria Dreieichen kamen diese Pilgerzüge nicht vorbei, ebenso wenig die Nikolsburger (Mikulov) und Poysdorfer Pilger*innen. Sie zogen über die Brünnerstaße nach Wien und über den „Wiener Weg“ nach Mariazell, retour kamen sie wieder über Maria Taferl mit dem Schiff bis nach Wien. Interessant ist, dass, wie schon erwähnt, auf keiner dieser Pilgerrouten ein Pfeiler oder eine Säule mit dem figuralen Gnadenbild der Mariazeller Muttergottes gefunden werden konnte. Aber auch die Mehrortewallfahrtspfeiler (Abb. 3) mit den Bildern Mariazell, Sonntagberg und Maria Taferl scheinen eher im südlichen Niederösterreich üblich gewesen zu sein. Maria Dreieichen ist dabei nicht zu finden, erst auf Andachtsbildern des 19. Jahrhunderts wird es mitdargestellt.Auf allen diesen Routen war es üblich, die großen Straßen eher zu meiden und auf Feldwegen, durch Hohlwege und Wälder zu pilgern (Abb. 8). In den wenig gebirgigen, flacheren Gegenden sind solche Wegverläufe durch die Kommassierung der Felder heute nicht mehr nachvollziehbar. Man findet daher Bildstöcke, die durchaus auch als Gebetsstationen oder für Kniefälle dienten, noch an Stellen, wo heute niemand mehr vorbeikommt (Abb. 18).
Vesperbilder als Verehrungsziele
Die folgende Untersuchung konzentriert sich auf Klein- und Flurdenkmäler mit dem sogenannten „Vesperbild“, das die um ihren Sohn trauernde Gottesmutter Maria mit dessen Leichnam auf ihrem Schoß liegend darstellt. Einige, aber keineswegs alle dieser Vesperbilder wurden als wundertätige Gnadenbilder verehrt, wobei sich diese bisweilen nur durch kleine Details unterscheiden. Abbildungen des Gnadenbildes von Maria Dreieichen auf Bildstöcken und -säulen sind im Wein- und Waldviertel, wie oben ausgeführt, unter den Klein- und Flurdenkmälern mit Wallfahrtsbezug mit Abstand am häufigsten vertreten. Eher überraschend ist in Niederösterreich das wiederholte Vorkommen des Gnadenbildes von Maria Schoßberg (Sasvár, Šaštín), einem Wallfahrtsort in der Nordwestslowakei, nur etwa 100 km von Wien entfernt. Es ist aus unserem Gedächtnis fast völlig entschwunden, dass im 18. Jahrhundert zahlreiche Prozessionen aus Niederösterreich und Mähren dorthin zogen. Auch das Gnadenbild Maria Taferl ist im Vergleich zu jenem von Maria Dreieichen eher selten auf Kleindenkmälern vertreten, obwohl viele Pilgerwege dorthin führten und der Gnadenort Teil von Mehrortewallfahrten war. Manche Darstellungen zeigen Abwandlungen des Gnadenbildes. Während gemalte Hausbilder genau dessen Typus übernehmen
, sind Steinnachbildungen auf Kleindenkmälern, die sicher mit dem Wallfahrtsort in Verbindung gebracht werden können, oft anders gestaltet.Im Folgenden sollen jene Wallfahrtsorte mit Vesperbildern vorgestellt werden, die auf dem Gebiet des heutigen Niederösterreich für Pilger*innen von Bedeutung waren:
Maria Lanzendorf, südöstlich von Wien, ist neben Maria Dreieichen und Maria Taferl ein dritter größerer, der Pietà gewidmeter Gnadenort in Niederösterreich. Er scheint über Wien und das Umland hinaus aber keine wesentliche Signifikanz erlangt zu haben, vielleicht, weil die Wiener Via Sacra nach Mariazell hier nicht durchführte. Die Wallfahrt selbst geht auf mittelalterliche Wurzeln zurück. Bereits 1145 ist der Neubau einer zerstörten Kirche belegt. Der älteste Teil des heutigen Gotteshauses (erbaut 1699–1703) dürfte der Rest der 1529 von den Türken zerstörten Gnadenkapelle sein. In der Zeit der Reformation kam die Wallfahrt zum Erliegen. 1683 brannten osmanische Truppen Lanzendorf mit Kirche und Gnadenbild erneut nieder. Ein Bildhauer namens Viechtl schnitzte ein neues Bild. Mit der Übernahme des Gotteshauses durch die Franziskaner anno 1696 kam das Wallfahrtswesen wieder in Schwung und der Ort wurde vor allem von den Wiener*innen fortan gerne besucht. Auch der kaiserliche Hof war durch das umliegende kaiserliche Jagdgebiet oft vertreten
, über diese regionale Bedeutung hinaus dürfte Maria Lanzendorf jedoch kaum Einfluss erlangt haben.Das Schicksal eines zerstörten und dann neu geschaffenen Gnadenbildes traf auch Maria Dreieichen und Maria Taferl. Das ursprüngliche Gnadenbild von Maria Dreieichen war ein wächsernes Vesperbild im Besitz des Horner Kürschnermeisters Matthias Weingartner gewesen.
Im Traum war ihm aufgetragen worden, das Bild öffentlich auszustellen, um von seiner Melancholie geheilt zu werden. Er brachte es am „Großen Frauentag“ (15. August) 1656 an einer dreistämmigen Eiche auf dem Molderberg an, in unmittelbarer Nähe zur „Böhmstraß“, die auch die böhmischen und mährischen Pilger*innen auf dem Weg nach Mariazell beschritten. Bald fanden sich immer mehr Beter*innen dort ein. 25 Jahre später brannte der Baum ab und das Wachsbild schmolz. Als der Baum wieder grünte, ließ der Horner Bürgermeister Sebastian Friedrich den Bildhauer Matthias Sturmberger eine neue Pietà schnitzen (Abb. 4), errichtete dafür eine Holzkapelle und erhielt 1680 auch die kirchliche Genehmigung für die Wallfahrt. Zwischen 1730 und 1733 wurde eine Steinkapelle erbaut und zwischen 1744 und 1750 sodann die große Wallfahrtskirche. Das heutige Gnadenbild, eine Holzskulptur, zeigt die etwas schräg sitzende Gottesmutter, die den aufrecht lehnenden Leichnam ihres Sohnes auf ihrem Schoß hält und liebevoll ihren Kopf an den seinen schmiegt. Ein bewegter goldener Schleiermantel über einem roten Kleid umhüllt die Madonna. Mutter und Sohn tragen je eine mächtige Goldkrone. Die Wiedergabe der Gnadenstatue in Stein oder Bild folgt dem Vorbild und platziert Mutter und Sohn vor den drei Stämmen des Eichenbaumes. Ganz selten fehlt bei Nachbildungen der charakteristische dreistämmige Baum.Die erste Vesperstatue, die an der Eiche auf dem Taferlberg oberhalb von Marbach an der Donau von Alexander Schinagl 1642 aufgehängt wurde, hatte dieser vom Klein-Pöchlarner Schulmeister und Organisten Franz Meuß erworben. Auch Schinagl war im Traum aufgefordert worden, das Bild auf dem Berg zur Verehrung auszustellen, um seine Melancholie zu heilen. Nach außergewöhnlichen Lichterscheinungen, die als Engelsprozessionen gedeutet wurden, setzte ein großer Pilgerstrom ein, sodass 1659 eine hölzerne Kapelle errichtet wurde. Im selben Jahr untersuchte eine kirchliche Kommission die Vorkommnisse und Anfang 1660 wurde die Wallfahrt legitimiert, die Messlizenz erteilt und der Bau einer Kirche beschlossen. Mit der Errichtung begann man bereits 1661, die Bauphase dauerte aber bis ins 18. Jahrhundert hinein. Erst 1713 war die Außengestaltung abgeschlossen, woraufhin die Innenausstattung in Angriff genommen wurde.
Die kleine Gnadenstatue oberhalb des Tabernakels auf dem Hochaltar zeigt die in Trauer erstarrte Gottesmutter in aufrechter Haltung auf einem Thron mit seitlichen Voluten sitzend. Der Leichnam ihres Sohnes liegt waagrecht auf ihrem Schoß (Abb. 5). Mit ihrer rechten Hand stützt sie dessen Kopf, mit ihrer linken hält sie Jesu rechten Arm. Eine weiße Gugel hüllt das Gesicht ein, das rote Kleid wird durch einen weiten blauen Mantel teilweise bedeckt, auf dem Kopf trägt Maria eine goldene Krone. Die Originalstatue wurde bei einem Brand im Dezember 1755 vernichtet und zunächst durch eine aus dem Holz der Eiche geschnitzte Figur ersetzt. 1756 erfolgte dann ein Austausch durch die heutige aus Lindenholz. Um die Wunder- und Heilkraft des Originals auf die Kopie zu übertragen, belegte man sie mit dem zerriebenen Pulver der verkohlten Vorgängerstatue. Von der alten Skulptur gibt es eine Zeichnung aus dem Jahr 1659, die zeigt, dass die Kopie exakt nach dem Original angefertigt wurde. Gleichzeitig fanden damals bereits Abwandlungen statt: In einer ebenfalls aus 1659 stammenden Abbildung des Inneren der damaligen Gnadenkapelle zeigen sowohl das Gnadenbild als auch einige der an den Wänden hängenden Votivbilder den Leichnam Christi mit herabhängendem Arm.Im Gegensatz zu den Darstellungen des Gnadenbildes von Maria Dreieichen, das fast immer mit seinen typischen Merkmalen, nämlich gekrönt und mit dem dreistämmigen Baum im Hintergrund, aufscheint, gibt es von der Taferl-Madonna bildliche Variationen. Es treten aber auch Verwechslungen auf. So wurden in Maria Dreieichen Ende des 19. Jahrhunderts kleine Andachtsbilder in Blechrahmen verkauft, auf denen das Gnadenbild von Maria Taferl abgebildet war. Die Erwerberin eines dieser Bilder jedoch notierte auf der Rückseite eines solchen Bildes: „Andenken an M. 3 Eichen den 30. August 1883 Louise Mayer“ (Abb. 6). Auf Nachbildungen des Gnadenbildes von Maria Taferl fehlen teilweise der Baum und die Krone. Fallweise wird der Leichnam Jesu mit herabhängendem Arm dargestellt, auch bei Bildstöcken, die nachweisbar mit Wallfahrtswegen zu diesem Pilgerort in Verbindung stehen. Dazu gehört das „Steinerne Kreuz“ bei Edelsreith aus dem Jahr 1720, das der sogenannten „Pestsäule“ – eine Pietà östlich von Maria Taferl –, sehr ähnlich sieht. Die Edelsreither Skulptur zeigt ebenso wie ein Votivbild mit ‚falscher‘ Armhaltung im Aufgang zur Schatzkammer, als auch ein Grabstein in der Kirche von Neupölla die für Maria Taferl typischen Voluten seitlich am Thron der Madonna.
Diese Art der Darstellung des toten Sohnes mit herabhängendem Arm erinnert an die Pietà des Wallfahrtsortes Bohosudov (Maria Schein) im Nordwesten Böhmens, eine eindrucksvolle Anlage mit einem Kreuzgang und sieben Kapellen um die Kirche. Dieser Ort verdankt seine Bedeutung dem gegenreformatorischen Wirken der Jesuiten in Böhmen, die 1591 das Gotteshaus übernommen hatten. Maria Schein wurde bevorzugt von Deutschböhm*innen besucht und strahlte hauptsächlich nach Norden, nach Sachsen und vor allem in die Lausitz aus.
Jenes Gnadenbild scheint jedoch keinen Einfluss auf Gnadenbilder in Niederösterreich genommen zu haben.Heutzutage in Niederösterreich wenig bekannt, aber durchaus vertreten ist das Gnadenbild von Maria Schoßberg (Sasvár, Šaštín) in der Nordwestslowakei, genauer gesagt im slowakischen Teil des Marchfeldes. Es weist große Ähnlichkeit mit jenem von Bohosudov (Maria Schein) und mit den ‚Abwandlungen‘ von Maria Taferl auf, sodass man die Bilder nicht immer sicher zuordnen kann. Hinsichtlich der Entstehung der Wallfahrt nach Maria Schoßberg wird berichtet, dass ein Ehestreit der Gräfin Anna (Angelica) Czobor, geborene Bakits, durch die Anrufung der Gottesmutter ein gutes Ende nahm und sie aus Dankbarkeit und in Erfüllung eines Gelübdes 1546 eine Statue der Leidensmutter aus Birnenholz schnitzen und diese in einer dreiseitigen Kapelle – Triangel – am Weg zum Schloss Šaštín (Sasvár) aufstellen ließ. „In der Folge versammelten sich nicht nur die Grundbesitzer mit ihrer Dienerschaft, sondern auch die Gläubigen aus der näheren Umgebung. Die Verehrung der Statue der ‚Sieben Schmerzen Mariens‘ wurde so ein Bestandteil der Czoborischen Familientradition mit zunächst nur lokalem Einzugsbereich.“
Während der osmanischen Bedrängnis und der ständischen Rebellionen barg man 1654 die Statue im Schloss und brachte sie erst 1710 wieder zurück in die Kapelle. Als immer mehr Beter*innen kamen und Wunderzeichen sich mehrten, untersuchte 1732 eine bischöfliche Kommission die Vorkommnisse. Am 18. Oktober desselben Jahres wurde die öffentliche Verehrung bewilligt und 1733 übernahmen Pauliner die Betreuung der neuen Wallfahrt. Etwas anders stellt der ungarische Ethnologe Sándor Bálint die Geschichte der Wallfahrt dar: Er datiert die Gnadenstatue, geschaffen von einem lokalen Meister, mit Anfang des 16. Jahrhunderts. Sie sei durch Graf Imre Czobor (Ehemann der Angelica) gestiftet worden, ursprünglich auf einer steinernen Säule gestanden haben und 1733 in die dreiseitige Kapelle gebracht worden. Mit dem Ankauf der Herrschaften Holič und Šaštin durch Franz Stephan von Lothringen erlangte der Pilgerort überregionale Bedeutung. Die kaiserliche Familie verbrachte, solange Kaiser Franz I. Stephan lebte, alle Sommer mit großem Gefolge in Holič. Maria Schoßberg wurde dabei stets besucht; der Bau der Kirche wurde durch das Kaiserpaar, das 1764 an der Weihe persönlich teilnahm, großzügig unterstützt. Dies beförderte sicher die Anziehungskraft des Wallfahrtsortes auch außerhalb Ungarns. Während der josephinischen Reformen wurde der Paulinerkonvent aufgelöst und die Wallfahrtskirche zur Pfarrkirche umgewidmet. Die Wallfahrt nach Maria Schoßberg bestand dennoch eingeschränkt weiter und ist bis heute lebendig.Das Gnadenbild, das seit 1764 auf dem Hochaltar steht, ist eine aus Birnenholz geschnitzte, flache Gruppe, von der die Vorderseite der Madonna und der Leichnam Christi vollplastisch ausgebildet sind. Jesus liegt mit abgewinkelten Beinen waagrecht auf dem Schoß seiner Mutter, die auf einer längeren Bank sitzt. Sein rechter Arm hängt hinunter, auf seinen linken legt Maria ihre Hand. Mutter und Sohn sind bekrönt (Abb. 7). Über den Schnitzer der Statue wird nur berichtet, dass „keine anderen Künstler vorhanden waren“
, also offenbar ein lokaler Bildhauer herangezogen wurde. Heute ist das Kleid der Madonna vergoldet, früher war sie mit Mänteln in den wechselnden liturgischen Farben und reichem Schmuck bekleidet, in der Barockzeit sogar mit einem Mantel aus Silber, der aber entwendet wurde. Auch Hoppe beschreibt die Darstellung 1913 noch als mit Seiden- und Atlaskleidern verhüllt. Bekleidet und mit reichem Schmuck behängt ist sie auch auf vielen figuralen Kopien und auf allen Andachtsbildern dargestellt.- Abb. 8: Johannes von Nepomuk-Statue bei Paudorf, als Bilddetail in: Georg Robert Lewis, Goetwig – Halt of Pilgrims, Radierung, 1822. Graphische Sammlung Stift Göttweig Inv.Nr. D 38.
Der politische Kontext der Vesperbildverehrung
Während im Mittelalter die wallfahrtsspezifische Heiligenverehrung wesentlich breiter gestreut war, rückte nach dem Konzil von Trient in den katholischen Gebieten die Jungfrau Maria als Gegenpol zur protestantischen Praxis besonders in den Mittelpunkt der Verehrung. In Niederösterreich ist der enge zeitliche Zusammenhang der Entstehung von marianischen Wallfahrtsorten mit der letzten und ausschlaggebenden Welle der Gegenreformation ab 1652 augenfällig, ebenso der räumliche mit ehemaligen Zentren des Protestantismus, wie der Wachau und dem Waldviertel oder den Jörger-Besitzungen im südöstlichen Niederösterreich. Reformationskommissär, zuerst für das „Viertel ober dem Manhartsberg“ gemeinsam mit Abt Benedikt Leiss von Altenburg (1648–1658), dann für ganz Österreich unter der Enns, war Joachim Freiherr von Windhag.
Er erwarb 1658 die Herrschaft Rosenburg. Heute gehört Maria Dreieichen dort, wo 1656 die Marienstatue auf dem Baum angebracht worden war, zum Ortsgebiet Rosenburg-Mold. Persönliche Initiativen seinerseits bezüglich des sich entwickelnden Wallfahrtsgeschehens sind weder in Dreieichen noch in Maria Taferl nachweisbar. Die einzige nachweisbare Verbindung zwischen ihm und Maria Taferl ist die Anstellung des Stuckateurs Carolo Concelio durch ihn in Windhaag und beim Kirchenbau in Maria Taferl. Doch ist seine Person eng mit verschiedenen Akteur*innen verbunden, die sicher auf diese oder jene Weise hier involviert waren. Auch lag ihm die Förderung von Gnadenstätten persönlich am Herzen, so war er Mitorganisator der Errichtung des ersten Kreuzweges von Wien nach Hernals – ebenso eine Aktion im gegenreformatorischen Sinn. Dafür suchte er Adam Eusebius von Hoyos, Herr auf Persenbeug (gest. 1640), als Spender zu gewinnen. Zu jenem bestand eine enge Vertrautheit; Windhag durfte ihn als „herr vatter“ ansprechen und wurde sein Testamentsexekutor, vielleicht sogar Vormund dessen Kinder. Maria Taferl liegt in direkter Nachbarschaft zur großen Hoyos’schen Herrschaft Persenbeug, aber auch benachbart zum Markt Marbach, damals Teil der Herrschaft Weißenberg. Jene war im Besitz der in Niederösterreich neu angesiedelten katholischen Familie Lindegg von Lisanna. Eine Lindegg-Tochter trat 1641 ins Dominikanerinnenkloster Imbach ein. Eine direkte Einflussnahme dieser Personen in Maria Taferl lässt sich in Stiftungen nachweisen. Schon 1659 verlobte Maria Justina von Lindegg ihre erkrankte jüngste Tochter nach Maria Taferl. Im Inventar von 1660 wird eine von ihr geschenkte Albe erwähnt, ebenso ein goldgesticktes Kelchtuch von der „alten Frau von Hoyos“, in jenem von 1670 wieder Kaseln der Frauen von Lindegg und von Hoyos sowie ein Silberkelch des Grafen Hoyos. 1668 wurde ein „Lindegger-Altar“ für die Kirche angefertigt. Eine Frau von Lindegg errichtete 1671 die erste Einsiedelei Niederösterreichs beim Taferl, die aber nicht lange Bestand hatte. Den Eremiten wurde von ihr als Alterssitz ein Platz im Marbacher Spital zugesichert.Die Eiche von Maria Dreieichen stand auf dem Molderberg, einem Grundstück der Herrschaft Horn, die 1659 Windhags Mündel Ferdinand Max von Sprinzenstein als Schwiegersohn des Ferdinand Sigismund Kurtz von Senftenau übernommen hatte. Seine Tochter Maria Regina ehelichte 1681 den Enkel Adam Eusebs von Hoyos, Leopold Karl. Er und sein Sohn trugen gemeinsam mit dem Stift Altenburg wesentlich zum Ausbau der Wallfahrt in Maria Dreieichen bei. Auch die zweite niederösterreichische Linie des Hauses Hoyos, zu Gutenstein, war Ende des 17. Jahrhunderts an der Entstehung einer marianischen Wallfahrt auf dem Mariahilferberg
beteiligt. Hier war protestantischer Einfluss durch die Jörger, deren Herrschaft Hohenberg 1626 an die Hoyos gekommen war, noch lange spürbar. Auch im Waldviertel, wo viele Herrschaften bereits in katholischen Händen waren, zeigen die Berichte der Reformationskommission von 1652, dass noch ein großer Teil der Bevölkerung zur Konversion veranlasst werden musste. Vor allem die Menschen in der Gegend in der und um die Wachau zeigten sich widerspenstig. Die Förderung gefühlsbetonter katholischer Rituale war dabei durchaus hilfreich. In der weiteren Umgebung von Maria Dreieichen hatte sich das katholische Bekenntnis dagegen bereits weitgehend wieder durchgesetzt.In der Slowakei, die vom 11. Jahrhundert bis 1918 als „Oberungarn“ zu Ungarn gehörte, verlief die Neuordnung in Religionsangelegenheiten anders als in Österreich. Hier musste nach dem Zurückschlagen der Osmanen erst die staatliche Ordnung erneuert werden. Dem standen verschiedene Interessensgruppen entgegen, auch hatten sich Luthertum und Calvinismus im Adel und im Volk stark festgesetzt. In Oberungarn war die Situation in konfessioneller Hinsicht daher sehr unübersichtlich, es gab offenbar keine strengen Grenzen in Glaubensfragen. Die Familie Czobor ist nicht eindeutig zuzuordnen. Vizepalatin Emerich (Imre) Czobor (1520–1581) gilt als Katholik, aber seine Tochter Elisabeth (1572–1626) förderte das Luthertum, auch unter seinen Frauen und Schwiegertöchtern gab es Lutheranerinnen.
Seine Gemahlin, Angelica, Tochter des Paul Bakits, der ein serbischer Woiwode und ungarischer Kriegsheld gegen die Türken war, stiftete die Madonnenstatue. Auch der Sohn Michael (1575–1617) war sicher katholisch, denn er erhielt die Zustimmung zur Eheschließung mit Susanna Thurzó nur, nachdem diese zum Katholizismus konvertiert war. In der Folge wurde die Madonnenstatue von Familie und Untertan*innen verehrt, es wurde die Lauretanische Litanei gebetet und es entwickelte sich eine Wallfahrtstradition, die sich immer weiter ausbreitete. Auch eine Loretokapelle war errichtet worden, in der das Gnadenbild angeblich zeitweise untergebracht war. Das alles lässt diesen Zweig der Familie Czobor dem katholischen Teil der Magnaten zugehörig erscheinen.Kleindenkmäler und historisch überlieferte Prozessionswallfahrten zu Vesperbildern – eine Zusammenschau
Angaben zu Prozessionen hin zu Wallfahrtsorten bieten für die Diözese St. Pölten die 13 Bände der Geschichtlichen Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt, in denen viele Pfarrgeschichten detailliert aufgearbeitet sind. Für die Erzdiözese Wien fehlt Derartiges. Was die Erhebung von Kleindenkmälern generell und auf Pilgerrouten im Speziellen betrifft, erweist sich die Datenbank www.marterl.at für das südliche Niederösterreich derzeit noch als wenig ergiebig. Das Wald- und das Weinviertel sind bereits besser erschlossen.
Maria Taferl
Maria Taferl (Karte 1) war nicht nur, wie oben in Bezug auf Mehrortewallfahrten dargelegt, eine Station für Pilgergruppen auf dem Weg nach Mariazell, es war auch selbst das angestrebte Ziel vieler Wallfahrten von Einzelpersonen und Gemeinschaften, die ihren Weg mit Abbildern des Gnadenobjekts markierten. Der Gnadenort ist nach allen Richtungen mit Bildstöcken und Wegkapellen zum Thema Wallfahrt bestückt, die den Weg zum Ziel weisen.
Das älteste Objekt ist die „Pestsäule“ östlich des Ortes, datiert 1693, die als Aufsatz eine Pietà trägt. Christus ist hier wieder mit herabhängendem Arm (T43) zu sehen. Vom Süden her, von Marbach kommend, steht das sogenannte „Korneuburger Kreuz“ (T20) aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der hohe Pfeiler ist an den vier Seiten mit kleinen Reliefs der Pestpatrone Rochus und Sebastian, des Landespatrons Leopold und des Wasserpatrons Nikolaus sowie mit einer qualitätsvollen Kopie des Gnadenbildes als Bekrönung versehen. Er wird wohl von der Korneuburger Bürgerschaft nach der Pestwelle von 1713 gestiftet worden sein. Die von Norden her kommenden Pilger*innen begrüßten das „obere Urlauberkreuz“ (T32), ein Breitpfeiler mit dem gemalten Gnadenbild; ein ähnlicher am Osteingang des Ortes wird „Wienerkreuz“ genannt. (T42) 1712 wurde eine Bründlkapelle errichtet, die heute unterhalb, nordöstlich des Presbyteriums der Kirche steht. In sie setzte man eine Kopie der Gnadenstatue aus rotem Marmor. (T23) Um 1860 soll der Bildstock mit tiefer Nische bei Wimm, an einem heute wenig begangenen Wallfahrtsweg, errichtet worden sein (T44).Vor allem die große Epidemie von 1679 scheint der Wallfahrt nach Maria Taferl großen Aufschwung beschert zu haben. 1680 gelobte die Stadt Gmünd deswegen die Wallfahrt dorthin. 1681 wurden 52 Prozessionen gemeldet.
Wieweit diese wiederholt und zu Dauereinrichtungen wurden, ist nicht bekannt. Auch, ob an diesen Wegen Maria-Taferl-Bildstöcke aufgestellt wurden, ist nicht überliefert. In diese Zeit würde das „Steinfeldkreuz“ bei Immendorf (OG Wullersdorf) passen, ein typischer Steinpfeiler aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, mit Reliefs der Gnadenmutter von Maria Taferl und einem Gnadenstuhl auf dem Tabernakel (T21, Abb. 9). Soweit Bildstöcke, -säulen und Wegkapellen in bildlichem Zusammenhang mit Maria Taferl erhoben werden konnten, liegen alle im westlichen Niederösterreich. Nur im Bereich der alten Pilgerstraße von Znaim nach Mariazell berühren sie auch noch das Weinviertel. Sie sind wahrscheinlich allesamt mit alten Wallfahrtswegen in Verbindung zu bringen und dienten als Andachtsstationen für größere Gruppen als auch für Einzelwallfahrer*innen. Auf der überlieferten Route von Brünn und Znaim nach Mariazell, die immer auf dem Rückweg über Maria Taferl führte, steht auf der Strecke zwischen Znaim und Eggenburg bei Rohrendorf an der Pulkau am Beginn einer Kellergasse eine hohe barocke Säule, bekrönt mit einer Pietà vom Typus Maria Taferl, aber ohne Krone und Baum (T25). Ihr Kopf soll in Richtung des Wallfahrtsortes schauen, sie wird mit dem Weg dorthin in Verbindung gebracht. Nicht weit davon, an der Poststraße zwischen Rohrendorf und Zellerndorf, wurde 1747 bei Dietmannsdorf auf einem alten Pfeiler eine Maria-Taferl-Pietà, wieder ohne Baum, aufgesetzt (T30, Abb. 10). Hier sollen laut Überlieferung auch die Pilger*innen aus Dietmannsdorf und Deinzendorf verabschiedet worden sein. Bei Loibersdorf (OG Gars am Kamp) wurde wahrscheinlich um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine hohe Säule mit dem Aufsatz der Maria-Taferl-Madonna errichtet (T40). Hier führte der Pilgerweg nach Mariazell auf Feldwegen durch das Kamptal weiter. Südlich der Donau stand in Pöchlarn ursprünglich am Weg zum Überfuhrplatz eine sehr interessante Säule aus dem späten 17. Jahrhundert, die als Aufsatz ein Doppelbild trägt: Eine Seite zeigt den Sonntagberger Gnadenstuhl, die andere eine Pietà (T29). Sie kann wohl mit der Mariazeller Wallfahrt und ihren Stationen am Sonntagberg und in Maria Taferl in Verbindung gebracht werden. Ebenfalls in Pöchlarn erinnert die spätbarocke aufwändige „Herzogenburgersäule“ an die alljährliche, 1680 gelobte Wallfahrt dieses Marktes nach Maria Taferl (T1, Abb. 11).- Abb. 9: „Steinfeldkreuz“ Immendorf (OG Wullersdorf). Foto: Alexander Szep.
- Abb. 10: Dietmannsdorf (OG Zellerndorf). Foto: Alexander Szep.
- Abb. 11: Herzogenburgersäule, Pöchlarn. Foto: Walter Resch.
Über die Prozessionen der Pfarre Altpölla sind einige Informationen überliefert. Um 1700 pilgerten Bewohner*innen der Pfarre nach Mariazell. Diesen Leuten schloss sich auch die Pfarre Neukirchen an der Wild an.
Deren Weg dürfte über Fuglau verlaufen sein, wo auf einer hohen, schlanken Säule eine Statue der Madonna von Maria Taferl thront, datiert 1747, (T31, Abb. 12). Ihr gegenüber steht ein Pfeiler mit dem Dreieichen-Gnadenbild, denn Fuglau liegt an der Wallfahrtsroute von Altpölla über Altenburg und Horn nach Maria Dreieichen (D79, Abb. 27). Gut dokumentiert ist die alljährliche Prozession der Jesus-Maria-Josef-Bruderschaft in Altpölla nach Maria Taferl. Welche Bedeutung die Wallfahrt im religiösen Leben der Pfarre einnahm, zeigen die Denkmäler, die im Bezug darauf gewidmet wurden. Am südlichen Ortsausgang des Marktes wurde 1717 die sehr ansprechende Urlauberkapelle mit der gemalten Ursprungsgeschichte der Maria-Taferl-Wallfahrt errichtet (T26). Der am rechten Wegrand vor Wegscheid 1715 gestiftete Pfeiler mit Pietà-Aufsatz könnte ebenfalls mit der Wallfahrt in Verbindung gebracht werden. (T27) Dazu ließ die Bruderschaft 1733 bei Artstetten, an der Stelle, von der aus man die Kirchtürme von Maria Taferl zum ersten Mal sehen kann, eine große Wegkapelle, das „Pöllinger Kreuz“, erbauen.Die alljährliche Wallfahrt der Stadt Freistadt in Oberösterreich nach Maria Taferl wird bereits 1702 in einem Mirakelverzeichnis genannt. 1721 suchte der Bürger Sebastian Scharitzer an, dort, wo man die Kirchtürme von Taferl zum ersten Mal sehen könne, eine Bildsäule aufstellen zu dürfen.
Dieses „Steinerne Kreuz“ (T33, Abb. 13) steht am Abhang des Sulzberges bei Edelsreith (OG Münichreith-Laimbach). Der Steinpfeiler hat als Aufsatz eine etwas abgeänderte Form der Muttergottes von Maria Taferl. Seine Inschrift weist darauf hin, dass er 1720 von der Freistädter Bürgerschaft gestiftet wurde.- Abb. 12: Fuglau (OG Altenburg). Foto: Walpurga Oppeker.
- Abb. 13: Edelsreith (OG Münichreith-Laimbach). Foto: Walpurga Oppeker.
Maria Schoßberg (Sasvár, Šaštin)
Während sich der Einfluss des Wallfahrtsortes Maria Schoßberg in Niederösterreich nur auf die östlichen Landesteile beschränkt haben dürfte, ist er für ganz Mähren und Böhmen von großer Wichtigkeit gewesen.
So wurden auch in Přibram, Nepomuk und Zalány in eigenen Werkstätten volkstümliche Nachbildungen der Schoßberg-Madonna erzeugt, die bis nach Bayern Verbreitung fanden. Sie könnten auch nach Bohosudov (Maria Schein) in Nordböhmen oder Maria Taferl in Niederösterreich exportiert worden sein, da die Gnadenbilder von Bohosudov und Maria Schoßberg einander sehr ähnlich sind. Charakteristisch ist die waagrechte Lage des Leichnams Christi und dessen herabhängender rechter Arm. Auch von Maria Taferl gibt es gemalte und in Stein gehauene Abwandlungen des Pietà-Motivs, die Christus ebenfalls in dieser Haltung zeigen. Die Zuordnung von Bildwerken, wenn diese ohne Kronen und Schmuck dargestellt sind, ist daher nicht sicher.Szabolcs Serfőző hat seiner Dissertation über Maria Schoßberg
eine Karte mit den Herkunftsorten der Pilger*innen beigefügt, die er nach den Aufzeichnungen der Mirakel von 1733 bis 1735 in der ältesten Beschreibung der Wallfahrt zusammengestellt hat. Hier werden für Niederösterreich fünfzehn Orte angeführt, aus denen Bewohner*innen in Schoßberg Gnadenerweise erhalten hatten. Von diesen Orten konnte bisher nur für Zistersdorf eine regelmäßige Wallfahrt nachgewiesen werden. Die Quellenlage zu dieser bei uns fast vergessenen Wallfahrt ist schlecht, zudem gab es durch die Corona-Pandemie (2020f.) kaum Möglichkeit für weitreichende Erhebungen. Keiner dieser genannten Orte korrespondiert mit den in Niederösterreich gefundenen bildlichen Belegen, die sicher oder möglicherweise Maria Schoßberg zugeschrieben werden können. Sie geben auch keine eindeutigen Aufschlüsse über Pilgerwege, obwohl sich im Verteilungsbild eventuell zwei Strecken abzeichnen. (Karte 2)Entlang der mährischen Grenze steht im Süden von Fronsburg (OG Weitersfeld) eine hohe Säule mit einer Pietà-Statue als Aufsatz, die allerdings nur einschränkt dem Typus Schoßberg entspricht (S8). Sie stammt bereits aus dem Jahr 1661, also aus einer Zeit, in der Schoßberg noch nicht wirklich populär war. Vor allem der „dynastische Anschub“ der Verehrung durch die kaiserliche Familie setzte erst etwa 60 Jahre später ein. Die Stifter*innen der Säule waren Adam Lampl von Freundsberg (gest. 1676) und seine Frau Regina. Vielleicht war deren Tod anno 1661 der Grund für die Setzung. Regina Lampl war die Tochter des Adam Euseb von Hoyos auf Persenbeug, der hier bereits erwähnt wurde.
Nahe der Grenze, bei Unterretzbach (OG Retzbach), am „Krumpen Weg“, ehemals eine Wegkreuzung Richtung Znaim, befindet sich ein Breitpfeiler, der heute verballhornt „Schussbergmarter“ heißt (S4). In der verglasten Nische ist auf der Rückseite eine gemalte Darstellung der Schoßberg-Madonna zu sehen. Dabei steht die Inschrift „O! Heilige Maria, Mutter Gottes, Maria Schlossberg (sic!). Bitte bei Gott für uns in der Stunde des Todes.“ Diese Betstation soll vor 1750 errichtet worden sein. In welcher Weise sie mit dem Wallfahrtsort in Verbindung zu bringen ist, ist nicht bekannt. Sie könnte über Mähren in eine Pilgerroute eingebunden gewesen sein, eine West-Ost-Strecke südlich der österreichisch-mährischen Grenze ist aber auch nicht auszuschließen.Weiter östlich, in Groß Kadolz (OG Seefeld-Kadolz), steht die imposanteste Schoßberg-Statue Niederösterreichs, die 1745 Gräfin Maria Rosa von Hardegg, geborene Cavriani, errichten ließ. Auf doppelten, von einer verschlungenen Steinhegung umgebenen Volutensockeln sitzt die Kopie des Gnadenbildes, bekrönt und mit allem Schmuck behangen (S1, Abb. 14). Ob eine Verbindung zum Wallfahrtsgeschehen besteht, konnte bisher nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich war die familiäre Nähe zum Hof für die Wahl gerade dieses Bildes ausschlaggebend. Der Onkel der Gräfin, Friedrich Lorenz Graf Cavriani (1687–1745), war am Hof Kaiser Karls VI. Silberkämmerer, und seine ihm 1741 angetraute Frau Maria Rosa, geborene Gräfin Stürckh (1708–1784), war erst Hoffräulein und dann Hofdame Maria Theresias. Aufgrund dieser Beziehungen zur Kaiserfamilie liegt die Verbundenheit mit dem Wallfahrtsort Maria Schoßberg nahe.
Dass von Poysdorf aus ab 1732 regelmäßig Wallfahrten nach Maria Schoßberg durchgeführt wurden, ist überliefert.
Man zog über Großkrut, Alt-Liechtenwarth, Hausbrunn und Hohenau über die March ins Oberungarische, heute Slowakische. Nördlich von Poysdorf liegt an einem Feldweg die barocke „Einsiedelkapelle“. Hier befand sich eine Holzkopie des Gnadenbildes (S3, Abb. 15), die in den 1960er-Jahren nach einem Einbruch, bei dem der Opferstock zerstört worden war, zur Sicherung in einer anderen, nicht so abgelegenen Kapelle aufgestellt wurde. Obwohl die Kapelle abseits des Pilgerweges steht, scheint hier der Ausgangspunkt für die Wallfahrt gewesen zu sein, worauf auch der Opferstock hinweist. Die Hohenauer Prozession nach Maria Schoßberg ist seit alters her belegt und wird heute wieder durchgeführt. Bereits 1744/45 findet sie in den Kirchenrechnungen Erwähnung. Nach Überquerung der Marchbrücke mussten weitere 25 Brücken im Inundationsgebiet durchschritten werden. Wahrscheinlich schlossen sich auch Menschen aus den umliegenden Orten an, denn im Mirakelbuch wird eine Gebetserhörung eines Bewohners von Reinthal gemeldet.Ein weiterer Weg würde sich nach den einzelnen Nennungen verschiedener Orte vielleicht auch etwas südlich abzeichnen. Das Mirakelbuch nennt Wallfahrer*innen aus Altenburg bei Horn. Heute steht auf dem Friedhof eine Säule aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die angeblich früher beim Ortseingang postiert gewesen sein soll
(S12, Abb. 16). Etwa hundert Jahre jünger ist eine Kreuzsäule am Weg neben dem Stift zum Kamp (S54). Sie wurde 1837 von der Familie Patzl gestiftet. Beide sind vom Motiv her – trauernde Gottesmutter mit dem waagrecht liegenden Leichnam ihres Sohnes mit herabhängendem Arm auf dem Schoß – sehr ähnlich, aber nicht mit Kronen ausgestattet. Vom Typus ähnlich sind auch die Aufsätze auf einer Säule und einem Pfeiler bei Röschitz. (S7) Die Jaheszahl auf der Säule, 1734, bezieht sich auf eine Renovierung; stilistisch ist sie noch im 17. Jahrhundert anzusiedeln, also ist sie wahrscheinlich zu alt, um mit Maria Schoßberg in Verbindung gebracht zu werden. In Frauendorf an der Schmida (OG Sitzendorf) steht an der Straße nach Gettsdorf eine Säule, die 1741 datiert sein soll. (S5) Neben dem breiten Volutensockel und dem ungewöhnlichen Kapitell trägt sie als Aufsatz eine Pietà-Gruppe, zwar ohne Krone und Schmuck, die ansonsten jedoch große Ähnlichkeit mit dem Schoßberger Gnadenbild aufweist.Auch aus der Hollabrunner Katastralgemeinde Altenmarkt im Thale müssen Pilger*innen in Maria Schoßberg gewesen sein, denn das Mirakelbuch vermeldet für diesen Ort ein Wunder.
Etwas nordöstlich, in Oberstinkenbrunn (OG Wullersdorf), steht am Eingang der Schlossbergkellergasse eine hohe Säule aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die als Aufsatz eine eindeutige Kopie des Gnadenbildes von Maria Schoßberg mit Krone und reichem Schmuck trägt (S2, Abb. 17). Hintergründe zu diesem Objekt waren nicht zu erfahren, die Herrschaft befand sich damals im Besitz der Kartause Gaming. Mistelbach wäre in Bezug auf Maria Schoßberg und eventuelle Gebetserhörungen als „Negativbeispiel“ zu erwähnen. Dort hat, ebenso wie in Oberleis und Mariazell, laut Überlieferung eine erbetene Heilung nicht stattgefunden. Erst das Gebet vor der „Gruftmadonna“, heute in der Mistelbacher Pfarrkirche aufgestellt, brachte Hilfe. Dafür meldet das Mirakelbuch für Wilfersdorf nächst Mistelbach eine wundersame Heilung.Auf jeden Fall zogen Pilger*innen aus dieser Gegend über die Grenze nach Oberungarn. Das Gnadenbild Maria Schoßberg aus dem 19. Jahrhundert findet sich in der Hummelkapelle (S9) in Niedersulz (OG Sulz im Weinviertel), die zwischen 1800 und 1850 errichtet wurde.
Von hier führt der Weg nach Hohenau, wo die March Richtung Sasvár überschritten werden konnte. Serfőző zählt in seiner Liste auch einige Orte die March abwärts auf: Drösing, Ebenthal, Marchegg und Wolfsthal, die ebenfalls einen Pilgerweg den Fluss entlang ergäben. Bildstöcke mit dem Maria Schoßberger Gnadenbild sind hier bisher nicht erhoben worden.- Abb. 14: Schoßbergmadonna, Groß Kadolz. Foto: Alexander Szep.
- Abb. 15: Gnadenbildkopie Schoßberg aus Einsiedelkapelle Poysdorf. Foto: www.marterl.at (Christoph Loley).
- Abb. 16: Altenburg, Friedhof. Foto: Alexander Szep.
- Abb. 17: Oberstinkenbrunn (OG Wullersdorf). Foto: Johann Six.
Maria Dreieichen
Die Situation der Dreieichen-Bildstöcke stellt sich völlig anders dar als die der übrigen an Wallfahrtsorte erinnernden Objekte. Zum einen gibt es davon eine sehr große Anzahl – über 85 Säulen, Pfeiler und Kapellen –, zum anderen sind sie nur im nördlichen Niederösterreich zu finden, und auch hier konzentriert sich die größere Zahl auf einen eher begrenzten Raum im weiteren Umfeld des Gnadenortes. (Karte 3) Bei keinem anderen Wallfahrtsort im deutschsprachigen Raum gibt es so viele gleichartige Steinplastiken eines Gnadenbildes. Sie stehen an Ortsausgängen, Straßen und Feldwegen und manchmal mitten in den Fluren an früher häufig begangenen, heute nicht mehr erkennbaren Wegen, die Pilger*innen einst benutzten.
Der Bericht über den Brünner Mariazellweg von Ferdinand Paték bestätigt, dass man „hinter Dreieichen mitten durch Felder und Wiesen, auf Feldwegen“ gegangen ist.Ein solches Objekt auf einem vergessenen Pilgerpfad steht südöstlich von Sitzendorf an der Schmida an einem verwachsenen Feldweg in der Ried „Im See“, tatsächlich in der Einschicht (D8, Abb. 18, 18a). Diese eindrucksvolle, große Dreieichengruppe mit vergoldeten Kronen und Kleidersaum stammt aus dem Jahr 1731.
Ebenso abgelegen platziert ist ein barocker Grabstein in Zweitverwendung mit dem Halbrelief des Gnadenbildes an der Böschung eines stillgelegten Hohlweges bei Ebersbrunn (OG Hohenwarth-Mühlbach) (D7, Abb. 19). Die große Anzahl an Kopien der Pietà von Maria Dreieichen auf Kleindenkmälern und deren räumliche Konzentration auf einen relativ begrenzten Raum ist durch die Existenz der zahlreichen Steinbrüche um Eggenburg und die damit einhergehende Steinmetztradition zu erklären. Der hier weit verbreitet vorkommende Zogelsdorfer Kalksandstein wird wegen seiner leichten Bearbeitbarkeit seit dem Mittelalter als Bau- und Skulpturstein genutzt. Daher entwickelte sich in dieser Gegend eine überaus rege Steinmetzindustrie, die ihre Produkte im aufkommenden Wallfahrtsgeschehen in Maria Dreieichen im 18. und 19. Jahrhundert sehr geschickt zu vermarkten wusste.- Abb. 18: Sitzendorf an der Schmida. Foto: Alexander Szep.
- Abb. 18a: Sitzendorf an der Schmida, Lage des Bildstocks am Pilgerweg. Foto: Alexander Szep.
- Abb. 19: Ebersbrunn (OG Hohenwarth-Mühlbach). Foto: Alexander Szep.
Man kann Maria Dreieichen durchaus als lokale Wallfahrt bezeichnen. Durch die Einbindung in den Mariazeller Wallfahrtsweg der Mährer*innen und Böhm*innen erlangte es aber auch eine räumlich darüber hinausgehende Bedeutung. Der Besuch der Brünner Prozession wird 1764 im Mirakelverzeichnis angeführt, ebenso 1743 jener einer Prozession aus Königgrätz in Böhmen.
Belegt ist auch, dass die Znaimer*innen bereits im 18. Jahrhundert Maria Dreieichen als Wallfahrtsziel besuchten. Nach 1784 brachte die Schließung der alten, beliebten Wallfahrtskirche Maria im Biri (Gebirge) in Sallapulka einen größeren Zustrom an Besucher*innen. Dass die Bedeutung von Maria Dreieichen in seiner Frühzeit eher lokal war, sieht man auch daran, dass es in den Historien der Pfarren, die in den Geschichtlichen Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt aufgearbeitet wurden, nur einmal als Wallfahrtsziel genannt wird, Maria Taferl dagegen fünfzehn Mal.Für die Barockzeit kann man, abgesehen von der Mehrortewallfahrt nach Mariazell, einen sternförmigen Zulauf von Pilger*innen aus der näheren Umgebung beobachten. Hier finden sich auch die alten Bildstöcke aus dem 17. und 18. Jahrhundert im Bereich zwischen Fuglau (OG Altenburg), Rodingersdorf (OG Sigmundsherberg), Sitzendorf an der Schmida und Minichhofen (OG Ravelsbach).
Es ist allerdings schwierig, sie eindeutig mit Prozessionen einzelner Orte in Verbindung zu bringen, da archivalische Unterlagen fehlen oder schwer zugänglich sind. Von den Pfarrerhebungen der Diözese Passau 1731 liegen einzelne Auskünfte in diözesanen Pfarrakten vor, jedoch scheint Maria Dreieichen, soweit solche Unterlagen bearbeitet sind, noch nicht unter den Prozessionen auf. Über Wallfahrten, vor allem im 19. Jahrhundert, würden Pfarrgedenkbücher sicher Auskunft geben, allerdings sind diese offiziell nur mit bischöflicher Einzelgenehmigung einsehbar und liegen oft nicht in den Diözesanarchiven, sondern noch in den einzelnen Pfarren. Man kann aber davon ausgehen, dass die meisten der auf Maria Dreieichen bezogenen Kleindenkmäler im Barock von einer Ortsgemeinschaft in Verbindung mit einem Wallfahrtsgelübde errichtet wurden. Das konnte sowohl im eigenen Ort, als auch irgendwo unterwegs erfolgen. Um die möglichen Wege zum Gnadenort zu rekonstruieren, können vorhandene Aufzeichnungen, der Nachweis alter Prozessionsfahnen oder eben auf Wallfahrt bezogene Kleindenkmäler helfen.Die beiden ältesten Bildpfeiler mit dem Dreieichen-Motiv als Tabernakelrelief finden sich bei Sigmundsherberg und Sitzendorf. Sie sind stilistisch typisch für die Zeit des späteren 17. Jahrhunderts. Jener in Rodingersdorf (OG Sigmundsherberg) steht in den Feldern an der Straße Richtung Geras
(D3, Abb. 20). Dies war der Weg, der die Einwohner*innen von Langau in den Gnadenort führte. Die Langauer Dreieichen-Wallfahrt ist ‚uralt‘, das textile Gnadenbild, Reste einer heute nicht mehr vorhandenen Prozessionsfahne, hängt heute im Pfarrhof. Ein ähnlicher Bildstock befindet sich am Ende einer Kellergasse bei Roseldorf (OG Sitzendorf an der Schmida) und ist der Heiligen Dreifaltigkeit (Relief Sonntagberger Gnadenstuhl) und der Schmerzhaften Mutter gewidmet, könnte also mit der Mehrortewallfahrt nach Mariazell, die oft auch über den Sonntagberg führte, in Zusammenhang zu bringen sein (D4, Abb. 21). Auch vom Süden her führten Pilgerwege nach Maria Dreieichen. Einer soll von Krems über Lengenfeld, Tautendorf, bei Rosenburg über den Kamp und weiter von Mold hinauf zum Gnadenort geführt haben. Auf dieser Strecke wurden vor Mold keine auf den Wallfahrtsort bezogenen Kleindenkmäler gefunden. Vielleicht stammt aber jene kleine Dreieichen-Gruppe, die in Thunau in einem Depot gefunden und auf einem alten Schaft in der Nähe des Friedhofs neu aufgesetzt wurde, von diesem Weg. (D27)- Abb. 20: Rodingersdorf (OG Sigmundsherberg). Foto: Alexander Szep.
- Abb. 21: Roseldorf (OG Sitzendorf an der Schmida). Foto: Alexander Szep.
Ein weiterer Weg nahm die Strecke über das Kamptal. Hier soll der Markt Hadersdorf eine Wallfahrt nach Dreieichen gelobt haben.
An der Straße von Zöbing nach See markiert ein alter Pfeiler mit einer wohl barocken Dreieichen-Gruppe zwischen Äckern und Weingärten den alten Wallfahrtssteig. (D23) Diese Weiterverwendung alter Schäfte, meist aus dem 16. Jahrhundert, als Sockel für kleine Steinplastiken des Gnadenbildes an Stelle des früheren Tabernakels gebraucht, dürfte im 18. Jahrhundert verbreitet gewesen sein. Zwischen Schönberg und Stiefern waren für die Pilger*innen, wie zuvor ausgeführt, Kreuzwegstationen zur Kreuzweggruppe oben auf dem Berg errichtet worden. An den Breitpfeilern, die von der anderen Seite, von Stiefern her hinaufführten, beteten die Wallfahrer*innen, die nach Mariazell unterwegs waren. An einer Weggabelung bei Kotzendorf steht ein gemauerter Bildstock, durch die Inschrift als „Raaberkreuz“ aus 1597 gekennzeichnet, der mit einem spätbarocken Relief der Gnadenmutter versehen wurde. (D2) Ein barocker Breitpfeiler markiert zwischen Gars und Zaingrub mit einer (erneuerten) Dreieichen-Gruppe den Weg. (D15) Auch in Mörtersdorf (OG Rosenburg-Mold) weist eine Säule mit einem Pietà-Aufsatz aus dem frühen 19. Jahrhundert den Weg nach Maria Dreieichen. (D52)Auch vom Süden her, vielleicht aus der Tullner Gegend, könnte eine weitere Route bestanden haben. Über Absdorf, Kirchberg am Wagram – bis in die josephinischen Zeiten ein marianischer Wallfahrtsort – könnte von Ottenthal (OG Groß Riedenthal), wo das heute versetzte „Hutzlerkreuz“ (D57, Abb. 22) mit Aufsatz des Gnadenbildes an einer Hohlwegkreuzung stand, an einer Dreieichen-Säule aus dem 19. Jahrhundert vorbei, ein durch die Kommassierung verlorener Weg nach Neudegg geführt haben (D70, Abb. 23). Von dort ging man, wohlgemerkt nicht nur in Wallfahrtsangelegenheiten, noch im 19. Jahrhundert Richtung Eggenburg oder Hollabrunn auf Feld- und Hohlwegen über Ebersbrunn (D7), Groß Meiseldorf, Minichhofen (D11, Abb. 24), Limberg (D69) und Straning (D50) Richtung Norden.
In all diesen bzw. nahe all dieser Ortschaften findet man Dreieichen-Bildstöcke. Dazwischen könnte ein Weg auch über Hohenwarth (OG Hohenwarth-Mühlbach) geführt haben, wo eine Säule aus dem Jahr 1883 steht (D60, Abb. 25), die nahezu ident ist mit jener in Zogelsdorf (1885 durch Steinmetzmeister A. Heichinger errichtet). (D62) Eine Alternative wäre die Strecke über Radlbrunn. Dort existiert eine Dreieichen-Gruppe, angeblich aus 1820, auf einem neueren Pfeiler aufgesetzt. (D45) Über Ziersdorf mit einem Pietà-Aufsatz auf altem Pfeiler (D12), bezeichnet 1826, wird der Pilgerweg vor Parisdorf (OG Ravelsbach) von einer Wegkapelle samt Gnadenstatue und Opferstock (D75) gesäumt, die bereits in der Josephinischen Landesaufnahme eingezeichnet war. Weiter führt die Route über Maissau hinauf auf den Manhartsberg zum Gnadenort auf dem Molderberg.- Abb. 22: Bildstock Hutzler, Ottenthal (OG Großriedenthal). Foto: Walpurga Oppeker.
- Abb. 23: Ottenthal (OG Großriedenthal). Foto: Sigrid von Osten.
- Abb. 24: Minichhofen (OG Ravelsbach). Foto: Walpurga Oppeker.
- Abb. 25: Hohenwarth (OG Hohenwarth-Mühlbach). Foto: Walpurga Oppeker.
Aus dem Waldviertel führten zahlreiche Pilgerrouten zum Gnadenort. 1737 ist eine Prozession aus Hardegg, an der Grenze von Waldviertel, Weinviertel und Mähren, erstmals belegt.
Hier führte der Weg wohl über Weitersfeld, vielleicht Obermixnitz, dessen Säule „zur Ehre der schmerzhaften Mutter Gottes Maria Dreieichen“ (D56) erst 1870 gestiftet wurde , nach Theras, wo 1831 nach der Cholera-Epidemie eine Wallfahrt gelobt worden war. Von hier kam man vorbei an Rodingersdorf (OG Sigmundsherberg) mit seinem alten Bildstock (T3, Abb. 20). Aus Hollenbach (OG Waidhofen an der Thaya) wurden frühestens ab 1900 regelmäßige Prozessionen nach Maria Dreieichen unternommen. Auf dieser Route liegt auch Groß Siegharts, wo seit 1853 die Wallfahrt belegt ist. Die dort vorhandene Prozessionsfahne stammt bereits aus dem Jahr 1850. Die weitere Route führte wahrscheinlich über Kirchberg an der Wild, wo in der Katastralgemeinde Schönfeld am Ortsanfang und -ende je ein Bildstock mit dem Dreieichen-Motiv steht, nach Göpfritz. Hier wird wohl auch die alljährliche Prozession aus Weinpolz (OG Göpfritz) durchgepilgert sein, die Gregorius Grueber 1747 in seinem Mirakelbuch meldet. An genannter Strecke liegt auch St. Marein (OG Brunn an der Wild), wo eine Kirchenfahne Prozessionen nach Maria Dreieichen dokumentiert. Wahrscheinlich konnte man auf Feldwegen über Horn weiter nach Dreieichen pilgern. In Horn steht in der Raabserstraße, neben der Altöttinger Kapelle, ein Bildpfeiler aus dem späten 17. Jahrhundert, der eine Tafel mit dem Bild der Gnadenmutter trug. Vielleicht war hier der Ausgangspunkt der Horner Wallfahrt, die heute noch durchgeführt wird. (D6)Mit Wegkapellen und Bildstöcken gut bestückt ist der Pilgerweg von Altpölla und Neupölla nach Maria Dreieichen. In der Pfarrkirche Neupölla hängen zwei Prozessionsfahnen mit dem Bild der Gnadenmutter. Das Gotteshaus ist älter, jedoch erst seit 1784 eine Pfarrkirche; davor war es von Altpölla aus mitbetreut worden. Zwischen 1756 und 1768 sind regelmäßige Wallfahrten am St. Veitstag nach Dreieichen sicher belegt.
An der Böhmerwaldstraße Richtung Horn begleiten drei Wegkapellen den Pilgerweg. Nach Neupölla, auf der Höhe der Langthalermühle, steht eine solche mit altertümlich geschweiftem Giebel. (D77) Sie soll allerdings früher eine Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit enthalten haben. Heute sieht man dort an der Rückwand das Bild der Gnadenmutter von Dreieichen über den Armen Seelen im Fegefeuer. Es ist eine Kopie des Bildes aus der nächsten Wegkapelle, die östlich von Ramsau (OG Pölla) steht. (D78) Vor Fuglau (OG Altenburg) wurde 1965 das „Hahnkreuz“ wegen einer Straßenerweiterung in der alten Form neu errichtet (D79, Abb. 26). Es enthält eine fein gearbeitete Dreieichen-Steingruppe aus dem Vorgängermarterl. Am östlichen Ortsende von Fuglau befindet sich das sogenannte „Barbarakreuz“ aus 1769 (D13, Abb. 27) mit einem Sandstein-Dreieichen-Bild auf hohem Steinpfeiler. Interessant ist, dass gegenüber eine Säule, bezeichnet 1749, mit dem Gnadenbild Maria Taferls postiert ist (T31, Abb. 12). Nach Altenburg, in Burgerwiesen (OG Altenburg), befindet sich die nächste Gebetsstation entlang der Wallfahrtsstrecke, nämlich ein älterer Pfeiler mit 1806 durch Joseph und Barbara Pranberger aufgesetzter Dreieichen-Gruppe. (D24)Gut dokumentiert, aber wenig mit entsprechenden Kleindenkmälern bestückt, ist der Wiener Wallfahrtsweg nach Maria Dreieichen.
In der Pfarre St. Leopold im 2. Bezirk wurde 1847 ein „Wallfahrtsverein Maria Dreieichen“ gegründet, dessen jährliche Wallfahrt am ersten Samstag im August auch heute noch durchgeführt wird. Unterwegs wurde in jeder durchquerten Ortschaft in den Gotteshäusern zu den jeweiligen Kirchenpatron*innen oder vor einem Gnadenbild gebetet. In St. Leopold wird noch heute die alte blaue Prozessionsfahne aus 1847 mit der Pietà-Darstellung aufbewahrt. Eine weitere ist vor 1860 entstanden, die dritte ließ der Dreieichen-Verein 1884 anfertigen. Entlang dieser Strecke steht in Ziersdorf ein alter Pfeiler, bekrönt mit einer Dreieichen-Gruppe, bezeichnet 1826. (D30) Eine imposante Säule mit einer ausdrucksvollen Dreieichen-Pietà, wohl aus dem späten 18. Jahrhundert, östlich von Zogelsdorf, bei Etzmannsdorf (OG Burgschleinitz-Kühnring), könnte ebenfalls den Weg von Pilger*innen geziert haben (D46, Abb. 28). Auch in Zogelsdorf steht an einer Wegkreuzung eine Säule aus dem 19. Jahrhundert, die der Steinmetzmeister Anton Heichinger 1885 gestiftet und wohl auch gefertigt hat. (D62) Außerhalb von Stockern kommt die Prozession noch an einem Postament mit einer großen Gruppe der Pietà von Dreieichen vorbei (D10, Abb. 29). Hier fehlt die bei kleinen Gruppen in der Regel obligate Baumgruppe im Hintergrund. Die „Dicke Marter“ trägt die Inschrift: „O Christ geh nicht vorbei / bevor du Jesus und Maria gegrüßt.“ Dass der Weg aus Wien zum Gnadenort mit Ausnahme der näheren Umgebung von Maria Dreieichen nicht mit Bildstöcken mit diesem Motiv bestückt ist, kann wohl mit dem Wirkungsbereich der Steinmetzindustrie im Raum Eggenburg-Zogelsdorf in Zusammenhang gebracht werden.- Abb. 26: Fuglau (OG Altenburg). Foto: Walpurga Oppeker.
- Abb. 27: Fuglau (OG Altenburg). Foto: Walpurga Oppeker.
- Abb. 28: Etzmannsdorf (OG Straning-Grafenberg). Foto: Alexander Szep.
- Abb. 29: Stockern (OG Meiseldorf). Foto: Walpurga Oppeker.
Die Wallfahrten aus dem Weinviertel nach Maria Dreieichen dürften erst mit der neuen Welle der Frömmigkeit im frühen 19. Jahrhundert stärker aufgekommen sein, denn alle Kleindenkmäler mit Dreieichen-Bezug, von denen es einige gibt, stammen aus dem 19. Jahrhundert. Vor allem das Pulkautal fällt in dieser Hinsicht auf. Eine Wallfahrt aus Zwingendorf (OG Groß Harras) ist bereits 1844 belegt. Sie findet heute noch statt und startet bei einem Breitpfeiler mit Dreieichen-Bild (D88), auch die alte Prozessionsfahne mit dem Gnadenbild wird dabei mitgeführt.
Der Weg durch das Pulkautal wird von Säulen mit Dreieichen-Gruppen von Obritz (D91) über Untermarkersdorf (beide OG Hadres) (D92), Alberndorf (D64), Auggenthal (OG Haugsdorf) (D54) bis nach Zellerndorf (D61) begleitet. Die meisten dieser Objekte, alle aus dem 19. Jahrhundert, tragen eine Stifter*inneninschrift und das Aufstellungsdatum. Sie könnten durchaus auch einzig aus einem persönlichen Frömmigkeitsakt heraus initiiert worden sein. Zeitpunkt und Lage an einer bekannten Pilgerstrecke lassen doch auf eine Verbindung zur Wallfahrt schließen. Im 19. Jahrhundert haben wohl vermehrt Einzelpersonen die Heiligung des Weges übernommen, im 17. und 18. Jahrhundert darf man eher an eine Ortsgemeinschaft als Errichterin von Wallfahrtsbildstöcken denken. Bei Zellerndorf führt der alte Pilgerweg, passend als Raststation, in einer Kellergasse an der Statue „Heiland in der Rast“ vorbei. Vor dem ersten Weltkrieg wurde diese Strecke – neben etlichen anderen Gemeinden im Umkreis – auch von den Mailberger*innen zu Fuß zurückgelegt. Ab 1950 wurde die Wallfahrt per Lastkraftwägen, später mit dem Bus unternommen.Ebenso ist aus Hohenau eine Wallfahrt nach Dreieichen bekannt. Über diesen Ort kamen auch die Pilger*innen aus Oberungarn.
Über Poysdorf und Staatz dürfte die Route über Stronsdorf, Wullersdorf, Roseldorf, Stoitzendorf und Eggenburg nach Maria Dreieichen geführt haben. Hier finden sich erst in der näheren Umgebung des Gnadenortes Bildstöcke mit dem Gnadenbild: ein älterer noch aus dem 17. Jahrhundert bei Roseldorf (D4, Abb. 21), in Wartberg eine Säule aus 1836 (D89), eine weitere aus dem 19. Jahrhundert in Stoitzendorf (D65), und zuletzt die große barocke Gruppe bei Stockern (D10, Abb. 29). Die bereits 1747 gelobte Wallfahrt der Mitter- und Obergrabner*innen führte ebenfalls an diesen Stationen vorbei. Von Poysdorf ist bekannt, dass mindestens ab 1880 auch nach Dreieichen gepilgert wurde. Ob sich den Poysdorfer*innen die benachbarten Wetzelsdorfer*innen anschlossen, die um diese Zeit eine Wallfahrt wegen Weingartenschädlingen gelobt hatten, konnte nicht eruiert werden.Résumé
In Niederösterreich gibt es drei bedeutende Wallfahrtsorte mit dem Motiv der Pietà als Gnadenbild: Maria Taferl, Maria Dreieichen und Maria Lanzendorf. Was nun deren Präsenz auf Kleindenkmälern betrifft, sticht hier Maria Dreieichen durch eine sehr große Anzahl besonders hervor. Die Objekte, Pfeiler, Säulen und Wegkapellen aus dem späten 17. bis 19. Jahrhundert beschränken sich auf das nördliche Niederösterreich, wobei sich die barocken Stücke eher in einem geografisch engeren Raum um den Gnadenort herum konzentrieren. Der Grund für die hohe Präsenz dieser Denkmäler liegt sicher in der Nähe zu den Sandsteinbrüchen in der Umgebung von Eggenburg, die von mehreren Steinmetzbetrieben genutzt wurden, welche in der sich verbreitenden Wallfahrt eine gute Gelegenheit sahen, ihre Produkte zu vermarkten. Häufig wurden kleine Statuengruppen auf alte Pfeiler, deren Tabernakel verloren gegangen waren, aufgesetzt. Wieso es im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert noch so viele beschädigte Marterln gab ist nicht klar, denn die landesfürstlichen Anordnungen von 1650 und 1688 hatten verlangt, dass durch Kriegswirren zerstörte Kreuze und Kreuzsäulen wieder aufzustellen seien.
Im 19. Jahrhundert wurden stilistisch dem 17. Jahrhundert angepasste hohe Säulen mit Aufsätzen des Gnadenbildes von Maria Dreieichen errichtet. Sie sind vor allem im Weinviertel zu finden. Hier kann man sie gesichert mit Wallfahrtsrouten in Verbindung bringen. Im Kerngebiet werden sie wohl auch von Bewohner*innen einzelner Ortschaften entlang der Pilgerwege, die traditionell nicht längs der Hauptstraßen, sondern über Feld- und Hohlwege führten, gesetzt worden sein. Durch die Kommassierung der Felder sind diese heute oftmals nur durch Postierung von Wallfahrtsbildstöcken irgendwo im Gelände nachzuvollziehen.Der Wirkungsbereich von Maria Lanzendorf dürfte sich allein auf das Wiener Umland beschränkt haben. Es sind keine Bildstöcke mit diesem Motiv bekannt.
Der größte Wallfahrtsort im Hinblick auf seinen Einflussbereich ist Maria Taferl. Durch die markante Lage an der Donau entlang der wichtigsten Ost-West-Verkehrsachse im Land sowie durch die Einbindung in viele der großen Mariazell-Prozessionen ist der Wirkungsbereich Maria Taferls wesentlich erweitert worden. Vor allem nach der großen Pestepidemie von 1679 suchten sehr viele Ortschaften durch Prozessionen bei diesem Gnadenbild Hilfe, oder man dankte für den erhaltenen Schutz. Abgesehen von den Darstellungen des Bildes auf Mehrortewallfahrtspfeilern gemeinsam mit jenen von Mariazell und vom Sonntagberg findet man auch einige Objekte mit der Nachbildung der Gnadenstatue Maria Taferls, die von größeren Gemeinden auf dem Weg zum Gnadenort aufgestellt worden waren.
Überraschend ist die Präsenz des damals oberungarischen, heute slowakischen Wallfahrtsortes Maria Schoßberg (Šaštin, Sasvár) in Niederösterreichs Kleindenkmälern. Dass dieses Wallfahrtsziel nahe der österreichischen und mährischen Grenze im 18. Jahrhundert auch von Niederösterreich aus und nicht nur von den dort ansässigen Menschen gerne besucht wurde, ist fast in Vergessenheit geraten. Um jene Objekte wieder bekannt zu machen und ihre Bedeutung im barocken Wallfahrtsgeschehen Niederösterreichs ins Gedächtnis zu rufen, wurde dieser heute außerhalb der österreichischen Staatsgrenzen gelegene Pilgerort in die Untersuchung miteinbezogen.
Die hier vorgelegten Studien zeugen vom großen Potenzial dieser Objektgruppe hinsichtlich eines tieferen Verständnisses zur Rekonstruktion von Einzugsgebieten der jeweiligen Wallfahrtsorte unter Einbeziehung spezifischer Prozessionsrouten, womit Klein- und Flurdenkmäler einen wesentlichen Beitrag in der Untersuchung der vielfältigen Verflechtung von Wallfahrt und Regionalität in der Neuzeit bieten können. Darüber hinaus liefern sie diverse Anknüpfungspunkte, um Themen neuzeitlicher Medienkultur und Frömmigkeitspraktiken zu beforschen: Angefangen bei Auftraggeberschaften und Entstehungszusammenhängen unter Berücksichtigung der dabei beteiligten Künstler*innen und Handwerker*innen, über Pflege und Erhalt der Denkmäler sowie bildstockspezifische Gepflogenheiten in der Frömmigkeitspraxis, bis hin zum Aufstieg mancher Kleindenkmäler zu eigenständigen Wallfahrtsorten, wie dies hier am Beispiel von Maria Taferl und Maria Dreieichen thematisiert wurde. Vieles davon ist bislang nur punktuell erhoben; es fehlen noch systematische Quellenstudien, die solch vergleichende Forschungsansätze ermöglichen würden. Der vorliegende Beitrag möge als Impuls in diese Richtung verstanden werden.